Joseph Fessler an Leo Thun
Rom, 5. Mai 1856
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Regest

Der Kirchenhistoriker Joseph Fessler berichtet dem Minister von seiner Studienreise nach Rom. In den ersten Wochen war er besonders mit Besuchen und Kirchgängen beschäftigt. Mit dem Beginn des vorigen Monats hat er dann seine Studien zur Geschichte des Kanonischen Prozesses begonnen, für die er nach Rom gereist ist. Der Kardinalstaatssekretär Antonelli hat ihm hierzu die Hilfe von Annibale Capalti zugesichert. Außerdem wurde ihm durch Kardinal Rauscher die Unterstützung von Lorenzo Nina vermittelt. Fessler schildert dann seine Pläne für den Aufbau des geplanten Buchs. Neben einem theoretischen und praktischen Teil ist ihm dabei besonders wichtig, eine breite Bibliographie zum Thema bereitzustellen, da die kanonische Literatur aus anderen Ländern in Österreich vielfach wenig bekannt sei. Fessler berichtet weiter, dass er mit den österreichischen Künstlern in Rom zusammengetroffen sei. Der Künstler Peter von Cornelius habe diese in seiner Gegenwart sehr gelobt. Schließlich bittet Fessler, seinem ehemaligen Kollegen Alois Meßmer aus Brixen einen Urlaub zu gewähren. Außerdem ersucht er den Minister, die Pension des ehemaligen Gymnasiallehrers in Trient Simon Tevini zu erhöhen.

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Euer Excellenz!

Die besondere Huld, womit Euer Excellenz mich stets behandelten und insbesondere meine Reise nach Rom beförderten, macht es mir zur angenehmen Pflicht, über den bisherigen Erfolg meines Aufenthaltes dahier Euer Excellenz Nachricht zu geben. Der erste Monat, oder besser gesagt, halbe Monat (da ich am 11. März in Rom eintraf) verfloß in allerlei Besuchen, wodurch ich mich in den Verhältnissen etwas orientirte und im Kirchenbesuch, wozu die Charwoche und Osterwoche so dringend einluden. Nirgends in der Welt ist diese heilige Zeit so schön und erhebend, nirgends tritt die alte Kirche so unmittelbar und ergreifend vor die Seele der Christen. Was ich in der Kirchengeschichte mühsam aus den Zeugnissen der Alten construirte, schöpfte ich hier aus der anschaulichen Gegenwart und genoß es in langen Zügen. Als die Osterwoche verflossen war, begann mit dem April auch die Arbeit, wozu ich von allen Seiten die bereitwilligste Unterstützung fand mit einer Freundlichkeit und Offenheit, die ich nicht genug rühmend anerkennen kann. Cardinal Antonelli beauftragte den Monsignor Capalti, ehemals Professor des Dekretalenrechtes an der Universität, jetzt Sekretär der Congregatio S. Rituum, mir an die Hand zu gehen. Monsignor Nina, an den ich von Herrn Kardinal Rauscher empfohlen wurde, erbot sich zu Allem, was ich wünsche für meinen Zweck. Die Cardinäle Santucci und Brunelli (letzterer vor Capalti Professor des Dekretalenrechtes an der Universität) nahmen mich mit der größten Freundlichkeit auf und gaben mir in wiederholten Besprechungen alle erwünschten Aufschlüsse. Eben so machte ich die Bekanntschaft des dermaligen Professors des Dekretalenrechtes an der Universität hier. Die genannten Männer und andere, die in zweiter Reihe stehen, sind so gründlich gebildet, so besonnen und ruhig in ihrem Urtheil, so milde in ihren Ansichten, daß es eine wahre Lust ist mit ihnen zu verkehren. Meine Aufgabe habe ich mir in folgender Weise gestellt: theoretischer Theil, praktischer Theil und Bibliothek. Für den theoretischen Theil sorge ich durch häufige Conferenzen mit den genannten Herren, wobei theils die äußere Anordnung der neuen Vorträge mit Rücksicht auf den römischen Modus und auf unsere besonderen Verhältnisse, theils die einzelnen Punkte und schwierigeren Fragen behandelt werden in allseitiger Abwägung der Gründe, wobei ich über die liberalen Grundsätze der römischen Curie nicht selten in Staunen gerathe und manche frühere gehegte strengere Ansicht zu mildern mich veranlaßt finde. Für den praktischen Theil sorge ich durch Proceßakten, welche ich vollständig aus den Kanzleien erhalte und bis in’s kleinste Detail genau durchstudire, um danach im Wesentlichen unsere künftige Praxis zu gestalten, wobei mich Cardinal Reisach, der das deutsche Verfahren vollständig kennt, auf die nötigen Modifikationen hinweist. Für die Bibliothek, welche meines Erachtens den jungen Leuten gezeigt werden muß, um sie mit der Literatur des Faches vertraut zu machen, sorge ich durch reichliche Ankäufe, da die auf kanonischen Gebiet so wichtige Literatur des vorigen Jahrhunderts aus Italien in Deutschland wenig oder gar nicht gekannt ist. Ich habe schon eine große Anzahl der trefflichsten Werke angekauft und bin mit Suchen noch nicht zu Ende. Natürlich sind hiezu namhafte Summen erforderlich, da diese Werke aus Frankreich, England und Amerika hier stark gesucht werden. Ich möchte daher auch aus diesem Grunde wünschen, daß endlich meine Kirchengeschichte approbirt oder doch mir zurückgestellt würde, damit ich im ersteren Fall den dafür bestimmten Preis, im letzteren Fall das buchhändlerische Honorar für obgenannten Zweck verwenden könnte. Was nützt mir das Geld zu anderer Zeit? Jetzt kann ich es am besten verwenden. Ohnedies ist es jetzt die höchste Zeit, wenn das Buch als Lehrbuch genehmigt werden sollte, um es noch für das nächste Studienjahr dem Druck zu übergeben. Wenn Euer Excellenz die Gnade haben wollten, in dieser Beziehung die Sache zu fördern, wäre ich wohl sehr zu Dank verbunden.
Auch die deutschen Künstler habe ich bereits besucht, unter denen nach dem rühmlichen Zeugnis von Cornelius die österreichischen eine sehr ehrenvolle Rolle einnehmen, vor allem Flatz, dann Vogel, [?], Platner u. a. Ich habe aus dem Mund von Cornelius selbst gehört: „Die österreichischen Künstler, die machen mir Freude.“
Schließlich bitte ich Euer Excellenz mir noch gütigst zu erlauben, ein paar Angelegenheiten zu gnädiger Berücksichtigung zu empfehlen. In Brixen ist unser tüchtigster junger Theologieprofessor, Mesmer Aloys, durch öfter wiederholte Anfälle von Bluthusten in größter Gefahr unbrauchbar zu werden. Der Arzt erklärt es für nothwendig, auf längere Zeit in ein anderes Klima zu gehen und sich Ruhe zu gönnen. Daher die dringende Bitte, ihm ein Jahr Urlaub zu gewähren mit Belassung seines Gehaltes und Aufstellung eines Supplenten mit der gewöhnlichen Supplentengebühr.
In Trient ist der Gymnasialprofessor Tevini Simon Petrus im Jahre 1850, als ihm nur noch wenige Monate zur 40jährigen Dienstzeit fehlten, ohne sein Ansuchen in den Ruhestand versetzt worden mit dem halben Gehalt, der ihm später im Gnadenweg auf 2/3 erhöht wurde, während seine Collegen 1200 fl Pension erhielten. Sein ihm Lehramt bewiesener Fleiß und Eifer sowie der Umstand, daß er von seinem Gehalt immer gegen die armen Studenten sich sehr wohlthätig zeigte, dürften ihn, wenn er ein Gnadengesuch um die volle Pension an Seine Majestät richtet, aus dem Gesichtspunkt der Billigkeit wohl der Befürwortung seiner Bitte von Seite Eurer Excellenz würdig machen.
Mein liebenswürdiger Hausherr, Rector Flir, läßt sich Euer Excellenz in Ehrfurcht empfehlen, womit ich meinerseits die Versicherung meiner tiefsten Verehrung und innigsten Dankbarkeit verbinde, in der ich stets geharre,

Euer Excellenz
gehorsamster Diener
J. Feßler

Rom, 5. May 1856