Leo Thun fasst die Ergebnisse der Beratungen zwischen der Regierung und den beiden Vertretern der protestantischen Kirchen, Gabriel Prónay und Nikolaus Vay, zusammen: Die Beratung mit Prónay verlief erfolglos, da dieser darauf beharrte, das Patent vom 1. September 1859 zurückzunehmen, und sich nicht davon abbringen ließ. Baron Vay hingegen zeigte sich aufgeschlossener, allerdings würden auch seine Glaubensgenossen das Patent ablehnen. Er wolle daher nicht einzelne Punkte verhandeln, da dies sonst als grundsätzliche Anerkennung des Patents verstanden werden könnte. Die Vertreter der Regierung hingegen, so Thun weiter, sahen eine Anerkennung des Patents als notwendige Voraussetzung zur Diskussion über mögliche Reformen einzelner Teile des Patents, etwa die Einteilung und Zahl der Superintendenzen oder die Wahlen zu den verschiedenen Gremien. Vay erklärte mehrfach seine missliche Situation, er versicherte aber einen Kompromiss herbeiführen bzw. den Verhandlungsweg mit der Regierung offenhalten zu wollen. Er, Thun, habe Vay indes versichert, dass auch die Regierung Vay dabei unterstützen werde. Abschließend erklärte Vay, dass die Presse durch zahlreiche Berichte die Verhandlungen und die Stimmung innerhalb der Protestanten negativ beeinflusse. Daher habe Ministerpräsident Bernhard Rechberg-Rothenlöwen zugesichert, den Zeitungen eine Nachrichtensperre in diesem Bereich auferlegen zu wollen.
Eigenhändiger Bericht von Leo Thun. Mit Unterschrift von Franz Nádasdy.
Am 7. und 8. Februar [1]860 fanden die von Seiner Majestät angeordneten vertraulichen Besprechungen mit Baron Prónay und Baron Vay statt.
Baron Prónay beharrte vollständig auf
dem Standpunkt des Begehrens der restitutio in integrum, demgemäß das Patent vom
1. September vorigen Jahres sammt den auf Grundlage desselben erlassenen
Verordnungen zu suspendieren, die Wahlen von Superintendenten und Inspektoren in
den vorbestandenen Superintendenzen vorzunehmen, und das Patent sodann als
Vorlage von den Synoden zu behandeln wäre. Zugleich brachte er gegen den Inhalt
des Patentes und die Verordnungen die aus den Protesten der Konvente bekannten
Einwendungen vor, jener Inhalt stehe mit dem Dogma der Lutheraner von dem
„gemeinsamen Priesterthume“ in Widerspruch, zerstöre die Gleichstellung der
Laien mit den Geistlichen, beruhe auf hierarchischen Tendenzen, verletze die
Rechte der Protestanten bezüglich der Schulen etc. Von den 460.000 Lutheranern
würden sich höchstens 1/7 reformieren[?], die übrigen werden zu den Kalvinern
übertreten.
Die Besprechung mit ihm war demnach ohne allen Erfolg. Ihm
gegenüber wurde hervorgehoben, daß Seiner
Majestät auf keinen Fall gerathen werden könne, die Gesetzkraft
des Patentes in Frage zu stellen, noch die Konstituirung jener Superintendenzen
wieder einzustellen, die von der Mehrzahl der ihnen zugewiesenen Gemeinden und
Seniorate als ihren Bedürfnissen und Wünschen entsprechend anerkannt werden. Es
wurde lediglich in Aussicht gestellt, daß wenn nach Konstituirung der
Superintendenzen die Generalkonferenz mit dem Einschreiten um die Berufung der
Synode die Bitte verbinden sollte, daß die zu derselben zu entsendenden
Deputirten nicht blos von den Superintendenzialkonventen, sondern von den
Senioraten gewählt werden, es keinem Anstande unterliegen werde, hierauf bei
Seiner Majestät einzurathen.
Dem
Baron Vay wurde bemerklich gemacht,
daß nach dem Patente (§ XXV und XXVII) die Eintheilung der Superintendenzen
keine unabänderliche und die Möglichkeit bezüglich derselben zweckmäßige
Veränderungen auch noch vor Einberufung der Synoden anzuordnen nicht
ausgeschlossen sei. Es würde sich nur darum handeln durch eine Generalconferenz,
welche aus den vorhandenen kirchlichen Leitern der bisherigen Superintendenzen
etwa unter Zuziehung der ältesten Senioratscuratoren und den Senioren und
Kuratoren derjenigen Seniorate, welche nach der in dem Patente ausgesprochenen
Eintheilung zu einer neuen Superintendenz vereiniget werden sollten, bestehen
könnte, eine begründete Vorstellung an Seine Majestät zu richten. Am ersten Tage
stellte Baron Vay die Bemerkung
entgegen, seine Glaubensgenossen würden auf eine solche Bitte nicht eingehen
wollen, weil sie sagen würden, dadurch sprängen sie in das Patent hinein. Darauf
wurde ihm erwiedert, daß wenn der Standpunkt des Protestes gegen das Patent
festgehalten werden wolle, eine Verständigung aber unmöglich sei. Es wurde
wiederholt betont, daß die Anerkennung der Gesetzkraft des Patentes die
unerläßliche Vorbedingung sei, unter der allein die Möglichkeit gefunden werden
könne, den Bedenken gegen die Zweckmäßigkeit einzelner Bestimmungen desselben
abzuhelfen.
Am zweiten Tage ist diese Rechtsfrage von Baron Vay nicht mehr urgirt worden, seine
Bedenken bezogen sich vielmehr nun auf das Meritum der erreichbaren
Modifikationen der Eintheilung in Superintendenzen und auf die Schwierigkeiten
ein offizielles Gesuch anders als im Wege von Konventen der vorbestandenen
Superinten[den]zen zu Stande zu bringen. In letzterer Beziehung würde jeder
seiner Glaubensgenossen daran festhalten, daß er ohne Mandat seines
Superintendenzialkonventes nur eine privatime Meinung abgeben und nicht im Namen
seiner Glaubensgenossen sprechen könne. In Beziehung auf das Meritum der
Eintheilung wurde von dem Cultusminister zugestanden, daß die Kalviner viel kompakter
beisammen wohnen als die Lutheraner und unter ihnen nicht jener alte Zwiespalt
bestehe, der den Fortbestand der lutherischen Bergsuperintendenz unmöglich
machte, daß deshalb vielleicht eine geringere Zahl von Superinten[den]zen,
trotzdem daß ihre Seelenzahl größer ist als die der Lutheraner, zuläßig wäre.
Allein die Superintendenz jenseits der Theiß sei doch offenbar zu groß; sollten
auch die Seniorate in den Marmaros bei ihr belassen
werden, was wegen angeblicher Gefährdung des Bestandes der Debrecziner Schulen verlangt werde, so scheine
doch die Bildung einer fünften Superintendenz im Süden des Landes unvermeidlich.
Würde darauf eingegangen, so bliebe die Superintendenz diesseits der Theiß
unverändert; auch die Bildung der Komorner
Superintendenz, wenn von den ihr zugewiesenen Senioraten bestätiget würde, daß
sie die Abtrennung von der vorbestandenen Superintendenz jenseits der Donau
nicht wünschen, könnten fallen gelassen werden. Die kirchlichen Vorstände der
beiden Superintendenzen diesseits der Theiß und jenseits der Donau hätten
demnach keine Ursache sich an einer Vorstellung nicht zu betheiligen, welche
dahin gerichtet wäre, den Bestand dieser Superintendenzen aufrecht zu halten.
Auch die der beiden anderen Superintendenzen dürften aber nicht anstehen, eine
Bitte zu unterstützen, welche etwas anstrebt, was jedenfalls dem bisherigen
Zustande viel näher liegt als die durch das Patent vorgezeichnete Eintheilung,
zumal unter Beiziehung der Senioren und Kuratoren derjenigen Seniorate, um deren
Abtrennung von dem bisherigen Verbande es sich handeln würde.
Baron Vay stellte hierauf die Frage, ob es als
eine conditio sine qua non angesehen werden würde, daß fünf Superintendenzen
gebildet werden, und ob es nicht auch genügen würde, daß es bei vier
Superintendenzen mit einer zweckmäßigeren Abgränzung verbliebe? Darauf wurde vom
Cultusminister erwiedert: die
Zahl scheine ihm nicht von wesentlicher Bedeutung, wohl aber müßte der Regierung
daran gelegen sein, daß eine solche Eintheilung zu Stande komme, durch welche
verhüthet werde, daß die Durchführung der anderweitigen Bestimmungen des
Patentes nicht zu wesentlichen Übelständen führe. Am wichtigsten sei in dieser
Beziehung die Ehegerichtsbarkeit, für welche die 2. Instanz dem
Superintendenzialkonsistorium zukommen müsse. Die kirchliche Gerichtsbarkeit in
Ehesachen sei von Seiner Majestät
bewilliget worden, weil sie im Art. 26 von [1]791 in Aussicht gestellt und
seitdem von den Synoden von [1]791 und von den Konventen die Erfüllung dieser
Zusage verlangt worden sei. Ob sie in dem Wunsche der Partheien liege, dürfte
zweifelhaft sein. Jedenfalls würde der Bauer einer Wojwodschaft, der jetzt
seinen Richter in Ehesachen bei dem nächsten Landesgericht findet, sich sehr
beschwert erachten, wenn er ihn künftig viele Tagesreisen weit suchen müßte und
seine Beschwerde würde gegen Seine
Majestät gerichtet sein, welche durch das allerhöchste Patent die
Veränderung der bisher bestehenden Einrichtung verfügt hat. Dagegen sei eine
Abhülfe durchaus nothwendig und es dürfte kaum möglich sein sie zu finden, ohne
daß wenigstens eine fünfte Superintendenz errichtet werde. Baron Vay erwiederte nicht auf diese
Bemerkungen. Hingegen regte er die Frage an, ob im Falle einer befriedigenden
Feststellung der Superintendenzen in denselben zu Superintendenzialkonventen und
zur Wahl von Oberkuratoren würde geschritten werden können? Der Cultusminister erinnerte daran, daß bei
der ersten Kundmachung des Patentes der Ministerialverordnung vom 2. September
zur Einberufung von Superintendenzialkonventen und zur Wahl von Oberkuratoren
aufgefordert worden sei, obwohl diese Konvente von der Koordinirung der
Gemeinden und Seniorate nicht in einer der Ministerialverordnung vom 2.
September ganz entsprechenden Weise möglich waren. Die Regierung sei dabei von
dem Wunsche geleitet worden, die Seniorate und Gemeinden nicht zu isoliren.
Selbst die Abhaltung der bereits ausgeschrieben gewesenen Distriktskonvente der
vorbestandenen Superintendenzen sei kein Hindernis entgegengestellt worden, um
einen friedlichen Übergang nicht zu erschweren. Die Abhaltung der
Superintendenzialkonvente sei erst verbothen worden, als sich herausgestellt
hatte, daß sie nur zu dem Zwecke gehalten werden, um immer von neuem gegen das
Patent zu protestiren. Sobald das nicht mehr zu besorgen stehe, das ist, mit
Beruhigung erwartet werden könne, daß die Glaubensgenossen helvetischen
Bekenntnisses sich auf den Boden des Patentes zu stellen bereitwillig seien,
werde man gerne einen Modus suchen, um auf die oben erwähnte Gewährung der
Möglichkeit ohne Verzug zur Wahl der Oberkuratoren zu schreiten,
zurückzukommen.
Baron Vay blieb
sehr zurückhaltend, vermied jede Zusage irgend welcher Art, hob nur wiederholt
die große Schwierigkeit hervor, seine Glaubensgenossen zu irgend einem Schritte
von der Abhaltung von Superintendenzialkonventen zu bewegen, erklärte, er werde
nichts unternehmen, womit er Fiasco machen würde, das sei er nicht gewohnt und
äußerte endlich: was soll ich machen, wenn im Mai der Konvent in Miskolcz
[Miskolc] von dem ich als Deputirter von Seiner Majestät gewählt worden bin, wieder
zusammentritt und die Regierung ihn verbiethet? Soll ich so feig sein, nicht
hinzugehen? Der Cultusminister
erwiederte darauf: einen Rath zu geben, ist immer eine mißliche Sache, zumal
wenn der Befragte die Verhältnisse weniger genau kennt als der Fragende;
verlangen Sie aber meine Meinung zu hören, so muß ich sagen: ich glaube, ich
würde an Ihrer Stelle meinen Glaubensgenossen erklären: auf dem Wege, den ihr
eingeschlagen habt fortzugehen, kann nur unsere eigenen Interessen gefährden;
wollt Ihr mir folgen, so würde ich es bewirken, daß wir wieder Konvent halten
können; wollt Ihr aber einen Kampf gegen Seine
Majestät fortsetzen, so mag ich nichts mehr damit zu thun haben
und werde nicht mehr auf euren Konventen erscheinen.
Hierauf hat Baron Vay nicht erwiedert.
Auf die Frage
des Justizministers, wie lange es wohl
dauern werde, bis er über den Erfolg seiner Bemühungen etwas mittheilen werde
und ob er nicht dem Cultusminister briefliche Nachrichten geben wolle?, lehnte
Baron Vay jede Antwort ab. Der
Cultusminister bemerkte, ihm
scheine das Kennzeichen, ob es dem Baron
Vay gelinge, etwas bei seinen Glaubensgenossen auszurichten,
werde darin zu suchen sein, ob von dem Versuche, weitere von der Regierung für
unzuläßig erklärte Superintendenzialkonvente zu halten, abgestanden werde oder
nicht. Sollten sich diese Versuche wiederholen, so würden neue den Bemühungen
eine Verständigung herbeizuführen abträgliche Konflikte unvermeidlich werden.
Solange die Regierung zu solchen nicht gedrängt würde, werde es ihre Aufgabe
sein, alles zu vermeiden, was den Bemühungen des Baron Vay neue Schwierigkeiten bereiten könnte. Hierauf frug
Baron Vay nach, ob inzwischen
fortgefahren werden würde, durch die politischen Behörden auf die Koordinirung
der Gemeinden zu dringen? Der Cultusminister erwiederte: die Vollzugsvorschrift vom 10. Jänner
laufenden Jahres und die darin ausgesprochenen Sanktionen stehen einmal fest; er
müße auch in jenen (lutherischen) Superintendenzen, in denen auf die
Koordinirung eingegangen wird, dieselben möglichst zu beschleunigen trachten, er
werde sich aber wohl hüthen, an die kalvinischen Superintendenzen neue Weisungen
zu erlassen, so lange er wisse, daß sie erfolglos wären. Übrigens müße aber
Baron Vay einsehen, daß das, was in
Beziehung auf die Koordinirung der Gemeinden und Seniorate verlangt wird, an
sich keinem Bedenken unterliege, indem es mit der bisherigen Übung nicht in
Widerspruch stehe, sondern nur zur allgemeinen Regel mache, was in größeren
Gemeinden ohnehin schon in Bildung war; eben so könne ihm nicht entgehen, wie
sehr es das, was zu geschehen hätte, um die Frage der Eintheilung der
Superintendenzen und der Superintendenzialkonvente befriedigend beizulegen,
erleichtern würde, wenn inzwischen die Koordinirung der Gemeinden und Seniorate
durchgeführt und dadurch eine feste Grundlage für die Vertretung der Seniorate
gewonnen würde.
Auch diese Bemerkung blieb ohne Erwiederung.
Schließlich
äußerte Baron Vay, wie nachtheilig es
wäre, wenn durch fortgesetzte Einmischung der Zeitungen und deren Berichte über
den Erfolg dieser Besprechungen neue Verwickelungen herbeigeführt würden. Er
werde den Zeitungen gewiß keine Mittheilungen machen; er müßte über
Pest reisen, werde sich aber dort möglichst kurz
aufhalten, denn das sei eine Pestilenz, und er werde dort wahrscheinlich gar
nichts über den Verlauf der Besprechungen sagen. Der Ministerpräsident erklärte,
er werde den Zeitungen das Verboth zugehen lassen, hierüber gar nichts mehr
aufzunehmen.
Im Laufe der Besprechung war von Baron Vay darüber Klage geführt worden, daß durch die anhängigen
Gerichtsverhandlungen, die vielen Einvernehmungen und Vorladungen die Aufregung
fortwährend genährt werde. Der Justizminister erwiederte darauf, daß gerichtliche
Amtshandlungen nur in jenen Fällen stattfinden, wo offenbar zum Ungehorsam und
zur Auflehnung aufgereizt würde, und daß die Einvernehmung vieler Zeugen – so
bedauerlich auch die daran unzertrennliche Vorbereitung der Aufregung sei – in
solchen Fällen nicht vermieden werden könne.
Ferner beklagte sich Baron Vay auch darüber, daß von den
politischen Behörden bei Zustellung der Ministerialverordnung vom 10. Jänner
laufenden Jahres von den helvetischen Pfarrern in der Gegend von Sucs Kemet [?]
laut brieflichen Nachrichten verlangt werde, in der Empfangsbestätigung zu
bezeugen, daß sie diese Verordnung von ihrem Sender erhalten haben. Hierauf
wurde erwiedert, daß wenn wirklich so vorgegangen worden sein sollte, dieser
Vorgang nur auf einem Verstoße untergeordneter Beamten beruhen müße, worüber der
Cultusminister sofort nähere
Aufklärung einholen wird.
gesehen Nádasdy
Thun