Der Priester und Gymnasiallehrer Anton Waldert informiert Leo Thun über die Situation am Gymnasium in Kaschau und bittet den Minister, die Ausbildung an den Gymnasien stärker mit den Grundsätzen der katholischen Kirche in Einklang zu bringen. Zunächst gratuliert er Leo Thun zu dessen Namenstag und wünscht ihm ein langes Leben, damit er noch viele Jahre das Amt des Ministers ausüben könne. Waldert ist nämlich überzeugt davon, dass Thun sein Amt zur Freude aller Katholiken versehe. Thun gebühre die Ehre, das österreichische Unterrichtswesen reformiert zu haben. Anschließend dankt er Thun für die Berufung des P. Weber als Lehrer in Kaschau. In der Folge gibt er einen Teil eines Briefes dieses Paters wider. Jener spricht sich dort einerseits lobend über die Kenntnisse seiner Kollegen aus, allerdings beklagt er auch, dass ein Großteil derselben anstatt des christlichen Glaubens die klassische Antike als Basis der Bildung in den Gymnasien propagiere. Daher sei es notwendig, noch stärker als bisher auf die christliche Gesinnung der Lehrer zu achten.
Euer Excellenz!
Gnädigster Herr Minister!
Die Festfeier des heiligen Leo ist mir eine erfreuliche Veranlassung, um Euer
Excellenz meine ergebensten und aufrichtigsten Wünsche auszusprechen. Der
Allgütige verleihe Hochdenselben noch recht viele ungetrübte Lebensjahre und auf
weithinaus den hohen Beruf, den Euer Excellenz durch seine weise Fügung
gegenwärtig zur Freude aller loyalen Katholiken einnehmen. „Er“ gönne
Hochdenselben mehr und mehr das Glück den Neubau „unseres Unterrichtswesens“ in
seinen sich erfreulich ausgestaltenden Formen zu schauen. Gebührt doch Euer
Excellenz das unbestreitbar hohe Verdienst mit taktvoller Energie und Konsequenz
eine gründliche Umgestaltung des ganzen Unterrichtssystems angebahnt zu haben;
und wie „Alle“ ernst Gesinnten freudig hoffen, wird das große Werk zum Heile
Oesterreichs unter Hochderselben weisen Leitung zur wesentlichen Ausgestaltung
gebracht werden. Darinn [sic!] Gottes Schutz und Segen über Euer
Excellenz!!
Zugleich benütze ich diese Gelegenheit, um Hochdenselben meinen
innigsten Dank wegen der Anstellung meines Freundes des Pater Weber auszudrücken. Die Zeit wird Euer Excellenz
lehren, welchen gesinnungstüchtigen, reich begabten Priester Hochdieselben in
diesem Manne dem Lehramte gewonnen haben. Ich kann mirs nicht versagen einen
Passus aus einem Briefe, den mir Pater Weber
aus Kaschau [Košice] geschrieben, zur geneigten
Kenntnißnahme hier einfließen zu lassen. Er schreibt: „Meine Kollegen sind, was
Kenntnisse anbelangt, tüchtig, mit der christlichen Gesinnung aber … darum ist
es eben umso mehr zu beklagen, daß unsere philosophischen Seminare usw. nicht
Männern von bewährter christlicher Gesinnung, sondern da und dort solchen
überlassen sind, welche ‚den Geist des klassischen Alterthums in die moderne
Welt hineinzutragen‘ (Thatsache) als Aufgabe und Ziel der Philologie
proklamiren. Den jungen und doch schon faulen Zuständen unserer Gymnasien wird
die jüngste hohe Ministerialverordnung, wodurch die Überwachung des Unterrichtes
den Bischöfen mit anheimgestellt wird, nicht abhelfen. Der gute Wille und die
vortreffliche Gesinnung läßt sich nicht verkennen; aber er trifft nicht den
Knoten des Geschwüres. An der Vorbildung und Gesinnung der Lehrer ist das Meiste
gelegen …“
Indem ich Hochdieselben um ferneres Wohlwollen bitte, zeichne ich
mich mit der tiefsten Hochachtung
Euer Excellenz
herzlich ergebenster Diener
Pater Anton Waldert
Görkau, 9. April 1854