Josef Blazina, Prof. der Chirurgie an der medizinisch-chirurgischen Lehranstalt in Salzburg, beschwert sich bei einem nicht genannten Kollegen [Anton Jaksch] über den Studiendirektor der Lehranstalt. Dieser behandle ihn ungebührend. Die Ursache für das Benehmen des Studiendirektors sieht er erstens darin, dass Blazina ohne Zustimmung des Direktors ernannt worden sei. Außerdem habe er im Auftrag des Statthalters Friedrich Herberstein Verbesserungsvorschläge für die Anstalt vorgebracht und auf Mängel derselben hingewiesen. Der Studiendirektor erblickte darin offenbar einen Angriff auf seine Autorität. Seither träfen ihn regelmäßig ungerechtfertige Anschuldigungen und die Zusammenarbeit mit dem Studiendirektor sei beinahe unmöglich. Blazina erwähnt schließlich auch, dass sein Einkommen kaum reiche, um den Lebensunterhalt für sich und seine Familie decken zu können. Umso mehr beunruhige Blazina daher das Gerücht, Leo Thun werde zurücktreten. Außerdem fürchtet Blazina, dass seine Versetzung nach Prag nicht zustande kommen werde.
Die Schreibung ohne tz bzw. tz anstelle von z scheint eine Eigenart des Schreibers zu sein. In der Transkription wird diese jedoch nicht berücksichtigt.
Hochgeehrter Herr Professor!
Das baldige Herannahen Ihres sehr gefeierten Namensfestes biethet mir eine
erfreuliche Gelegenheit dar, Ihnen meine herzlichsten und aufrichtigsten Wünsche
für Ihr ferneres Wohlergehen sowie für die Erfüllung eines jeden Ihrer Wünsche
darzubringen. Nehmen Sie die Versicherung meiner unbegränzten Hochachtung und
Dankbarkeit sowie die Bitte mir Ihre Freundschaft und Wohlwollen auch fernerhin
zu erhalten gütigst auf.
Wie glücklich würde ich mich fühlen unter der
zahlreichen Menge Ihrer Gratulanten persönlich mit erscheinen zu können, doch
das Schicksaal hat es anders bestimmt, und wenn ich nicht irre, so bin ich auch
in diesem Jahre ebenso weit von dem Ziele meiner sehnlichsten Wünsche entfernt
wie im vergangenen Jahre. Sie werden mich hochgeehrter Herr Professor vielleicht
der Undankbarkeit gegen mein eignes Schicksaal beschuldigen, doch glaube ich
versichern zu können, daß Sie mir sehr unrecht thun würden, denn ich weiß das
Glück meiner ersten, in der That kaum erwarteten Anstellung nur zu gut zu
schätzen. Daß ich den innigsten Wunsch hege meine gegenwärtige Stellung zu
verlassen, werden Sie gewiß aus den Ihnen bereits mitgetheilten Gründen sehr
natürlich finden; leider muß ich gestehen, daß meine Stellung bisher nicht
angenehmer geworden, im Gegentheil, ich habe jetzt mit Anfeindungen von Seite
meines Direktors zu kämpfen, die ich früher nicht kannte.
Die Gründe hievon
mögen folgende sein.
1. Hat mich das Cultusministerium
ernannt, ohne den Herrn Director zu fragen, was natürlich von einem ungemein
ehrgeizigen und dabei doch dummen Menschen stets sehr übel aufgenommen
wurde.
2. Hatte ich das Unglück das Vertrauen des abgetretenen Herrn
Statthalters Grafen Herberstein
zu besitzen, der mich wiederholt aufforderte, die Mängel der Anstalt zur
Sprache zu bringen und die einschlagenden Verbesserungsanträge zu stellen. Ich
hielt es für meine Pflicht für das Wohl und Gedeihen einer Anstalt, für
die ich im Grunde genommen kein Interesse hege, nach meinem besten Gewissen zu
sorgen und stellte sonach Anträge, die ich jederzeit vor Gott und vernünftigen
Menschen zu rechtfertigen imstande bin, z. B. die Errichtung einer
Aufnahmskanzlei, die Abschaffung des Unfuges, daß die Kranken nicht immer das
aus der Küche erhalten, was die Ärzte ordinieren etc.
3. Könnte ich mich nie
entschließen einem Manne die Kur zu machen, dem ich nichts verdanke, dessen
Rechtlichkeit ich bezweifle und der außer ungewöhnlicher Borniertheit keinen
hervorstechenden Zug in seinem Charakter biethet.
Diese Umstände
zusammengenommen haben bei diesem Manne eine Gereiztheit hervorgebracht, die
zuweilen alle Gränzen überschreitet und dies umso mehr, da er in jedem Antrag,
eine Verbesserung im Spital vorzunehmen, einen Angriff gegen seine frühere
Leistung als Spitalsdirektor erblickt, was umso mehr unbegreiflich ist, da
nichts von dem, was da ist, eigentlich ihm seinen Ursprung verdankt, sondern
seid undenklichen Zeiten fortbesteht. Soweit ich beobachtet, huldigte er seid
jeher einem ganz versumpften Stabilitätsprinzip und fand im Nichtsthun seine
vorzüglichste Erholung, denn sonst wären mir seine Klagen, daß ich ihm mit
meinen Anträgen so viel zu thun gebe, ganz unerklärlich.
So gleichgültig mir
das Mißfallen von Seite eines Mannes ist, der so ziemlich der allgemeinen
Verachtung verfallen ist, so ist es mir doch insofern unangenehm, weil er mich
in allen Unternehmungen paralysiert und mir, wo es nur immer thunlich, Prügel
vor die Füße wirft. Erlauben Sie hochgeehrter Herr Professor Ihnen einige
Beispiele der Art vorzuführen. Gleich im Anfange dieses Schuljahrs kam ich durch
den hiesigen Lehrkörper beim Ministerium des Cultus und
Unterrichtes ein, mir zu gestatten meine Abendvisitten zu einer
mir beliebigen Stunde vornehmen zu dürfen. Abgesehen davon, daß diese
Begünstigung, so weit es mir bekannt ist, allen klinischen Professoren der
österreichischen Monarchie seid langer
Zeit zu Theil wurde, so glaubte ich hierauf einen desto gegründeteren Anspruch
zu haben, da ich ohnehin in der Anstalt wohne,
demnach jederzeit zu haben bin und überdies alle Nachmittage eine Stunde
Vorlesungen halte, und zwar im Winter über Operationslehre und im Sommer über
Augenheilkunde. Wenn Sie überdies in gütige Berücksichtigung ziehen, daß ich z.
B. im Sommer von 4–5 Uhr Nachmittag Vorlesungen über Augenheilkunde halte und
dann von 6–7 Uhr die Abendvisitte, so werden Sie gewiß einsehen, daß hiedurch
beinahe meine ganze Nachmittagszeit so zersplittert ist, daß ich fast gar nichts
für mich arbeiten kann und daß ich mehr, als es billigermaßen verlangt werden
kann, an das Haus gebunden bin. Wenn man endlich nicht übersieht, daß ich selbst
an Sonntagen und Feiertagen schon um 6 Uhr abends zu Hause sein soll, um nicht
die Abendvisitte zu versäumen, so müßte ich überdies auf jede Erholung und
Lebensgenuß vollkommen verzichten. Ich muß gestehen in diesem Punkte habe ich es
nie so genau genommen, allein immer mit der Besorgnis über früher oder später
einen schriftlichen Verweis zu risquieren. Diese Umstände zusammengenommen haben
mich bewogen die obangegebne Bitte zu wagen. Allein wie fruchtlos war mein
Bemühen, denn der Studiendirektor wußte es bei der hiesigen Statthalterei (da er
gleichzeitig Medizinalrath ist) dahin zu bringen, daß meine Bitte gar nicht an
das Cultusministerium abging, sondern unter seiner Regide abschlägig
beschieden wurde. Welche Mittel und Wege standen mir nun offen meine Bitte dem
Unterrichtsministerium vorzutragen?
Vor kurzem fand sich der
gegenwärtige Statthalterstellvertreter veranlaßt, die Anstalten zu besuchen, und
ich führte ihn auch in das sogenannte wirkliche Operationszimmer, um ihm einige
meiner Arbeiten zu zeigen. Vor allem bitte ich aber unter diesem
Operationszimmer nicht etwa ein Operationszimmer zu verstehen, wie man es
anderswo findet, sondern ein vollkommen leeres Zimmer, in dem sich außer 2 alten
unbrauchbaren Tischen und einem Kasten, den ich erst machen ließ, gar nichts
anderes befindet. Zufällig standen in diesem Zimmer einige meiner Meubelstücke
und meine beiden Kinder, die ich dahin nothwendig auf einige Zeit transportieren
mußte, da in meiner Wohnung einige Baulichkeiten stattfanden, und ich wegen
Mangel an Raum nicht wußte wo andershin damit. Ich glaubte mir mit diesem Zimmer
um desto mehr behelfen zu dürfen, da es bisher von allen Professoren benutzt
wurde und überdies gar keine Operation zu erwarten stand. Wie wenig übrigens
dieses Zimmer benutzt wird, können Sie daraus schließen, daß ich in diesem
ganzen Jahr nicht einmal Gelegenheit fand darin zu operieren. Diesen rein
zufälligen und überdies mehr als kleinlichen Umstand benutzte derselbe Direktor,
der den Statthalterstellvertreter begleitete, um mir einen tüchtigen
schriftlichen Verweis zu ertheilen, mit der gleichzeitigen Weisung an die
Spitalsdirektion nachzuforschen, ob ich das zur Beheizung dieses Zimmers
passierte Holzquantum nicht anderweitig verwendet, und ob es nicht zweckmäßig
wäre diese Holzpassierung einzustatten.
Um meine Rechtfertigung war mir
gewiß nicht bange, da ich ebenso wenig hier wie in Prag
nur die geringste Schmutzerei begehe, aber schon die Zumuthung, daß ich dies
thun könnte, hat mich tief verletzt. Eine Verdächtigung der Art habe ich in
meinem ganzen Leben erst hier das erste Mal erfahren. Ich glaube nicht, daß hier
Dummheit, sondern vielmehr Bosheit im Spiele war, denn es ist kaum zu begreifen,
wie man aus dem obangeführten Umstand den Schluß ziehen konnte, daß ich jenes
Zimmer zu meinem Wohnzimmer benütze und sonach meiner Familie von dieser
Stubenwärme etwas zukommen lasse, denn die Untersuchung geschah zu einer Zeit,
wo die Heizung bereits lange aufgehört hatte. Daß sich meine beiden Kinder in
dem Zimmer befanden, geschah allerdings mit meinem Willen, allein ich glaubte
dies der Gesundheit meiner Kinder schuldig zu sein, denn meine Wohnung, die bloß
aus 4 ganz kleinen Zimmern besteht, ist gerade über der syfilitischen Abtheilung
und einer Senkgrube gelegen, wo wir bei jedesmaligem Öffnen der Fenster Gerüche
aller Art in den Zimmern erhalten; da ich dies für die Gesundheit meiner Kinder
nachtheilig hielt, so gab ich die Erlaubnis, die Kinder zeitweilig gegen Abend
in das angeführte Operationszimmer zu führen und alle Fenster zu lüften,
besonders bei regnerischen Tagen, wo dieselben ohnehin nicht ausgeführt werden
können.
Ob ich hiedurch den Interessen der Anstalt oder
der Wissenschaft nur im Entferntesten entgegengetreten bin, will ich der
Beurtheilung eines jeden billigen Menschen überlassen. Den letztern Übelstand
habe ich der Statthalterei gegenüber auch zugegeben, jedoch zugleich die Gründe
auseinandergesetzt, weshalb dies geschehn und hinzugefügt, daß ich mich für den
Fall, daß die Statthalterei mir diesen geringen Vortheil nicht zukommen ließ,
genöthiget sehen werde, meine Wohnung in der Anstalt zu
verlassen und mir eine andere Wohnung zu miethen, denn dies sei ich dann der
Gesundheit meiner Familie schuldig. Ich bedaure sehr Sie hochgeehrter Herr
Professor mit solchen Lappalien belästiget zu haben, allein ich fühlte mich
hiezu genöthiget, um Ihnen den Beweis zu liefern, daß auch meine ämtliche
Stellung nicht die angenehmste ist.
Meine materielle Lage hat sich
gleichfalls nicht verbessert und dies aus Gründen, die ich Ihnen bereits im
vergangenen Jahre mitgetheilt habe, mein Einkommen reicht bei der gegenwärtigen
extremen Theuerung knapp hin, um unsere Bedürfnisse zu decken.
Mehr noch als
alles Andere beunruhigen mich die sich fortwährend erhaltenden Gerüchte von dem
Abtreten des Herrn Ministers Grafen
Thun, was ich nicht nur um meinetwillen, sondern auch im
Interesse unserer sämtlichen Anstalten bedauern würde.
Sehr viele Sorgen
macht mir überdies auch meine allzu lange Entfernung von
Prag sowie die lange dauernde Supplierung des
Primariates durch Dr. Czejka, es dürfte
meine Concurrenz dann viele Schwierigkeiten haben, doch ich glaube mich hierin
ganz auf Ihre zugesagte Freundschaft und Unterstützung verlassen zu dürfen und
dies umso mehr, da ich in Hinsicht auf meine Verdienste dem Dr. Czejka gar nicht nachzustehen
glaube.
An Herrn von Helly bitte ich
meine ergebenste Empfehlung zu vermelden.
Ich habe die Ehre mich Ihrer
ferneren Freundschaft und Wohlwollen bestens empfehlend zu zeichnen als Ihren
ergebnen Diener
Dr. Blazina
An die Frau Gemahlin und Frau von Helly bitte ich meinen Handkuß zu vermelden.
Salzburg, den 10. Juni 1852