Karl Festl an Leo Thun
Maros-Vásárhely, 27. Juni 1857
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Regest

Der Priester Karl Festl dankt Leo Thun für seine Ernennung zum Schulrat von Siebenbürgen. Er freut sich, diese Stellung erhalten zu haben, da sie vollkommen seinen Interessen und Fähigkeiten entspreche. Er versichert alles zu tun, um dem Vertrauen des Ministers gerecht zu werden. Festl gibt jedoch zu bedenken, dass seine Stelle mit so geringen Mitteln ausgestattet sei, dass er seinen Unterhalt kaum decken könne. Auch wäre es nötig, das Amt besser zu dotieren, um vorteilhaft für die Entwicklung der Schulen wirken zu können. Gerne würde er nämlich an mittellose Lehrer Schulbücher verteilen. Er bittet Thun daher, ihm die vakante Stelle eines Domherrn von Großwardein [Oradea] zu verleihen. Er begründet diese Bitte unter anderem damit, dass er für seine Mutter und seine vier Geschwister sorgen müsse.

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Schlagworte

Edierter Text

Euere Excellenz!

Durch die Allerhöchste Gnade Seiner k.k. Apostolischen Majestät zum Schulrathe für Siebenbürgen ernannt, habe ich das Glück, ein eben so wichtiges als meinen individuellen Neigungen völlig entsprechendes Amt bekleiden zu dürfen. Die hohe Wichtigkeit der mir auf diese Weise gewordenen Aufgabe stets im Auge haltend, hege ich keinen lebhafteren Wunsch, als den durch eifrige gewissenhafte Pflichterfüllung mich des hochgeneigten Vertrauens würdig zu erweisen, welches Euere Excellenz bewog, mich Seiner k.k. Apostolischen Majestät für diesen Posten vorzuschlagen. Abgesehen jedoch von den Schwierigkeiten, die hier, in dem Lande eigenthümlicher Verhältnisse, meine Stellung und mein Wirken umlagern, denen aber am Ende durch Fleiß und Ausdauer, durch vorsichtiges und kluges Einschreiten zu begegnen sein wird, steht meinem aufrichtigen Streben ein anderes Hindernis im Wege, welches hinweg zu räumen leider nicht in meiner Macht liegt. Es ist dieß die dürftige materielle Lage, in welcher ich mich befinde, die mir nicht gestattet, den an mich gerichteten vielfältigen Ansprüchen zu genügen, mir deshalb Muth und Freude raubt und Sorgen bereitet, die ein ungetheiltes kräftiges Eingreifen nach allen Richtungen meines verzweigten Amtes hin mir oft verleiden und erschweren.
Die von Seiner k.k. Apostolischen Majestät mir Allergnädigst verliehene kirchliche Stellung, ohne welche ich bei den hierortigen Verhältnissen kaum mit Aussicht auf Erfolg wirken könnte, legt mir Pflichten auf, welchen ich in meiner jetzigen Lage nicht entsprechen kann.
Um ferner in Siebenbürgen auf die bessere Befähigung der Lehrer nachhaltig einzuwirken, wäre es sowohl bei dem sehr erschwerten kümmerlichen Bücherhandel, als auch wegen der Armuth der Lehrer nothwendig, daß der Schulrath den Lehrern die zu ihrer Ausbildung nöthigen Hilfsbücher nicht bloß anempfehle, sondern auch schenke. O welches Glück für mich, wenn ich meine Inspekzionsreise stets versehen mit einem entsprechenden Quantum Schul- und Lehrbücher antreten könnte und zugleich im Stande wäre, den Fleiß und die eifrige Verwendung guter Lehrer belohnen zu können!
Euere Excellenz! Dieser beengenden und beirrenden materiellen Lage könnte ich durch die Allergnädigste Verleihung des eben erledigten Canonicates im Großwardeiner [Oradea] Domkapitel, entrissen und mehr befähigt werden, dem Amte, das mir zu Theil ward, heterogenen kleinlichen Lebenssorgen überhoben, mit ungetheilter Hingebung obzuliegen. Indem ich dem Allerhöchsten Dienste freudig mein Leben weihe, diene ich ja auch der katholischen Kirche, und ich kann mich mit gutem Gewissen auf das Zeugnis des hochwürdigsten Bischofes von Siebenbürgen berufen, daß meine bisherigen Leistungen im Dienste der Kirche stets zufriedenstellend waren. Zudem dürfte mein Competenzgesuch um Verleihung der vakanten Domherrnstelle in Großwardein durch den Umstand begründet werden, wonach ich als Schulrath für Siebenbürgen auch die Schulen eines beträchtlichen Theiles der Großwardeiner Diözese zu besorgen habe, welcher der politischen Verwaltung der Siebenbürger Statthalterei untersteht.
Ich komme daher zu Euerer Excellenz wie zu meinem Vater mit der vertrauensvollen unterthänigsten Bitte, die hochgeneigte Willensmeinung mir gnädigst eröffnen lassen zu wollen: ob es Euerer Excellenz genehm sein wird, wenn ich um Verleihung des vakanten Stallum literarium im Großwardeiner Kapitel ein unterthäniges Majestätsgesuch einreiche; und erlaube mir noch zur weiteren Begründung meiner Bitte an das uns allen bekannte milde gütig-edle Herz Euerer Excellenz zu appelliren. Ich habe eine alte Mutter und vier unversorgte arme Geschwister, deren alleinige Stütze ich bin. Als Pfarrer in Fünfkirchen [Pécs] – meiner Vaterstadt – konnte ich sie unterstützen, – jetzt, obwohl höher gestellt, bin ich kaum im Stande, auch nur Weniges für sie zu leisten, und dieser peinliche Gedanke, es mit beinahe 40 in arbeitsamer Thätigkeit zurückgelegten Jahren noch nicht dahin gebracht zu haben, um dieser heiligen Pflicht kindlicher Pietät nachkommen zu können, beugt oft meinen Muth und lähmt die Kraft in mir, die dem alleinigen Zwecke meiner Bestimmung ungetrübt zugewendet, auch Besseres leisten könnte.
Gedrängt von diesen mißlichen Verhältnissen wage ich es, an Euere Excellenz die unterthänigste Bitte zu stellen, mir nur diesmal noch die Allerhöchste Gnade Seiner k.k. Apostolischen Majestät gnädigst zuwenden zu wollen. Mit Freuden und mit ganzer Hingebung will ich in meiner jetzigen Stellung so lange dienen, so lange Gott mir das Leben schenkt und ich das Glück haben werde, mich der Zufriedenheit der hohen Regierung zu erfreuen.
Genehmigen Euere Excellenz den Ausdruck meiner tiefen Verehrung, mit welcher ich mich zu zeichnen die Ehre habe

Euerer Excellenz unterthänigster Diener
Dr. Carl Festl
k.k. Schulrath und Probst

Maros-Vásárhely, auf meiner Inspekzionsreise, am 27. Juni 1857