Karl Kuzmany, Professor an der evangelisch-theologischen Lehranstalt in Wien, skizziert die Geschichte der evangelischen Kirche Augsburger und Helvetischen Bekenntnisses in Ungarn, Siebenbürgen und den übrigen österreichischen Ländern seit der Reformation bis in das 19. Jahrhundert. Zentrale Themen dabei sind die Entwicklung der Organisation und Leitung der Kirchen. Großen Wert legt er auf die umfassende Darstellung der rechtlichen Stellung und der zugesicherten Rechte der Protestanten. Mehrfach führt er hierzu Rechtsquellen an und zitiert ausführlich aus diesen.
Kurzgefasste historische Darstellung der Verfassungsveränderungen der evangelischen Kirche im Kaiserstaate Oesterreich nach den verschiedenen Ländern und beiden Confessionen.
1. Die A.C. in Ungarn
Anfangs der Reformation und durch
das ganze XVI. Jahrhundert wurden die A.C. in Ungarn durch
die römisch-katholischen Erzbischöfe und Bischöfe gleichsam als Zweige ihrer
Diöcesen betrachtet und als „Hochwürdige Verehrungswürdige Brüder“ angesprochen
und behandelt. Die Graner Erzbischöfe Nic[olaus]
Olahus 1560 und Anton
Verantius 1573 und der Großwardeiner Bischof Gregor Bornemisza 1573 hießen nicht nur
die A.C. gut und bestärkten die Evangelischen bei ihr zu bleiben, sie nur vor
den Sacramentariern warnend; sondern unterstützten sie selbst mit zeitlichen
Gütern und schützten sie gegen Beraubung ihrer kirchlichen Besitzungen. Durch
ihre Vermittelung geschah es, daß die evangelischen Gemeindepfarrer in
Klein Honth und an den Gränzen des
Neograder Comitats in dem
Besitz des Zehent blieben. Die Evangelischen hatten durch das ganze XVI.
Jahrhundert keine eigenen Superintendenten, ihre jungen Theologen wurden zu
Wittenberg ordinirt. Um des Zusammenhanges, Kraft des
Einheitsbewußtseins und seiner Wahrung willen traten die Geistlichen nach
bestimmten Länderflächen in gewiße Brüderschaften, Fraternitates, Contubernien,
später Seniorate genannt, zusammen; bestellten sich aus ihrer Mitte Senioren und
Consenioren, unter deren Leitung sie berathschlagende Versammlungen, Synoden,
Convente, Congregationen hielten, in denen sie über kirchliche, liturgische,
dogmatische und Ehesachen beriethen und festsetzten.1 So
haben z. B. schon 1580 einige Contubernien des Trentschiner Comitats ihre Beschlüsse
dem Trentschiner Obergespan Em[merich]
Forgach zur Bestätigung vorgelegt und am 12. Feb. 1600
unterzeichneten zu Bitsche eine Menge Pastoren und 9
anwesende Magnaten die dort gemachten Satzungen.
Nach dem Frieden von Wien
1606 und dem darüber gebrachten Landesgesetz zu Preßburg 1608 Art. 1. berief der
Palatin Graf Georg Thurzo eine Synode
nach Silein [Sillein, Žilina], welche aus den Magnaten,
angesehenen Edelleuten, Abgeordneten der Städte und den Geistlichen der 10
Comitate: Liptau, Arva, Trentschin, Thurocz [Turz], Neograd,
Sohl, Honth, Bars, Neutra und
Preßburg bestand am 29. März
1610. Auf dieser Synode wurden die ersten drei Suprintendenten für diese
Comitate bestellt und ihnen zwei Geistliche als Inspectoren, der eine der
deutschen, der andere der magyarischen Gemeinden wie auch die übrigen schon
früher bestandenen Senioren, die in ihren Ämtern und Fractionen bestätigt
wurden, unterordnet. Der Inhalt der 16. Canonen dieser Synode ist: 1. Daß die
Superintendenten, die Insepectoren und Senioren die orthodoxe Lehre im
Bekenntnis und Leben befolgen und diese den übrigen Geistlichen vorleuchten. 2.
Daß sie die Gemeinden jährlich visitiren oder doch Versammlungen der Geistlichen
abhalten lassen und denselben mit Rath und That beiwohnen und behülflich seien.
3. Verfügt, wie die Gemeinden zu visitiren seien, nämlich bei Mitbegleitung des
Seniors und worauf es da in Betreff des Pfarrers, der Pfarrkinder, des
Schullehrers und der Schule zu sehen sei. 4. Der Superintendent soll über die
Einkünfte der Kirchen und Schulen wachen und gegen Beraubungen bei der
weltlichen Obrigkeit Schutz und Hülfe suchen. 5. Die Superintendenten sollen die
Pfarrer und Lehrer gegen Beleidigungen und Verläumdungen schützen; daher von
diesen einen jährlichen Zins erhalten, aus welchem sie die Unkosten ihrer
Vertheidigung bestreiten. 6. Sie sollen über die Gleichförmigkeit des Cultus und
der Ceremonien wachen wie auch über die Feier der heiligen Tage. 7. Sie sollen
die Candidaten im Beisein der nächsten Senioren oder Inspectoren prüfen und nach
der Wittenberger Art ordiniren. Die zu Ordinirenden müssen die Concordienformel
unterschreiben. 8. Bei der Revision der an den Superintendenten appellirten
Processen sollen auch weltliche Rahtsgelehrte durch den Superintendenten
zugezogen werden. 9. Jeder berufene Prediger muß sich vor dem Superintendenten
oder doch dem Inspector oder Senior zum Erweis der Übereinstimmung seiner Lehre
und Sitten stellen und daß er eine legitime Berufung habe. 10. Streitigkeiten
größerer Art, nämlich Beschuldigungen der Häresie oder des Ehebruchs, sollen vor
den Superintendenten gebracht werden und dieser sie mit Beiziehung der
vorzüglichen Männer aus allen Fraternitäten sowie auch weltlichen
Rechtsgelehrten aburtheilen, die Schuldigen vom Amte thun oder der weltlichen
Obrigkeit zur Bestrafung übergeben. Geringere Streitigkeiten sollen den Senioren
oder Inspectoren vorgelegt und durch diese in den Fraternitäten abgefertigt
werden. 11. Ist ein Beschuldigter, Abgeurtheilter mit der Senioralsentenz nicht
zufrieden und appellirt an den Superintendenten, so sind durch diesen die
Senioralacten durchzusehen und ist recht geurtheilt worden zu bestätigen, wo
nicht, zurückzusenden und neuer Urtheilsspruch, wo nöthig, mit Zuziehung von
Männern aus andern Fraternitäten zu verlangen. 12. Der Superintendent soll die
Geistlichen nicht nach Willkühr richten; Halsstarrige aber soll er, nach ein-
oder zweimaliger Ermahnung und nachdem er sein Vorhaben den Senioren und der
weltlichen Behörde mitgetheilt, excommuniciren. 13. Wird ein Geistlicher durch
jemand belangt, so ist die Belangung dem Superintendenten einzuhändigen, die
oberste Citation den Senioren oder Inspectoren zu übergeben, welche sie durch
einen Geistlichen vollführen. 14. Gegen Bedrückungen Einzelner und Schmälerung
der Rechte soll durch den Superintendenten, Senior oder Inspector oder auch
Pfarrer die weltliche Behörde um Schutz angegangen werden, welche ihn nicht
versagen dürfe. 15. Die Contubernien sollen bei ihren Gepflogenheiten, welche
den gegenwärtigen Bestimmungen nicht widersprechen, belassen und dabei durch den
Superintendenten beschützt werden. 16. Die Superintendenten sollen auf die
nachfolgende Formel beeidet werden. (Diese Formel enthält die Beeidung auf die
prophetischen und apostolischen Schriften, die A.C., die Concordienformel und
die Bestimmungen dieser Canonen.)
Drei Jahre hierauf berief Graf Christoph Thurzo, Erbobergespan des
Zipser Comitats und Bruder des
Palatins, nach eingeholter Erlaubnis von diesem eine zweite Synode nach
Kirchtrauf [Kirchdrauf]
(Podzámčok, Szepes Várallja
[Szepesváralja]), auf welcher die 16 Canonen der
Sileiner [Sillein, Žilina] Synode bestätigt und zwei neue
Superintendenten, einer für die Städte Leutschau
[Levoča], Kaschau [Košice],
Eperies [Prešov], Zeben und
Bartfeld und ein anderer für die übrigen Gemeinden
der Comitate Zips und Sáros bestellt wurden. Diese Synode bestand
aus einer Menge Ablegisten des Comitats Zips und Sáros und
der Städte in denselben, ferner vielen Adeligen und einer außerordentlichen
Menge von Predigern.
Nach dem Niklasburger [Nikolsburger] Frieden zwischen
Bethlen und Ferdinand II. von 1621 und der Bestätigung
desselben durch den VI. Art. des Oedenburger Landtages von 1622 berief der dort gewählte Palatin
Stanislaus Thurzo das
sogenannte Semptauer Consistorium und
bestätigte dessen 20 Canonen am 1. Sept. 1622 für die Comitate: Neutra, Preßburg, Wieselburg, Raab,
Comorn, Bars, Neograd, Gran, beide
Honth und Gömör. Dieses Consistorium wurde durch den
Superintendenten Tobias Brunswick
gehalten und setzte fest 20 Canonen. Canon 1. unterwirft alle Geistlichen dem
Superintendenten. Canon 2–5. enthalten die Rechte und Pflichten des
Superintendenten; namentlich soll er über die Reinheit der Lehre gegenüber dem
römisch-katholischen und reformierten wachen, die Disciplin über die Geistlichen
aufrechterhalten, jährliche Visitationen der Gemeinden abhalten und über den
Besitz der Kirchengüter wachen; endlich: jährliche Synoden zusammen zu berufen
und in denselben die Candidaten prüfen und ordiniren. 6. Dort sollen auch alle
Kirchenregimentlichen und Ehestreitigkeiten abgeurtheilt werden. 7. Niemand
dürfe sich der Synoden entziehen bei Strafe von 12 fl. 8. Der Census
Cathedraticus von den Geistlichen an den Superintendenten wird bestimmt. 9. Die
Rechte und Pflichten der Senioren. 10. Der Diaconen. 11. Pflicht aller dem
Superint. Gericht zu stehen, violatio sedis für Geistliche 12, für Laien 40, für
Edelleute 100 fl. 12.–20. Pflichten der Pfarrer; niemand dürfe hin und her
predigen. Nach dem Tode eines Pfarrers soll die Gemeinde ein Jahr lang supplirt
werden und dann die Wittwe ehrlich weggehen; niemand vor 1 Jahre seine Stelle
verlassen; Feier der Sonntage, der Sacramente, Copulationen, Berufung der
Schullehrer, ihre Unterordnung unter die Pfarrer.2
So hatte die
evangelische Kirche A.C. in Ungarn zu dieser Zeit 6
Superintendenten und eine episcopalsynodale Verfassungsform, die vom Staate
anerkannt war. Die zweite, für die Evangelischen so traurige Hälfte des XVII.
Jahrhunderts hat sie freilich vielfach gestört. 1703 brach der politisch
religionare Krieg unter Fr[anz]
Rakoczy [Rákóczi] II. aus; Leopold starb 1705. Joseph
I. wollte den Frieden; die Evangelischen hielten die Synode von
Rosenberg. Diese bestand aus Magnaten, Abgeordneten
der Comitate und Städte und aus den Geistlichen. Ihre 25 Canonen bestätigen die
Sileiner [Sillein, Žilina] und Kirchtraufer [Kirchdraufer] Beschlüsse; verbreiten sich meist
über den Cultus und ordnen 4 Superintendenten an, zwei jenseits der Donau, zwei
jenseits der Theiß, auch bestellen sie für die ersten zwei Superintendenten ein
geistliches Gericht und ebenso für die zwei andern ein zweites, dort mit 12
weltlichen und 13 geistlichen, hier mit 11 weltlichen und 12 geistlichen
Assessoren. Die Synode unterschrieben 35 weltliche und 49 geistliche Mitglieder.
Weil aber diese Synode ohne höhere Erlaubnis gehalten wurde, wurden ihre
Beschlüsse auf dem Landtage von 1715 durch den 31. Art. aufgehoben.
Nach
vielen Streitigkeiten, besonders auch wegen der Eidesformel „per beatam virginem
Mariam et omnes Sanctos“ auf den Landtagen 1728 und 1729, und nach den
Relationen der k. Relig-Commissionen erschienen endlich die Carolinischen
Resolutionen von 1731 und 17343, durch deren letzten
für eine jede Confession zu vier Superintendenten bewilligt wurden: „clementer
admittendum seu tolerandum esse duximus, ut quaevis dictarum confessionum,
numero quatuor Superiores seu Superintendentes, e numero praedicantium, in
praefato nostro Hungariae regno iam habitantium et quidem patriae filiorum, in
finem praecise illum, ut tales invigilent moribus et doctrinae praedicantium
iisdem subordinatorum et in excessivos etiam animadvertant, suo modo eligere et
constituere possint, ea per expressum conditione adjecta, ne populo novum per
hoc pro subsistentia nempe ipsorum, onus accedat, sed modernis subsistendi
mediis, etiam ut Superintendentes contenti esse debeant.“
Hiernach wurden
die jetzt bestehenden Superintendenzen, nämlich die Bergsuperintendenz, die
Theißsuperintendenz, dann diesseits und jenseits der Donau eingerichtet, und
einem jeden Superintendenten sowie einem jeden Senior ein Inspector beigegeben,
1736.
Diese Verfassung verblieb dann auch durch die Toleranzzeit, ja auch
nach dem 1791 Gesetze § 26., nur daß gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts
auch noch das Amt eines Generalinspectors und das eines Vicegeneralinspectors,
ersteres für die kirchlichen, letzteres für die Schulangelegenheiten, bestellt
wurde. (1832 wurden auch die Schulangelegenheiten dem Generalinspector
überwiesen.)4
Die Synode von
Pest 17915 nahm nach vorläufiger
Übereinkunft der weltlichen Herren A.C. und H.C. den polnischen Codex zur Basis,
ihre Canonen sind gleichsam nur ein Abdruck jenes. Sie ordnete nun auch noch die
Localinspectoren und gab dem weltlichen Stand ein ungebührliches Übergewicht.
Die Canonen sind zwar nicht bestätigt, doch so ziemlich im Leben, besonders nach
der „Coordinatio Berzevitiano[?] 1815“ eingeführt.
In den letzten zwei
Decennien sind viele Stimmen für eine endliche Neubestimmung der Verfassung laut
geworden, veranlaßt vorzüglich durch die Unordnung, welche in die Art der
Abhaltung sowohl der Senioral- und Superintendential-, aber vorzüglich der
Generalconvente eingedrungen war: denn obwohl sie in Thesi auf einem
Repräsentationssystem beruhten, so drang doch jedermann ein. Alle graduellen
Convente sind eigentlich zu Localconventen geworden und es herrschte in ihnen
vielfache Willkühr und Unordnung. Die Ursachen waren theils nationeller, theils
politischer Natur und sind bekannt. Die Schulen sind 1844–45 durch die
Zay-Ugrotzer Schulordnung nach größerm oder geringerm Widerstand der Gemeinden
durchaus auf dem Boden magyarischer Nationalität geordnet; 1845 schied der
Generalvoncent einen Ausschuß zur Ausarbeitung eines Entwurfs revidirter
Kirchenverfassung, welcher 1846 an die Gemeinden versendet und von diesen auch
geprüft wurde.6 Die Berathungen darüber hätten 1848 gehalten
werden sollen.
II. Der H.C. in Ungarn
Seit der Zeit, als die Protestanten
in Ungarn sich in zwei Partheien schieden, nahmen die H.C.
die Zürcher Verfassung zum Muster7; vorzüglich aber ohngefähr 400 Gemeinden in den
Comitaten: Borsod, Gömör, K[lein] Honth [Kis-Hont], [?], Torna, Saros, Zemplin,
Ung, welche in 4 Tractus
(Seniorate, das, was bei den A.C. die Fraternitäten oder Contubernien gewesen)
eingetheilt, durch Seniore (ungarisch esperes, von dem griechisch-lateinischen
Presbyter) regiert wurden, nichts von einem Superintendenten wissen wollten,
noch auch einen solchen bis 1734 (zu der Resolutio Carolina, durch welche für
eine jede Confession 4 Superintendenten angeordnet wurden) anerkannten. Die
übrigen H.C. hielten ihre bedeutendere erste Synode zu
Csenger 1604, auf welcher sie den Debrecziner Prediger Hodaszi zum Superintendenten wählten, welcher
durch den siebenbürgischen Fürsten Gabr[iel]
Báthory 1608 bestätigt wurde. Die H.C. jenseits der Theiß und in
Siebenbürgen hingen damals zusammen.
Ihr berühmter Superintendent Stefan Katona
von Gele – gewöhnlich Gelei
Katona genannt – „Ministerium orthodoxorum in Transylvania
degentium episcopus seu superattendens“, wie er sich selbst unterschrieb,
arbeitete die ersten angesehendsten Canonen im Auftrage der Synode von Szathmár
Némethi [Szatmárnémeti, Satu Mare] 1646 aus, die dann auf
der Synode zu Maros Vásárhely [Marosvásárhely] 1649
bestätigt wurden. Sie stellten – wie der 85. Canon selbst sagt – ein
„aristocratico democraticum ecclesiae regimen“ fest, oder was man jetzt eine
episcopalsynodonale Verfassung nennen würde, denn die Weltlichen kamen wohl,
aber stets nur auf accidentelle Weise zu den Synoden und hatten mehr den Beruf
der Beschützung als der Satzung selbst. Durch diese Canonen8 sind
alle Geistlichen den Senioren, die durch sie gewählt und durch den
Superintendenten bestätigt und geweiht, untergestellt worden und hielten mit ihm
jährlich dreimal berathende Versammlungen. Für die H.C. in Siebenbürgen wurde ein Superintendent und für
die H.C. jenseits der Theiss auch einer bestellt, welche die Gemeinden visitiren
und bei den jährlich abzuhaltenden Synoden die Candidaten prüfen und ordiniren
sollen. Übrigens verbreiten sich die 100 Canonen über alle Zweige des
Kirchendienstes und des Kirchenregiments.
Noch etwas weniger früher, nämlich
1626 hielten die H.C. der Comitate: Wieselburg, Pressburg, Comorn,
Neutra, Bars, Honth, Neograd und
der angränzenden eine Synode zu Komjáth und stellte da
fest 5 Classen von Canonen9. Die erste
Classis handelt de fide orthodoxa: daß der episcopus (Superintendent) in der
Synode zu wählen sei; die Candidaten vor der Synode prüfen und ordiniren; über
die Reinheit der Lehre wachen usw. Classis 2. handelt von den Senioren und ihren
Pflichten, daß sie Mithelfer der Superintendenten seien. Class. 3. von den
Presbytern (Pfarrgeistlichen) ihrer Wahl durch das Volk. Hiebei ist merkwürdig
die Abweichung von den Zürchern, diese nämlich ordinirten und ordiniren zum
Stand vor der Vocation an irgend eine Gemeinde; der Komjather Canon Class. 3,
Nr. 14 bestimmt dagegen: Nemo ordinandus sine titulo certae ecclesiae“. Classis
4. verbreitet sich über die Schulen; Class. 5. über die Abhaltung jährlicher
Synoden, die aus allen Senioren, Geistlichen und Schullehrern bestehen sollen.
Von Weltlichen war keine Rede.
So hatten die H.C. dies- und jenseits der
Donau einen Superintendenten, jenseits der Theiss einen zweiten und die 4
Senoriate diesseits der Theiss keinen bis 1734. Da hielten sie, nach der
Resolutio Carolina zu Bodrog Keresztúr [Bodrogkeresztúr]
1734 eine Versammlung, auf welcher sie 4 Superintendenten bestellten und bald
dazu einem jeden Superintendenten einen Obercurator, einem jeden Senior aber
einen Vicecurator beigaben, mit vieler Protestation der Geistlichen und der
Kampf zwischen den Geistlichen und den Weltlichen zieht sich von da bis in die
neuesten Zeiten.
Nachdem nämlich der 1791 Landtag unter Leopold II. zusammenberufen werden sollte und
man voraussah, daß an demselben die Religionssachen vorgenommen werden würden,
so arbeitete besonders der Superintendent H.C. Steph[an] Paksi durch Instructionen bei den Landtagsablegisten
H.C., besonders einen gewissen Sinai,
dahin, daß ja nicht etwas ins Landesgesetz übergehe, was die Rechte der
Geistlichkeit kränken könnte. Nachdem nun der Gesetzvorschlag ihm durch diese
von Pressburg aus mitgetheilt wurde, berief er einen
Convent und schickte 5 Bemerkungen zu den 8., 9., 10., 12. und 13. §§. Da
erbosten die Herren H.C. und hielten mit den A.C. Ablegisten einen Rath, um
seine Majestät wegen einer Nationalsynode zu bitten. Diese wurde bewilligt und,
nachdem die weltlichen A.C. und H.C. über den polnischen Codex übereingekommen,
auch in Pest (die A.C.) und in
Ofen (die H.C.) so gehalten, daß beide Ausschüsse
ernannten, die vereint über die Canonen übereinkommen sollten (man war schon
nämlich übereingekommen), und so ist der geistliche Stand auf dieser Synode
eludirt, nachdem man auch das Präsidium in weltliche Hände gleich von vorne
gespielt, ja selbst der Präses (Teleky)10, der noch ein gemäßigter Mann war – durch Insulte –
terrorisirt worden, der erwähnte Paksi
und Sinai Opfer ihres kindlichen
Eifers geworden. Die Geistlichkeit beider Confessionen war auf dieser Synode
eine Null, weil schon alles durch Übermächte ohne sie von vorne herein abgemacht
worden war.
1798 haben beide Confessionen im August gehalten, um die
Bestätigung jener Synodalacten zu betreiben; und zwar insbesondere über die
Frage: „Ac non consultam foret ex ordinationibus Synodi Budensis (Pestiensis) ea
quae respectu nostri sine approbatione quoque regia vim obligationis habent
bonis modis et sine coactione minuatim introducere.“ – und versuchten durch den
Palatin die Bekräftigung jener Synodalacten zu erlangen – doch fruchtlos. 1801
kamen sie (nämlich die 8 Superintendenzen der A. und H.C.) zusammen. Aber jener
Sinai und die Geistlichkeit
schickten am 28. October 1801 eine Bitte – eigentlich trug sie Sinai selbst – an Seine Majestät, daß jene
Synodalacten nicht bestätigt werden sollen, wo es stand: „Ordo ecclesiasticus
helv. Conf. non in ecclesiis dentaxat districtus Tibiseani sed per universam
nationem hungaricam in segno Deo famulans apud Ssm Matteni per ae supplicat
demistissime, ac Budensis Synodi decreta, cum consense suo nullatenus lata, et a
quibus vi dogmatis abhorret, in se patiatur extendi, servitutique adeo eorum se
invitum ac reluctantem mancipari – verum Ssm. Majestas legibus regni,
pacificationibus viennensi et .. .. admittentibus, quie requirentibus lergiatur,
concedat ac indulgeat, ut antiquis suis, suo modo receptis et per regnantes
principes benigne confirmatis canonibus per extensum sub 13. hic advolutis se ..
que divinitus sibi comissum regere ac dirigere valeat ac ...“
Der
Obercurator Vay Jos[eph] hat nun an alle
Superintendenzen dagegen auffordernd geschrieben, daß sie Sinai desavouiren sollen und, da die
Übermacht der Weltlichen bereits factisch eingeführt war, mit mehr oder weniger
Glück, Vays Deputation wirkte 1802 die
Bestätigung nicht aus.
1819 schickte man eine neue Deputation, und zwar
schon auch mit einem geistlichen Mitgliede, nämlich Papai Jos[eph] Superintendent jenseits
der Donau. Nämlich Em[merich] Pechy
hat jenseits der Theiss schon nach den Synodalcanonen von 1791 regieren wollen:
dagegen stemmten sich die Geistlichen mit Graf Rhédey Ludw[ig] an der Spitze
und klagten bei der Statthalterei. Diese theilte die Klage dem Superintendenten
Mich[ael] Benedek mit, welcher
nun wieder erklärte, daß die Geistlichen das zwar ohne sein förmliches Wissen
gethan, jedoch alles das wahr sei, worüber die klagen. Nun rief Pechy einen Generalconvent nach
Pest zusammen; von den jenseits der Theiss
Geistlichen, Senioren oder Superintendenten oder Ablegisten kam niemand und man
nahm ohne weiters den Superintendenten jenseits der Donau mit nach
Wien. Mich[ael]
Benedek schrieb eine Repäsention dagegen an Seine Majestät mit
Wissen seiner Geistlichkeit und unterwarf die Canonen einer strengen
Critik.11 Hierauf
wurde von der Statthalterei eine Beilegung des Streites durch Convente (!!!)
aufgetragen und so hielten die 4 Superintendenzen unter dem ältesten Obercurator
Vay (zum ersten Male unter einem
weltlichen Präsidium) mehrere Convente, auf deren Relationen 13. Juli 1820 Nr.
8904 folgendes Rescript herablangte: „Suam Mattem, Ssam Generali Conventii de
compositis dissidiis altissimam satisfactionem significare rectionem tractum
(der Seniorate) subdivisionem (eben die, welche Pechy eigenmächtig nach den unbestätigten Synodalcanonen von
1791 vorhatte) et ordinationem mutius ecclesiasticorum et secularium consiliis
necesseniam adinventam et nunc quoque per gener. Conventum agnitam ea lege
confirmari, ut hae subdivisio et coordinatio in gen. Convento determinenda medio
Consilii hujus [?].
Hiemit war aber keineswegs eine wirkliche Ordnung
erreicht, nicht einmal die der Convente, denn, wenn es auch obigermaßen bestimmt
angesprochen ist, daß nur die beeideten Mitglieder geistlicher und weltlicher
Stände entscheidende Stimmen haben sollten, so ließen es doch die Präsides ja
nie dazu kommen, sondern faßten und sprachen die Beschlüsse ohne Sammlung der
Virilstimmen, sondern nach der Meinung der Versammlung, zu der jedermann
zugelassen und ein Recht mitzusprechen hatte.
III. Die A.C. in Siebenbürgen
Nachdem
die Reformation bei den Sachsen in Siebenbürgen schon 1545 durchgeführt wurde, blieb die
Geistlichkeit sowohl im Besitz der frühern Einkünfte und Rechte als auch der
Benennungen und meist auch der Verfassungsform. Sie wählten 1553 den ersten
Superintendenten Paul Wiener, welcher der
Vorstand der gesammten Geistlichkeit wurde, ihm also auch die Pröbste von
Kronstadt und die Dechanten von
Hermannstadt, wie auch die übrigen Capiteln
untergestellt waren, obwohl die letzten auch selbst ordinirten und das
Endurtheil in Ehesachen sprachen. Das Verhältnis der Geistlichkeit zu den Laien
bestimmt der Tit. 1. der Pass. 1. des Constitutiones aprobatae folgendermaßen:
„Praeter receptas quatuor religiones in articulis fidei vel religionis nec
privati cuinscenque sint ordinis ne ecclesiae innovationes aut secessiones
inducere nel facere audeaut sub poena notae infidelitatis. In ritibus vero et
directione reformare vel variare eccelesiis ab antiquo liberum fuit; quae
libertas christiana nec deinceps recludetur, ita tamen prout in aliis regnis
christianis ac etiam in nostro viquit et nunc quoque viget; scilicet quod in
minoribus et solum ecclesiasticum ordinem respicientibus causis ipsi etiam
ecclesiasstici concludere, constitutionesque facere valeant, verum in
congregationibus generalibus. In causis autem cum auditoribus et ordinibus
politius communibus aut ad eos etiam spectantibus non aliter, quam communi
illorum etiam assensu, nimirum quilibet cum suae religionis magsitratuum et
patronorum consensu.“ Die Sachen, welche allein die Geistlichkeit angehen (nach
der dortigen Auffassungsweise), wurden in Synoden, die aber, welche auch die
Weltlichen angehen, in den Consistorien verhandelt.
Die Versammlung der
Dechanten und Abgeordneten der Capiteln unter dem Superintendenten, der zu
Birthälm [Biertan] seinen Sitz hat,
machten die Synode aus, welche die oberste Kirchenregierung ausübte neben den
Gepflogenheit Rechten der Capitel, was die Ordination und Ehesachen
anbelangt.
Anfangs des 18. Jahrhunderts stellte 1708 die politisch
sogenannte sächsische Universität an die Synode eine Zumuthungen ihren Einfluß
bei derselben geltend zu machen und weil die Geistlichkeit des Schutzes der
Universität in Betreff des Zehents bedurfte, so schloß man sich immer mehr ihr
an, bis 1754 eine völlig verabredete Verfassung zu Stande kam, welche weiter
ausgebildet allerhöchsten Ortes 1783 bestätigt wurde, die ebenso bestätigte
Coordination des Oberconsistoriums 1807, die Kirchenvisitationsordnung 1818 und
die Wahlnorm 1819 herauskam. Die Consistorien gliedern sich nun in das
Oberconsistorium zu Hermannstadt, welches 1. aus allen
evangelischen geheimen und Gubernialräthen und Secretären, 2. allen
evangelischen Räthen und Secretären der übrigen Dicasterien, 3. allen
Nationaldeputirten, 4. dem Superintendenten, 5. den Dechanten und 6. einigen
Pfarrern besteht. Außerdem ist ein delegirtes permanentes Oberconsistorium aus
den in Hermannstadt wohnenden Mitgliedern bestehend.
Domesticalconsistorien (14 an der Zahl) aus den evangelischen Stuhl- und
Districtsoberbeamten und den städtischen ältesten Mag. Räthen, dem Dechant, dem
Syndicus des Capitels und dem Stadtpfarrer. Localconsistorien aus den Ältesten
der Gem. dem Magistr. oder Officiolate, der älteste Beamte hat das Präsidium,
der Pfarrer aber das Veto.
Neben der Synode ist eine stellvertretende aus
dem Superintendenten, Gen. Dechant, Gen. Syndicus und einigen Pfarrern. Der
Superintendent ist dem Oberconsistorium nicht subordinirt, sondern coordinirt
und steht unmittelbar unter der Landesstelle.
IV. Die H.C. in Siebenbürgen
Die Siebenbürger H.C. hielten anfangs der
Reformation und lange hernach mit den H.C. in Ungarn jenseits
der Theiss, beriethen mit diesen zusammen und hatten dieselben St[ephan] Katona (Geleii)schen
Canonen, welcher eben ein siebenbürgischer H.C. Superintendent
gewesen.
Schon aber 1682 wurde unter dem Fürsten Apaffy [Apafi] Mich[ael] I. ein Supremum
Curatorium decemvirale aus 5 fürstlichen Räthen, dem Superintendenten und noch 4
Geistlichen zum Theil auch Professoren errichtet und zu Enyed (Straßburg)
eingesetzt. Dieses wurde aber 1709 zu einem Oberconsistorium nach Art der A.C.
umgewandelt, so daß das [?] aus 3 höchsten Dignitären und dem Superintendenten
bestehen sollte; zu Beisitzern wurden 24 Weltliche designirt, dann „universi
proceres praeenobiles reformatae religioni addicti, quin et nobiles e
comitatibus et sedibus siculicalibus sincero erga Deum et religionem amore
zelantes;12 dann: omnes V.D.
Ministri fidelissimi, insbesondere die Professoren von
Enyed, Klausenburg und
Karlsburg, dann die Senioren und die Sen. Notäre,
endlich die Pastoren von Karlsburg [Alba Iulia],
Klausenburg, Sachsenburg,
Fogaras [Fogarasch], Enyed, M.
Vasárhely [Marosvásárhely] und
Thorda, Vizakna,
Dévo Hungad, Kolos,
Szék, Dees. Bald wurden auch
für die Tractus (Seniorate) Subcuratoren ernannt. Im Jahre 1713 wurde dieses
Consistorium etwas umformt auf der Synode zu Enyed,
nämlich die 4 Obercuratoren mit dem Superintendenten als das Haupt erklärt, dann
21 weltliche und 21 geistliche Assessoren disignirt und 4 weltliche Notäre, so
daß es nun aus bestimmten 50 Individuen bestand. Im Jahre 1791 wurde sein Sitz
nach Klausenburg verlegt und von da an datiren sich die
ewigen Kämpfe und Unordnungen. Es wurde da nämlich wieder die alte Art beliebt
aus unbestimmten Assessoren, also eine beliebig zusammenströmende Menge von
Adeligen und sogenannten Patronen. Das engere Oberconsistorium, nämlich die 4
obersten Dignitäre mit dem Superintendenten haben den Mißbrauch der nur durch
Willkühr eingeführten Art, nämlich, daß der Consist. Notär der Nachfolger des
Superintendenten sei, der nämliche Notär nicht gewählt, sondern durch den
Zusammenschluß der Weltlichen bei den Consistorien willkührlich designirt wurde,
abzuschaffen sich bemüht; besonders geschah dies 1829 und die Kämpfe dauerten
deshalb bis [1]832, wo die Dicasterien – bei denen freilich nur wieder die [?]
Richter waren – den alten Zustand wiederherzustellen anbefohlen. Es besteht also
das Oberconsistorium – obwohl die Verfassung nie allerhöchsten Ortes bestätigt –
nach den Einleitungsworten seiner Erläße aus: „Excellentissimus N.N. Statuum et
Ordinum M. hujus principatus praeses; assessores; Illustrissimi domini
Consiliarii ac Magnifici Secretarii Guberniales, Superintendens, tractuum sive
dioecesium Supremi et Vice Curatores; Collegiorum item ac Gymnasiorum Supremi ac
Vice Curatores et Professores, nec non Archidiaconi et Notarii et directores
Tractuum, ac denique omnes Magnates eminentiorisque conditionis et officii
individua H.C. addicta.“13 Also ein unbestimmter,
willkührlich zusammenströmender Haufen von großentheils ungebildeten,
herrschsüchtigen Menschen. Die Seniore sollten nach dem 86 Canon durch die
Geistlichkeit gewählt werden; auch hier siegte jedoch die Art, daß der bestellte
Notär des Domesticalconsistoriums der Nachfolger des Seniors wird. Nur der
Sylvaner (der größte) Tractus behielt die freie Wahl.
V. Die A.C. und H.C. in den übrigen Ländern
Wie es vor 1620 gewesen, ist von
keinem praktischen Belang; nach dieser Zeit ist bis 1700 das Kirchenregiment,
vielfach gestört durch Superintendenten und Seniore geführt worden. Festere
Gestaltung nach[sic!] die Verfassung erst seit 1707 durch die Altramstädter
[Altranstädter] Convention (mit
Carl XII. von Schweden)
durch, welche eine Religionecommission zu Teschen eingesetzt wurde. Nach der
Publication des Toleranzedictes wurde sie aufgehoben und ein Consistorium
errichtet, schon 1784 nach Wien verlegt und ihm zur Seite
auch ein H.C. bestellt. Beide Consistorien sind getrennte Behörden.
Anmerkung. Unterstützungen vom Staate beziehen jetzt die Administratoren der Superintendenz A.C. in Ungarn mit 2.400 fl CM. Bei dem Wiener Consistorium erhält der Präses 500, der Secretär 700, Protocollist 450. Die Superintendenz A.C. in Böhmen, 300, H.C. 500, die Senioren zu je 50 fl.