Leo Thun an Joseph Alexander Helfert
Tetschen, 19. Oktober 1853
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Regest

Leo Thun teilt Joseph Alexander Helfert mit, dass er später als geplant in das Ministerium zurückkehren wird. Sein Gesundheitszustand erlaubt es ihm derzeit nicht, nach Wien zurückzukehren. Er beantragt daher bei Graf Buol-Schauenstein eine Verlängerung seines Urlaubes. Thun bedauert sehr, dass dadurch auch der Urlaubsantritt von Helfert hinausgeschoben wird. Der Minister plant, bald nach Smečno abzureisen und bittet, künftig alle Sendungen dorthin zu schicken. Dort will er auch mit dem Statthalter von Böhmen, Karl Mecsery von Tsoor, zusammentreffen und im Streit zwischen jenem und Bischof Augustin Hille vermitteln. Thun legt dem Brief einige Anträge bei, die den ordnungsgemäßen Aktengang nehmen sollen. Dabei hebt er besonders das Gesuch eines jungen Lehrers hervor, von dessen Talent Thun überzeugt ist, und den er für eine Stelle als Lehrer in Hermannstadt oder Kaschau vorschlägt.

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Schlagworte

Edierter Text

Tetschen den 19. Oktober 1853

Lieber Helfert!

Karlsbad hat mir diesmal die Hämörhoiden so aufgeregt, daß ich daran noch immer mehr zu leiden habe, als vor der Kur. Nachdem nun die Zeit vorüber ist, wo man nichts brauchen darf, um den Wirkungen des Wassers nicht in die Quere zu kommen, habe ich begonnen einige Mittel zu brauchen, von denen die Ärzte mir versprochen, daß sie das Gleichgewicht wieder herstellen werden, für den Augenblick vermöchte ich aber noch nicht, mich dem Wiener Leben zu unterziehen. Ich bin dadurch in die mir recht unangenehme Nothwendigkeit versetzt, um eine Verlängerung meines ohnehin langen Urlaubes anzusuchen, ich bitte Sie zu dem Ende den mitfolgenden Brief an den Grafen Buol adressieren und abgeben zu lassen. Ich hoffe zuversichtlich spätestens Ende dieses Monates in Wien einzutreffen. Ich bleibe noch einige Tage hier und denke nächsten Montag wieder nach Smečno zu fahren; haben Sie die Güte anzuordnen, daß mir das tägliche Paket sodann bis auf weitere Weisung dorthin gesendet werde.
Abgesehen von anderen Gründen ist mir diese Verzögerung meiner Rückkehr auch deshalb besonders peinlich, weil ich besorge, daß auch Sie schon der Erholung recht sehr bedürfen werden und mein Aufschub Ihnen daher in hohem Grade lästig sein wird. Allein was hilft's wenn ich zurückkehre, ehe ich im Stande bin, Ihnen die ganze Last wieder abzunehmen!
Ich habe gestern mit dem Bischof von Leitmeritz hier lange Unterredungen gehalten, und hoffe in Smečno Mecsery zu sprechen und die bedauerlichen Reibungen zwischen beiden, dadurch wieder auf eine Weile zu beschwichtigen.
Ich schließe noch einiges bei
Gesuch des Gymnasiallehrers Petri aus Tarnow zur ordnungsmäßigen Verhandlung.
Ein Schreiben des Fürsten Liechtenstein desgl.
Brief und Eingabe des Wenzl Weber; der Mann ist mir von mehreren verläßlichen Seiten sehr empfohlen worden; auch habe ich einen Aufsatz von ihm gesehen, der geistreiche Auffassung von Geographie und Geschichte beweist, wenn auch noch ungenügende Durchbildung. Ich habe Ursache zu glauben, daß er eine besonders in pädagogischer Beziehung schätzbare Lehrkraft für die unteren Klassen an einem Gymnasium wäre, an dem es sich zunächst vor allem um völlige Verläßlichkeit in jeder Beziehung handelt, und ermächtige Kleemann das Geeignete einzuleiten, um ihn für Hermannstadt oder Kaschau [Košice], wenn dort noch Noth am Mann ist, zu gewinnen.
Endlich ein Päckchen an meinen Bruder, dem ich Sie bitte den Inhalt obiger Zeilen mitzutheilen, da ich ihm heute nicht mehr schreiben kann.

Aufrichtig der Ihrige
Thun