Ludwig Heufler hat seine Reise durch Siebenbürgen beendet. Er berichtet Leo Thun nun über das Verhältnis zwischen der griechisch-orthodoxen und griechisch-katholischen Kirche sowie über die Situation des Schulwesens in Siebenbürgen. Eine dringende Notwendigkeit ist nach Heuflers Einschätzung die Wahl eines unierten Bischofs als Gegenpol zum griechisch-orthodoxen Bischof Andreas Schaguna: Dieser versuche nämlich – mit Erfolg – sein Lebensziel zu verwirklichen, nämlich, alle Romanen Siebenbürgens unter seinem Bischofsstab zu vereinen. Als geeigneten Kandidaten für den Bischofstuhl der griechisch-katholischen Kirche in Blasendorf nennt Heufler den gegenwärtigen Generalvikar Constantin Alutan. Dieser betone stets die Verbindung mit Rom und dem österreichischen Kaiserhaus. Heufler erwähnt auch, dass er mit dem Gouverneur und dem Zivilkommissar auch andere Möglichkeiten besprochen hat, die griechisch-katholische Kirche in Siebenbürgen zu fördern. Im zweiten Teil des Briefes geht Heufler auf das Schulwesen in Siebenbürgen ein. Er bedauert noch keinen abschließenden Bericht liefern zu können, weil noch nicht alle Religionsgemeinschaften Stellung zum Reformprozess genommen haben und er diese zunächst noch abwarten will. Durch die konfessionelle Spaltung in Siebenbürgen ist das Schulwesen sehr zersplittert und die Reform dementsprechend aufwendig. Außerdem ist die Finanzierung der Reorganisation des Schulwesens noch nicht vollständig geklärt und daher könne man erst dann einen sinnvollen Vorschlag vorlegen, sobald der finanzielle Rahmen klar sei. Ein weiteres Problem stellt die Bestellung von Schulräten dar, da auch in diesem Fall auf die Konfessionen Rücksicht genommen werden müsse. Daher unterbreitet Heufler dem Minister einen Vorschlag, nach welchen Kriterien die Posten der Schulräte besetzt werden sollten. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien schlägt er schließlich mehrere Kandidaten, nach Konfessionen getrennt, vor, die für einen Posten als Schulrat in Frage kämen.
Hermannstadt, 12.7.1850
Euere Exzellenz!
Seit ich mir die Freiheit genommen habe, aus Schäßburg einen Brief an Euere Exzellenz zu richten, habe ich
meine Reise vollendet. Auf derselben und nachdem ich von derselben zurückgekehrt
bin, habe ich Gelegenheit gefunden, mich von den Verhältnissen zwischen der
griechisch unirten und nicht unirten Kirche näher zu unterrichten und erlaube
mir, darüber zu berichten.
Der Bischof der
nicht unirten Kirche ist ein Mann, der mit großer Klugheit und
Energie einen einzigen Lebenszweck verfolgt, und dieser Zweck ist die
Vereinigung aller Romanen Siebenbürgens
unter seinen bischöflichen, die Vereinigung aller Romanen Österreichs unter seinen erzbischöflichen Stab.
Ob es Herrschsucht sei, was ihn dazu treibt, ob religiöser Fanatismus, ob
Nationalitätsbestrebung, wage ich nicht zu entscheiden; vielleicht von allen
dreien etwas, wahrscheinlich von der Herrschsucht das Meiste. Es vergeht keine
Woche, in der nicht an das Gouvernement Anzeigen von Übertritten manchmal ganzer
Gemeinden vorkommen. Damit sind auch Streitigkeiten über das Eigenthum der
Kirchen und ihres Vermögens verbunden. Der Bischof Schaguna mehrt auf diese Art auf
beunruhigende Weise die Zahl seiner Heerde, während die unirte Kirche
sehnsüchtig ihres Hirten harret. Zum Glück ist durch das Blasendorfer Kapitel
vor kurzer Zeit ein Generalvikar gewählt worden, der Bildung und Religiosität
auf schöne Weise vereiniget; allein ein Generalvikar ist kein Bischof. Die Wahl
eines solchen wird täglich dringender und nachdem nach allem, was ich in
Erfahrung bringen konnte, der gegenwärtige Generalvikar Domherr Alutan mit Sicherheit in die Terna
aufgenommen werden wird, aus welcher der Kaiser einen ernennt, so dürfte der Zeitpunkt gekommen sein, in
dem man ohne Befürchtung eine solche Wahl ausschreiben können wird. Alutan ist in Wien
erzogen worden; seine Bildung ist daher eine deutsche. Sein Aussehen ist das
eines frommen, klugen, bescheidenen Mannes; sein Gesicht hat das Gepräge jenes
Seelenfriedens, welchen die Welt nicht giebt, aus seinen Augen leuchtet das
milde Feuer der christlichen Liebe. Die Bescheidenheit und Sanftmuth, welche ihm
eigen ist, hindert aber nicht, daß sein ganzes Wesen jenen Grad von Würde und
Salbung zeigt, welcher einem Kirchenfürsten ziemt. Außer Alutan dürften in die Terna aufgenommen
werden Sterka Suluz [Sterca-Sulutiu] und der Vicarius von Hatzeg, namens Pappfalvi
[Papfalvi]. Letzeren habe ich
ebenfalls persönlich kennen gelernt; er reicht dem Alutan nicht das Wasser und war überdieß
Deputirter des revolutionären Landtages in Debreczin
[Debrecen]. Der Vikär Sterka Suluz ist Euerer Exzellenz
ohnehin persönlich bekannt; ich konnte ihn nicht sehen, denn er war theils in
Großwardein, theils in
Wien. Etwas hat mich gegen ihn eingenommen, und ich
fühle mich verpflichtet, dieses mitzutheilen. Schon im Winter hat er nämlich den
Steuereinnehmer Andreas Szilagy [Szilagyi] in Zilah zum romanischen
Schulrath vorgeschlagen. Obwohl ein Bericht General Urbans vorlag, worin derselbe den Szilagy dazu für untauglich erklärt, so
suchte ich doch seine Bekanntschaft und überzeugte mich aus derselben, daß
Urban ganz Recht hatte. Der
Vorgeschlagene ist ein höchst unbedeutender, ungebildeter Mann, der weder gut
spricht, noch gut schreibt, weder ein Gelehrter, noch ein Pädagog ist, sondern
nichts mehr als ein recht braver und verläßlicher – Steuereinnehmer und ein
aufrichtiger Anhänger Österreichs.
Suluz konnte diesen Mann
nur aus Gunst oder aus Unverstand vorschlagen; ich suche mindestens umsonst nach
einer dritten besseren Auslegung.
Da bei meiner Anwesenheit in
Blasendorf
Alutan von Großwardein noch nicht zurückgekommen war, so
habe ich ihn ersucht, nach Hermannstadt zu kommen. Bei
seiner Anwesenheit haben zwischen Herrn von Weiß, der in Abwesenheit des Gouverneurs und des Civilkommissärs
Bach die Zügel führt, und ihm und mir
ganz vertrauliche Berathungen über die Mittel stattgefunden, um der unirten
Kirche aufzuhelfen. Es wurde dabei allseitig anerkannt, daß vorzüglich die
Kirche selbst sich helfen müsse, und daß der Staat nur schützend einschreiten
könne, insbesondere dann, wenn die Kirche ihn darum angeht. Eine regelmäßige
Postverbindung mit Blasendorf – (jetzt liegt es wie aus
der Welt, mein Brief an Alutan hat
nach Blasendorf fünf Tage gebraucht; eine Staffette würde
nur einen halben Tag brauchen) –, die Verpflichtung der politischen Behörden,
die amtlichen Schreiben der Geistlichen mit den Dienstpaketen weiter zu
befördern, die Bitte an das Finanzministerium, die Druckerei in
Blasendorf mit Lettern aus der Staatsdruckerei zu
versehen und mit der Bezahlung zu warten, bis der Druckereifond in bessere Lage
kommt, sind Gegenstände, welche mit der Begründung, daß der Generalvikar darum angesucht habe,
bereits in den ordentlichen Amtsweg geleitet worden sind. Das „Caeterum [sic!]
vero censeo“ war aber immer die unverzügliche Ausschreibung der Bischofswahl.
Der Generalvikar wird unterdessen
sich bemühen, durch seine Erzpriester (Dechante) in schnelle und regelmäßige
Kenntnis von allen Vorfällen zu gelangen und wird dort, wo es Noth thut, den zu
alten Erzpriestern Coadjutoren an die Seite stellen. Bei dem Antritte seines
Amtes hat er einen Hirtenbrief an den Klerus erlassen, welchen ich in Original
und in einer Übersetzung beischließe.1 Euere Exzellenz werden daraus ersehen, daß er
vorzüglich von der Gefahr des Abfalles von Rom handelt,
und es werden darin zwei Argumente angeführt, die recht ad hominem sind, und mir
gut geeignet scheinen, auf das Volk einen Eindruck zu machen, nämlich, daß der
Patriarch des alten Rom (im Gegensatz zu Neu-Rom oder
Constantinopel) von romanischem
Blute, und daß die römische Religion die ihres geliebten Kaisers sei. Es wäre
gut, diesen Hirtenbrief etwa im nichtamtlichen Theil der Wiener Zeitung
veröffentlichen zu lassen. Ohne die Zustimmung Euerer Exzellenz wollte ich
dieses jedoch nicht veranlassen, und ich erlaube mir, dabei die Bedenken zu
äußern, die etwa der Veröffentlichung im Wege stehen. Es wird nämlich der
Bischof und das Bisthum immer Erzbischof und Erzbisthum genannt. Der Grund ist,
daß dieses Bisthum bis zur Union mit Rom wirklich eine
Metropolie war, und daß die Romanen nie aufgehört haben, sich in ihren inneren
Angelegenheiten dieser Ausdrücke zu bedienen. Da aber dieser Titel weder von der
Regierung noch, wie es scheint, von Rom anerkannt ist, so ist es mißlich, eine
Urkunde zu veröffentlichen, in welcher derselbe gebraucht ist. Das andere
Bedenken ist die Stelle, daß die unirten Romanen weder einen serbischen noch
einen griechischen Patriarchen brauchen. Dieser an und für sich ganz richtige
Ausdruck ist doch etwas zu gereizt polemisch, und ich fürchte, beide Punkte
könnten dem Schaguna einen
willkommenen Anlaß biethen, Gleiches mit Gleichem zu vergelten.
Durch die
nähere Bekanntschaft mit einem hoffnungsvollen romanischen Studenten der unirten
Kirche habe ich in Erfahrung gebracht, daß nicht weniger als 55 Studenten und
Normalschüler der unirten Kirche in Hermannstadt sind.
Die meisten derselben haben bis jetzt die nicht unirte Kirche
besucht, weil sie dort auch Unterricht im Kirchengesange erhalten, in ihrer
eigenen Kirche aber nicht, denn der unirte Kirchensänger ist ein Taglöhner, der
nicht im Stande ist, Unterricht zu ertheilen. Ebenso gehen die kleinen Kinder
der unirten ohne die fluctuirende Seelenzahl 900 Köpfe starken Gemeinde in die
zwei Trivialschulen der nicht unirten, weil die unirten keine
eigene Schule haben. Ich arbeite daran, so schnell als möglich einen tüchtigen
Cantor und Schullehrer (in einer Person) zu bekommen. Herr von Weiß hat sich in
dieser Angelegenheit an Herrn Bach
gewendet, um ihn zu fragen, ob er einverstanden wäre, für den Anfang einen
Beitrag von 100 fl aus den geheimen Geldern zu geben. Damit wäre aber nur die
Hälfte der auf das sparsamste berechneten Auslagen gedeckt. Für das Übrige werde
ich selbst auf andere Weise sorgen. Von den Familienvätern, die zur ärmsten
Volksklasse gehören, wird man nicht viel verlangen können, am besten gar nichts.
Der hiesige Pfarrer ist zum Unglücke ein Mann, dem seine Religion wenig am
Herzen zu liegen scheint. Bevor er von den Ungarn ausgeplündert wurde, war er
Heu- und Weinspeculant; jetzt hat das zwar aufgehört, aber für seine Pfarrkinder
und für seine Kirche sorgt er dennoch wenig. Die Kirchengeräthe von Werth sind
im Bürgerkriege geraubt worden, aber dessen ungeachtet verdient das Aufbewahren
des consecrirten Brodes in einem gebrauchten Apotheckenschächtelchen mit der
Überschrift: Apothecke zum … und „Nach Bericht“ (scilicet: einzunehmen) keine
Entschuldigung und ist ein trauriges Zeichen von dem gänzlichen Mangel an
Ehrfurcht vor dem Allerheiligsten.
Während Schaguna sich und seine Kirche mit immer größerem Prunke
umgiebt, giebt die unirte Kirche unter seinen Augen das Schauspiel einer
haltlosen, sich selbst aufgebenden Communität. Es wäre vielleicht gut, die
besondere Aufmerksamkeit Roms auf die Vorgänge in Siebenbürgen zu lenken, damit von dort, wo die
Fülle des Berufes mit der größten Erfahrung sich einiget, ein Strahl des Lichtes
in das Dunkel falle.
Was das Unterrichtswesen betrifft, hoffe ich bis Ende
dieses Monates alle Antworten der Schul- und Kirchenbehörden zu bekommen. Die
beiden griechischen Kirchen und der römisch-katholische Bischof haben bereits
geantwortet. Die Evangelischen, welche eine republikanische Verfassung auch in
diesen Beziehungen haben, berathen mittelst ihrer Deputirten sowohl des
Oberconsistoriums als auch der Nationsuniversität, und von ihnen werde ich
schwerlich vor 2–3 Wochen eine Erledigung bekommen. Wie Euerer Exzellenz bekannt
ist, hatte ich mich bei den Reformirten und den Unitariern an ihre
Superintendenten gewendet, weil das Gouvernement die Absicht hatte, das
Oberconsistorium provisorisch zu reorganisiren. Allein meine Reisebeobachtungen
haben mich zur Überzeugung gebracht, daß eine solche Octrojirung in einem
Augenblicke, wo das Mißtrauen der Akatholicken gegen die katholische Kirche
durch die letzten kaiserlichen Entschließungen auf eine krankhafte Höhe
gesteigert war, von den übelsten Folgen wäre. Die Nachricht, daß eine solche
Reorganisirung von Regimentswegen in Aussicht sei, hatte die Gemüther auf das
äußerste beunruhiget, und indem ich beisetze „toll gemacht“, bediene ich mich
eines Ausdruckes, den der vielleicht intelligenteste Kopf unter den Reformirten,
Professor Alexander Doxa [Dózsa], in
Maros Vasarhely [Marosvaserhely] bei Besprechung dieser
Angelegenheit gebraucht hat. Leider war dieser eminente Mann, der durch das
Vertrauen, welches er genießt, durch die Beredsamkeit, welche er besitzt und
durch die Geradheit, mit der er seine Überzeugung ausspricht, vielleicht noch
eine bedeutende Rolle spielen wird, Regierungskommissär unter Kossuth in Kronstadt
und kann also zu kaiserlichen Diensten nicht verwendet werden. Nachdem ich von
den Superintendenten theils mündlich, theils schriftlich auf meine Depesche eine
ablehnende Antwort wegen Incompetenz erhalten hatte, habe ich mich nach
gepflogenem Einverständnisse mit dem Gouverneur und dem Civilkommissär an die Consistorien gewendet, und der Gouverneur hat mir zugesichert, beiden
die Bewilligung zur Abhaltung eines Plenums zu geben. Dieses ist auch geschehen,
und die Reformirten werden ihr Plenum am 18. Julius halten. Ein
Regierungskommissär wird dabei anwesend sein. Ihr Plenum ist nach ihrer
Verfassung schon bei Anwesenheit von 36 Gliedern beschlußfähig, und nicht jedes
berechtigte Mitglied muß speziell vorgeladen werden, sondern es genügt die
Verlautbarung in jedem Dekanate. In die Kenntnis dieser Details, welche die
Sache viel weniger complizirt machen, bin ich erst auf meiner Bereisung gekommen
und habe daraus gesehen, daß die Zusammenrufung eines Plenums nicht mit solchen
Schwierigkeiten verbunden sei, als ich mir vorgestellt hatte. Die provisorische
Reorganisirung hat das Gouvernement ganz fallen lassen, und dieses konnte um so
leichter geschehen, als inzwischen das Dekret Euerer Exzellenz gekommen ist, in
welchem der Entwurf einer allgemeinen neuen Kirchenverfassung für die
Protestanten zur Begutachtung mitgetheilt wurde, wo dann die Reformirten sowohl
als die Unitarier Gelegenheit haben werden, ihre Anträge zu erstatten. Dadurch
wird auch jener Auftrag aus dem Kabinette erlediget sein, welcher schon vor
mehreren Jahren an den damaligen siebenbürgischen Hofkanzler gegangen ist und
immer umsonst betrieben wurde, demgemäß nämlich die Kirchen selbst zu einem
Organisirungsvorschlag hätten aufgefordert werden sollen. Daß in Siebenbürgen übrigens weder die Altlutheraner
noch die Calviner von einer Annäherung beider Confessionen, wie sie in dem
ministeriellen Entwurfe angedeutet ist, etwas werden wissen wollen, kann beinahe
mit Gewißheit vorausgesagt werden.
Um auf den Stand der Hauptverhandlung
über die Organisirung des Unterrichtswesens zurückzukommen, recapitulire ich,
daß ich 3 Antworten habe, 3 Antworten binnen Kurzem erwarte. Ich glaube,
abwarten zu müssen, bis ich alle Antworten habe, um den Bericht an Euere
Exzellenz zu erstatten, den ich, wenn ich keinen gegentheiligen Auftrag erhalte,
dem Gouverneur zur Einbegleitung
übergeben werde, denn kaum in einem anderen Lande greift das Unterrichtswesen so
in die Politick ein als in Siebenbürgen.
Erst aus allen Antworten werde ich einen Plan entwerfen können, der ein Ganzes
ist. Auch bin ich durch meine Instrucktion verbunden, die Berathungen, welche
der Erstattung dieser Anträge vorausgehen sollen, in Gemeinschaft mit den
ernannten oder designirten Mitgliedern der Landesschulbehörde zu pflegen. Auch
diese werden erst bis Ende dieses Monates in Hermannstadt
versammelt sein können.
Ich wage es noch nicht, einen amtlichen Vorschlag
zur Besetzung der Schulratsstellen zu machen, denn da ich die designirten
Mitglieder der Landesschulbehörde nach Hermannstadt
berufen kann, so ist mir die Gelegenheit gebothen, dieselben pracktisch zu
versuchen, und so kann dann die Reue erspart werden, ein untüchtiges Mitglied
vorgeschlagen zu haben. Den Gedanken, die Schulräthe nach den Gattungen der
Schulen zu bestellen, mußte ich ganz aufgeben. Es ist darüber bei Weltlichen und
Geistlichen nur Eine Stimme, daß die Schulräthe nach Confessionen gewählt werden
müssen. Das Gegentheil würde das größte Mißtrauen gegen diese Behörde
hervorrufen, und ich gestehe, mir wäre auch nicht wohl, wenn ein anderer als ein
Katholick [sic!] Schulrath für die katholischen Schüler wäre. Die vollkommene
Gleichberechtigung der recipirten Religionen ist seit drei Jahrhunderten so tief
in die Anschauungsweise der Siebenbürger gedrungen, daß sie eine
Nichtberücksichtigung derselben im Schulrathe für eine gleiche Unterdrückung
Aller unter einen aprioristisch urtheilenden und die geschichtliche Entwicklung
übersehenden Liberalismus ansehen würden. Außer dem Grundsatze, die Schulräthe
nach ihrer Confession zu bestimmen, habe ich noch drei andere Grundsätze bei der
Auswahl derselben festzuhalten getrachtet, nämlich erstens, keinen zu wählen,
mit dem der betreffende Kirchenvorstand nicht selbst einverstanden ist,
zweitens, keinen, der sich im Bürgerkriege als einen Anhänger der Kossuthischen
Regierung gezeigt hat, drittens, caeteris [sic!] paribus die Weltlichen den
Geistlichen vorzuziehen. Das Einverständnis mit dem Oberhaupte der Kirche
erzielt Vertrauen, und ich halte dieses für eine wesentliche Zuthat bei
jeglicher Leitung; an der Ausschließung der politisch Compromittirten
festzuhalten, halte ich für nothwendig, denn vor allem muß die künftigen
Collegen im Landesschulrathe das Band der Anhänglichkeit an Großösterreich
umschließen, und keiner darf gegen den anderen den Vorwurf der Überläuferei
denken oder gar aussprechen können; überdieß würde sich die Regierung ein
schlechtes Zeugnis ausstellen, wenn sie ihre Rathgeber in den Kreisen ihrer
Feinde aufsuchen müßte; endlich lassen sich Kenntnisse ergänzen, ein Charackter
aber, der schwankend oder schlecht ist, läßt sich nicht ändern.
Leider ist
es wahr, daß unter den Reformirten und unter den Katholicken die intellecktuell
Besten der Sache der Rebellen angehangen haben, und wenn ich darauf keine
Rücksicht nehmen müßte, schlüge ich ohne zu zweifeln, den Domherrn Kesserü
[Keserü] zum
katholischen, den Professor Doxa zum
reformirten Schulrath vor. Aber inter duo mala minus und in Siebenbürgen muß man sich überhaupt in allen
Dingen gewöhnen, nicht das theoretisch Beste, sondern das pracktisch erreichbare
minder Gute, aber durch die Umstände Gebothene zu wählen.
Was das Vorziehen
der Weltlichen betrifft, scheint mir die Ernennung von Mitgliedern des Clerus zu
Räthen der Krone in geistlichen und Schulsachen unpassend zu sein. Denn „Niemand
kann zweien Herren dienen.“ Es ist unvermeidlich, daß auch hier, wie in allen
menschlichen Dingen, von Zeit zu Zeit – um den gelindesten Ausdruck zu wählen –
abweichende Meinungen entstehen. In solchen Fällen muß nothwendig der Kleriker
in ein Dilemma gerathen, in welchem er entweder den speziellen Pflichten seines
sacramentalen Standes oder den übernommenen Obliegenheiten seines Amtes untreu
wird. Beides ist vom Übel, beides verunreiniget den Charackter, und die Folge
davon ist in den meisten Fällen Lauigkeit. Am Ende traut einem solchen weder der
Laie noch der Kleriker, und er wird zur Fledermaus in der Fabel. Viel eher wird
der rechte Ausweg getroffen, wenn der weltliche Rath des Staates mit dem
geistlichen Rathe der Kirche die gegenseitigen Rechte abwägt und auf das rechte
Maß zurückzuführen sucht.
Mit Berücksichtigung dieser Grundsätze bin ich im
Einverständnisse mit dem Gouvernement zu folgenden vorläufig nur designirten
Schulräthen gekommen, für die Katholischen Professor Szabo in
Klausenburg, vom General Urban ebenso warm empfohlen als vom Bischof, ausgezeichnet im
Vortrage, vielgereist und vieler Sprachen kundig, angesehener Arzt, mit einem
großen Eifer für das katholische Schulwesen eine sehr detaillirte Kenntnis
desselben verbindend, ungarischer Siebenbürger; für die Unirten Bezirkskommissär
Dorgo in
Dees, von dem Generalvikar unter allen von mir Vorgeschlagenen als der Einzige bezeichnet, gegen den keine Einwendung auch nicht
etwa wegen Mangel an Fähigkeiten gemacht werden kann, ein wahrer Vertrauensmann
der Romanen, bescheiden, unbestechlich, gerade, von imponirendem Äußern, früher
durch eine Reihe von Jahren Erzieher und als solcher pädagogisch geübt, eines
Stammes und Vaterlandes mit den hiesigen Genossen seines Ritus; für die nicht
Unirten Unterbezirkskommissär Germanios Kodru [Germaniu Codru] in Utscha, geborner
Siebenbürger der griechisch-orthodoxen Kirche, jung, feurig, hat als Erzieher
größere Reisen gemacht, widmet sich mit Eifer der romanischen Literatur,
arbeitet an der Verfassung und Übersetzung romanischer Schulbücher, von
Schaguna zwar nicht
vorgeschlagen, aber auch nicht exzipirt; für die Reformirten Professor Salomon
[Salamon] in
Klausenburg, erfahrener Schulmann, Verfasser einer
Kirchengeschichte der helvetischen Konfession in Siebenbürgen, auf norddeutschen Universitäten gebildet, sein
Äußeres verkündet Ruhe, Maßhalten, Bedächtigkeit, genießt das Vertrauen der
Regierung, und weder der Präsident des reformirten Oberconsistoriums Baron Franz Kemeny noch der Superintendent
Antal haben gegen ihn eine
Einwendung; für die Unitarier Ladislaus
Koronka, geborner unitarischer Siebenbürger, Oberfiskal und bei
der k.k. Kammerprokuratur zu Hermannstadt in Verwendung,
daher für das Unterrichtsbudget wenig kostspielig, geachteter Rechtsgelehrter,
fester Charackter; für die Evangelischen Gymnasialprofessor Daniel Teutsch, in Schärfe des
Urtheils, Schönheit der Dicktion, Kraft des Vortrages, Tiefe des Wissens,
Männlichkeit der Gesinnung und des ganzen Wesens gleich ausgezeichnet. Dieser
Mann, ein Sachse aus Schäßburg, Euerer
Ezellenz bereits aus dem Memoire über den Gymnasial-„Entwurf“ bekannt, ragt so
sehr über Professor Schuller
hervor, daß ich mir selbst untreu werden müßte, würde ich gegen meine innerste
Überzeugung Professor Schuller
vorschlagen. Ich habe bereits vor einiger Zeit darüber an Herrn Ministerialrath
Exner geschrieben und ihm die
Verlegenheit dargestellt, in welche ich dadurch Professor Schuller gegenüber gekommen bin, aber
keine Antwort auf meine dießfällige Anfrage erhalten, vielleicht weil ich mich
rücksichtlich meines Urtheils über Schuller auf den Civilkommissär Bach berufen habe, und dieser gegen meine Vermuthung erst vor
ein paar Tagen in Wien angekommen ist. Ich stehe nämlich
an, ohne der Billigung Euerer Exzellenz sicher zu sein, neben Professor
Schuller, dessen Enthebung
von seiner außerordentlichen Verwendung beim Gouvernement oder eigentlich bei
mir, mir nicht zusteht, auch noch Professor Teutsch einzuberufen; auch wünschte ich sehr, wenn dieses
geschieht, dem guten alten Manne die bittere Nachricht irgendwie versüßen zu
können. Ich bitte daher Euere Exzellenz inständig, mir über diese Punkte Ihren
Willen eröffnen zu lassen. Welchen Werth die Sachsen selbst auf diesen jungen
Mann legen, wollen Euere Exzellenz sich von dem in Wien
anwesenden Superintendenten Binder
mittheilen lassen; ein anderes Merkmal dieser Werthschätzung liegt darin, daß er
vom Oberconsistorium eigens von Schäßburg herberufen wurde, um das Referat über meine an
dasselbe gerichtete Depesche zu übernehmen. Er hat diese Arbeit vollendet und
ist bereits nach Schäßburg
zurückgereist, um bei dem Schlusse des Semesters gegenwärtig zu sein. Bis zu
Ende dieses Monates werde ich die Antwort, die erst noch von der
Nationsuniversität in ökonomischer Beziehung berathen werden muß, erhalten; bis
dorthin benöthigte ich dringend eine Antwort auf meine Frage, um ihn dann
unverzüglich hercitiren zu können.
Bei den Anträgen über die Reorganisirung
des Unterrichtswesens in Siebenbürgen wird
die Geldfrage eine Hauptsache sein. Bei meinem Aufenthalte im Küstenlande habe
ich aus dem Studium der Ackten gesehen, daß in den Jahren 1815 bis 1818 eine
ähnliche Periode stattgefunden hat, wie jetzt für Siebenbürgen anbricht. Man hat damals die Bitten einzelner
Unterbehörden und einzelner Korporationen um Unterstützungen aus dem
Staatschatze unterstützt. Anfangs wurde alles generos bewilliget, dann flossen
die Bewilligungen spärlicher, endlich wurden die gerechtesten und dringendsten
Vorstellungen abgewiesen. Auf diese Weise sind noch heutzutage die
Unterstützungen aus dem Staatsschatze auf eine höchst ungerechte Weise
vertheilt. Der intelligentere Italiäner, welcher die Vortheile der Civilisation
besser begriff, war rühriger, schneller, und er, der schon mehr hatte und
weniger brauchte, bekam mehr als alle übrigen; der Slowene, der Morlache, der
slavische Altistrianer, dem das Bedürfnis der Bildung noch gar nicht aufgegangen
war, bekam wenig oder gieng ganz leer aus. Diesen Fehler möchte ich bei meiner
jetzigen Arbeit vermeiden; es ist ja die Geschichte der Vergangenheit die
Lehrerin der Gegenwart. Die Berücksichtigung einzelner Bitten ist an ihrem
Platze, wenn an einem schon vorhandenen Organismus nur nachzubessern ist; wer
einen ganz neuen schaffen soll, muß sich, glaube ich, auf einen höheren
Standpunkt stellen. Um einen umfassenden Vorschlag in der Geldfrage thun zu
können, braucht es die Kenntnis zweier Facktoren, nämlich des Erfordernisses und
der Kräfte der Kassa, aus welcher die Erfordernisse bestritten werden sollen.
Mit der bloßen Kenntnis des ersten Facktors ist er in Gefahr, bloße
Luftschlösser zu bauen. Kennt er aber mindestens annäherungsweise das Maximum
des Geldbeitrages, auf welchen er hoffen kann, so steht er nicht mehr in der
Luft, und er wird dann im Einzelnen Ziel und Maß leicht finden.
Euere
Exzellenz, ich kann hier nur in Kenntnis des ersten Facktors gelangen; zur
Kenntnis des zweiten gelange ich nur, wenn Euere Exzellenz die Gnade haben, mir
ihn mitzutheilen. Die Civilisation des Volkes der Romanen ist eine herrliche
Aufgabe, wenn ich ihre Anlagen betrachte, fühle ich mich zur Bewunderung über
die Unverwüstlichkeit dieses edelen Stammes hingerissen, blicke ich auf den
Zustand, in dem sie sich gegenwärtig befinden, auf die Spuren der Gräuel, die
sie verübt haben, muß ich gleich jedem anderen Mitleid und Betrübniß fühlen. Um
dieses Volk zu bilden, braucht es aber große pekuniäre Kräfte; indem der Staat
dieses übernimmt, tilgt er eine uralte Schuld grausamer Unterdrückung. Es ist
nicht Gunst, die ihnen dadurch gewährt würde, es ist nur die Ausgleichung einer
schreienden Ungerechtigkeit, welcher sich die vorige Verfassung gegen die große
Mehrheit der Landeseinwohner schuldig gemacht hatte. Aber noch einmal, wenn mir
jeder Anhaltspunkt aus dem Budget des Ministeriums fehlt, bin ich in Gefahr, nur
ins Blaue hinein zu arbeiten. Die Armee kostet jetzt 80 Millionen, in Siebenbürgen soll das Erfordernis monatlich für
dieselbe 600.000 fl betragen; die Ausgabe für Unterricht und Erziehung
verschwindet dagegen völlig, und doch ist vielleicht keine Ausgabe wohlthätiger
und folgenreicher. Siebenbürgen ist der
zwölfte Theil Österreichs, sollten 6
Millionen Unterrichtsausgaben für ganz Österreich zu viel sein, das gäbe eine halbe
Million für Siebenbürgen, noch
nicht den zehnten Theil dessen, was die Soldaten kosten, und doch ist die Cur
durch Erziehung eine Radikalkur von innen, die Cur durch Bajonette und Bomben
eine Palliativkur von außen. Ist es nur gut, ist es auch nur ökonomisch, im
Unterrichtsbudget ängstlich zu sparen, im Militärbudget die Millionen kaum zu
zählen? Meine Feder ist leider zu schwach, um meine Überzeugung mit der Kraft
auszudrücken, mit der ich das Bedürfnis einer großartigen Geldbewilligung fühle.
Möge der gute Wille für das Werk gelten.
Ich kann Euere Exzellenz nur
bitten, mir über dieses Ansuchen um Mittheilung jenes anderen Facktors eine
Antwort gütigst ertheilen zu lassen, und was ich hier niedergeschrieben habe,
wenn auch nicht als gut getroffen, doch als gut gemeint gelten zu
lassen.
Ich verbleibe mit dem Ausdrucke der größten Verehrung
Euerer Exzellenz
ergebenster Diener
Heufler