Der Jurist Franz Hartmann übersendet Leo Thun ein Schreiben von Sebastian
Mutzl. Mutzl ist Kandidat für eine Professur in Österreich. Hartmann
bedauert, dass die Enthebung Mutzls aus dem bayerischen Staatsdienst
sich noch länger hinausziehen wird. Allerdings glaubt Hartmann nicht,
dass der bayerische Kultusminister Mutzl ein besseres Angebot als Thun
machen werde. Hartmann ist gern bereit, Thun mit weiteren Informationen
über Mutzl und dessen Arbeit zu versorgen.
In der Beilage erklärt
sich Sebastian Mutzl bereit, eine Professur in Wien zu den besprochenen
Bedingungen und Verpflichtungen zu übernehmen. Allerdings wünscht er
noch einige Informationen zu Pensions- und Gehaltsfragen sowie zur
Möglichkeit der Anstellung seines Sohnes als Lehrer in Österreich. Er
betont auch, dass er im bayerischen Staatsdienst verbleiben werde,
sollte die bayerische Regierung ihm ein besseres Angebot machen.
Der Brief ist im Nachlass gemeinsam mit zwei weiteren Briefen
abgelegt:
George Phillips an Leo Thun. Wien, 24. Februar 1852.
Franz Hartmann an Leo Thun. Linz, 27. April 1852.
Beilage: Sebastian Mutzl an Franz Hartmann. Eichstätt, 28. März 1852, samt Mutzls Lebenslauf mit Werkverzeichnis.
Eure Excellenz!
Hochgeborner Herr Graf!
Ich erhielt heute abends, nach Abgang der Post, das anliegende Schreiben des Studiendirectors
nebst dessen Curriculum vitae und Verzeichnis seiner Werke; daher ich mich beeile,
diese Schriften Eurer Excellenz ehrfurchtsvoll zu übersenden.
Recht innig
bedaure ich, daß sich nach den in dem beiliegenden Briefe dargestellten
Umständen die Enthebung Mutzls aus
dem bayerschen [sic!] Staatsdienste so weit in das zweite Semester hinausziehen
würde. Daß Bayern ihm ein so vortheilhaftes Anerbiethen
machen würde, wie jenes Eurer Excellenz ist, glaube ich, wie die Dinge jetzt
dort stehen, nicht, so sehr auch der bayersche Herr Cultusminister Ringelmann ihm wohl will.
Wenn
Eure Excellenz von den Schriften Mutzls Einsicht zu nehmen wünschen oder was immer sonst durch
mich besorgen zu lassen für gut fänden, bitte ich gehorsamst mir Ihre Befehle
zukommen zu lassen, die mich so glücklich machen.
Mit dem wiederholten
Ausdrucke der tiefsten Verehrung und Anhänglichkeit verharre ich
Eurer Excellenz
Hochgeborner Herr Graf
dankbarst gehorsamster Diener
Franz R. von Hartmann
Linz, am 1. April 1852
Eichstätt, am 28. März 1852
Theurer Freund!
Deinen höchst überraschenden Brief vom 22. dieses Monats erhielt ich gestern
und will nach reiflicher Erwägung die Hauptfrage vor allem
beantworten.
Der Antrag jener Lehrstelle in Wien
sowie das Vertrauen des Titl. Herrn Cultusministers Grafen von Thun ist für mich im
höchsten Grade ehrend, und die Bedingungen nebst den damit verbundenen
Verpflichtungen gehe ich ein. Nur muß ich hinsichtlich der Bedingungen
bemerken, daß ich voraussetze, die mir zugestandene Pensionsfähigkeit
erstrecke sich auch nach dem in Österreich gesetzlichen Maßstabe auf meine Frau. Weiters muß ich mir noch die Bemerkung erlauben, daß mir die
Pietät gegen ein Land, das mir meine Jugendbildung und nun seit beinahe 28
Jahren meinen Unterhalt gegeben hat, verbieten würde, es mit einem andern zu
vertauschen, falls die königlich bayerische
Staatsregierung bei dieser Veranlassung Umstände eintreten
ließe, unter denen mein Scheiden als Undank erscheinen müßte,
besonders da ich erst im verflossenen Jahre durch das Ritterkreuz des
Verdienstordens vom Heiligen Michael öffentliche Auszeichnung erfuhr. Ein
letzter Punkt endlich, der mir am Herzen liegt, ist folgender. Mein ältester
Sohn
Eduard
,
welcher immer unter den Ersten studirt und das Gymnasium mit der
Absolutorialnote „ausgezeichnet“ absolvirt hatte, hat im Oktober vorigen
Jahres nach zurückgelegten Lyceal- und Universitätsstudien den Staatsconcurs
für das Gymnasiallehramt bestanden, und wir erwarten mit jeder Woche seine
Concursnote, nach deren Vorlegung ihm eine Anstellung als Assistent dahier
versprochen ist. Meine Auswanderung könnte der Zukunft desselben leicht ein
großes Hemmnis bereiten. Sollte es nicht möglich seyn, daß er auf den Grund
des in Bayern bestandenen Staatsconcurses in
Österreich eine Anstellung im
Lehramte fände? Ich würde hierin große Beruhigung finden und einen Akt
besonderer Gnade und Huld erblicken.
Dieses, theurer Freund, sind meine
Bedenklichkeiten. Ich bitte Dich nun, die Sache dem Titl. Herrn
Cultusminister Grafen von
Thun nebst dem Ausdrucke meiner unterthänigsten Ehrfurcht
vorzutragen.
Daß ich am philologischen Seminar mitzuwirken hätte, freut
mich besonders. Das Geschäft, an der so hochnothwendigen Heranbildung junger
Lehrer zu arbeiten, ist eines der schönsten, die ich kenne.
Mein
Dienstantritt könnte, da ich Vorstand der hiesigen Anstalt bin, und ich
daher den Zeitpunkt abwarten müßte, wo ich meinem Nachfolger alles zu
extradiren hätte, wohl kaum eher als Mitte oder Ende Junius erfolgen. Dabei muß ich noch bemerken, daß ich hoffe, es
werde auch in Österreich, wie es nach
bayerischen Gesetzen der Fall ist, die Besoldung eines
Staatsdieners vom Tage seiner Anstellung an (a die
decreti) fließen. Da ich nämlich vom Tage meines
Abtretens vom Dienste hier nichts mehr bezöge, so könnte ich bedeutend zu
Schaden kommen, wenn ich in Wien meinen Gehalt erst
vom Tage meines Dienstantrittes an erhielte. Als Vater einer Familie muß ich
in pekuniärer Hinsicht umso genauer seyn, als die Wohnung in
Wien für unser 7–8 Personen die systemmäßige
Quartiersumme von 150 fl CM auch bei großer Beschränkung ziemlich weit
übersteigen wird, und daher auch der ausgesprochene Jahresgehalt von 2.400
fl dadurch eine Verminderung erleidet; hier habe ich freie Wohnung und 6
Klafter Holz vom Staate aus. Ich bitte Dich, über diesen Punkt mir
beruhigende Gewißheit zu erwirken.
Das curriculum
vitae und das Verzeichnis meiner Druckschriften liegt bei. Gerne
würde ich von jeder ein Exemplar einsenden, aber leider sind die auf
Velinpapier gedruckten alle längst vergriffen und die auf gewöhnlichem
Druckpapiere sind zu unschön, um zu einer solchen Vorlage sich zu
eignen.
Und nun, theurer Freund, überlassen wir getrost das Weitere dem,
der die Schicksale im Großen wie im Kleinen lenkt. Sein Wille, und nur
dieser, geschehe!
Mit dem herzlichsten Danke für Deine so liebevolle
Theilnahme und mit den wärmsten Gefühlen alter Liebe bin ich
Dein
treuer Freund
S. Mutzl
Curriculum vitae
Sebastian Mutzl, Sohn eines
Schullehrers, ist geboren zu
Lofer
im Salzburgischen, am 25. September 1797. Da sein Vater im Jahre 1801 nach
Radstadt
(an der Enns) im
Pongau versetzt wurde, so erhielt der Sohn hier seine
Jugendbildung und kam, von jenem bereits in der lateinischen Grammatik
unterwiesen, im November des Jahres 1810 nach Salzburg,
welches eben damals an Bayern gekommen war. Hier
vollendete er im Jahr 1816 die Gymnasialstudien, verweilte noch ein Jahr an
dem k.k. Lyceum und begab sich 1817 an das k. Lyceum zu München, weil sein Vater eben in dem Jahre
1816, in welchem Salzburg wieder an Österreich abgetreten ward, nach
Teisendorf
versetzt und
durch jene Landesänderung bayerischer Unterthan geblieben war. Nach
Vollendung des zweiten Lycealkurses begann Mutzl, von dem damaligen Lycealprofessor der
Naturgeschichte, Akademiker
Oppel
, zum Studium dieser Wissenschaft
aufgemuntert, unter der Leitung dieses wahrhaft väterlich gesinnten Freundes
das Studium der Naturwissenschaften an der Universität zu Landshut und hörte
drei Jahre hindurch die ihm zu diesem Zwecke als nothwendig bezeichneten
Vorlesungen, als ihn plötzlich die Kunde von
Oppels
Tode
überraschte. Seines einzigen Leiters auf der bisherigen Bahn beraubt,
verließ er im März 1822 die Universität und ging nach München, um sich dem Lehrfache zu widmen. In München erhielt er eine Hofmeisterstelle bei
dem damaligen großherzoglich badenschen Gesandten, Baron von
Fahnenberg
, bestand im Sommer 1823 den Staatsconcurs für
das „höhere (auch Gymnasial- und Lyceal) Lehramt“ und wurde unterm 20.
Oktober 1824 als Lehrer der I. Vorbereitungsklasse zu
Landshut
angestellt. Nachdem er im Jahre
1828 in die II. Klasse, 1830 in die IV. vorgerückt war und von 1830 bis 1834
als Subrector die gesammte Lateinschule geleitet hatte, ward er 1834 in das
Gymnasium befördert, wo er bis 1835 die I., von 1835 bis 1845 die II.
Gymnasialklasse inne hatte. Am 18. März 1845 wurde er als Professor der III.
und IV. Gymnasialklasse und als Rector des Gymnasiums und der Lateinschule
nach
Eichstätt
versetzt; ein ungemein anstrengender Posten, der ihm aber nach einem halben
Jahre dadurch erleichtert wurde, daß die III. Gymnasialklasse einen eigenen
Professor erhielt. Seitdem ist er Vorstand der Anstalt und Professor der IV.
Gymnasialklasse. Außer den Lehrgegenständen seiner Klasse hat er vom Jahre
1826 an in Landshut und später hier in Eichstätt den öffentlichen Unterricht in
der französischen und italienischen Sprache ertheilt.
Zu Anfang des
Jahres 1851 erhielt er von Seiner
Majestät dem Könige das Ritterkreuz des Verdienstordens vom
Heiligen Michael. Im November desselben Jahres erwählte ihn die k. Akademie
der Wissenschaften zum korrespondirenden Mitgliede der historischen Klasse.
Die k.k. Akademien Ateneo zu Treviso und degli Agiati zu
Rovereto hatten ihn schon im Jahre 1842 mit der
Zusendung ihrer Diplome beehrt.
Im Jahre 1827 hat er sich mit
Rosina Zehentner
,
Müllerstochter von Teisendorf, vermählt. Die fünf
noch lebenden Kinder (das erste starb, 8 Tage alt) sind:
Eduard
, geprüfter
Lehramtscandidat, 22 Jahre 4 Monate alt;
Sebastian
,
Lycealcandidat im II. Cursus, 20 Jahre 11 Monate alt;
Heinrich
, Gymnasiast
der Oberklasse; 18 Jahre 2 Monate alt;
Rosina
, 16 Jahre 11 Monate
alt;
Anna
,
15 Jahre alt.
In Druck gegebene Schriften:
1. De nominum latinorum radicibus; commentatio grammatica.
(Monachii. 1828. 8.)
2. Table des verbes irréguliers.
(Landshut. 1828. fol.)
3.
Blumenlese aus spanischen Dichtern
. (Landshut. 1830.
8.)
4.
Lateinische Schulgrammatik
. (Landshut. 1832. 8.);
derselben 2. Auflage: 1834; derselben 3.
Auflage: 1838.
5. Lateinisches
Elementarbuch
. (Landshut. 1833.)
6. Über die
accentuirende Rhythmik
der neuern Sprachen. (Landshut.
1835. 4.)
7.
Urgeschichte der Erde und des Menschengeschlechtes
nach
der mosaischen Urkunde und den Ergebnissen der Wissenschaften. (Landshut.
1842. 8.)
8. Über die
Verwandtschaft der germanisch-nordischen und hellenischen
Götterwelt
. (Ingolstadt. 1845. 4.)
9. Über die römischen Wartthürme; akademische Abhandlung. (München.
1851. 4.)
(10. Unter der Presse: Kleine lateinische Schulgrammatik)
Außer diesen verschiedene
Aufsätze antiquarischen, pädagogischen,
literaturgeschichtlichen Inhaltes, Recensionen, Gedichte etc. in
Zeitschriften und in Abhandlungen gelehrter Gesellschaften.