Der Jurist und Staatsrat Justin Linde berät Leo Thun in einigen Personalfragen. Zunächst bedankt sich Justin Linde für Thuns Brief und drückt sein Bedauern über den Unfall aus, der Thun zugestoßen ist. Anschließend teilt er dem Minister mit, dass er sich bei verschiedenen Personen über Emil Rössler und Georg Blackert informiert habe und die gewünschten Informationen über diese hoffentlich bald liefern könne. Zum jetzigen Zeitpunkt könne er über Rössler nur sagen, dass er in Göttingen weile und dort Umgang mit Heinrich Zachariae pflege. Dieser sei als Anhänger der Gothaer Partei bekannt und habe sich mehrfach für die Interessen dieser Partei publizistisch geäußert. Die Partei habe es auch darauf abgesehen, an den österreichischen Universitäten Fuß zu fassen. Aber Linde ist gewiss, dass Thun die Universitäten vor solchen Männern bewahren und die Lehrstühle mit zuverlässigen Männern besetzen werde. Einen Beweis seiner Kraft und seiner Haltung habe Thun, nach Ansicht von Linde, durch den Abschluss des Konkordats geliefert, das die Zukunft Österreichs auf ewig sichern werde. Abschließend empfiehlt er einen Kandidaten für einen Lehrstuhl der Deutschen Reichs- und Rechtsgeschichte, über den er in einer (nicht erhaltenen) Anlage näheres berichtet. Außerdem legt er ein (ebenfalls nicht erhaltenes) Gesuch eines jungen Philologen für eine Anstellung an einem österreichischen Gymnasium bei.
Frankfurt 4. Dezember [sic! richtig Januar] 1856
Hochgeborner Graf,
Gnädiger Herr!
Euer Excellenz geehrtes Schreiben vom 26. vorigen Monats [Dezember 1855]
                           2hat mich
                           schon darum schon außerordentlich freudig überrascht, weil es mir die Gewißheit
                           brachte, daß Hochdieselben von den Folgen eines Unfalls glücklich befreit sind,
                           der meine innigste Theilnahme und Besorgnis erregt hat. Mir blieb, wie allen
                           Ihren entfernten Verehrern, nichts übrig, als dafür zu beten, daß Gott Sie dem
                           Kaiser und dem Reiche noch lange erhalte, und nun bin ich im Herzen froh, für
                           die Erfüllung dieser Bitte danken zu können.
Gleichzeitig mit dem geehrten
                           Schreiben Eurer Excellenz an mich, theilte mir Herr Graf Rechberg das  Schreiben
                           3wegen des Dr. Rößler mit und sprach den Wunsch aus,
                           Hochdemselben deshalb direct und unmittelbar bald die gewünschte Aufklärung zu
                           geben. Ich habe deshalb um einige nähere Notizen mich an eine zuverlässige
                           Quelle gewendet, bin aber so frei, jetzt schon einige allgemeine Bemerkungen
                           beizulegen. Daß der Herr Dr. R[ößler]
                           sich in Göttingen an die Seite des bekannten Prof. Zachariä gesetzt, ist
                           jedenfalls mehr als auffallend. Als im Jahre 1850 Ihr Herr Bruder hier die schwierige
                           Aufgabe zu lösen überkam, die Bundesversammlung zu reactiviren, und ich deshalb
                           über die dabei entscheidenden Fragen das erste Heft meines Archivs für
                           öffentliches Recht erscheinen ließ4, trat jener Zachariä als Vorkämpfer der
                           Gothaer gegen dieses Beginnen in einer geharnischten Schrift: „die
                           Rechtswidrigkeit der versuchten Reactivirung der im Jahre 1848 aufgehobenen
                           Bundesversammlung, Götting 1850“ auf, wogegen ich dann weiter in einer anonymen
                           Schrift: „Zachariäs und Pfeiffers Würdigung und Rechtswidrigkeit. Frankfurt
                           1850“ erwiderte. Daß diese Partei nun noch immer durch Wort und Schrift im
                           Gothaismus Geschäfte macht, ist thatsächlich; und es sind die Folgen nicht
                           abzusehen, wenn diese Partei ihren Sauerteig immer neu einzumengen, Gelegenheit
                           hat. Auf Oesterreich aber und seine
                           Bildungsanstalten ist es dabei hauptsächlich abgesehen. Und seit es Eurer
                           Excellenz gelungen, Ihr Ministerium mit der weltgeschichtlichen Thatsache des
                           Concordats auf ewige Zeiten auszuzeichnen – denn von dem Augenblicke dieser großen Handlung an wird es eine Wahrheit bleiben
                           Austria Erit In Orbe Ultima – fängt die Lüge und das Verderben an, mit der
                           äußersten Kraftanstrengung die letzten Versuche zu machen, den Boden zu
                           unterwühlen. Da haben Eure Excellenz allerdings noch eine große Aufgabe zu
                           lösen; die aber in defensiver Stellung leicht lösbar ist; und ich werde mich
                           glücklich schätzen, mit meinen geringen Kräften dabei Hochdenselben nützlich
                           sein zu dürfen. Gelingt es Eurer Excellenz die Katheder mit zuverlässigen
                           Männern zu besetzen, dann nur werden Sie Freude im Dienst und den beruhigendsten
                           Trost am Abend des Lebens und den reichsten Segen noch im Grabe
                           ärndten.
Über Herrn Blakert hoffe
                           ich, Hochdenselben in einigen Tagen ausführlich Mittheilung machen zu können und
                           werde mir dann erlauben, auch das Gesuch eines andern braven jungen Philologen
                           um Anstellung an einem Gymnasium in Oesterreich
                           beizuschließen.
In dem geehrtesten Schreiben vom September vorigen Jahres
                           5bemerkten
                           Hochdieselben, daß für Vertreter des deutschen Rechts und seiner Geschichte noch
                           immer Gelegenheit da sei. Ich bringe in der Anlage6 einen Gelehrten in Vorschlag, womit ich
                           ganz besonders Ehre einzulegen gewiß bin, und wünsche nur, daß es möglich ist,
                           mir darüber recht bald eine vorläufige Entschließung geben zu können, damit der
                           Herr nicht etwa anderwärts fest acquirirt wird. Er wird eine Zierde jeder
                           katholischen Universität werden. Schließlich erlaube ich mir meine innigsten
                           Glückwünsche zum Jahreswechsel darzubringen, und um die Bewahrung des hohen
                           Wohlwollens auch für die Zukunft zu bitten, und zeichne mit dem Ausdruck
                           unbegrenzter Verehrung als
Eurer Excellenz ganz gehorsamster
Dr. Linde