Der § 2 des Antrags der Erzbischöfe und Bischöfe widmet sich der
Organisation der Knabenseminare. Der Episkopat betont zunächst, dass es
große Unterschiede bei den verschiedenen Knabenseminaren gäbe.
Grundsätzlich möchten die Bischöfe aber eine Angleichung an die
staatlichen Gymnasien vornehmen. Dies betrifft auch die Anerkennung von
Zeugnissen.
Johann Kleemann bestätigt zunächst die Feststellung der
Bischöfe. Er führt dann aus, dass die Unterschiede zwischen den
kirchlichen und staatlichen Schulen sowohl deren Ausrichtung und
Funktion als auch die Dauer der Ausbildung betreffen. Kleemann weist
dann darauf hin, dass es vereinzelt schon Verhandlungen für eine Reform
gegeben habe, eine Vereinheitlichung stünde allerdings noch aus. Einzig
die Frage hinsichtlich der Aufnahmebedingungen in Knabenseminare sei
bereits geklärt. Demnach müssten nach der Meinung Kleemanns nun
besonders die Bedingungen geklärt werden, wie eine Angleichung zwischen
kirchlichen und staatlichen Gymnasien erfolgen könne.
Das Gutachten ist mit weiteren 18 Gutachten unter der Signatur A3 XXI D383 abgelegt.1
II.
Die Seminarien, deren Gründung das heilige Conzilium von
Trient angeordnet hat, haben sich nicht auf den
Unterricht in der Theologie zu beschränken, sondern sollen auch dazu dienen, um
Knaben, welche sich dem geistlichen Stande zu widmen wünschen, in jenen
Gegenständen zu unterrichten, welche für jeden wissenschaftlicher Bildung
bedürftigen Lebensberuf als Vorbereitung dienen. In einem Theile des
Kaiserthumes haben die bischöflichen Seminarien wirklich diese Ausdehnung, in
anderen Diözesen bestehen Knabenseminare, welche den theologischen als Ergänzung
und Vorschule dienen, und die versammelten Bischöfe erkennen es als dringend
nothwendig, daß der heilsamen Anordnung des Konziliums überall, sei es durch
Erweiterung des bisherigen Seminares oder durch Hinzufügung eines
Knabenseminares genügt werde. In Betreff der so wünschenswerthen Unterstützung
muß alles der Großmuth Seiner Majestät
überlassen und nur bemerkt werden, daß diese Gründungen einen ausgezeichneten
Anspruch auf huldreiche Berücksichtigung haben.
Da künftig die Heranbildung
der Geistlichkeit von der Kirche allein wird geleitet und beaufsichtiget werden,
so wird es den Bischöfen vollkommen überlassen bleiben, den Unterricht in den
Gymnasialfächern, in soweit derselbe zur Vorbereitung der theologischen Studien
dient, nach eigenem Ermessen einzurichten. Allein der Priester bedarf nicht nur
jener Vorkenntnisse, welche für die Theologie selbst unentbehrlich sind, sondern
es soll ihm auch keine Kenntnis fehlen, welche nach Maßgabe der Zeit und des
Volkes jeder Mann von Bildung zu besitzen pflegt. Schon dadurch müssen die
Bischöfe sich aufgefordert fühlen, den Gymnasialunterricht in ihren Gymnasien so
einzurichten, daß er in allem, was die wahre Wissenschaft vorbereitet und
fördert, mit dem der öffentlichen Gymnasien wetteifern könne. Hiezu kömmt noch
eine andere Rücksicht. Die Zöglinge des bischöflichen Seminares können ihre dem
geistlichen Stande zugewendeten Wünsche ändern und sich einem anderen Berufe
zuwenden, und es ist zu wünschen, daß die Freiheit ihres Entschlusses durch
keine, auch nicht durch eine mittelbare Nöthigung beirrt werde. Durch das
Konkordat ist dafür gesorgt, daß die Zöglinge der bischöflichen Seminare,
nachdem sie ihre Befähigung durch eine Prüfung ausgewiesen haben, bei jeder
anderen Lehranstalt Aufnahme finden werden. Es ist jedoch überall, vorzüglich
aber unter den besonderen Verhältnissen, welche in den Kirchenprovinzen
Mailand und Venedig obwalten,
sehr zu wünschen, daß die Zeugnisse der bischöflichen Gymnasiallehrer denen der
Staatsgymnasien gleichgestellt werden. Dabei handelt es sich nun allerdings auch
um die Fähigkeit zu Anstellung im Staatsdienste, deren Bedingungen die
Staatsgewalt vorzeichnet, indessen dürfen die versammelten Bischöfe hoffen, daß
die Wünsche und Anträge, welche die Bischöfe, in deren Seminarien der
Gymnasialunterricht ertheilt wird, darüber vorlegen, wohlwollende Beachtung
finden werden.
a. § II. die Knabenseminarien betreffend:
"Der
gegenwärtige Stand der Frage ist in Beziehung auf den ganzen Umfang des Reiches
mit Ausschluß des lombardisch-venezianischen
Königreiches darzustellen und die Äußerung zu erstatten, ob im
Hinblicke auf denselben die vorliegenden Eingabe zu einer Bemerkung oder
Verfügung Anlaß gebe."
Votum:
Sowohl der Ausdehnung als der Einrichtung nach
besteht gegenwärtig eine Verschiedenheit unter den Knabenseminarien. In ersterer
Hinsicht giebt es einige, die den theologischen Seminarien als Ergänzung und
Vorschule dienen, meistens unter dem Namen "philosophische Hauslehranstalten"
(wie in Bruneck für die Kapuziner, in Görz für die Franziskaner, in
Martinsberg für die Benediktiner, in
Agram, Neutra,
Spalato als Institute des Diöcesanordinarius. Außer
den Genannten ist hierorts über kein anderes verhandelt worden.) Andere sind
wieder als achtklassige Gymnasien eingerichtet oder sollen es werden.
(Marienschein [Bohosudov], Freienberg bei
Linz).
Der Einrichtung nach, was nämlich den Lehrplan
anbelangt, sind jene zu Martinsberg,
Castagnavizza [Kostanjevica] bei Görz, am
Freienberg bei Linz den bezüglichen Klassen der
öffentlichen Gymnasien mit größerer oder geringeren Abweichung gleichgestellt.
Die Knabenseminare zu Laibach (bestand schon vor dem
Jahre 1848), dann zu Budweis (Akt 15542 55) und zu
Prag (Akt 16126 55) sind mehr Convikts- und
Erziehungsanstalten zu nennen, deren Zöglinge öffentliche Schüler des
Ortsgymnasiums sind und aller Rechte und Vortheile der öffentlichen Schüler
theilhaftig werden. Dies war auch bis zum Schluße des Schuljahres 1856 der Fall
bei dem Knabenseminar zu Graz; mit Beginn des Schuljahres
1856/57 wurde häuslicher Unterricht eingeführt, worüber bedeutet wurde (Akt
16728 56), daß das Knabenseminar als kirchliches Institut der Inspektion des
Schulrathes nicht unterliege und daß die Zöglinge, wenn sie giltige Zeugnisse
erwerben wollen, als Privatisten, die keinen Anspruch auf Erlangung von
Stipendien haben, zu behandeln sind.
Die Kleriker der Hauslehranstalt zu
Martinsberg unterziehen sich regelmäßig den
Maturitätsprüfungen zu Raab.
Knabenseminare, über
welche hierorts eine Verhandlung derart gepflogen wurde, daß dieselbe zu einer
bestimmten regelnden Entscheidung gelangte, sind nur folgende:
1. die
Hauslehranstalt (7. und 8. Klasse) zu Bruneck, zu deren
Gunsten eine Modificirung des allgemein vorgeschriebenen Lehrplanes unter
einigen Beschränkungen provisorisch gestattet wurde (Akt 2511 54, liegt als
Preis bei 13613 55 - noch nicht approbiert - aber auch einzusehen in
Normalienbuch 1854, Seite 347).
2. die Hauslehranstalt der Franziskaner zu
Castagnavizza bei Görz. Auf Grundlage der vom
Ordensvorstande und dem Erzbischofe gestellten Anträge wurden die Verhandlungen
dahin abgeschlossen, daß der Lehrplan der 7. und 8. Klasse der öffentlichen
Gymnasien eingeführt werde, mit dem Rechte öffentliche Zeugnisse auszustellen,
unter Aufsicht des Gymnasialinspektors (Akt 13857 55).
3. das philosophische
Hausstudium zu Agram. Der Erzbischof Kardinal hat in
einige Annäherung zu dem vorgeschriebenen Lehrplane eingewilligt; ein Abschluß
der Frage ist mit Hinblick auf das mittlerweile abgeschlossene Konkordat, Absatz
XVII unterblieben.
4. das Knabenseminar und Gymnasium des Bischofes zu
Linz hat das Recht, staatsgiltige Zeugnisse
auszustellen und Maturitätsprüfungen mit seinen Zöglingen
unter Leitung des Schulrathes abzuhalten, Akt 5702 56.
5. das Knabenseminar
des Bischofes zu Leitmeritz. Über dieses Institut allein
wurden tiefer eingehende Verhandlungen gepflogen und wurde auch im Einvernehmen
des Bischofscomités etc. in Folge allerhöchster Entschließung eine prinzipielle
Entscheidung gefällt (Akt 359 54, Normalienbuch Seite 61). Es wurde nämlich vom
Bischofscomité die Versicherung erneuert, "daß niemand in die theologischen
Studien aufgenommen werden soll, welcher nicht das Ober- und Untergymnasium mit
hinreichendem Erfolge zurückgelegt hat, ... es könne der Regierung nicht
zugemuthet werden, daß sie den Gymnasialunterricht der Knabenseminare
schlechthin und in allen Fällen ausreichend finden sollte, da es wünschenswerth
sei, daß der an einem Knabenseminar empfangene Unterricht auch die Befähigung
zum Eintritt in das juridische und medicinische Studium mit sich bringe
...".
Es wurde demnach die Frage hinsichtlich der Aufnahme von Kandidaten in
die Theologie und des Grades der von ihnen nachzuweisenden Bildung im Grundsatze
als erledigt erklärt, dagegen wurde die Frage offen gelassen, welche Einrichtung
des Unterrichtes im Knabenseminar und welches Maß der Beaufsichtigung derselben
von Seite der Regierung festgesetzt werden soll; bis dahin sollen die
bestehenden Verordnungen (über Privatanstalten, RGBl 1850 Nr. 309) in Kraft
bleiben.
Diese Bestimmungen waren bisher nur für den Episkopat der
deutsch-slavischen Kronländer bindend; mit der vorliegenden Eingabe erklärt nun
der Gesammtepiskopat, daß wenn es ihm auch überlassen bleibt, den Unterricht in
den Gymnasialfächern nach eigenem Ermessen einzurichten, er sich doch
aufgefordert fühle, den Unterricht in seinen Gymnasien so zu bestellen, daß er
mit dem der öffentlichen Gymnasien wetteifern könne, damit die Seminarszöglinge
nicht gehindert werden, sich auch einem anderen Berufe zuzuwenden, zumal durch
das Konkordat dafür gesorgt ist, daß solche Zöglinge, nachdem sie ihre
Befähigung durch eine Prüfung ausgewiesen haben, bei jeder anderen Lehranstalt
Aufnahme finden.
(Über den Wunsch nach Unterstützung und Berücksichtigung
der Knabenseminarien von Seite der Regierung läßt sich schon jetzt nachweisen,
daß das Ministerium nach Thunlichkeit jede Schonung und Berücksichtigung
in dieser Hinsicht habe eintreten lassen, wie in jüngster Zeit das Gymnasium zu
Capodistria [Koper] ein solcher Fall ist.)
Aus
den gegebenen Andeutungen dürften sich folgende Bemerkungen ergeben:
a. Die
prinzipielle Frage wegen Aufnahme der Kandidaten der Theologie und des Maßes
ihrer Vorbildung ist erledigt; sie hätte in den weiteren Verhandlungen als
erster Vereinbarungsgrundsatz zu gelten.
b. Die freie Wahl der verschiedenen
Modi, nämlich die Seminarszöglinge das öffentliche Gymnasium des Ortes besuchen
oder sie als Privatisten einschreiben oder durch häuslichen Unterricht für die
Maturitätsprüfungen vorbereiten zu lassen, kann den Bischöfen nicht verwehrt
werden.
c. Wo jedoch bischöfliche Gymnasien errichtet
werden, wird wohl auch die kaiserliche Verordnung über Privatlehranstalten (RGBl
1850 Nr. 309) im Wesen aufrecht zu erhalten sein, jedoch nicht in durchgängig
strenger Anwendung (z. B. Nachweis der Subsistenzmittel?, österreichische
Staatsbürgerschaft bei Lehrkörpern aus der Gesellschaft Jesu? u. v. a.)
d.
Die Bischöfe erklären sich (explicite in dem citierten Normalienbuch 1854, pag.
61, implicite in der vorliegenden Eingabe) für jenen Modus der Einrichtung des
Unterrichtes, wonach ihre Gymnasien sowohl den Rechten als den
Verpflichtungen nach den öffentlichen Gymnasien gleichgestellt werden
können, jedoch unter gewissen Modifikationen, welche sich beziehen auf den
Lehrplan, auf die Prüfung der Lehrer und auf die Form, unter welcher die
Regierung sich von der Erfüllung der für den Gymnasialunterricht
festgesetzten Bestimmungen zu überzeugen habe.
Darüber nur ist
Verhandlung und Vereinbarung nothwendig. Hiebei könnte nur der dem Jesuitenorden
vorgeschlagene Vereinbarungsentwurf – mutatis mutandis – zur Grundlage genommen
werden.
Kleemann