Der Rektor des Kollegs Santa Maria dell'Anima, Alois Flir, wendet sich mit der Bitte an Thun, er möge ein beiliegendes Gesuch dem Kaiser übergeben. Darin bittet der Koadjutor des Präfekten des Vatikanischen Geheimarchivs, Augustin Theiner, dem Kaiser sein jüngstes Werk, eine Prachtausgabe der Annalen des Baronius widmen zu dürfen. Die Herausgabe des Bandes wird durch eine päpstliche Kommission überwacht, so dass nichts Verfängliches darin erscheinen wird. Der erste Band dieses Werks war dem Heiligen Vater zugedacht, sollte der Kaiser die Widmung annehmen, wäre dadurch auch die durch das Konkordat besiegelte neue Verbindung zwischen Österreich und dem Vatikan symbolisch verdeutlicht.
Euer Excellenz!
Hochgeborner Graf!
In dem unbegränzten Vertrauen auf die so Viele und auch mich beglückende Huld
Euer Excellenz wagte ich es, eine Commission zu übernehmen, welche ich ohne
jenen Beweggrund abgelehnt hätte.
Der gelehrte Oratorianer Pater Theiner ersuchte mich nämlich, als
sein Dolmetscher Euer Excellenz ehrfurchtsvoll um die Gnade zu bitten, mittelst
des angeschlossenen Majestätsgesuches die allerhöchste Genehmigung, den II.
Folienband der Prachtausgabe der Fortsetzung der Annalen des Baronius Seiner
Apostolischen Majestät, unserem glorreichen Kaiser, dediciren zu dürfen,
huldvoll vermitteln zu wollen.
Das ganze Werk geht vor der Drucklegung durch
die sorgfältige Revision einer von Seiner Heiligkeit zusammengesetzten
Commission, so daß nichts Verfängliches oder Ungeziemendes zu besorgen ist.
Der erste Band trägt bereits den Namen des heiligen Vaters auf dem
Vorderblatte und Pio IX äußerte selbst, es
wäre schön, wenn der durch das Concordat und durch die erhabene Gesinnung
überhaupt um die Kirche so hochverdiente Kaiser von Oesterreich die Dedication
des II. Bandes anzunehmen geruhen würde.
Ich erlaube mir gleichzeitig einige
Probeblätter unter Kreuzband einzusenden. Der II. Band ist beinahe vollständig
druckfertig und möchte noch vor Weihnacht erscheinen.
Wenn von Seiner Heiligkeit ein vorgestern ausgesprochenes
Vorhaben nicht wieder aufgeschoben wird, so hält der heilige Vater heute, und vielleicht in diesem Augenblicke, in
dem geheimen Consistorium die freudenvolle Allocutio über das österreichische
Concordat.
Wollen Euer Excellenz die Kühnheit meiner Bitte nachsichtsvoll
entschuldigen und genehmigen, daß der ferneren Huld und Gnade sich von neuem
empfiehlt
Euer Excellenz ehrfurchtsvoll gehorsamster Diener
Al. Flir, Rector
all‘Anima
Rom den 3. November 1855