Ein bosnischer katholischer Priester an Joseph Strossmayer
Wien, 16. Juni 1850
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Regest

Ein katholischer Priester aus Bosnien übersendet Joseph Strossmayer ein Memorandum bezüglich der Wiederherstellung der geistlichen Jurisdiktion des Bischofs von Đakovo über Bosnien. Er bittet außerdem darum, ein beigelegtes, an den türkischen Sultan adressiertes Bittgesuch der Katholiken Bosniens und der Herzegowina dem Fürsten Schwarzenberg zu übergeben, damit die österreichische Regierung dieses dem Sultan weiterleite. Der Priester führt mehrere Gründe an, weshalb sich die österreichische Regierung dieser Sache annehmen sollte. Zum einen sei Österreich aufgrund seiner Beziehung zu Bosnien in der Vergangenheit dazu berechtigt. Durch die Fürsprache beim Sultan würde Österreich bei den Bosniern zudem Sympathien gewinnen. Außerdem würde es auch im Interesse Österreichs liegen, die häufigen Unruhen in Bosnien, bedingt durch die ungerechte Behandlung der dortigen Katholiken, beruhigt zu sehen. Hinsichtlich der Wiederherstellung der geistlichen Jurisdiktion gibt der Priester Bischof Strossmayer ebenfalls einige Hinweise. Er empfiehlt beim Wiener Hof die Vermittlung des Papstes und die Entsendung eines päpstlichen Vikars nach Bosnien zu beantragen. Außerdem sollte bosnischen Priesterkandidaten die Möglichkeit geboten werden, in Kroatien oder Slawonien zu studieren.
In der Beilage werden die Wünsche und Bitten der Katholiken aus Bosnien und der Herzegowina dargelegt. Die an den türkischen Sultan gerichtete Eingabe beruht auf Grundsätzen, die sowohl der Vater des jetzigen Sultans als auch dieser selbst bereits mehrfach öffentlich und feierlich versprochen hatten. Demnach wünschen sich die Christen völlige Gleichstellung mit den Muslimen sowohl im Hinblick auf ihre Rechte als Staatsbürger als auch im Bezug auf ihr Glaubensbekenntnis. Außerdem bitten sie um Änderungen im Abgaben- und Steuerwesen, bei der Handel- und Gewerbefreiheit sowie bei der Versammlungs- und Religionsfreiheit.

Anmerkungen zum Dokument

Schlagworte

Edierter Text

Memorandum

Für den hochwürdigsten Herrn Bischof von Diakovar [Đakovo], Joseph Stroßmayer, von einem katholischen Priester aus Bosnien verfaßt. Aus dem illirischen Original übersetzt.

1.
Bezüglich auf die Wiederherstellung der geistlichen Jurisdiction des Diakovarer Bischofs über Bosnien erachte ich, daß Folgendes nothwendig wäre:
Indem diese Angelegenheit von sehr großer Wichtigkeit und auch Nutzen ist sowohl in geistlicher als auch in zeitlicher Beziehung für unser illirsiches Volk, so gibt es wohl keinen wahren Patrioten, der diese Sache nicht billigen möchte, doch zu unserm Unglücke sind eben jene, die es zumeist angeht, nicht mit einem wahrhaft patriotischen Geiste beseelt, sondern nur auf ihren eigenen Nutzen bedacht. Deswegen wäre es nothwendig, beim Wienerhofe dahin zu arbeiten, daß 1. beim Heiligen Vater erwirkt werde, womit nach Bosnien ein apostolischer Vicarius geschickt werden wolle, der ein Bosnier und ein guter Patriot ist, welcher dann die Herzen der bosnischen Geistlichen dazu bearbeiten und vorbereiten würde, um der Jurisdiction des Diakovaer Bischofs sich willig zu unterwerfen. Ein solcher apostolischer Vicarius wäre nur ein Coadjutor für Bosnien unter der Oberaufsicht der Diakovaer Bischöfe.
2. Die von Kaiser Joseph II. gemachte Fondation für 32 bosnische Cleriker müßte hervorgesucht, auf Slavonien und Croatien übertragen und dazu verwendet werden, damit bosnische Alumnen in Diakovar [Đakovo], Agram [Zagreb] oder sonst an einem hiezu geeigneten Orte erzogen werden. Von einer guteingerichteten, gleichförmigen Erziehung unserer bosnischen und slavonischen geistlichen Jugend würde nun jede patriotische Unternehmung, also auch diese, abhängen.
2.
Der Hochwürdigste Herr Bischof wird gebeten, die hier in der Nebenlage folgenden Wünsche und Bitten der Christen Bosniens Seiner Excellenz dem Fürsten Schwarzenberg sowie den übrigen Ministern Seiner Majestät des Kaisers zu übergeben und anzuempfehlen, daß diese Wünsche und Bitten an den Sultan nach Constantinopel eingesendet und durch das kaiserlich österreichische Ministerium in Vereinigung mit dem dortigen russischen Bevollmächtigten bevorwortet werden möchten, damit der Sultan uns erhöre. Dafür könnte der Hochwürdigste Herr Bischof folgende Gründe anführen, welche den österreichischen Hofe bestimmen sollten, dieser Sache sich anzunehmen:
1. Oesterreich als Erbe Ungarns, wozu Bosnien vor Zeiten gehörte, ist schon dazu berechtiget. Hiezu kommt: daß schon Ferdinand I. in Bosnien von Fluße Verbas [Vrbas] bis Unna [Una] und Save alle festen Plätze besessen, unter denen Jajce, Banjoluka [Banja Luka] und Tešanj die bedeutendern sind; nach ihm haben alle Kaiser, besonders Leopold I., Karl VI. und Joseph II., Bosnien zu erobern getrachtet, was aber die damaligen Verhältnisse nicht gestatteten. Daher hat auch der Wienerhof als katholische Macht mit der Politik auch die religiösen Vortheile immer zu verbinden gesucht. Schon Joseph II. hat eine Fondation für die bosnischen Cleriker gemacht und dem bosnischen Vicarius Apostolicus eine Bezahlung angewiesen. Die Bosnier, welche alles aus dem religiösen Gesichtspuncte betrachten und eingedenk dieser Wohlthaten seitens des Wienerhofes halten immer den Kaiser von Wien für ihren König, nennen seinen Namen in ihren Gebeten und erwarten von ihm Erlösung, wenn auch für izt [sic!] nicht auf eine andere Weise, so doch wenigstens durch diese Fürsprache beim Sultan. Dadurch würde Oesterreich noch mehr Sympathie für sich bei den Bosniern bekommen.
2. Seit einigen Jahren trachten die Engländer und die Franzosen, den österreichischen und russischen Einfluß in den Donauländern zu schwächen und den eigenen mehr und mehr zu befestigen, indem sie dem Sultan rathen, daß er den Christen Erleichterungen gewähren und so seine Herrschaft gegen die Anfälle nördlicher Nachbarn zu [sic!] begründen. Aber wir Christen in Bosnien kennen schon ihre Absicht zu gut. Wir schauen immer die Engländer und Franzosen als Nationen, die andere Völker zu Grunde richten, um nur ihren eigenen materiellen Nutzen zu sichern.
3. Bosnien ist von 3 Seiten mit österreichischen Provinzen umgeben. Die häufigen Unruhen, welche dort unter den rohen Türken statt finden, sind auch Oesterreich mehr oder minder gefährlich, theils wegen Handel, theils aber wegen den Aufwieglern, welche in Bosnien ihre Zuflucht suchen und finden könnten. Es liegt also auch im Interesse Oesterreichs, daß Bosnien ruhig ist, ruhig kann es aber nicht bleiben, solange die Christen irgendwelche Rechte und Erleichterungen nicht bekommen.
Geschrieben zu Wien, am 16. Juni 1850
N. N.

Wünsche und Bitten der Christen in Bosnien und Hercegovina, welche sie ehrfurchtsvoll Seiner kaiserlichen Majestät, ihrem glücklich regierenden Sultan Abdul Medžid [Abdülmecid I.] unterbreiten. Aus dem illirschen Originale übersetzt.

Euere Majestät!

Über 600.000 Christen leben in diesen zwei Provinzen Bosnien und Hercegovina, getreue Unterthanen Euerer Majestät, welche gestützt auf ihre durch 4 Jahrhunderte bezeugte Treue gegen die hohe türkische Pforte, hiemit unterthänigst bitten, womit Euere Majestät nach Höchstderoselben eingebornen Güte unsre frommen Seufzer erhören und uns folgende Gnaden zu gewähren geruhen wollen:
1. Damit wir nicht mehr Rajas, sondern Staatsbürger des gesammten türkischen Kaiserreiches genannt werden möchten. Demzufolge
2. Damit wir beim Gerichte den Türken gleichgestellt werden und deshalb für die Zukunft nicht nach dem Vorzuge des Glaubensbekenntnisses, sondern nach Recht und Billigkeit geurtheilt werden wolle. Deswegen
3. Alle Gerichtsämter möchten aus gleicher Anzahl Mitglieder sowohl des türkischen als des christlichen Glaubens zusammengesetzt werden.
4. Die Abgaben und Steuern möchten Türken und Christen je die ihrigen selbst einsammeln und dem Vezier übergeben.
5. Die Abgaben und Steuern möchten nicht nach der Zahl der Häuser, sondern nach Verhältnis des Eigenthums und des Besitzes vertheilt werden.
6. Die Kopfsteuer, welche die Christen für jeden männlichen Kopf zahlen, wolle für immer aufgehoben werden als der bürgerlichen Gleichberechtigung zuwider. Dafür
7. Sollen die Christen auch zum Militär sowohl Nizam als Redif genommen und mit ihren Geistlichen versehen werden.
8. Den kaiserlichen Zehend von Getreide und Heu wolle in die Steuer eingerechnet werden, damit man ihn im Gelde entrichte.
9. Die Bauern sollten den Gutsbesitzern nur von Getreide, Heu und Tabak den Sechstel zahlen. Die Grundherrn möchten nicht verpflichtet sein, die Bauernsteuer zu zahlen sowie diese nicht den Grundherrn die betreffenden Einkünfte nach Hause zuzuführen.
10. Der Grundherr könne nie eigenmächtig den Bauer vom Grund und Boden fortjagen, sondern müsse von dem Gerichte seine Nichtswürdigkeit nachweisen und in diesem Falle soll er dem Bauer die Kosten zahlen, welche dieser beim Ausrotten, beim Pflanzen der Obstbäume und in Anführung etwaiger Gebäude gehabt.
11. Die Robotten für den Grundherrn mögen nie mehr eingeführt werden.
12. Die Durchmärsche des Veziers, des Militärs und der kaiserlichen Commißäre [?] sollen aus der öffentlichen Landeskasse bestritten werden.
13. Die Herstellung der Wege und Brücken, die Einführung der Posten und anderen Mittel zur Förderung des Handels und der Gewerbe möchte je eher auf Landeskosten begonnen werden.
14. Eben auf Landeskosten sollte eine Buchdruckerei für die Christen begründet werden.
15. Es sollte den Christen griechischen Ritus erlaubt sein, ihren Erzbischof und ihre Bischöfe selbst zu wählen und Euerer Majestät zur Bestätigung vorzulegen. Leute, wie sich von selbst versteht, welche die Sitten und Sprache des Landes kennen.
16. Die Freiheit in Ausübung des Gottesdienstes, daher sollte erlaubt sein, alle Kirchen und Klöster zu repariren, zu vergrößern und wo es nöthig wäre, neue zu bauen. Glocken und Glockenthürme zu haben und öffentlich unsere gottesdienstlichen Handlungen zu begehen.
17. Alle Märkte sollten von Sonn- und Feiertagen auf andere Werktage übertragen werden.
18. Jede Gemeinde möge erlaubt sein, ihre Schulen zu eröffnen und Lehrer auch aus dem Auslande zu berufen und diese sollen aus der Landeskasse bezahlt werden, auch soll es erlaubt sein, wegen bessern Fortschrittes Schüler in andere Länder zu schicken.
19. Es wollen auch von uns Zöglinge aufgenommen werden nach Constantinopel in die Medicinische und Ingeneirschule auf kaiserliche Kosten.
20. Es soll uns erlaubt sein, zwei Individuen auf unsere Kosten bei der hohen Pforte zu halten, welche unsere Landesbedürfnisse, unsere Wünsche und Bitten Euerer Majestät getreu darlegen sowie bei den Reichsgerichten Stimme haben und die Reichsverfügungen uns mittheilen sollen.
21. Alle Beamte, sowohl christliche als türkische, sollen aus der Landeskasse bezahlt werden, damit sie nicht von Bestechungen und Erpressungen leben müssen.
22. Die Blutsteuer (Krivania)[?] soll aufhören, das vergossene Blut des Getödteten mögen nicht die Gemeinden zahlen, sondern der Richter möge den Mörder einfangen.
23. Bosnien und Hercegovina möge wiederum unter einem Vezir vereinigt werden, dies wäre sowohl für das Volk als für die Landeskassa aus ökonomischer Hinsicht vortheilhaft.
24. Handel und Gewerbe zu betreiben, möge jedem ohne Unterschied der Religion erlaubt sein.
25. Über alle Landeseinkünfte und Ausgaben sollte öffentlich Rechnung geführt und dem Volke vorgelegt werden.
26. Alle kaiserlichen und Reichsverordnungen mögen nebst der türkischen auch in der bosnischen Sprache uns mitgetheilt werden, weil wir bei der bisherigen Art der Mittheilung nie vollkommen wüßten, was uns befohlen und aufgetragen werde.
27. Es soll uns erlaubt sein, sich zu versammeln ohne Waffen und zu berathen über unsere Schullitteratur und Öconomienangelegenheiten.
28. Es möge uns erlaubt sein, in andere Länder außer dem Kaiserreiche auszuwandern.
Dies sind unsere unterthänigsten Wünsche und Bitten, begründet auf dem Grundsatze der Gleichberechtigung, die noch der Vater Euerer Majestät frommen Andenkens und auch Euere Majestät selbst, sein Nachfolger, so oft bereits öffentlich und feierlich versprochen habt, welche jedoch bei uns in Bosnien wegen manchen unangenehmen Umständen ins Leben nicht treten konnten.
Wir bitten Gott inbrünstig, damit er das Herz Euerer Majestät rühre und Euere Majestät sich unser erbarmen möchte gewährend uns unsere obbenannten Bitten, wodurch das Reich besser befestiget wird, wenn Euere Majestät uns, so vielen Sclaven diese Gnaden angedeihen lassen.
Der allmächtige Gott segne die Regierung Euerer Majestät. Amen.
Geschrieben in Bosnien, den 1. April 1850