Sammelakte zur gesetzlichen Regelung der theologischen Studien an der Universität Pest
1851
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Regest

Die Sammelakte enthält drei Dokumente die Theologische Fakultät an der Universität Pest betreffend. Darunter finden sich zwei Entwürfe für eine gesetzliche Regelung der Stellung der Theologischen Fakultät an der Universität Pest sowie der Rechte des Episkopats an dieser Fakultät.
Der erste Entwurf stammt von Leo Thun. Er geht zunächst auf die Beziehung des Episkopates zur theologischen Fakultät sowie zum theologischen Studium ein. Der Entwurf räumt dem Episkopat umfangreiche Rechte ein: So obliegt dem Primas von Ungarn etwa die Aufsicht über die theologischen Studien. Ohne dessen Erlaubnis dürfen keine Professoren berufen werden. Auch der Direktor der Fakultät wird auf Vorschlag des Fürstprimas vom Kaiser ernannt. Anschließend nennt Thun die Fächer, welche Kandidaten des geistlichen Standes hören müssen.
Der zweite Entwurf stammt von Johann Simor, Professor für Kirchenrecht an der Universität Wien. Der Entwurf basiert weitgehend auf den Forderungen der ungarischen Bischofskonferenz aus dem Jahr 1850. Inhaltlich ist der Entwurf – abgesehen von der Einteilung der einzelnen Paragraphen – ähnlich zu jenem von Thun. Simor äußert sich in einem Anhang außerdem ausführlich zu den verbindlichen Lehrgegenständen für die Kandidaten des geistlichen Standes.
Das dritte Dokument enthält die Instruktionen für den Direktor der theologischen Studien an der Universität Pest. Dem Direktor als Vertreter der Kirche obliegt es, die Lehre an der Fakultät zu überwachen, während der Dekan der Fakultät mit der akademischen Leitung derselben beauftragt ist. Die Rechte des Direktors werden ausführlich dargelegt.

Anmerkungen zum Dokument

Schlagworte

Edierter Text

Entwurf einer Vorschrift die theologischen Studien in Pesth betreffend

1. Der Erzbischof von Gran und Fürstprimas von Ungarn ist berufen, über die Reinheit der katholischen Lehre und über den gedeihlichen, den kirchlichen Anforderungen entsprechenden Fortgang der theologischen Studien an der Pesther Universität zu wachen.
2. Niemand kann als Professor, als Supplent oder als Dozent an der theologischen Fakultät der Pesther Universität wirken, ohne die kirchliche Ermächtigung hierzu von dem Fürstprimas oder in dessen Ermangelung von dem dem Range nach ältesten Erzbischofe Ungarns erlangt zu haben.
3. Die ertheilte Ermächtigung kann jeder Zeit wieder entzogen werden; diese Entziehung allein macht jedoch einen von Seiner Majestät angestellten Lehrer des ihm gesetzlich zustehenden Anspruches auf einen Ruhegehalt nicht verlustig.
4. Die Professoren der theologischen Fakultät werden aus Männern, welche die kirchliche Ermächtigung zum theologischen Lehramte erhalten haben, von Seiner k.k. apostolischen Majestät ernannt und verwalten ihr Amt nach Maßgabe der akademischen Gesetze.
5. Die Aufsicht über die theologischen Studien an der Pesther Universität wird von dem Fürstprimas persönlich oder durch den Direktor der theologischen Studien geübt.
6. Der Direktor der theologischen Studien wird von Seiner k.k. apostolischen Majestät über Vorschlag des Fürstprimas ernannt und hat sich nach der beiliegenden Instruktion über den Wirkungskreis und die gegenseitige Stellung des Studiendirektors und des Dekans der theologischen Fakultät und innerhalb des ihm dadurch vorgezeichneten Wirkungskreises nach den Weisungen des Fürstprimas zu benehmen.
7. Niemand kann die theologische Doktorswürde an der Pesther Universität erlangen, ohne vor dem Fürstprimas oder seinem von ihm bezeichneten Stellvertreter das tridentinische Glaubensbekenntnis abgelegt zu haben.
8. Die Kandidaten des geistlichen Standes, welche ihre Studien an der Pesther Universität machen, haben durch vier Jahre die Vorträge aus folgenden für alle verbindlichen Gegenstände zu hören:
Hebräische Sprache, Bibelkunde des alten und des neuen Bundes, Kirchengeschichte, Patrologie, Kirchenrecht, Dogmatik, Moral, Pastoral, Katechetik und Methodenlehre.1Das Studium der semitischen Sprachen ist für alle erforderlich, welche die theologische Doktorswürde zu erlangen wünschen.
9. Den Kandidaten des geistlichen Standes, welche nebstbei noch andere Vorträge an der theologischen oder an einer anderen Fakultät hören wollen, steht die Wahl derselben frei, jedoch haben sie dieselbe der Genehmigung ihres Bischofes oder Ordensvorstandes oder desjenigen, der von diesen mit der Leitung ihrer Studien beauftragt wurde, zu unterziehen und sich, um in solche Kollegien aufgenommen zu werden, über diese Genehmigung gehörig auszuweisen.

Entwurf der k.k. Verordnung hinsichtlich der Beziehung des Episcopates zu der theologischen Fakultät und dem theologischen Studiun an der Universität zu Pesth

In Erwägung der von den im Jahre 1850 in Gran versammelt gewesenen Bischöfen Ungarns und seiner vormaligen Nebenländer hinsichtlich der Beziehung der kirchlichen Gewalt zu der theologischen Fakultät und dem theologischen Studium an der Pesther Universität gestellten Anträge genehmige ich folgende Bestimmungen.2
§ 1. Niemand kann an der Pesther Universität als katholischer Professor, als Supplent oder als Docent der Theologie wirken, ohne die Ermächtigung hiezu von dem Fürstprimas oder in Ermangelung dessen von dem im Range älteren Erzbischofe des Kronlandes erlangt zu haben.
§ 2. Es kann die jemanden ertheilte Ermächtigung jederzeit wieder entzogen werden; die bloße Entziehung dieser Ermächtigung macht jedoch einen von der Regierung angestellten Lehrer des ihm gesetzlich zustehenden Anspruches auf einen Ruhegehalt nicht verlustig.
§ 3. Die Professoren an der theologischen Fakultät werden aus Männern, welche von dem Fürstprimas die Ermächtigung zum Lehramte erhalten haben, in der bisherigen Weise ernannt und verwalten ihr Amt nach Maßgabe der akademischen Gesetze.
§ 4. Der Fürstprimas hat die Aufsicht über die Reinheit der katholischen Lehre und über den gedeihlichen, den kirchlichen Anforderungen entsprechenden Fortgang der theologischen Studien an der theologischen Fakultät der Pesther Universität zu führen.
§ 5. Dem Fürstprimas steht es zu sowohl bei den Semestralprüfungen der an der besagten Universität studierenden Alumnen als auch bei den strengen Prüfungen der Candidaten der theologischen Doctorswürde sich durch einen Prüfungscommissär, welcher aber selbst Doctor der Theologie sein muß, vertreten zu lassen.
§ 6. Es kann niemand die theologische Doctorswürde erlangen, der nicht vor dem Fürstprimas oder dem von ihm dazu beauftragten das Tridentinische Glaubensbekenntnis abgelegt hat.
§ 7. Als Organ, mittelst welchen der Fürstprimas die demselben über die theologische Fakultät zukommende Aufsicht ausübt, ist der Direktor der theologischen Studien an der Pesther Universität zu betrachten.
§ 8. Der Direktor wird in der bisherigen Weise ernannt und seine Wirkungssphäre durch eigene Instruction festgesetzt.
§ 9. Allgemein verbindliche Lehrgegenstände sind hebräische Sprache, Bibelkunde des alten und neuen Bundes, Kirchengeschichte, Patrologie, Kirchenrecht, Dogmatik, Moral, Pastoral, Katechetik und Methodenlehre.3 Das Studium der semitischen Sprachen ist für alle erforderlich, welche die theologische Doctorswürde zu erlangen wünschen.
§ 10. Die Candidaten des geistlichen Standes sind verpflichtet, durch 4 Jahre die theologischen Vorträge aus den bezeichneten Gegenständen zu hören.
Die Wahl von anderen Vorträgen, welche sie nebstbei an der theologischen oder an einer anderen Fakultät hören wollen, steht ihnen frei. Jedoch haben sie hiezu die Gutheißung desjenigen, welcher mit der Leitung ihrer Studien beauftragt ist, einzuholen und sich hierüber gehörig auszuweisen.

den 30. Oktober 1851
Simor

Anmerkungen zum § 9.

Die Bischöfe bezeichnen in ihrer Einlage folgende Gegenstände als für die Zöglinge des Generalseminariums allgemein verbindliche:
a. ordentliche Lehrgegenstände: Hebräische Sprache mit der Bibelkunde des alten Bundes und die Kirchengeschichte; griechische Sprache mit der Bibelkunde des neuen Bundes und die Fundamentaltheologie.
Dogmatik und Moral.
Das kanonische Recht und die Pastoral.
b. außerordentliche Lehrgegenstände: die semitischen Sprachen: Patristik; Erziehungskunde und Liturgik mit der christlichen Archäologie.
Den Bischöfen steht es frei, einzelne Zöglinge vom Studium der semitischen Sprachen loszuzählen.
An der Universität zu Pesth wird die sogenannte höhere Exegese wahrscheinlich aus dem Grunde nicht vorgetragen, weil daselbst für die semitischen Sprachen kein bestimmter Lehrer vorhanden ist; würde ein solcher gemäß dem Antrage der Bischöfe aufgestellt werden, so könnte demselben die Verpflichtung, über die gedachte Exegese zugleich Vorlesungen zu halten, aufgetragen und diese Exegese in die Zahl der allgemein verbindlichen Lehrgegenstände aufgenommen werden.
Ebensowenig wird an der gedachten Universität die sog. Methodik vorgetragen, welche die zu Wien studierenden Theologen sammt der Katechetik bei St. Anna, hören und doch wäre es sehr wünschenswerth, wenn mehreren Alumnen zu Pesth über jenen für ihren künftigen Beruf wichtigen Gegenstand Vorlesungen gehalten würden.
Wird ein Lehrer der Liturgik und der Patristik daselbst nach dem Wunsche der Bischöfe bewilligt, so könnte der Professor der Pastoraltheologie, der auf diese Weise den liturgischen Theil aus seinem Studium auszuscheiden hätte, dafür die Vorträge über die Methodik übernehmen.
Obgleich die Bischöfe von der Katechetik keine Erwähnung machen, so wird diese doch auch an der Pesther Hochschule gelehrt und von dem Professor der Pastoral vorgetragen, überhaupt wird in Ungarn auch an den Diöcesenlehranstalten die Katechetik als ein Theil der Pastoral angesehen und behandelt.
Es ist noch zu bemerken, daß an der Pesther Universität die Dogmatik in 2 Jahrgängen von 2 Professoren vorgetragen wird, der eine hat die Fundamentaltheologie, die sog. Generaldogmatik, der andere den speciellen Theil derselben zu behandeln. Auch die österreichischen Bischöfe versprechen in ihrer Eingabe, dafür Sorge tragen zu wollen, daß ihren Alumnen die Fundamentaltheologie, welche von den neueren Theologen auch Apologetik genannt wird, vorgetragen werde. Hiefür ist an der Pesther Universität bereits gesorgt.

ad 435/MU 1851

Instruction über die Wirkungssphäre des Direktors der theologischen Studien an der Universität zu Pesth und seine Stellung zu dem Dekane der theologischen Fakultät.

Die gegenseitige Stellung des Direktors und des Dekans der theologischen Studien an der Pesther Universität wird durch die folgenden Bestimmungen über die Gränzen ihrer Wirkungssphären bezeichnet.
§ 1. Der Dekan der theologischen Fakultät hat die akademische Leitung der theologischen Studien im Vereine mit dem gesammten Professorencollegium den bestehenden Vorschriften gemäß zu besorgen und ist Mitglied des akademischen Senates. Der Direktor der theologischen Studien hingegen ist das Organ, durch welches die kirchliche Autorität die ihr zukommende Aufsicht über die Reinheit der katholischen Lehre und über den gedeihlichen, den kirchlichen Anforderungen entsprechenden Fortgang der theologischen Studien an der Pesther Universität ausübt; er ist aber kein Mitglied der akademischen Behörde.
§ 2. Er ist insbesondere berufen, darüber zu wachen, daß die Theologen in allen jenen Gegenständen, welche von der Regierung im Einvernehmen mit dem Episcopate als allgemein verbindlich bezeichnet werden, in der entsprechenden Reihenfolge und Ausdehnung zureichenden Unterricht erhalten.
§ 3. Er ist berechtiget, die Vorlesungen zu besuchen, bei den Semestralprüfungen und bei den strengen Prüfungen der Doctoratscandidaten zu erscheinen.
In diesen Fällen gebührt ihm der Ehrensitz neben dem Dekan.
§ 4. Nur mit seiner Zustimmung kann von dem Professorencollegium ein Individuum als Supplent eines erledigten Lehrstuhles in Vorschlag gebracht oder auf die Zulassung eines Docenten angetragen werden.
§ 5. Die zur Erlangung des Fähigkeitszeugnisses zum Lehramte an einer Diöcesan- oder Klosterlehranstalt abzuhaltenden Prüfungen werden auf seine Einladung und unter seinem Vorsitze in der bisher üblichen Weise vorgenommen.
§ 6. Handelt es sich um eine Conkursprüfung für eine erledigte Lehrkanzel an der theologischen Fakultät oder um den Habilitationsakt eines Privatdocenten, so sind ihm im ersten Falle die Conkurselaborate, im zweiten die Habilitationsakte mitzutheilen.
§ 7. Die Sitzungsprotokolle des theologischen Professorencollegiums und die Entwürfe des Lektionsplans der theologischen Fakultät sind ihm von dem Dekane brevi manu zur Einsicht mitzutheilen und mit seinem vidi versehen an das Unterrichtsministerium vorzulegen.
§ 8. Bei Wahrnehmung von Gebrechen in den Lehrvorträgen, von Mängeln oder Lücken in dem theologischen Studium oder Abweichungen von den bestehenden Vorschriften steht es ihm zu, sich im vertraulichen Wege mit dem Dekane der theologischen Fakultät darüber in mündliches Einvernehmen zu setzen und falls nicht die von ihm für nöthig erachtete Abhülfe getroffen wird, dem Fürstprimas behufs der weiteren Vorlegung der Angelegenheit zur Entscheidung des Unterrichtsministeriums Bericht zu erstatten.
Ebenso hat er in Beziehung auf die Reinheit der Lehre und den priesterlichen Wandel der Professoren dem Fürstprimas zu berichten und in dieser Beziehung nach dessen Weisungen das Erforderliche dem Dekan mitzutheilen.