János Simor sendet einen weiteren Bericht von seinem Aufenthalt in Rom. Zunächst berichtet er, dass in der Frage der Dogmatisierung der Immaculata eine Einigung erzielt wurde. Simor betont, dass nicht nur die Debatte um die Immaculata, sondern auch die grundsätzliche Stimmung in Rom verdeutliche, dass innerhalb der Kirche derzeit große Einigkeit herrsche und die Treue zum Papst besonders sichtbar werde. Simor glaubt daher, dass die Zeit der nationalen Bestrebungen, des Febronianismus und des Gallikanismus, vorbei sei. Er befürchtet deshalb auch, dass die Zeit für den Abschluss eines Konkordats derzeit ungünstig sei. Kardinal Antonelli wolle aber offenbar an den Plänen für ein Konkordat festhalten und auch die Bischöfe aus Lombardo-Venetien haben sich für das Konkordat stark gemacht. Die zweite wichtige Angelegenheit, in der Simor den Minister informiert, ist die Neuordnung der Kirche Santa Maria dell'Anima. Simor ist diesbezüglich der Auffassung, dass die österreichische Regierung diese Kirche in Zukunft besser unterstützen müsse, wenn sie den Einfluss auf dieselbe behalten wolle. Denn die anderen deutschen Regierungen, insbesondere die preußische, möchten ihren Einfluss auf die Kirche erhöhen. Schließlich beschreibt Simor das Auftreten des Primas von Ungarn in Rom: Dieser errege großes Aufsehen wegen seiner Husaren und seines kolportierten Reichtums. Der Heilige Vater habe ihn bereits mehrfach privat empfangen. Der Kardinal wolle seinen Aufenthalt besonders dazu nützen, seinen Einfluss in Ungarn und die Rechte der ungarischen Kirche zu schützen und auszubauen.
Unter der Signatur A3 XXI D296 sind weitere sieben Briefe und Berichte
Simors abgelegt:
János Simor an Leo Thun. Rom, 11. November 1854.
János Simor an Leo Thun. Rom, 14. November 1854.
János Simor an Leo Thun. Rom, 17. November 1854.
János Simor an Leo Thun. Rom, 7. Dezember 1854.
János Simor an Leo Thun. Rom, 12. Dezember 1854.
János Simor an Leo Thun. Rom, 15. Dezember 1854.
János Simor an Leo Thun. Rom, 23. Dezember 1854.
Euere Excellenz!
Ich habe darum so lange geschwiegen, weil seit meinem letzten Briefe hier gar
nichts vorkam, was besonders beachtenswerth, von mir daher zu berichten gewesen
wäre. Den Angelpunkt des hierortigen kirchlichen Lebens bildet noch immer die
Immaculata, und bis diese Frage nicht vollständig erledigt werden wird, kann von
ernstlicher Behandlung irgend einer anderen Angelegenheit keine Rede sein. Papst
und Kardinäle, vorzüglich die einflußreichen sind mit der erwähnten Frage so
sehr beschäftigt und überdies von den Besuchen der aus allen Welttheilen hieher
gelangten Bischöfe so sehr in Anspruch genommen, daß man auf ein längeres
Gespräch mit ihnen vorläufig verzichten muß. Das große Gewicht der Entscheidung
über die Immaculatafrage wird hierorts tief gefühlt, darum werden auch
gegenwärtig noch so viele Berathungen darüber gehalten in den hiezu berufenen
Congregationen. Die Erz- und Bischöfe haben ihre Conferenzen unter dem Präsidium
des Kardinals Brunelli, welchem die
Kardinäle Caterini und
Santucci beigegeben worden
waren, beendigt. Zu den Berathungen hat man auch mehrere Theologen beigezogen
mit der Bestimmung, vorkommende Zweifel zu lösen und den Bischöfen jeden
möglichen Aufschluß zu ertheilen. Der letzten Sitzung wohnten beiläufig 110 Erz-
und Bischöfe bei. Wie ich in meinem gehorsamsten Berichte bereits zu erwähnen
die Ehre hatte, so betraf der Gegenstand der in Rede stehenden Berathungen
lediglich die Form, in welcher die dogmatische Entscheidung erfolgen soll.
Gleich in der ersten Sitzung erklärte der vorsitzende Kardinal, daß die Substanz
der Frage einer Erörterung nicht mehr unterzogen werden könne, in dieser
Beziehung sei die Frage als eine durch die an den Papst eingesendeten und den
versammelten Bischöfen mitgetheilten Äußerungen des gesammten Episcopates der
katholischen Kirche in’s Reine gebrachte anzusehen; der Kardinal erklärte
ferner, daß über die Opportunität der Entscheidung lediglich der apostolische
Stuhl zu decidiren habe; den Bischöfen blieb somit nur das oben bezeichnete
Terrain übrig, an welchem sie sich bewegen konnten. Die Grundlage der Berathung
bildete der einem jeden Bischofe mitgetheilte Entwurf der päpstlichen Bulle. Bei
der Berathung wurde die größte Redefreiheit gestattet, und die Theologen hatten
vorzüglich von Seite der in gemischten Ländern lebenden Bischöfe viele und
schwierige Einwendungen zu beantworten gehabt. In der letzten Sitzung wurde das
von einem belgischen Bischofe an den vorsitzenden Kardinal gestellte Ansuchen,
die unverbrüchliche Treue, Obedienz und Verehrung der anwesenden Bischöfe dem
Heiligen Vater zu Füßen zu legen, von allen mit dem größten Enthusiasmus
aufgenommen. Kein Auge soll bei dieser Scene trocken geblieben sein. Dieses ist
die factische und wahrheitsgetreue Darstellung der letzten Sitzung, worüber
selbst in den hierortigen höheren Kreisen mehrere Versionen herumgetragen
werden. Ich berichte darüber deshalb, damit Euere Excellenz in der Lage sind,
die vielleicht von anderswoher einlaufenden Nachrichten richtig beurtheilen zu
können. Ich verkenne übrigens die hohe Wichtigkeit dessen, was hier vorgeht,
nicht und habe in der Zusammenkunft der Bischöfe den Keim wichtiger Ereignisse
auf dem Gebiete des kirchlichen Lebens: die Thatsache, daß nur 45 Bischöfe
eingeladen und über 110 eingetroffen sind, ist ein unwiderlegbarer Beweis der
Gravitation der Glieder der Kirche nach dem Centrum derselben, und daß das
Bedürfnis der Einheit und Einigkeit von allen tief empfunden werde. Die
centrifugalen Kräfte haben in der Kirche zu wirken aufgehört, und der
Gallicanismus und Febronianismus, und wie sie alle die falschen Systeme heißen,
sehen sich des Bodens unter den Bischöfen beraubt. Aber auch in der Beziehung
ist die hierortige Zusammenkunft der Bischöfe wichtig, daß der Papst und seine Organe Gelegenheit haben über den
Zustand der Particularkirchen und ihre Bedürfnisse unmittelbar und auf das
genaueste unterrichtet zu werden. Daß diese Gelegenheit gehörig benützt wird,
ist an den langen Audienzen ersichtlich, welche den Bischöfen gewährt werden.
Die leutselige, einnehmende Persönlichkeit des Papstes bezaubert alle Herren, und die zuvorkommende
Freundlichkeit der Kardinäle flößt Vertrauen ein. Die gegenseitigen
Mittheilungen der Bischöfe werden auch nicht erfolglos bleiben. Der Heilige Vater ist mit dem Ergebnisse der
bischöflichen Conferenzen im höchsten Grade zufrieden und soll davon nur mit
Thränen in den Augen reden. Den Bischöfen wurde übrigens die Verschwiegenheit
über die Conferenzen zur Pflicht gemacht: allein auch sie sind Menschenkinder,
und so habe ich Gelegenheit gehabt, mich darüber zu informiren. Die
Vorbereitungen zu der großartigen Feierlichkeit am Tage der Publication der
Bulle haben bereits in der St. Peterskirche begonnen, unter anderen werden an 3
Tagen auch die heiligsten und kostbarsten Reliquien, welche Rom besitzt, der
öffentlichen Verehrung und Besichtigung ausgesetzt. Die Zahl der hieher
gereisten Erz- und Bischöfe kann darum nicht ganz genau angegeben werden, weil
noch immer neue ankommen. So kam vor einigen Tagen aus
Frankreich der fünfzehnte Bischof an, nemlich der
Erzbischof von Paris, um, wie man
sagt, von seinem Gallicanismus, dessen Verfechter er bisher gewesen, gründlich
geheilt zu werden.
Wegen den im Eingange berührten Verhältnissen hätte
meines Erachtens keine ungünstigere Zeit zu Verhandlungen über das Concordat
gewählt werden können. Das Ganze, was in dieser Hinsicht bis jetzt geschehen
ist, besteht meines Wissens darin, daß der Herr Erzbischof mit dem Heiligen
Vater eine Unterredung, mit dem Kardinal
Antonelli zwei Conferenzen und mit dem Kardinal Santucci eine Unterredung gehabt
hat, an welchem er durch den Staatssecretär angewiesen wurde. Das Ergebnis
hievon soll in der gegenseitigen Annäherung bestehen. Unsere hier weilenden
italienischen Bischöfe sind für das Concordat thätig, vorzüglich die Bischöfe von Verona und Brescia, der letztere hat dieser Tage an
den Kardinal Antonelli die Frage
gestellt, ob denn doch das österreichische Concordat zu Stande kommen werde, die
lombardisch-venetianischen Bischöfe wünschten hierüber eine bestimmte Antwort zu
erhalten, damit sie sich darnach richten können; der Kardinal antwortete „Ich
hoffe, daß es zu Stande kommen werde, da der Erzbischof von Wien bei der letzten Unterredung sich
willfähriger gezeigt habe.“ Wie dies zu verstehen sei, weiß ich nicht, glaube
jedoch, daß der Herr Erzbischof seine
Vollmachten nicht überschritten hat, noch ohne Ermächtigung überschreiten werde.
Auch er ist der Ansicht, daß in dieser Hinsicht vor der Erledigung der
Immaculatafrage nichts ernstliches geschehen werde.
Die andere
Angelegenheit, welche der Aufmerksamkeit der hohen Regierung würdig und zu
empfehlen ist, betrifft die Regelung der deutschen Stiftung an der Kirche dell‘Anima. Aus den Akten
geht hervor, daß zu den vorhandenen Stiftungen Österreich unter allen Ländern Deutschlands das wenigste beigesteuert habe. Damit der Einfluß
Österreichs wegen diesem Umstande in Folge der Regelung durch die Sagra Visita
nicht geschmälert werde, so wäre von unserer Seite ein Opfer zu bringen, welches
in der theilweisen Besoldung des Rectors der Kirche bestehen würde. Dieser
erhält jetzt aus der Stiftung selbst an Gehalt 25 Scudi monatlich. Mit diesem
Gehalte kann er in Rom bei der auch hier herrschenden
Theuerung durchaus nicht standesgemäß leben. Das Opfer wäre unter zwei
Bedingnissen zu resolviren
a.) daß der Rector immer ein Österreicher sei und
vom Kaiser ernannt werde. Hiedurch würde Österreich den
gehörigen Einfluß auch auf die innere Administration des Hauses behalten, weil
der Rector durch die Sagra Visita in die statutengemäße Stellung und Wirksamkeit
zuversichtlich eingesetzt werden wird, welche ihm dermalen entzogen ist.
b.)
daß auch die Hälfte der Kapläne aus Österreichern gewählt werde. Daß diese
Angelegenheit die Aufmerksamkeit der Regierung verdient, ist nicht nur aus der
Großartigkeit der Stiftung ersichtlich, sondern auch aus dem Gewichte, welches
darauf von den anderen deutschen Regierungen namentlich der preußischen gelegt
wird. Als in dem über die von uns am St. Elisabethtage abgehaltene Feierlichkeit
erschienenen Zeitungsberichte die Kirche dell’Anima eine Austriaca genannt wurde, versäumte die hiesige
preußische Gesandtschaft nicht, gegen diese Benennung Einsprache zu thun und der
Kirche das Prädikat „tedesca“ zu vindiciren. Die Erklärung über die Übernahme
der theilweisen Besoldung des Rectors müßte aber so bald wie möglich erfolgen,
damit die Sagra Visita schon bei ihrer Verhandlung hierauf reflectiren könne.
Erlauben mir Euere Excellenz, daß ich diesen Eintrag in Anregung zu bringen mir
angemaßt habe, ich glaube, man muß unter den dermaligen Verhältnissen jede
Gelegenheit ergreifen, um unseren Einfluß hierorts zu erweitern, und ich sehe in
der deutschen Stiftung und Kirche eine Veranlassung und ein Mittel hiezu. Ich
höre, die hierweilenden deutschen Bischöfe wollen eines der Häuser der Kirche
dell’Anima zu ihrem
Absteigequartiere auf mehrere Jahre in Pacht nehmen.
Gestern wurde ein
Publicumsconsistorium abgehalten wegen Übergabe des Kardinalhutes an den
Patriarch von
Lissabon und den Erzbischof von Toledo. Der spanische Gesandte hat aus diesem
Anlasse eine große Feierlichkeit zu Ehren der spanischen Kardinäle veranstaltet
und damit ganz Rom allarmirt. Man hat einen unliebsamen
Vergleich zwischen Österreich und dem sonst
so elenden Spanien angestellt. In dem gleich darauf
abgehaltenen Consistorium secretum wurden 11 Bischöfe präconisirt. Der Erzbischof von Kalocsa beklagt sich in seinem
Briefe über die ihm bekannt gewordenen Bestrebungen des Primas, auch das Erzbistum Kalocsa seiner
Primatialgerichtbarkeit zu unterwerfen. Ich schrieb ihm, er möge nun die auf
seinen Befehl verfasste Abhandlung über das bisherige Verhältnis der zweien
Erzbisthümer zu einander ohne Verzug drucken lassen und davon einige Exemplare
nach Rom einsenden. Ich bin überzeugt, daß auch die
diesfälligen Bestrebungen des Primas fruchtlos bleiben werden. Diesem Herrn
gefällt übrigens der hierortige Aufenthalt sehr wohl. Die Römer erzählen sich
über ihn Wunderdinge, nemlich daß er täglich ein Einkommen von 12.000 Gulden und
ein ganzes Regiment solcher Huszaren habe, wie er mitgebracht hat. Er läßt sich
aus Ungarn Berichte kommen über die von ihm
angeordneten Missionen und liest sie vor dem Heiligen Vater, der ihn übrigens
bereits gut zu kennen scheint, heute erzählte mir ein sehr gut unterrichteter
Mann, der Papst empfange ihn nur aus und
wegen Unterhaltung. Der Primas hat bereits ausgemittelt, wohin die einstigen
großen ungarischen Stiftungen gekommen sind, aus dem hierüber erhaltenen und von
mir gelesenen Berichte ist zu ersehen, jene Stiftungen seien dem Collegio
Germanico-Hungarico einverleibt, weshalb auch dieses verpflichtet ist, 12
ungarische Alumnen zu erhalten und auch die aus Ungarn nach
Rom kommenden Pilger zu versorgen. Dermalen sind nur
7 Alumnen da, und ich habe schon im September meinen Bischof ersucht, doch auch
einen hoffnungsvollen Alumnen nach Rom zu schicken, und
als er sich mit dem Mangel an Mitteln, d. h. Reisekosten des Alumnen,
entschuldigte, ihm erklärt, ich sei bereit diese Kosten aus meinem Eigenen zu
bestreiten. Ich hoffe, daß er auf das künftige Jahr das mir hierauf gegebene
Wort halten werde. Der General der
Jesuiten möchte das Ergebnis seiner Eingabe wissen, die
Ungewissheit hierüber hindert ihn über so manche tüchtigen Kräfte der
Gesellschaft zu verfügen in einer Zeit, wo diese von allen Seiten so sehr in
Anspruch genommen wird. Ich kann nicht verschweigen, daß ich ein Exemplar der
erwähnten Eingabe an dem Tische einiger Bischöfe gesehen habe. Über die
ungarische Fibel sind mir zwei gedruckte Gutachten zugeschickt worden, beide
sind sehr günstig und ehrenvoll, der Werth des Büchleins wird anerkannt, und die
Regierung wegen dessen Verfassung und Einführung gepriesen. Gebe Gott, daß auch
die Lesebücher so gut ausfallen mögen. Das erste soll dem hohen Ministerium zur
endgültigen Approbation vorgelegt worden sein. Da nach dem lateinischen
Sprichworte „plures oculi plura vident“ so möchte ich es vor der Drucklegung
durchblättern. Es wird mir auch geschrieben, daß die Verordnung wegen Einführung
des in Rede stehenden Büchleins in dem Preßburger Verwaltungsgebiete mit nicht
geringem Nachtheile des Unterrichts noch immer auf sich warten läßt. Endlich
habe ich Euerer Excellenz gehorsamst zu melden, daß ich vom 22.–25. November
einen Ausflug nach Neapel unternommen habe, um die
dortigen Merkwürdigkeiten hauptsächlich aber Herculanum,
Pompei und das Museo Borbonico zu
sehen.
Genehmigen Euere Excellenz die Versicherung meiner aufrichtigsten und
tiefsten Verehrung, mit welcher ich die Ehre habe zu verharren
Rom, den 1. Dezember 1854
Euerer Excellenz gehorsamster und unterthänigster Diener
Simor