Franz Effenberger an Leo Thun
Pilsen, 12. November 1853
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Regest

Der Schulrat Franz Effenberger informiert den Minister über die Ursachen für den Rücktritt Anton Walderts von der Supplentenstelle am Gymnasium in Eger. Für sein Ausscheiden gab es mehrere Gründe: Zunächst behagte ihm das Umfeld am Gymnasium wenig, auch die zugeteilten Fächer freuten ihn nicht besonders. Den Ausschlag gab jedoch Walderts Ansicht, dass das Lehramt am Gymnasium nicht mit seiner religiösen Einstellung und seinem Priesterberuf vereinbar sei. Unter diesen Umständen schien es das Beste, Waldert nicht zum Bleiben zu überreden. Im zweiten Teil des Briefes bittet Effenberger um Unterstützung des Supplenten Grus. Dieser hat sich um die Bibliothekarstelle am Joanneum in Graz beworben. Er wäre jedoch auch nicht abgeneigt, sich der Lehramtsprüfung für das Fach der deutschen Sprache und Literatur zu unterziehen und sich dem Lehramt zu widmen. Für die Vorbereitung darauf würde er allerdings ein Stipendium des Ministeriums benötigen. Effenberger beschreibt Grus als talentiert und fleißig.

Anmerkungen zum Dokument

Verweis auf A3 XXI D236.

Verweis auf A3 XXI D243.

http://hdl.handle.net/21.11115/0000-000B-DC7A-5

Schlagworte

Edierter Text

Euere Excellenz!

Die besondere Huld, mit welcher Euere Excellenz den Pater Waldert auszuzeichnen geruhten, verpflichtet den ehrfurchtsvollst Gefertigten folgendes zu hoher Kenntnis gehorsamst zu berichten.
Pater Waldert war am 6. des letzten Monats behufs des Antrittes der ihm überwiesenen Supplirung in Eger angelangt. Als Tags darauf der ehrfurchtsvollst Gefertigte dort gleichfalls ankam, fand er Waldert in großem Zwiespalt darüber, ob er die Supplirung antreten oder wieder in die Seelsorge zurückkehren solle. Er hatte die Aufnahme seitens des Lehrkörpers kalt gefunden und es hatte ihm geschienen, als halte man den Eintritt eines Geistlichen für den eines Spions. Es gelang nicht ganz, ihn deshalb vollkommen zu beruhigen. Er führte ferner an, man habe ihm Lehrfächer zugetheilt, welche vorzutragen er sich von vornherein nicht anheischig gemacht habe. Der ehrfurchtsvollst Gefertigte ordnete nun die Vertheilung so, daß Waldert sich damit ganz zufrieden erklärte. Nichtsdestoweniger gab er dem andern Lager die bestimmte Erklärung ab, daß er in Eger nicht bleiben könne und sich sofort wieder zurück nach Görgau begebe. Es beängstige ihn, gab er an, besonders der Umstand, daß sein Bischof, dem er doch ganz wie ein Werkzeug angehöre, seinen Eintritt in das Gymnasiallehramt entschieden mißbilligt habe; er finde ferner, der Boden am Egener Gymnasium, ja wahrscheinlich an sämtlichen Gymnasien, sey für kirchliche Zwecke und für die Thätigkeit des für sie allein betenden Priesters so wenig günstig, daß er es für seine Pflicht halte, seinen gleichgesinnten Freund, Pater Weber von Ludy, von jeder Bewerbung um ein Gymnasiallehramt abzuhalten. Hätte es befremden müssen, daß Waldert innerhalb weniger Stunden zu diesem Urtheile über Eger und die Gymnasien im Allgemeinen gekommen, wenn er nicht sichtlich in einer ungemein erregten und unklaren Stimmung gewesen wäre? So entging es doch andererseits nicht, daß er sich, ungeachtet einer bedeutenden höhern Bildung im theologischen und historischen Fache, der ihm am Gymnasium erwartenden Aufgabe nicht ganz gewachsen fühlen mochte. Auch äußerte er in dieser Richtung selbst Besorgnisse, die zu zerstreuen bei seiner großen Gewissenhaftigkeit nicht gelingen wollte. Unter diesen Umständen schien es dem ehrfurchtsvollst Gefertigten das Angemessenste Walderts Rücktritt durch Zureden nicht weiter zu behindern. Bei aller Anerkennung seiner Begabung, seines Charakters und der idealen Geistesrichtung, die das Höchste besonders auf dem kirchlichen Gebiete anstrebt, erschien er doch nicht als der für die Schule geeignete Mann, die eine sorgfältige Durchbildung in den Elementen der Wissenschaft, praktische Tüchtigkeit, ausdauernde sehr mühevolle Arbeit im scheinbar Kleinen erfordert und zugleich sich damit bescheidet, daß sie Geist und Herz des Knaben und Jünglings eben nur zur Aufnahme des Höhern befähigt.
Auf das besondere Ansuchen des Supplenten Grus in Eger wagt es der ehrfurchtsvollst Gefertigte anläßlich dieses gehorsamsten Pflichtschreibens eine unterthänigste Bitte zu unterbreiten. Grus ist Bewerber um die am Johanneum in Graz erledigte Bibliothekarstelle. Er würde sich sehr glücklich schätzen, diesen Dienstposten zu erhalten. Noch mehr aber, wenn ihm ein Staatsstipendium es möglich machte, in der Hauptstadt für die Lehramtsprüfung aus der deutschen Sprache und Literatur sich so vorzubereiten, wie er es in Eger ohne literarische Hilfsmittel und bei den alle seine Kraft fordernden Schularbeiten nicht imstande zu seyn behauptet. Grus wäre nach Talent, Lehreifer und nach seiner sonstigen Bildung einer solchen Begünstigung umso würdiger, als der Mangel an tüchtigen Lehrern der deutschen Sprache ungemein groß, ja das Lehrfach durch Geprüfte eigentlich gar nicht vertreten ist. Und gern möchte man Eger in diesem Fache einen tüchtigen, energischen Lehrer, wie es Grus werden dürfte, wünschen, theils wegen der örtlichen Sprachverhältnisse, theils wegen des Verlustes, den Eger durch Kawka und Mitteis erlitten hat. Der Verlust ist von den Schülern selbst tief empfunden. Leider wird der Ersatz kein Äquivalent werden.
Geruhen Euere Excellenz den Ausdruck der tiefsten Ergebenheit gnädig entgegenzunehmen, unter welcher der ehrfurchtsvollst Gefertigte sich zu zeichnen wagt.

Euere Excellenz!

Hochdero

gehorsamst ergebenster Diener
Effenberger

Pilsen, den 12. November 1853