Der Bericht beschreibt den Verlauf der am 15. November 1859 in Miskolc abgehaltenen Distriktualversammlung. Dort versammelten sich nicht nur Protestanten, sondern auch Ungarn anderer Religionszugehörigkeit, um das kaiserliche Patent über die kirchlichen Angelegenheiten der Protestanten in Ungarn zu beraten. Nach einem Gottesdienst hielten die Superintendenten, Senioren und andere Geistliche ihre Reden, welche im Allgemeinen gegen das Protestantenpatent gerichtet waren. Die allgemeine Forderung war, das Patent zu sistieren, es aber zur Grundlage für Änderungen zu machen. Der Bericht schließt mit der Bemerkung, dass die Versammlung ohne jegliche Störung verlief.
Die sprachlichen Eigenheiten und mehrfachen grammatikalischen Fehler des Schreibers wurden beibehalten.
Auszugsweise abgedruckt in: Friedrich Gottas, Die Frage der Protestanten in Ungarn in der Ära des Neoabsolutismus. Das ungarische Protestantenpatent vom 1. September 1859, München 1965, S. 95.
Übersetzung aus dem Ungarischen1
Der 15. November 1859 war in Miskolcz ein
Nationalfest.
Zur Besprechung des über die inneren Angelegenheiten der
Protestanten ergangenen kaiserlichen Patentes versammelten sich nicht nur die
reformirten Glaubensgenossen, sondern wie zu welch' immer Nationalfeste, Ungarn
ohne Unterschied des Alters, Standes und der Religion, welche die vorhabende
Bindung der Gewissensfreiheit schmerzhaft berühren muß.
In der alten
Rvas-Kirche, für welche die reformirten Einwohner dieser Stadt eine besondere
Pietät und Verehrung empfinden, war unter den Versammelten die Intelligenz aus
einem Vierttheile unseres Vaterlandes und selbst aus noch entfernteren Orten in
erfreulicher Weise wahrzunehmen, darunter auch würdige Repräsentanten unseres
Adels.
Karl Misley, der jüngste
Seelsorger von Miskolcz, erflehte in einem
markigen Gebete die Unterstützung des Allmächtigen und als am Schluße mit
hinreißender Inbrunst von den Lippen der frommen Volksmenge die Worte des
Psalmes erschallten: "Gott ist unsere Hoffnung, wenn uns unsere Feinde angreifen
– in jedem Unfrieden erhalte uns Deine Macht. Deshalb kennt unser Herz keine
Furcht, selbst wenn die ganze Erde erschüttert würde, wenn die Berge in die
Mitte des Meeres stürzen würden", – da entflammte jedes Antlitz, jedes Haupt
hebte sich höher und blickte mit augenscheinlicher Zuversicht gegen den Himmel.
Nach beendetem Gottesdienste kamen der 75 Jahre alte, körperlich
gebrochene, aber im Geiste noch kräftige Superintendent Paul Apostol, der derzeitige
Oberkuratorsadjunkt Gedeon Nagy, mit
ihnen die Herrn der Fahne unseres Vaterlandes, der würdige an Geist und Körper
kräftige Baron Nikolaus Vay, gwesener
Kronhüter etc., Senior Ludwig Hegedüs
aus Zemplin, Ludwig
Zsarnay, Geistlicher aus der Sarospataker Schule, Professor und
Superintendenzobernotair, in welchem Wissenschaften, unerschütterliche
vorleuchtende Vaterlandsliebe und ein eiserner Wille unzertrennlich sich
vereinen, dann noch sehr viele andere, an deren Phisionomien sich die Seele
ergötzen konnte. Sie wurden alle mit kräftigem: "Éljen" empfangen.
Superintendent Apostol, in einem
kurzen Seufzer die Hilfe Gottes erbittend, tragte vor, daß er von der hohen
Regierung die Weisung erhielt, binnen 60 Tagen eine Distriktsversammlung
abzuhalten, in Folge dessen er die Betreffenden auf den heutigen Tag einberufen
habe; er sagte, indem sich seine gebeugte Gestalt aufrichtete und sein
gebleichtes Antlitz sich belebte, daß er zu dieser Versammlung keinen
kaiserlichen Kommissair verlangte, daß er nie einen verlangen wird (éljen) und
daß er nie eine Versammlung halten werde, wo ein solcher anwesend ist (langes
Éljen).
Darauf hatte Gedeon Nagy als
Kuratorsadjunkt mit wenigen Worten den Zweck der Zusammenkunft und Berathung
berührt; nach diesen Worten, welche den Geist und die Seele schmerzhaft
tangirten, nahm er unter stürmischen Zuruf (Éljen) wieder seinen Platz ein.
In der Mitte, wo der Tisch des Herrn steht, hatten Ludwig Zsarnay, Obernotair, und Bartholomäus Kun, Unternotair, ihre
Plätze; in die Mitte trat nun der Dechant und Pataker Pastor Ladislaus Hegedüs und sprach mit lauter
verständlicher Stimme über die bestehenden Umstände, zergliederte die durch
Friedensschlüsse geheiligte, durch Niemanden antastbare, selbst durch den
Monarchen nicht veränderbare Autonomie der Kirche, er machte auf die
Unterschiede der Jahre 1791 und 1856 sowie die im letzteren erfolgte Ablehnung
aufmerksam; er erwähnte, daß die Regierung mit der Einführung des kaiserlichen
Patentes ihre (der Protestanten) durch den Wiener und Linzer
Friedensschluß geheiligten Rechte stürzen würde, welche zu trüben dem Monarchen
unmöglich ist und welche abzuändern einzig und allein der Synode zusteht; daß
ferner die Regierung, ohne die ungarischen Protestanten zu fragen, ihnen aus der
Rheingegend westphälische Zweige einpflanzen will und dadurch beabsichtiget,
sich zum Oberhaupte des ungarischen Protestantismus aufzuwerfen, wozu wir ohne
Erschütterung unserer rechtlichen Grundsätze, selbst den Monarchen nicht
annehmen würden, gesetzt selbst, daß Er unserer Religion wäre. (dieser durch
tiefe Logik und Überzeugung sich auszeichnenden Vortrag wurde häufig durch
stürmische Éljen unterbrochen) – Schließlich machte er die Motion, man möge
Seine k.k. apostolische Majestät in
aller Unterthänigkeit bitten, das durch die hohe Regierung erlassene und
durchzuführen beabsichtigte Patent zu sistiren, dagegen zu gestatten, daß wegen
etwaigen Abänderungen in ihrer Autonomie, beide Konfessionen zu gleicher Zeit
und an einem Orte die geschichtlichen Synoden abhalten dürfen, wo dann auch die
Punkte des Patentes als Wegweiser dienen können.
Siegmund Bernáth findet diesen Vortrag
vollkommen annehmbar und ersucht, solchen als Grundlage für das Majestätsgesuch
anzuerkennen.
Hierauf nahm Baron Nikolaus
Vay das Wort, er sprach nur wenig, aber es drang tief in die
Herzen der Zuhörer. Ich, sagte er, stimme mit der Meinung des Herrn Sigmund Bernáth überein, finde nichts
beizufügen und erwähne nur noch (hier hob er seine Rechte empor): "Schwören wir
an diesem heiligen Orte, daß wir an den Grundsätzen des Protestantismus
unerschütterlich festhalten werden, denn wenn wir jetzt uns neigen, so ist
unsere Religion, unsere Nation für ewig verloren." – Eine feierliche Stille
folgte, als wenn die ganze Menge vor Gott diesen Schwur gethan hätte und erst
später brach ein allgemeiner Sturm los.
Hier muß erwähnt werden, daß am 14.,
als am Tage vor der Versammlung, in einer Konferenz das Majestätsgesuch in
seinen Umrissen entworfen und mit der Verfassung der Obernotär Ludwig Zsarnay mit seiner markigen Feder
betraut war.
Was den Inhalt dieser mit tiefer Sachkenntnis und großer
Fertigkeit verfaßten Schrift betrifft, so läßt sich derselbe nach einmaligen
Anhören wohl nicht wieder geben.
Erklärt sind darin die Schmerzen der Seele,
der Bereitwilligkeit zur Selbstaufopferung, indem es heißt: "Euer Majestät! –
Wir wollen die Märtyrerkrone tragen, aber von den Rechten unserer Religion
lassen wir nicht." – Mit Ehrfurcht bittet der verlassene Ungar, seinen
weltlichen Herrn, seinen Monarchen, seinen Vater, indem dieser allein das
Gesetz, die von Gott und den Menschen geheiligte Gewissensfreiheit zu schützen
vermag; es wird erwähnt, daß ohne dieser ein gutes Resultat nicht zu hoffen,
nicht zu erwarten sei. – Das Ganze ist kräftig gehalten, enthält aber nicht
einen einzigen anfordernden Ausdruck, sondern stellt nur die Wahrheit unverhüllt
vor Augen.
Bei den Worten des Majestätsgesuches: "Gestatten Eure Majestät
die Abhaltung der Synode" erhob sich der alte Ladislaus Paloczy, die durch Leiden verfolgte weiße Taube - kein
Laut, kein Athemzug bewegte sich, die allgemeine Aufmerksamkeit richtete sich
auf die Lippen, die seit so langer Zeit geschwiegen, in vieler Augen erglänzten
Freudenthränen, als der beliebte Sprecher wieder zu hören war.
Meine Herrn!
Dieses Wort "gestatten" bitte ich wegzulassen, weil wir jetzt von Seiner Majestät gar nichts bitten, unsere
Rechte, die wir besitzen, sind durch Friedensschlüsse, durch Beschlüsse des
Landtages geheiliget, deren freie Ausübung können wir nicht beirren lassen, an
deren Stelle kann man uns nichts aufoctroiren – "man bitte vielmehr Seine Majestät, die Kirche in den Zustand vor
dem Jahre 1848 zu versetzen." – ein Antrag, der mit ungetheilten Beifall
angenommen wurde.
Hierauf sprachen noch mehrere, wornach das Majestätsgesuch
mit sehr geringen Abänderungen in seiner ursprünglichen Gestalt belassen
ward.
Mitglieder der an Seine Majestät den
Kaiser abzusendenden Deputation sind: Superintendent Apostol, der Kuratorsadjunkt Gedeon Nagy, Baron
Nikolaus Vay, Graf Daniel
Vay, Graf Nikolaus Vay der
Jüngere, Sigmund
Bernáth, Ladislaus
Hegedüs, Ludwig
Zsarnay.
Über die Zeit der Absendung und rücksichtlich der
Abgesandtschaft überhaupt, kamen mehrere Fragen zur Sprache; auf den Antrag des
Ladislaus Palóczy wurde
beschlossen, daß die früher zu vertheilen beabsichtigten 3000 Exemplare des
Majestätsgesuches, in so lange nicht zu drucken und durch die Zeitungen nicht zu
verlautbaren seien, bis das Gesuch nicht Seiner
Majestät überreicht sein wird.
Sonach wurde durch Herrn
Dapsy beantragt, das Patent, welches
entgegen der Satzungen der Kirche durch die weltlichen Obrigkeiten den Gemeinden
zugesendet worden ist, auf demselben Wege zurückzusenden; darüber hat eine
längere Debatte stattgefunden. Ob ein Beschluß diesbezüglich gefaßt worden sei,
ist nicht zu entnehmen. Eben derselbe beantragte, daß die Deputation schleunigst
abgehen solle und wenn sie nicht vorgelassen würde, soll es die Welt sehen, daß
man uns gar nicht anhört.
Der Pastor Albert
Édes sprach folgendermaßen: "Nach dem Jahre 1849, als wir im
Ausnahmszustande waren, hatte man unserer Treue erst dann Glauben geschenkt,
nachdem jede einzelne Gemeinde schriftlich ihre Huldigung eingab; ich würde es
auch jetzt für zweckmäßig erachten, wenn jede einzelne Gemeinde über die
Nichtannahme und über die Unmöglichkeit der Annahme des Patentes sich äußern
würde, damit nicht allerhöchsten Ortes die Anschauung Platz greife, als wenn die
innigen Wünsche, die im Gesuche ausgedrückt sind, etwa nicht der Ausdruck des
allgemeinen Verlangens wären.
Vor Kurzem ist mir von höherm Orten eine in
deutscher Sprache verfaßte Verfügung in Beziehung auf die Schulen mit dem
Ansinnen zugekommen, daß ich sie meinen geistlichen Collegen mittheilen solle;
das habe ich nicht gethan, ich thue es nicht und werde es auch nie thun –
(éljen) – was geschah? Später hat jeder Seelsorger diese Verfügung in
ungarischer Sprache erhalten – natürlich nicht durch mich."
In diesem Sinne
äußerten sich noch einige Seelsorger.
Der Superintendent Apostol bat die Distriktsversammlung, ihm die
Last seines Amtes abzunehmen, diese auf einen Jüngeren, auf kräftigere Schultern
zu übertragen. "Jetzt gibt es aber Arbeit!", tönte eine Stimme aus der Menge in
nicht sehr schonender Weise, wenn gleich wahr! – Auf die Bitten der Anwesenden
ist der Oberpriester von seinem Verlangen abgestanden.
Nachdem kein weiterer
Gegenstand zur Berathung vorhanden war, hatte sich die Versammlung aufgelöst.
Von dem in gesetzlicher Weise stattgefundenen Beginn bis zur Beendigung der
Versammlung ist nicht die mindeste Störung erfolgt.