Ministerialkonzipist Rudolf Kink äußert sich zur angestrebten Reform der Doktorenkollegien an der Universität Wien. Grundsätzlich tritt er für den Erhalt der Doktorenkollegien ein, wobei die Kollegien der Doktoren mit jenen der Professoren zur Fakultät vereinigt werden sollten. Der so gebildeten Fakultät sollten die Wahl des Dekans, die Verwaltung des Fakultätsvermögens und der verschiedenen Stiftungen sowie die Vergabe der Stipendien zufallen. Für Fragen der Wissenschaft sollen die Professoren alleinig zuständig sein. Die Fakultät und der engere Ausschuss der Professoren unterstehen dem Dekan. Dieser wird von der gesamten Fakultät aus den inkorporierten Professoren auf die Dauer eines Jahres gewählt. Die Wiederherstellung der akademischen Nationen lehnt Kink strikt ab. Er stellt auch Überlegungen an, in welcher Weise dem katholischen Charakter der Universität, der nie ganz beseitigt worden sei, Geltung verschafft werden könnte: Seiner Ansicht nach solle die Universität – ihrer Stiftung gemäß – als katholische Anstalt bezeichnet werden. Die Universität soll den katholischen Standpunkt und die Interessen der Kirche fördern und Angriffe gegen diese abwehren. In der Frage der Aufnahme von nicht-katholischen Professoren schlägt er vor, in den neutralen Wissenschaften, also den medizinischen, mathematischen und physikalischen und manchen juridischen Fächern auch Nicht-Katholiken zuzulassen. Kink geht auch auf das Amt des Kanzlers ein: Dieser soll, beauftragt von der Kirche, die Übereinstimmung der Lehre mit dem katholischen Glauben überwachen. Gleichzeitig soll dem Staat das Recht eingeräumt werden, einen beaufsichtigenden Vertreter an die Universität zu entsenden.
Die erste Seite des Gutachtens fehlt.
Mit eigenhändigen Anmerkungen
von Thun.
[…]1
müßte die Regierung erst noch darauf gefaßt sein, daß eben die Ernannten, um nur
nicht als bloße Werkzeuge dazustehen, zu Renegaten und gerade so hartnäckig
würden, wie diejenigen, die man eben vermeiden wollte. Doch auch abgesehen
davon, so scheint mir, daß dieser Vorschlag ohne alle Vortheile gerade alle jene
Nachtheile in sich vereinigt, welche überhaupt mit einer Concession in der Regel
verbunden sind. Er würde nicht die Sache, er würde nur die Ziffern ändern; der
Dualismus, der früher zwischen den zwei Collegien bestand, würde nun im Innern
des einen Körpers fortleben und ihn in die permanenten 2 feindlichen Lager der
Professoren und der beigezogenen Doctoren spalten.2Es würde ganz der gleiche Fall
sein wie gegenwärtig mit dem Universitätsconsistorium. Letzteres besteht jetzt
aus 8 concludirenden Stimmen der Professoren und 4 der Doctoren. Die Folge davon
ist, daß dieses Collegium es schließlich vorgezogen hat, über
Controversgegenstände, welche die Parteistellung der Professoren und Doctoren
betreffen, gar nicht mehr abstimmen zu lassen; weil man im vorhinein weiß, daß
das Stimmenverhältnis sich regelmäßig herausstellen wird wie 8:4.3
Endlich, und das ist die Hauptsache, würde dieser Vorschlag über die oben
sub a und b angeführten Hindernisse gar nicht, über das sub c fast gar nicht
hinauskommen und überdies keinen positiven Nutzen gewähren. Denn es ist in der
That nicht abzusehen, wozu diese beigezogenen Doctoren in Wesenheit förderlich
sein sollen; sie werden nichts anderes thun, als daß sie den auf ein kleineres
Gebiet eingeschränkten Hader perpetuirlich machen. Denn man kann sich nicht
genug gegenwärtig halten, daß etwas, was wie eine Concession aussieht, gewiß nie
eine Befriedigung schaffen wird, und daß diejenigen, die es angeht, gewiß alle
oppositionellen Kräfte bei dem Hinterthürchen concentriren werden, welches man
ihnen offen gelassen hat.
Soll man nun die Doctorencollegien weder ganz noch
theilweise cassiren, so folgt daraus, daß man sie ganz beibehalten soll, jedoch
wie gesagt nicht in ihrer gesonderten Gestalt, sondern indem man sie mit den
Professoren zu einer Facultät vereinigt. In Wahrheit ist dies auch der einzig
befriedigende, geschichtlich correcte und vollkommen ehrliche Ausweg. Die
vereinigten Professoren und Doctoren haben eben von jeher (das ist seit 1429)
die Facultät vorgestellt, und in dieser Eigenschaft haben sie jene Rechte
erlangt, um deren Aufrechthaltung es sich noch handeln mag. Gegen den Einwurf,
daß sodann die Doctoren unverhältnis gegen die an Zahl geringern Professoren
vorwiegen und in der Facultät die Herren spielen würden, werde ich weiter unten
ein gründliches Abhilfsmittel vorschlagen; hier erlaube ich mir nur noch ein
anderes Corollarium zu besprechen.
Es frägt sich, was mit denjenigen
Professoren anzufangen ist, welche nicht incorporirte Doctoren sind. Man kann
diesfalls dreierlei Dinge vorschlagen:
α. „Jeder von der Regierung ernannte
ordentliche oder außerordentliche Professor ist ipso facto für die Dauer seiner
lehrämtlichen Function an dieser Universität Mitglied der betreffenden
Facultät.“ In merito ließe sich gegen diesen Vorschlag insoferne nichts sagen,
als ein Mann, dem die Regierung eine Professur verleiht, wohl doch a priori als
mit jenen Kenntnissen ausgerüstet anzusehen ist, welche man von einem
Doctoranden verlangt. Auch ist dieser Fall schon vorgekommen. Kaiser Ferdinand II. hat in der Sanctio
pragmatica von 1623 angeordnet, daß jene Patres, welche die Societät Jesu zu
philosophischen oder theologischen Professoren bestellen würde, eo ipso ohne
irgend weitern Actus temporär als incorporirte Facultätsglieder zu betrachten
seien. Andererseits läßt sich aber nicht läugnen, daß einer solchen Maßregel die
levis macula einer rücksichtslosen Willkührlichkeit ankleben würde. Sie würde
gerade in den corporativen Bestand als solchen ein Loch reißen und die
Möglichkeit der geschichtlichen Berufung auf die Zeiten der Societät würde ihr
zu keinen Gönnern verhelfen.
β. „Jeder ernannte Professor, der nicht schon
einverleibter Doctor ist, hat die Verleihung des Doctorates und die
Einverleibung unter den gewöhnlichen Bedingungen binnen eines gewissen
Präclusivtermines nachzusuchen und auszuweisen.“ Formell läge hierin keine
Unbilligkeit; es geht aber damit, wie oft in andern Dingen, wo die auf dem
Papiere ausgesprochene Gleichheit in praxi die schreiendsten Ungleichheiten zur
Folge hat. Ein Professor, der auf die erste Universität der Monarchie berufen
wird, steht nicht auf gleicher Stufe mit einem gewöhnlichen Candidaten des
Doctorgrades; es könnte sich treffen, daß er seine sämmtlichen Examinatoren an
Wissen übersähe. Ich würde daher
γ. folgendes vorschlagen. Ein solcher
Professor habe nur mehr einen Actus Promotionis nebst einer Dissertation
vorzunehmen und die Promotionstaxen zu zahlen. Für letztere könnte man ihm eine
Ratenzahlung, für erstere einen Präclusivtermin vorschreiben und bestimmen, daß
er für die Dauer desselben interimistisch als Mitglied der Facultät anzusehen
sei. Es ist gewiß nicht unbillig, daß für die kurze Dauer eines solchen Interims
das Vertrauen, das die Regierung in den Mann setzte, sein Diplom einstweilen
supplirt. Ein solcher Vorgang hätte seine volle geschichtliche Analogie. Denn
bis zur Zeit Maria Theresias hat
jede Facultät Doctoren und Professoren, die von anderswoher kamen, durch den
Actus Repetitionis, d. h. nach Haltung einer Dissertation oder Disputation und
Vornahme der Promotion nebst Taxenzahlung, in ihre Gemeinschaft zugelassen. Ich
muß nun freilich gestehen, daß diese Maßregel solche <Professoren>4 voraussetzt, welche schon
überhaupt Doctoren sind. Ich glaube aber, daß der entgegengesetzte Fall ohnedies
nicht leicht eintreten würde; ja, daß man für die Verleihung einer Professur in
Wien den Doctorstitel geradezu verlangen
solle. Nun kann aber auch noch der Fall eintreten, daß manche auswärtige
Doctoren (wie z. B. Prof. Dr. Phillips) keinen Promotionsact mehr vornehmen dürfen, weil sie bei ihrer ersten Promotion beschwören mußten, sich an
keiner andern Universität wieder promoviren zu lassen. In solchen Fällen und
überhaupt ausnahmsweise, wo es sich um die Berufung anerkannter Celebritäten
handelt, müßte der Vorbehalt gelten, daß solche Männer ohne weiters gleichsam
per rescriptum principis, am besten durch eine allerhöchste Entschließung
selbst, zu Mitgliedern der Facultät, allenfalls gegen Taxenzahlung, creirt werden.5
2.
Der vollen Facultät (in obiger Gestalt) kommen folgende Rechte und
Functionen zu:
a. die alljährliche Wahl des Decans (wovon weiter unten) und
des ersten Vicedekans, 6 des zweiten
Vicedekans oder Procurator (siehe unten bei § 5);
b. die Wahl eigener
Beamten für die Geschäfte der Facultät als Corporation (Notar, Archivar,
Cassaführer etc.);
c. die Verwaltung ihres eigenthümlichen Vermögens und
ihrer Stiftungen, die Vertretung derselben und die Approbirung der
Rechnungslegung;
d. die Vergebung der Stiftplätze und Stipendium, und zwar
über Vorschlag des Professorenausschusses (wovon weiter unten);
e. die
Fassung von Beschlüssen, Erstattung von Vorschlägen etc., wo es sich um die
Corporation als solche handelt;
f. die Handhabung der äußern Repräsentanz,
namentlich bei feierlichen Anlässen;7
g. die alljährliche Wahl von Examinatoren zu den Rigorosen und
Repräsentanten bei den Promotionen (wovon weiter unten);
Hiezu allenfalls
noch:
h. die Wahl von Ausschüssen zur Abgabe von Facultätsgutachten.
3.
In allen jenen Functionen, welche unter 2. nicht ausdrücklich benannt
sind, insbesondere in allen denjenigen, welche sich auf das Interesse der
Wissenschaft und des lehrämtlichen Berufes beziehen, wird die Facultät durch
einen engern Ausschuß, bestehend aus dem Collegium ihrer ordentlichen und so
vieler außerordentlichen Professoren, daß letztere die Hälfte der ordentlichen
nicht übersteigen, unter dem Vorsitze ihres Decans, und zwar cum autoritate
pleni vertreten.
Ich erlaube mir diese zwei Abtheilungen im Zusammenhange zu
besprechen.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Universität und in
ihr jede Facultät, insoweit sie eine Lehranstalt ist, die Eigenschaft hat, eine
Staatsanstalt zu sein. Das Lehramt ist aber, selbst wenn man strenge nur den
stiftbrieflichen Standpunct inne hält, die erste Berufspflicht der Universität.
So sehr man auch von mancher Seite her sich bemüht hat, aus einzelnen alten
Urkunden einen andern Sinn herauszudeuten, so scheint es doch mir ausgemacht,
daß Albrecht III., als er die
Universität stiftete, in prima linea eine Lehranstalt stiften
wollte. Daraus folgt mit Nothwendigkeit, daß in jeder Facultät die incorporirten
Professoren den Vorrang in der Würde und in den Functionen verdienen. In den
ältesten Zeiten war es stets die Aufgabe der Facultäten die Interessen der
Doctrine zu vertreten; sie unterschieden sich eben darin von den Nationen. Als
seit Maria Theresia die Ausübung
dieser Function ausschließlich in die Hände der Regierung über ging, hörte
dieser Beruf der Facultäten auf und letztere wurden im Wesentlichen zu
Doctorencollegien ohne alle Beziehung zur Lehre. Jetzt, da ein Theil des
ursprünglichen Berufes (wenigstens die Executive desselben) den Facultäten
zurückgegeben ist, muß sich auch die Stellung der Professoren wieder ändern. Sie
müssen eine bevorzugte Thätigkeit erhalten, sie müssen als die gegebenen Träger und Vertreter der Wissenschaft angesehen werden;
außerdem würde die Universität aufhören eine Staatsanstalt zu sein.
Aus
diesen Gründen, deren Geltung kein Unbefangener verkennen kann, muß den
Professoren in der Facultät und gleichsam im Namen derselben ein Feld
bevorzugter Thätigkeit geschaffen werden. Dies geschieht durch den von mir
beantragten Ausschuß. Ich bin so glücklich mich diesfalls auf ein
geschichtliches Analogum berufen zu können, welches in vollkommen zutreffender
Weise diesen meinen Vorschlag zu gleicher Zeit begründet und erklärt. In den
ältesten Zeiten der Universität ruhte die Repräsentanz und Vollgewalt derselben
in der „Congregation“, das ist in der Versammlung aller Doctoren aller
Facultäten. Diese Versammlung hatte alle wichtigen Geschäfte abzuthun,
namentlich alle jene, welche die gesammte Corporation als solche betrafen.
Gleichzeitig neben ihr bestand noch eine kleinere Ausschußversammlung, das
„Consistorium“, bestehend aus dem Rector, den Decanen, Procuratoren und später
auch aus den Senioren. Unter den letzteren verstand man bis Maria Theresia die Primarprofessoren jeder
Facultät; die Procuratoren waren in den ersten Zeiten in der Regel Professoren,
die Decane mußten es sogar sein. Dieses Collegium berieth und entschied über die
currenten Geschäfte, insbesondere über Sachen der Disciplin und der Doctrin.
Sehr bald entschied es auch über wichtigere Angelegenheiten mit delegirter
Gewalt als perennirender Ausschuß der Totalcongregation, und als im Jahr 1481
statuirt worden war, daß jeder Beschluß des Consistoriums als ein Beschluß der
gesammten Universität anzusehen sei, kam die Congregation sehr bald ganz in
Verschollenheit. Dieser engere delegirte in seinem Kreise aber cum autoritate
pleni wirkende Ausschuß der Facultät sei nun das
Professorencollegium. Dadurch erhalten die Professoren in der Facultät ein
übergeordnetes Ansehen und eine ihrem Berufe entsprechende Thätigkeit; sie
gelangen dadurch von selbst zum Vorrange vor den Doctoren, wie es schon das
Decret Maria Theresias vom 29.
November 1760 befahl, und für alle gewöhnlichen Vorkommnisse und Geschäfte zur
Repräsentanz der Facultät, wie es bereits das Decret Leopolds II. vom 3. April 1790 wollte. Diese
Bevorzugung der Professoren für die currenten Geschäfte und für die eigentlichen
lehrämtlichen Dinge liegt so sehr in der Natur der Sache und ist überdies
historisch so richtig, daß sich die Doctoren unmöglich darüber beschweren
können. Die Möglichkeit fernerer Conflicte wird dadurch abgeschnitten, daß die
Functionen und Attribute der gesammten Facultät genau und taxative bestimmt
werden, sodaß was nicht ausdrücklich als darunter begriffen
erscheint, als dem Ressort des engern Ausschusses der Professoren zugehörig
anzusehen ist. Bisher hat man den entgegengesetzten Weg eingeschlagen; man hat
die Functionen der Professorencollegien angegeben, alles Übrige aber, in dessen
Wesen, Inhalt und Tragweite man sich nicht einließ, hat man den
Doctorencollegien, denen man sogar den Titel „Facultät“ zu führen gestattete,
reservirt. Daraus sind dann eben die Conflicte entstanden, die man ganz wohl
vermeiden kann, wenn die Fälle, in denen die ganze Facultätsversammlung
zusammenzutreten und zu wirken hat, genau und einzeln vorgesehen und gesetzlich
bestimmt werden.
Es versteht sich von selbst, daß die von mir oben unter 2
a–h specificirten Rechte und Functionen der gesammten Facultät nur beispielweise
angeführt sind, daß sie vielleicht noch durch etwelche vermehrt, theilweise auch
durch die Controlle des Staates restringirt werden könnten. Nur über den sub g.
erwähnten Satz, die Wahl von Examinatoren für die Rigorosen und von
Repräsentanten für die Promotionen betreffend, muß ich noch einiges
beifügen.
Die Prüfung für den Doctorgrad und die Promotion selbst sind Acte,
welche unläugbar eine doppelte Beziehung haben, eine rein scientifische und eine
corporative, insoferne es sich um die Einverleibung des Promovirten handelt und
voraussichtlich in den meisten Fällen handeln wird. Daher wurde in den ältern
Zeiten ein Rigorosant von allen vortragenden und nicht vortragenden Doctoren der
Facultät, welche eben hiebei gegenwärtig sein mochten, geprüft; und ebenfalls
war es die gesammte Facultät, welche sich über die Approbation des Geprüften
aussprach und darüber erkannte. Karl VI.
hat sodann diese Einrichtung am 7. October 1727 genauer dahin regulirt, daß
jeder Candidat von 4 Professoren und von 4 durch die Facultät zu wählende
Doctoren8 geprüft werden müsse. Da nun einmal
vorausgesetzt wird, daß die Doctrine in ihrem corporativen Bestande und ihrer
Verbindung mit der Universität fortbestehen sollen, so schiene mir die
Wiedereinführung der obenerwähnten Anordnung Karls VI. ebenso gerecht als billig.9 Die bisherige Beiziehung eines einzigen
Repräsentanten der Doctoren, nämlich des Doctorendecans, ist etwas rein
Illusorisches. Dies würde überdies – analog dem Beizuge von Nichtprofessoren bei
den Staatsprüfungen – den Vortheil haben, daß die Candidaten des Doctorgrades
sich nicht bloß auf das Einlernen der Vorträge des Professorsexaminators zu
beschränken, sondern mit einer gründlichen Solidität des Wissens auszurüsten
haben, um sicher bestehen zu können.
Es versteht sich endlich auch von
selbst, daß zum voraus genaue Bestimmungen getroffen werden müssen, welche die
Bedingungen festsetzen, unter denen eine Versammlung der Facultät als vollzählig
und beschlußfähig anzusehen wäre.10
4.
Die gesammte Facultät sowohl als der eigene Ausschuß der Professoren steht
unter dem Decane.
5.
Der Decan wird von der gesammten Facultät aus der Mitte ihrer
incorporirten Professoren auf die Dauer eines Jahres gewählt. Seine Wahl
unterliegt der Bestätigung der Regierung.
Da der Vorsteher der Facultät
zugleich Vorsteher des engern Ausschusses ist, der es vorzüglich mit
lehrämtlichen Dingen zu thun hat, so kann diese Würde nur ein solcher Rector
bekleiden, der auch Professor ist; nach den ältesten Statuten wurde aus gleichen
Gründen stets ein Doctor regens für die gesammte Facultät zum Decane gewählt. Da
ferner jede Facultät, insoferne sie Lehranstalt ist, als eine Staatsanstalt
betrachtet werden muß, so liegt es gleichfalls auf der Hand, daß der Regierung
das Recht zukommen muß, die Wahl des Decans zu bestätigen.
Wohl aber muß ich
gestehen, daß mir noch ein anderer Modus der Decanswahl sehr zusagend schiene.
Dieser bestände darin, daß die gesammte Facultät aus den Doctoren einen Decan
und aus den Professoren einen Vicedecan wählte. Letzterer hätte dem engern
Auschusse, ersterer der Totalversammlung zu präsidiren. Der Vortheil dieser
Einrichtung bestände darin, daß dem aus den Professoren gewählten Vicedecane
eine Menge von Facultätsgeschäften erspart würden,11 um derentwillen er sonst viel
Zeit verlöre und die er vielleicht nicht einmal versteht. Auch würde dieses
wieder um einen Grad mehr das Ansehen der Facultät als Corporation heben;
wenigstens könnte die Regierung mit Recht darauf sich berufen, daß sie
ihrerseits das Äußerste für diesen Zweck gethan habe. Für diese Einrichtung gäbe
es gleichfalls wieder ein historisches Analogum. Als im Jahr 1623 die
Gesellschaft Jesu in die philosophische Facultät eingeführt wurde, erhielt sie
das ausschließliche Leitungsrecht der Ratio studii. Demnach wurde auch
festgesetzt, daß in jenen Fällen, wo die Wahl des Decans nicht auf einen
Jesuiten fiel, von der Gesellschaft Jesu ein Vicedecan auszustellen sei, welcher
das Recht habe, in allen Angelegenheiten, welche die Ratio studii beträfen, die
Facultät zu versammeln und ihr zu präsidiren. Grund und Beschaffenheit dieser
Einrichtung sind ganz dem kurz vorhin entwickelten Vorschlage analog.
Es scheint mir ausgemacht, daß diese wenigen von 1-5 angeführten und begründeten
Puncte diejenigen sind, die vor allem ins Reine gebracht werden müssen. Alles
Übrige ist vergleichsweise von untergeordneter Natur und im Grunde nur Sache
größerer oder geringerer Zweckmäßigkeit. Die Geschäftsordnungen der vollen und
der engern Facultätsversammlung hätten sich daran zu reihen; die jetzt
bestehenden Bestimmungen über das Studienwesen mit Ausnahme der Rigorosen würden
dadurch fast gar nicht alterirt werden; über die Rigorosen aber muß ja ohnedies
eine neue definitive Anordnung erst erfolgen.
Lenkt man aber den Blick über
den Kreis der Facultäten hinaus auf die ganze Universität, so ist es das
Consistorium, von dem zuerst die Rede sein muß. Es frägt sich, welche Bedeutung
hat das Consistorium?
In den alten Zeiten war das Consistorium das
richterliche Tribunal, es repräsentirte und vertrat ferner die gesammte
Corporation und alle ihre Rechte, es verfaßte Statuten und approbirte jene der
Facultäten, es führte die disciplinäre Oberleitung. Von allen diesen Attributen
sind gegenwärtig die meisten verschwunden, insbesondere da die Universität als
solche keine eigenen Fonde und keine eigene Jurisdiction mehr besitzt. Im Wesentlichen ist das Constistorium jetzt die zweite Instanz
in Angelegenheiten der Lehre und der Disciplin; die übrigen Functionen der
Facultäten sind fast durchgängig nicht von der Art, um im Berufungswege von
einer zweiten Instanz behandelt zu werden; die Repräsentation der Universität
endlich ist heutzutage hauptsächlich nur etwas Äußerliches. Aus allem dem folgt,
daß das Consistorium vorwiegend, wo nicht ausschließlich, aus solchen Männern
bestehen muß, welche dem Lehramte angehören.
Eine andere Frage wäre die, ob
man nicht die alte „Congregation“ für solche Angelegenheiten, bei welchen es
sich um rein corporative Interessen handelt, wieder einführen könnte? Die Sache
wäre viel formloser, als man sich vielleicht vorstellt. Die Congregatio bestand
einfach darin, daß der Rector den versammelten 4 Facultäten die Gegenstände der
Berathung vorlegte; hierauf zog sich jede Facultät abgesondert zurück, berieth
und entschied und die Majorität der 4 Curiatstimmen gab den Ausschlag. Von einer
Abstimmung nach Köpfen, von tumultuarischen Szenen etc. war dabei gar nie die
Rede.
Doch wenn man davon absieht und wieder auf die Zusammensetzung des
Consistoriums übergeht, so ist eine der nächstliegenden Fragen die: Soll man die
ehemaligen Nationen wieder einführen und ihren Vertretern, den Procuratoren, den
Platz im Consistorium und das Recht zur Rectorswahl zurückgeben oder
nicht?
Es ist bekannt, daß mehrere Stimmen laut wurden, welche für die
Wiederherstellung der akademischen Nationen sich aussprachen. Ich muß jedoch
unverholen bekennen, daß ich diese Restitutio für erfolglos hielte, sie würde
etwas Überflüssiges und folglich etwas Verfehltes schaffen. Die Nationen haben
ihre primitive Bedeutung schon sehr frühzeitig eingebüßt; zu namhaftem Vermögen
haben sie sich gleichfalls nicht erschwungen. Wie und warum dieses geschah, habe
ich umständlich in der Universitätsgeschichte12 dargelegt. Wollte man sie jetzt wieder einführen, so wäre dies
ein reines Copiren todter Formen und dazu soll man die Geschichte nie
mißbrauchen. Daß man nicht die rheinische, sächsische etc. Nation, wie sie
ehemals bestand, sondern die im Jahr 1838 eingeführten 4 Nationen
(österreichische, slawische, ungarische, italienisch-illyrische) im Falle einer
solchen Restitutio meinen kann, versteht sich wohl von selbst. Es ist aber nicht
abzusehen, was letzere nützen soll, wenn man diese Nationen wie früher ohne
Einfluß und ohne Bedeutung läßt; und es bleibt sehr dahingestellt, ob es bei den
nationellen Verhältnissen in Österreich nicht manchen
Bedenken unterläge, wenn man ihnen Einfluß und Bedeutung gäbe. Es würde sehr
schwer sein das Doppelfeuer dieser Alternative zu umgehen.
Eine andere die
Universität als Gesammtheit betreffende Frage ist die der Katholicität. Daß die
Universität eine Stiftung von specifisch katholischem Charakter war, unterliegt
keinem Zweifel; seit Josef II. sind
allerdings viele Verfügungen getroffen worden, welche ein Ignoriren dieses
Standpunctes implicite zu erkennen gaben, aber ausdrücklich beseitiget worden
ist er nie, und es frägt sich nun, in welcher Weise man ihm Geltung verschaffen
kann.
Ich will hier zuerst dasjenige anführen, was man zur Erreichung dieses
Zweckes nicht thun soll.
Nicht wieder einführen soll man
die professio immaculatae Conceptionis. Zuvörderst scheint es mir von jeher ein
Mißgriff, ich möchte fast sagen, eine Unschicklichkeit gewesen zu sein, durch
weltliche Autorität das ausdrückliche Dafürhalten und Vertheidigen eines Satzes
anzuordnen, rücksichtlich dessen die Kirche in bestimmtester Weise das
Gegentheil zu glauben allen Gläubigen offen läßt. Überdies stammt die Einführung
dieses Juramentes erst aus dem Jahr 1649; er hatte zunächst gar nicht den Zweck,
Häretiker von der Universität ferne zu halten, denn dafür war bereits die seit
1581 mit Strenge beobachtete Bestimmung über die Ablegung des
römisch-katholischen Glaubensbekenntnisses da. Die professio immaculatae
Conceptionis war vielmehr, wie ich subjectiv wenigstens überzeugt bin, eine von
den Jesuiten erwirkte Einrichtung, um sich das Übergewicht über die Dominicaner
zu verschaffen.
Aber auch die Ablegung des Eides auf das römisch-katholische
Glaubensbekenntnis sollte man in ausnahmsloser Geltung wenigstens nicht wieder
einführen. Wären unsere Zeiten in einer Weise beschaffen, daß sich
strenggläubige Katholiken und strenggläubige Protestanten gegenüber ständen, so
ließe sich von der Wirksamkeit einer solchen Eidesablegung noch reden. Dem ist
nun aber nicht so. Vielmehr kommt der größte Ausfall, den alle Confessionen
erlitten haben, auf Rechnung des Indifferentismus, der, wenn es anders mit einem
äußern point d’honneur verträglich ist, sich bereit finden läßt, diesfalls
beliebige Eidesformeln zu beschwören. In vielen Fällen wäre ein solcher Eid, ich
will nicht sagen ein Meineid, aber doch eine Eitelnennung, ein Formenspiel, aus
dem kein eigentlicher Gewinn für die Sache, sondern nur eine formale Rubricirung
für die Personen sich ergäbe. Es wäre denn, daß man den Eid negativ einrichtete
und in denselben die Angelobung aufnähme, nichts gegen die
katholische Kirche und ihre Dogmen lehren zu wollen. Einen solchen Eid könnten
in gewissen Fächern auch Protestanten ablegen, sodaß man zu der Fernhaltung
letzterer von allen Lehrcanzeln durchaus nicht zu schreiten brauchte.13 Das Wesen der Sache liegt aber nach meiner Ansicht in
Folgendem:
a. Daß man der Universität, indem man sie ihrer Stiftung gemäß
als katholische Anstalt erklärt, als Aufgabe zuweise, den katholischen
Standpunct und die Interessen der Kirche theils in positiver Weise zu fördern,
theils die dagegen vorkommenden Angriffe abzuwehren. Die erstere dieser beiden
Aufgaben gehört specifisch der theologischen Facultät an, deren Beruf dann
freilich etwas höher zu fassen wäre, als es bisher der Fall gewesen ist. Die
zweite aber geht die ganze Universität an, und zwar theils durch entschiedenes
Auftreten gegen feindselige Richtungen (dahin namentlich Philosophie,
Geschichte), theils durch strenges Enthalten von derlei Angriffen. Denn wenn es
im Allgemeinen auch nicht richtig ist, die Wissenschaft kirchlich als neutrales
Gebiet anzusehen, so ist es doch gewiß, daß manche Fächer in der That neutral
sind oder neutral bleiben können. Dahin gehören die meisten medicinischen,
manche juridischen, die mathematischen, die physicalischen Fächer. Es wäre ein
leidiges Hängen an Formeln und Äußerlichkeiten, wahrhaft tüchtige und bewährte
Männer protestantischer Confession von solchen Fächern ausschließen zu wollen,
wenn man gleich tüchtige Katholiken hiefür nicht haben kann. Die Einhaltung
dieser eben entwickelten Gradation scheint mir das Wesentliche an der Sache; dem
kann man dann noch beifügen, daß eine in negativer Weise gehaltene Eidesformel
durch alle zu beschwören ist.
b. Daß man den Canzler nicht als bloßen
Figuranten im Consistorium, sondern als echten Vertreter und Wächter der Kirche
aufstelle und ihn mit dem Berufe ausstatte, gegen kirchenfeindliche Richtungen,
die sich allenfalls geltend machen könnten, Einsprache zu erheben.
c. Daß
man das Doctorat des Kirchenrechtes, wie es unter Schrötter und bis 1810 bestanden
hatte, und sohin auch das Doctorat utriusque juris wiederherstelle. Diese
Doctoren (sowohl juris canonici als utriusque juris) könnte man allerdings, wie
auch die Doctoren der Theologie, zur Ablegung des positiven,
römisch-katholischen Glaubensbekenntnisses verhalten, falls man darauf einen
großen Werth legt. Ich meines Theils, wie gesagt, würde darauf keine übergroße
Betonung legen.
d. Eine der wichtigsten, durch bestimmte Formeln freilich
nicht darstellbaren Maßregeln liegt in der Wahl der Männer für die Lehrämter;
sie macht im Grunde den ganzen Kern der Sache aus, alles Übrige sind Dinge auf
dem Papier und nicht viel mehr.
Die Universität ist vor Zeiten allerdings
nicht bloß eine katholische, sondern sogar eine geistliche Corporation gewesen.
Sie hat in dieser Eigenschaft geistliche Jurisdiction, das Recht zur
Excommunication, das Recht, Häretiker vor ihren Richterstuhl zu laden und zu
bestrafen, ausgeübt. Alles das läßt sich nicht wiederherstellen, ohne mit der
Geschichte der letzten Jahrhunderte tabula rasa zu machen. Daß selbst Kaiser Ferdinand II.
diesen Beruf der Universität nicht wieder herstellte, ist der
beste Beweis für die Unthunlichkeit seiner Wiederherstellung überhaupt.
Hat
nun die Kirche in dem Canzler ihren besondern Vertreter und Repräsentanten, so
bedarf der Staat gleichfalls einen solchen.14In den
ersten Zeiten hatte der Staat keinen Repräsentanten, sondern nur einen
Beschützer der Universität, Conservator, aufgestellt. Als aber nach dem durch
die Kirchenspaltung herbeigeführten Verfalle der Universität der Staat daran
ging, sie für seine Zwecke und auf seine Kosten wiederherzustellen, erschien
alsbald der Superintendent als Vertreter der landesfürstlichen Interessen im
Consistorium. Maria Theresia sodann
spaltete diese seine Function nach den Facultäten in 4 Directorate. Daß sodann
die 4 Directoren nicht bloß beaufsichtigten und relationirten, sondern auch die
gesammte scientifische Leitung führten und ihre Maßregeln in beengendster Weise
vorschrieben, war ohne Zweifel die große Schattenseite dieser Einrichtung. Diese
würde aber erst noch weit weniger hervorgetreten sein, wenn nicht auf die
vorhergehende, sehr große Ungebundenheit der Bewegung so rasch die gänzliche
Einschnürung erfolgt wäre, mit andern Worten, wenn die Zeiten sich nicht in
extremen Gegensätzen bewegt hätten. Daß die Regierung an den Universitäten
jemanden bedarf, dem sie in gewisser übergeordneter Weise vertrauen kann,
scheint mir sehr schwer zu bestreiten. Überdies hat es seine Übelstände, daß in
der Universität durchgängig nur solche Functionen vorkommen, welche alle Jahre
wechseln. In den alten Zeiten – wo nebstdem die Analogie der klösterlichen
Convente sehr nahe lag – hatte dies deshalb nicht so viel zu bedeuten, weil der
Wirkungskreis der Universität ganz in ihr abgeschlossen war. Dies hat sich aber
nunmehr gänzlich geändert; und die Wandelbarkeit aller akademischen Functionen
hat zur Folge, daß sich keiner der Functionäre über gewisse Rücksichten hinaus
um jene Zwecke annehmen wird, welche die Regierung mit ihren Lehranstalten
verbunden wissen will. Sie werden sämmtlich zuvörderst dafür sorgen, sich
einander nicht wehe zu thun.
Aus all dem Gesagten ergibt sich, daß die
Regierung einen ständigen Vertreter und Wächter ihrer Aufträge bei der
Universität bedarf. Dies kann geschehen durch Aufstellung eines
Superintendenten, Conservators, Curators oder wie man ihn nennen will – oder
indem man den Rector auf eine längere Zeitdauer fungiren läßt und in ihm den
Mann des Vertrauens der Regierung sucht. Soll er dies letztere sein, so muß er
ernannt und mit großem Ansehen ausgestattet werden. Zu
diesem Behufe sollte die Ernennung durch den Kaiser geschehen und zwar von 4 zu
4 Jahren nach dem Turnus aus den Doctoren der 4 Facultäten.15
Es hat eben in den alten Zeiten zweierlei Universitäten gegeben, solche, an
deren Spitze ein wechselnder Rector, und solche, an deren Spitze ein
lebenslänglicher Canzler stand. Zu den letztern gehörten die englischen
Universitäten; und ich glaube, diese haben den bessern Theil gewählt. Wenigstens
haben sie sich stabiler und aushältiger erwiesen als die andern. So viel über
die Frage, ob nicht die Würde des obersten akademischen Functionärs auf längere
Zeit zu erstrecken wäre als bisher.
Man wird sich nun aber vielfältig an der
Ernennung des Rectors stoßen. Darauf kann man nur
erwidern: die Verhältnisse sind nicht mehr so, wie sie im Jahr 1384 waren.
Damals haben gar viele Gemeinden ihr selbständiges Regiment geführt und ihre
Vorsteher sich selbst gewählt, die sich jetzt gerne bescheiden, ihre Vorstände,
mag man sie nun Bürgermeister, Anwälte, Rectoren etc. nennen, aus der Hand der
Regierung zu empfangen.
R. Kink
Am 1. December 1853