Ein katholischer Priester aus Bosnien übersendet Joseph Strossmayer ein
Memorandum bezüglich der Wiederherstellung der geistlichen Jurisdiktion
des Bischofs von Đakovo über Bosnien. Er bittet außerdem darum, ein
beigelegtes, an den türkischen Sultan adressiertes Bittgesuch der
Katholiken Bosniens und der Herzegowina dem Fürsten Schwarzenberg zu
übergeben, damit die österreichische Regierung dieses dem Sultan
weiterleite. Der Priester führt mehrere Gründe an, weshalb sich die
österreichische Regierung dieser Sache annehmen sollte. Zum einen sei
Österreich aufgrund seiner Beziehung zu Bosnien in der Vergangenheit
dazu berechtigt. Durch die Fürsprache beim Sultan würde Österreich bei
den Bosniern zudem Sympathien gewinnen. Außerdem würde es auch im
Interesse Österreichs liegen, die häufigen Unruhen in Bosnien, bedingt
durch die ungerechte Behandlung der dortigen Katholiken, beruhigt zu
sehen. Hinsichtlich der Wiederherstellung der geistlichen Jurisdiktion
gibt der Priester Bischof Strossmayer ebenfalls einige Hinweise. Er
empfiehlt beim Wiener Hof die Vermittlung des Papstes und die Entsendung
eines päpstlichen Vikars nach Bosnien zu beantragen. Außerdem sollte
bosnischen Priesterkandidaten die Möglichkeit geboten werden, in
Kroatien oder Slawonien zu studieren.
In der Beilage werden die
Wünsche und Bitten der Katholiken aus Bosnien und der Herzegowina
dargelegt. Die an den türkischen Sultan gerichtete Eingabe beruht auf
Grundsätzen, die sowohl der Vater des jetzigen Sultans als auch dieser
selbst bereits mehrfach öffentlich und feierlich versprochen hatten.
Demnach wünschen sich die Christen völlige Gleichstellung mit den
Muslimen sowohl im Hinblick auf ihre Rechte als Staatsbürger als auch im
Bezug auf ihr Glaubensbekenntnis. Außerdem bitten sie um Änderungen im
Abgaben- und Steuerwesen, bei der Handel- und Gewerbefreiheit sowie bei
der Versammlungs- und Religionsfreiheit.
Beilage: Eine Abschrift der Wünsche und Bitten der Christen aus Bosnien und der Herzegowina an den Sultan ,
Memorandum
Für den hochwürdigsten Herrn Bischof von Diakovar [Đakovo], Joseph Stroßmayer, von einem katholischen Priester aus Bosnien verfaßt. Aus dem illirischen Original übersetzt.
1.
Bezüglich auf die Wiederherstellung der geistlichen Jurisdiction des
Diakovarer Bischofs über Bosnien erachte ich, daß Folgendes
nothwendig wäre:
Indem diese Angelegenheit von sehr großer Wichtigkeit und
auch Nutzen ist sowohl in geistlicher als auch in zeitlicher Beziehung für unser
illirsiches Volk, so gibt es wohl keinen wahren Patrioten, der diese Sache nicht
billigen möchte, doch zu unserm Unglücke sind eben jene, die es zumeist angeht,
nicht mit einem wahrhaft patriotischen Geiste beseelt, sondern nur auf ihren
eigenen Nutzen bedacht. Deswegen wäre es nothwendig, beim Wienerhofe dahin zu
arbeiten, daß 1. beim Heiligen Vater erwirkt
werde, womit nach Bosnien ein apostolischer Vicarius geschickt
werden wolle, der ein Bosnier und ein guter Patriot ist, welcher dann die Herzen
der bosnischen Geistlichen dazu bearbeiten und vorbereiten würde, um der
Jurisdiction des Diakovaer Bischofs sich willig zu unterwerfen. Ein solcher
apostolischer Vicarius wäre nur ein Coadjutor für Bosnien unter
der Oberaufsicht der Diakovaer Bischöfe.
2. Die von Kaiser Joseph II. gemachte Fondation für 32 bosnische
Cleriker müßte hervorgesucht, auf Slavonien und
Croatien übertragen und dazu verwendet werden, damit bosnische
Alumnen in Diakovar [Đakovo],
Agram [Zagreb] oder sonst an einem hiezu geeigneten
Orte erzogen werden. Von einer guteingerichteten, gleichförmigen Erziehung
unserer bosnischen und slavonischen geistlichen Jugend würde nun jede
patriotische Unternehmung, also auch diese, abhängen.
2.
Der
Hochwürdigste Herr Bischof wird
gebeten, die hier in der Nebenlage folgenden Wünsche und Bitten der Christen
Bosniens Seiner Excellenz dem Fürsten Schwarzenberg sowie den übrigen
Ministern Seiner Majestät des Kaisers zu übergeben und anzuempfehlen, daß diese
Wünsche und Bitten an den Sultan nach
Constantinopel eingesendet und
durch das kaiserlich österreichische Ministerium in Vereinigung mit dem dortigen
russischen Bevollmächtigten bevorwortet werden möchten, damit der Sultan uns erhöre. Dafür könnte der
Hochwürdigste Herr Bischof
folgende Gründe anführen, welche den österreichischen Hofe bestimmen sollten,
dieser Sache sich anzunehmen:
1. Oesterreich als Erbe
Ungarns, wozu Bosnien vor Zeiten
gehörte, ist schon dazu berechtiget. Hiezu kommt: daß schon Ferdinand I. in Bosnien von
Fluße Verbas [Vrbas] bis Unna [Una] und Save alle festen Plätze besessen, unter
denen Jajce, Banjoluka [Banja
Luka] und Tešanj die bedeutendern sind; nach
ihm haben alle Kaiser, besonders Leopold
I., Karl VI. und Joseph II., Bosnien zu erobern
getrachtet, was aber die damaligen Verhältnisse nicht gestatteten. Daher hat
auch der Wienerhof als katholische Macht mit der Politik auch die religiösen
Vortheile immer zu verbinden gesucht. Schon Joseph
II. hat eine Fondation für die bosnischen Cleriker gemacht und
dem bosnischen Vicarius Apostolicus eine Bezahlung angewiesen. Die Bosnier,
welche alles aus dem religiösen Gesichtspuncte betrachten und eingedenk dieser
Wohlthaten seitens des Wienerhofes halten immer den Kaiser von Wien für ihren
König, nennen seinen Namen in ihren Gebeten und erwarten von ihm Erlösung, wenn
auch für izt [sic!] nicht auf eine andere Weise, so doch wenigstens durch diese
Fürsprache beim Sultan. Dadurch würde Oesterreich noch mehr
Sympathie für sich bei den Bosniern bekommen.
2. Seit einigen Jahren
trachten die Engländer und die Franzosen, den österreichischen und russischen
Einfluß in den Donauländern zu schwächen und den eigenen mehr und mehr zu
befestigen, indem sie dem Sultan rathen, daß er den Christen Erleichterungen
gewähren und so seine Herrschaft gegen die Anfälle nördlicher Nachbarn zu [sic!]
begründen. Aber wir Christen in Bosnien kennen schon ihre
Absicht zu gut. Wir schauen immer die Engländer und Franzosen als Nationen, die
andere Völker zu Grunde richten, um nur ihren eigenen materiellen Nutzen zu
sichern.
3. Bosnien ist von 3 Seiten mit österreichischen
Provinzen umgeben. Die häufigen Unruhen, welche dort unter den rohen Türken
statt finden, sind auch Oesterreich mehr oder minder
gefährlich, theils wegen Handel, theils aber wegen den Aufwieglern, welche in
Bosnien ihre Zuflucht suchen und finden könnten. Es liegt
also auch im Interesse Oesterreichs, daß
Bosnien
ruhig ist, ruhig kann es aber nicht bleiben, solange die
Christen irgendwelche Rechte und Erleichterungen nicht bekommen.
Geschrieben
zu Wien, am 16. Juni 1850
N. N.
Wünsche und Bitten der Christen in Bosnien und Hercegovina, welche sie ehrfurchtsvoll Seiner kaiserlichen Majestät, ihrem glücklich regierenden Sultan Abdul Medžid [Abdülmecid I.] unterbreiten. Aus dem illirschen Originale übersetzt.
Euere Majestät!
Über 600.000 Christen leben in diesen zwei Provinzen Bosnien
und Hercegovina, getreue Unterthanen
Euerer Majestät, welche gestützt auf ihre durch 4 Jahrhunderte bezeugte
Treue gegen die hohe türkische Pforte, hiemit unterthänigst bitten, womit
Euere Majestät nach Höchstderoselben eingebornen Güte unsre frommen Seufzer
erhören und uns folgende Gnaden zu gewähren geruhen wollen:
1. Damit wir
nicht mehr Rajas, sondern Staatsbürger des gesammten
türkischen Kaiserreiches
genannt werden möchten. Demzufolge
2. Damit wir beim Gerichte den Türken
gleichgestellt werden und deshalb für die Zukunft nicht nach dem Vorzuge des
Glaubensbekenntnisses, sondern nach Recht und Billigkeit geurtheilt werden
wolle. Deswegen
3. Alle Gerichtsämter möchten aus gleicher Anzahl
Mitglieder sowohl des türkischen als des christlichen Glaubens
zusammengesetzt werden.
4. Die Abgaben und Steuern möchten Türken und
Christen je die ihrigen selbst einsammeln und dem Vezier übergeben.
5.
Die Abgaben und Steuern möchten nicht nach der Zahl der Häuser, sondern nach
Verhältnis des Eigenthums und des Besitzes vertheilt werden.
6. Die
Kopfsteuer, welche die Christen für jeden männlichen Kopf zahlen, wolle für
immer aufgehoben werden als der bürgerlichen Gleichberechtigung zuwider.
Dafür
7. Sollen die Christen auch zum Militär sowohl Nizam als Redif
genommen und mit ihren Geistlichen versehen werden.
8. Den kaiserlichen
Zehend von Getreide und Heu wolle in die Steuer
eingerechnet werden, damit man ihn im Gelde entrichte.
9. Die Bauern
sollten den Gutsbesitzern nur von Getreide, Heu und Tabak den Sechstel zahlen. Die Grundherrn möchten nicht verpflichtet sein,
die Bauernsteuer zu zahlen sowie diese nicht den Grundherrn die betreffenden
Einkünfte nach Hause zuzuführen.
10. Der Grundherr könne nie
eigenmächtig den Bauer vom Grund und Boden fortjagen, sondern müsse von dem
Gerichte seine Nichtswürdigkeit nachweisen und in diesem Falle soll er dem
Bauer die Kosten zahlen, welche dieser beim Ausrotten, beim Pflanzen der
Obstbäume und in Anführung etwaiger Gebäude gehabt.
11. Die Robotten für
den Grundherrn mögen nie mehr eingeführt werden.
12. Die Durchmärsche
des Veziers, des Militärs und der kaiserlichen Commißäre [?] sollen aus der
öffentlichen Landeskasse bestritten werden.
13. Die Herstellung der Wege
und Brücken, die Einführung der Posten und anderen Mittel zur Förderung des
Handels und der Gewerbe möchte je eher auf Landeskosten begonnen
werden.
14. Eben auf Landeskosten sollte eine Buchdruckerei für die
Christen begründet werden.
15. Es sollte den Christen griechischen Ritus
erlaubt sein, ihren Erzbischof und ihre Bischöfe selbst zu wählen und Euerer
Majestät zur Bestätigung vorzulegen. Leute, wie sich von selbst versteht,
welche die Sitten und Sprache des Landes kennen.
16. Die Freiheit in
Ausübung des Gottesdienstes, daher sollte erlaubt sein, alle Kirchen und
Klöster zu repariren, zu vergrößern und wo es nöthig wäre, neue zu bauen.
Glocken und Glockenthürme zu haben und öffentlich unsere gottesdienstlichen
Handlungen zu begehen.
17. Alle Märkte sollten von Sonn- und Feiertagen
auf andere Werktage übertragen werden.
18. Jede Gemeinde möge erlaubt
sein, ihre Schulen zu eröffnen und Lehrer auch aus dem Auslande zu berufen
und diese sollen aus der Landeskasse bezahlt werden, auch soll es erlaubt
sein, wegen bessern Fortschrittes Schüler in andere Länder zu
schicken.
19. Es wollen auch von uns Zöglinge aufgenommen werden nach
Constantinopel in die
Medicinische und Ingeneirschule auf kaiserliche Kosten.
20. Es soll uns
erlaubt sein, zwei Individuen auf unsere Kosten bei der hohen Pforte zu
halten, welche unsere Landesbedürfnisse, unsere Wünsche und Bitten Euerer
Majestät getreu darlegen sowie bei den Reichsgerichten Stimme haben und die
Reichsverfügungen uns mittheilen sollen.
21. Alle Beamte, sowohl
christliche als türkische, sollen aus der Landeskasse bezahlt werden, damit
sie nicht von Bestechungen und Erpressungen leben müssen.
22. Die
Blutsteuer (Krivania)[?] soll aufhören, das vergossene Blut des Getödteten
mögen nicht die Gemeinden zahlen, sondern der Richter möge den Mörder
einfangen.
23. Bosnien und Hercegovina möge wiederum unter einem Vezir vereinigt werden,
dies wäre sowohl für das Volk als für die Landeskassa aus ökonomischer
Hinsicht vortheilhaft.
24. Handel und Gewerbe zu betreiben, möge jedem
ohne Unterschied der Religion erlaubt sein.
25. Über alle
Landeseinkünfte und Ausgaben sollte öffentlich Rechnung geführt und dem
Volke vorgelegt werden.
26. Alle kaiserlichen und Reichsverordnungen
mögen nebst der türkischen auch in der bosnischen Sprache uns mitgetheilt
werden, weil wir bei der bisherigen Art der Mittheilung nie vollkommen
wüßten, was uns befohlen und aufgetragen werde.
27. Es soll uns erlaubt
sein, sich zu versammeln ohne Waffen und zu berathen über unsere
Schullitteratur und Öconomienangelegenheiten.
28. Es möge uns erlaubt
sein, in andere Länder außer dem Kaiserreiche auszuwandern.
Dies sind unsere
unterthänigsten Wünsche und Bitten, begründet auf dem Grundsatze der
Gleichberechtigung, die noch der Vater Euerer
Majestät frommen Andenkens und auch Euere Majestät selbst,
sein Nachfolger, so oft bereits öffentlich und feierlich versprochen habt,
welche jedoch bei uns in Bosnien wegen manchen unangenehmen
Umständen ins Leben nicht treten konnten.
Wir bitten Gott inbrünstig,
damit er das Herz Euerer Majestät rühre und Euere Majestät sich unser
erbarmen möchte gewährend uns unsere obbenannten Bitten, wodurch das Reich besser befestiget wird, wenn
Euere Majestät uns, so vielen Sclaven diese Gnaden angedeihen
lassen.
Der allmächtige Gott segne die Regierung Euerer Majestät.
Amen.
Geschrieben in Bosnien, den 1. April 1850