Der Priester Alexander Hohenlohe beklagt sich über den schlechten moralischen Zustand Ungarns und der Welt im Allgemeinen. Er sieht dort nur Unglauben, Selbstsucht und Machtstreben. Eine Ursache hierfür erkennt er im mangelnden priesterlichen Geist des ungarischen Klerus. Er habe während der Jahre in Ungarn sehr schlechte Erfahrungen mit dem dortigen Klerus gemacht. Dort herrsche keine wahre Frömmigkeit und Demut, sondern Geltungssucht und Gleichgültigkeit. Die Liturgie sei aus seiner Sicht zu einer mechanischen Handlung herabgesunken. Allerdings ist er sich sicher, dass das göttliche Gericht über Europa nahe sei, denn die Zeichen für ein Ende würden sich mehren. Er hofft und glaubt fest daran, dass er selbst mit der Gnade Gottes rechnen könne und bestärkt seinen Freund darin, an seinem Glauben festzuhalten.
Großwardein, 6. December 1834
Hochwürdiger Herr Pfarrer
Lieber theurer Bruder in Christo!
Um so angenehmer war mir Ihr liebes Schreiben, weil ich im Voraus schon den Ruf
des Mannes kannte, durch meinen seligen Freund Job, und die Schreibart mir den Geistig-Geistlichen schilderte,
der hierlands unter dem Spott-Namen Misttier [?] gescholten, gerade an und bey
mir seine Stelle nahe zum Herzen hat, den ich persönlich kennen will, und kennen
lernen werde bey meiner nächsten Hinaufreise, aus meiner Terra incognita et
sterilis pro Regno Christi ... et cum lacrymis hoc scribam, etiam sacerdotum.
Doch keine Klage über andere, als vielmehr über mich armen sündigen Menschen.
Zehnjährige genaue Kenntnis eines großen Theiles des ungarischen Clerus haben
mir ein Bild abgemalt, wie es leider ist, und zugeht in hoc saeculo. Hier gilt
nur das sich gelten machen, das jagen nach höheren Pfründen, Hochmuth,
unbändiger Trieb und jagen nach höherem, das viele unserer Brüder gleichsam ihr
ganzes Leben durchzeiticht, wenig Demuth, wenig ächt priesterlicher Geist.
Menschen von Selbstsucht zusammengesetzt, die nur das geflickte Machwerk ihrer
Ruhmsucht ausposaunen, und wer den größten Grad der Frechheit besitzt, trägt den
Sieg davon. Frostiger unfruchtbarer Mechanismus bey liturgischen Handlungen,
deren hohen mistischen Sinn von wenigen gekannt, von noch wenigern betrachtend
überdacht werden, somit ihren Seelen keine neue Substanz und Realität verleiht,
das Seelenvermögen mit keinem wahren und realen Objekte ausfüllt. Wir sitzen im
scheußlichen Indifferentismus wie in einem stinkenden Moraste, bis über die
Oren, darum verliehrt sich mehr und mehr der alte lebendige
Bergeversetzende Glaube, und habe allen Grund für den Katholizismus
alles zu fürchten, wenig oder nichts zu hoffen. Die Meisten haben ohnehin nur
mehr die Hülse davon, den wahrhaften Kern findet das verzärtälte Geschwade
bitter. Und doch lieber Bruder, was gibt es süßeres als die Liebe JESU, welche
in jedem Dogma in jedem Gebothe der Kirche inwohnt? Ach Bruder! Man verschließt
sich, je mehr man den blinden Haufen toben sieht in seine stille Zelle, denn
Verständnis ist in unseren Tagen nicht mehr möglich und da ist es besser in
stillen Orten damit wir den Glauben behalten, der so gefährdet ist in der
heutigen Zeit. Bitten wir Eines, bittend der Eine für den Anderen, daß wir ihn
an uns erhalten, mehren, befestigen.
Meine Stellung in G[roßwardein] ist wenig, indessen alles kommt
von Gott und führt deshalb zu Ihm wenn man es so betrachtet – und – wo ist der
Platz wo man heute nützen kann? Inzwischen hat man Zeit an der eigenen
Vervollkommnung zu arbeiten, was immer die Hauptaufgabe bleibt, und sendet Gott
ein Stücklein Arbeit, ist man um so geschickter es zu vollbringen. Wer weiß,
welch schweres Kreuz das Leben noch vorbehält, und wie plötzlich Ruhe mit Unruhe
und umgekehrt wechseln dürften?
Nur alles wie Gott will! Nichtwahr Lieber
Bruder? Damit wird dem Teufel sein Conzept gründlich verdorben, und das kleine
Menschlein erhebt sich in seiner ursprünglichen Größe. Übrigens ist unsere Zeit
kirchlich und politisch voll Erwartungen, darum Nichts gutes
hoffend, halte ich mich an die kleine verachtete Heerde, die im Sturme noch
aushält, und denen JESUS CHRISTUS sein himmlisches Erbe verheißen hat, lebe aber
der festen Überzeugung, daß uns Gott noch von der bitteren Medizin werde
verkosten lassen, die er dem Clerus reichen wird, und daß beym Eintritt der
Dinge nur jene Seelen aushalten werden, die durch keine zeitlichen Fesseln an
die Welt gebunden sind. Mein dermaliger Zustand mag wohl der einer Abschälung
und Reinigung vor Gott seyn, und bin fast ermuthiget zu glauben, daß für mich
einige Gnade von Seite Gottes im Anzuge seyen, weil so viele Demüthigungen
vorangehen, hoffe zu Gotte diese meine Kleinmuth werde wohl nicht lange dauern.
Übrigens kräftig mich auszusprechen für die Kirche, ohne Menschenfurcht, war
meine Sache seyd den 19 Jahren meines Priesterlebens und sie soll es bleiben,
bis das Herz im Leibe mir brechen wird. Mein Buckel ist daher schon so
abgetroschen, wie der Boden einer Tenne, eben das erhält einen fein hübsch
demüthig und tapfer, wann man auf den Kampfplatz treten muß. Ich halte fest
glaubend an Christi Worte. Ero vobiscum omnibus diebus, usque ad consumationem
saeculi. Amen. Ja und wahr, gestern, heute, allezeit.
Zur Zeit der Makkabäer
und der Apostel verbargen sich die Gläubigen und betheten für einander; unsere
Zeit ist ihr mehr als ähnlich, und glaube die Zeit des Gerichtes über
Europa nahe, und jene Worte JESU über Jerusalem
gesprochen, gelten jetzt auch jenen, in welchen Kirche und Staaten ihrem
Verfalle preisgegeben sind. Wen sollen wir deshalb anklagen? Uns selbst
insgesamt, wie die Brüder Josephs: Quid respondebimus Domino vel quid loquemur
aut juste poterimus obtendere? Deus invenit iniquitatem servorum suorum. Auch
Europa ist eine Familie Jacobs, auch sie hatte einen Joseph, an dem sie des
Verrathes sich schuldig machte, der aber nicht immer verzeiht, sondern auch
richtet. Jedes Gericht naht ähnlich einem Gewitter, mit vorhergehenden Zeichen.
Darum warnt der Herr die Seinigen „si videritis signa etc.“ Daß der Mensch, der
Gott verlässt, darum von Wahnsinn ergriffen, diese Warnung nicht verstehe, zeigt
die tägliche Erfahrung. Er stürzt sich in die Fluthen des Weltmeeres, um sich
und alles in Vergessenheit zu ersäufen.
Wir stehen an einem fürchterlichen
Abgrunde, und zwar die gepriesene Jungfrau Europa, die verführt durch die
Schmeicheleyen des „Ego sum“ zur babilonischen Hure geworden, nun sich
selbstmordet. Nur verhärtet, nicht gebessert kann sie werden,
denn wenn die Zeit einmal anfängt „Gott zu trotzen“, aus ist
es – aus!
Und derer die so denken, reden und handeln sind Legionen. Hier
Bruder hast du mein offenes Glaubensbekenntnis, was freylich 100 Episcopate
nicht recomendiert, Schreiber dies wünscht es sich auch gar nicht, weil man
genug zu thun hat, seine eigene Seele zu retten, geschweige andere. Meine besten
Freunde Sailer – Wittmann – Job – Bohtina [?] – Berghold
– Schlund sind tod, in die jungen kann,
mag ich mich nicht finden. Et nunc vale. Charitas Christi urget nos, urget et
urgeat amplius. Tuus totus quantus in Sanctissimo Corde Jesu.
[?] Hohenlohe.