Eröffnungsvortrag des Privatdozenten für deutsches Bundes- und Staatsrecht, Leopold Hofmann, an der Universität Wien
[Wien], 19. Oktober 1858
|

Regest

Der Eröffnungsvortrag von Privatdozent Leopold Hofmann beschäftigt sich mit den Grundsätzen des deutschen Bundes- und Staatsrechts sowie seinen Vorstellungen, wie dieses Recht gelehrt werden sollte. Besonders betont der Autor dabei die Zusammengehörigkeit Österreichs mit den übrigen Staaten des deutschen Bundes. Hofmann erläutert die Geschichte des deutschen Bundes- und Staatsrechts und führt aus, was diesem zugrunde liegt, wie er das deutsche Bundes- und Staatsrecht definiert und welche Literatur und Quellen er für seine Vorlesungen verwenden wird.

Anmerkungen zum Dokument

Abschrift. Die Abschrift erfolgte von verschiedenen Schreibern.

http://hdl.handle.net/21.11115/0000-000B-DC59-A

Schlagworte

Edierter Text

Eröffnungsvortrag gehalten den 19. October [1]858

Meine Herren!

Erlauben Sie mir zunächst Ihnen bei der Wiederaufnahme meiner Bestrebungen auf dem wissenschaftlichen Felde freundlichsten Willkommen zu sagen.
Der Gegenstand meiner diesjährigen Vorträge bildet zwar ein vollständiges, in sich abgeschlossenes Ganzes, nichtsdestoweniger aber steht er mit meinem Versuche vom vergangenen Wintersemester in einem bestimmten leicht faßlichen logischen Zusammenhange. Ein kurzer Rückblick wird daher das Verständnis zu erleichtern geeignet sein.
Als ich – es ist nunmehr gerade Jahresfrist – zum ersten Male einen mir bis in mein reiferes Lebensalter völlig fremd gebliebenen Boden betrat, fand ich eine innere Rechtfertigung für dieses Wagnis nur in dem Umstande, daß es mir in Folge der Studien, welche mein amtlicher Beruf, wird derselbe gewissenhaft aufgefaßt, gebieterisch erheischt, vielleicht gelingen könnte, zur Förderung einer Wissenschaft in den vaterländischen Werken etwas beizutragen, deren hohe Bedeutsamkeit auch für die speziell österreichischen Zustände mir im Laufe der Ereignisse mehr und mehr klar geworden war. Die Doctrin des „deutschen Staatsrechtes“ ist es, welche ich hiemit meine. Österreich ist durch die Geschichte wie durch seine Macht zur ersten Stellung in dem übrigens auf gleichen Rechten und Verpflichtungen beruhenden Verbande berufen, welches die Völker deutscher Zunge umschlingt. Unsere Regierung, die Interessen, welche sich hieran knüpfen, in ihrer ganzen Größe erkennend und würdigend, strebt seit Jahren darnach, nicht nur ihren diesfälligen Obliegenheiten getreulich nachzukommen, nein, sie sucht auch eine Festigung und Kräftigung dieser Verbindung – freilich immer unter Festhaltung an deren rechtlicher Basis – zu erzielen und scheut momentan selbst erhebliche Opfer nicht, um diesen Zweck zu erreichen. Sie handelt in dem richtigen Verständnisse, daß die Zusammengehörigkeit Österreichs und des übrigen Deutschlands eine Lebensfrage für beide sey, daß wir uns dann aber auch den Bedingungen nicht entziehen können, welche eine solche Zusammengehörigkeit nothwendig im Gefolge hat. Unsere Regierung wird in der Überwindung der Schwierigkeiten, denen sie bei einem consequenten Betreten dieses Pfades zahlreich begegnet, sicher durch nichts mehr unterstützt, ihr ein Ausharren durch nichts mehr erleichtert, als wenn sie auch in immer weiteren Kreisen ihrer eigenen Angehörigen der richtigen Auffassung begegnet. Wie wäre eine solche aber leichter zu erzielen, als durch die möglichste Verbreitung der genauen Erkenntnis von den Grundlagen, auf welchen eben das Zusammensein beruht. Und zwar nicht bloß der augenblicklich zu Recht bestehenden. Die deutschen Zustände, sowie sie sich mit ihren Vorzügen, aber auch unleugbaren Mängeln gegenwärtig darstellen, sind nicht das Product abstracter Schöpfung, sondern nach einer mehrhundertjährigen Entwicklung allmählig so geworden. Nicht die äußeren Umrisse allein geben uns einen richtigen Fingerzeig über den Werth oder Unwerth einer Schöpfung, die leitende Idee wird ihrem Zusammenhange nach aufgefaßt, aus ihrem eigentlichen Kerne heraus erklärt werden müssen. So auch in den Zuständen unseres Gesammtvaterlandes. Darum hat die deutsche Wissenschaft eine isolirte, ohne gehörige Berücksichtigung der geschichtlichen Beziehungen entworfene Systematik der Rechtsverhältnisse im heutigen Bunde, längst und entschieden als ungenügend erkannt und das Bedürfnis gefühlt, auch jetzt noch dem „deutschen Staatsrechte“ in unseren Gauen seinen Platz zu vindiciren. Unter deutschem Staatsrechte aber versteht man, wie ich bereits das vorige Jahr mitzutheilen die Ehre hatte, eben:
„den Inbegriff aller auf die staatlichen Rechtszustände bezüglichen Normen, welche in Deutschland und seinen einzelnen Ländern seit der ersten Territorialgestaltung in Anwendung gekommen sind oder noch jetzt, seit Stiftung des deutschen Bundes zur Anwendung kommen“.
Der Umfang und die Wichtigkeit des Gegenstandes ergeben sich aus dieser Definition von selbst. Ich habe gleichfalls bereits das vorige Jahr kein Hehl daraus gemacht, daß ich vorbehaltlich später genauer zu erörternder Einwendungen gegen den allgemeinen verbindlichen Character, welcher der erwähnten Doctrin häufig beigelegt werden will, so wie gegen den Mißbrauch, welcher mit der räumlichen Ausdehnung derselben getrieben wird, von der Unerläßlichkeit vollkommen überzeugt sey, ihr auch in Österreich das Bürgerrecht wieder zu verschaffen, dadurch allein wird mein Unternehmen veranlaßt und entschuldigt, das Ziel meines Strebens, der Lohn meiner Thätigkeit liegen eben in der definitiven Erreichung dieses Resultats.
Nach ihrer äußeren Gestaltung aber zerfällt die von mir zu lösende Aufgabe in zwei große Hälften. Was uns nebst den nothwendigsten Vorbegriffen zunächst interessiren mußte, war die Organisation dessen kennen zu lernen, was ganz Deutschland zu einem gemeinsamen Körper vereinigt und zwar nach der zum richtigen Verständnisse des Jetzigen unerläßlichen Schilderung des rechtshistorischen Hergangs, der erschöpfenden Darstellung der früheren staatlichen Gestaltungen Gesammtdeutschlands.
Hierin lag das Programm meiner Vorlesungen vom verflossenen Jahre. Die staatsrechtlichen Verhältnisse des ehrwürdigen alten deutschen Reichs bildeten das Propyläum, durch welches ich meine Zuhörer in die späteren Formationen einführte. Wir lernten zunächst die Grundgesetze, auf welchen die Verfassung des Reichskörpers beruhte, in näherer Erläuterung kennen. Der von Carl dem Großen gegründete Einheits- und Beamtenstaat – der richtige Abdruck einer wahren Monarchie – er konnte sich in den Händen seiner unfähigen Nachfolger auf deutscher Erde nicht behaupten. Ein furchtbares Ringen zwischen den mächtigen einzelnen Stämmen, beziehungsweise deren zur Erblichkeit gelangten Herzogen und Grafen, mit der zum Wahlkönigthume herabgesunkenen eigentlichen Herrschergewalt beginnt die centrifugalen Elemente machen[sic!] sich geltend mit immer steigenden Überlegenheit. In der Geschichte dieses Kampfes finden Sie, meine Herren, jene Deutschlands überhaupt. Die obenerwähnten Grundgesetzte sind für alles dies nur ein concreter Ausdruck in einer bestimmten Epoche. So sehen in der allmähligen Schwächung Deutschlands, in der Verringerung seines Ansehens, in dem Verluste seiner schönsten Länder, nur ein furchtbares Beispiel der rächenden Nemesis für die völlige Verkennung der wahren Grundlage einer staatlichen Gewalt. Mit der Glaubensspaltung war jede Verbesserung unmöglich geworden. Was die constitutiones Friedrich I. vom Anfange des 13. Jahrhunderts am frühesten in urkundlicher Form ausgesprochen, vollendete der Westphälische Frieden. Von da an datirt eigentlich schon der Todeskampf. Nicht durch innere Stärke, nicht durch wahre Vitalität schleppte das Reich mühevoll seine Existenz fort, die Hausmacht der Habsburgischen Dynastie war dessen einziger Schirm und Rückhalt. Und waren die Grundlagen an sich schon morsch und fehlerhaft, so würden sie in dieser Hinsicht noch überboten durch die Organe, mittelst welcher der Herrscher zu wirken berufen war. Wir lernten dies an der Gestaltung des Reichstags sowie der obersten Reichsgerichte, endlich der Militärverfassung des alten Deutschlands kennen. Leere Förmlichkeiten, Reservationen und Proteste, endlose Rechtsdeduktionen über mittlerweile durch die Gewalt der Ereignisse längst entschiedene Gegenstände beschäftigen den Reichstag, während der Feind vor den Thoren. Die Gerichte können nicht funktioniren aus Mangel an Arbeitskräften, die Visitationskommissionen bleiben ein todter Buchstabe, die Rückstände wachsen ins Unendliche. Die Kriegsverfassung ist Kinderspott. Nicht einmal für die wenigen Truppen, die man auf den Beinen erhält, werden die Subsidien rechtzeitig gezahlt und nur wo es einer Schwächung der kaiserlichen Autorität gilt, finden sich – wie die Wahlkapitulationen Zeugnis geben – die Stimmen der fast unabhängig gewordenen, längst nur mehr auf das eigene Interesse bedachten zumal größern Fürsten zusammen. Kann es uns wundern, daß ein solcher Zustand dem gewaltigen Anstoße der französischen Revolution, dem Drängen des mächtigen Geistes erlag, der aus ihren Händen die Geschicke Frankreichs überkommen hatte. Der Reichsdeputationshauptschluß vom Jahre 1803 versucht vergeblich eine Wiederbelebung des erstarrten Körpers und nachdem auch dieses Projekt fehlgeschlagen war und der Preßburger Friede Frankreichs Überlegenheit abermals kundgethan hatte, schien es einer Mehrzahl von Ständen an der Zeit, die Maske abzuwerfen und mit Verläugnung früheren Verbandes, auf der Basis der eben erlangten Souveränität ein neues staatliches Gemeinwesen, den sogenannten Rheinbund zu gründen. Die Auflösung des Reiches selbst mußte, wie ich weitläufiger dargethan habe, hievon die unmittelbare Folge sein.
Die Rheinbundsepoche, eine Zeit furchtbarster Schmach und gränzenlosester Rechtsverwirrung, war das zweite Hauptmoment meiner vorjährigen Schilderung. Unerquicklich zwar, aber nothwendig als Bindeglied mit den heutigen Zuständen. Ist auch von der ganzen beabsichtigten Organisation eigentlich nichts zu Stande gekommen, fand in Wahrheit nur eine reine Willkührherrschaft des Protektors statt, immerhin wurden durch den Rheinbund Verhältnisse geschaffen, deren Anerkennung später nicht mehr zu umgehen, deren Existenz vielmehr jeder kommenden staatlichen Gestaltung unweigerlich zu Grund zu legen war. Den besten Beleg für diese Nothwendigkeit lieferten eben die Verhandlungen am Wiener Congresse über die deutsche Bundesakte, das erste Grundgesetz des jetzt bestehenden Vereines. Die vorzüglichsten Patrioten Deutschlands, Männer von hervorragenden Talenten und reifer Erfahrung, ebenso bekannt mit den augenblicklichen Bedürfnissen der Nation als noch lebend in deren geschichtlichen Erinnerungen, ein Metternich, Stein, Humboldt, Münster fanden sich am Congresse zusammen, legten gemeinschaftlich Hand ans Werk. Mochten sie auch in manchen und wesentlichen Punkten ihrer Anschauungsweisen differiren, darin gingen sie alle einig, daß Deutschland als Gesammtmacht wieder hergestellt, auf die höchste Stufe erreichbarer Wohlfahrt erhoben werden müsse. Eine andere Form für die Vollführung fand sich aber eben nicht als jene des Staatenbundes. Er war seit der Rheinbundsakte etwas bereits Gegebenes, real Vorhandenes, ohne Gewalt und eine abermalige Reihe verzweifelter Kämpfe nicht mehr zu Beseitigendes. Darum kann an die heutige Bundesverfassung nach Billigkeit aber auch kein anderer Anspruch gestellt werden, als daß sie innerhalb der einmal unabweisbar gezogenen Schranken ihren Zweck erfülle. Daß dieses der Fall, daß der Bund auch in seiner nothwendig unvollkommenen Erscheinung sich als das einzig Mögliche und daher von uns allen heilig zu haltende Band darstellt, welches die deutschen Fürsten und Stämme noch zu einer gemeinsamen Achtung gebiethen, den Wirksamkeit befähigt, dieser Nachweis war der dritte Ring in der Kette meiner Vorträge im vergangenen Jahre. Wir lernten die Institutionen des Bundes, die Entwicklung desselben in den verschiedenen Phasen, welche er durchlaufen, endlich die Keime kennen, welche in demselben schlummern, eine noch erfreulichere Zukunft in Aussicht stellend. Hiemit schließt der erste Theil meines Vorwurfes[sic!], schon an und für sich ein reiches, ja kaum zu überwältigendes Material darbiethend, der eifrigsten Forschung und wahrheitsgetreuen Darstellung wohl wie kaum ein anderes werth. Aber die Aufgabe des Staatsrechtslehrers erscheint hiedurch noch in keiner Weise erschöpft, der Bund umfaßt nach seiner ganzen Anlage nur einen Theil der öffentlichen Rechtsverhältnisse Deutschlands. Das eigentliche Leben der Nation kann sich in ihm nicht ausschließlich bewegen, er kann nur der Schlußstein des Gebäudes, nicht aber die Behausung selbst sein. Im einzelnen Staate findet der Deutsche bisher noch seine Heimat, von ihm muß er verlangen, was das oberste Gemeinwesen ihm nicht zu leisten vermag, alle seine Interessen weisen ihn in erster Linie dieser Richtung zu. Ein anderer geschichtlicher Verlauf wäre vielleicht besser gewesen, aber es ist einmal so und wird wohl ohne die welterschütterndsten Ereignisse auch noch lange so bleiben. Diese einzelnen deutschen Staaten, obwohl verschieden an räumlicher Ausdehnung, an Verfassung und äußerer Wirksamkeit sind aber, den Grundprinzipien ihres Daseins nach, im Verlaufe der Zeiten dennoch nicht etwas einander völlig Fremdes geworden, sondern hängen auch außer dem Bundesverhältnisse noch innig zusammen, durch tausenderlei Fäden gemeinsamen Ursprungs und analoger Entwicklung. Jeder der oben erwähnten großen Zeitabschnitte hat mächtige Spuren in dieser Beziehung zurückgelassen. Auf den Trümmern der kaiserlichen Machtvollkommenheit erhob sich eine nach und nach fast bis zur völligen Unabhängigkeit gehende Landeshoheit, welche gleichzeitig mit der Ausübung des Stimmrechtes am Reichstage verknüpft, der Institution des deutschen hohen Adels ihr Dasein gab. Die Grundsätze, welche kraft der diesem Stande zustehenden autonomen Gewalt über dessen persönliche und Güterverhältnisse festgesetzt wurden, sie leben noch heute fort, in den Familien der regierenden deutschen Fürsten sowohl als in jenen der durch Mediatisirung unterworfenen ehemaligen Reichsstände. Eine eigene Lehre, das sogenannte „Privatfürstenrecht“, faßt diese im Wesentlichen dem älteren deutschen Rechte angehörigen Principien zusammen, eine ganze Literatur hat sich schon zur Reichszeit diesem scientifischen Zweige zugewendet, werthvoll und selbst jetzt noch der practischen Anwendung nicht entbehrend, denn auch durch die von einem Theil des vormaligen hohen Adels erlangte Souveränität hat das frühere Fürstenrecht seine Geltung nicht nothwendig verloren, wird vielmehr zu Rathe gezogen und befolgt bei jedem wichtigeren Ereignisse. Hier findet sich daher jetzt noch gemeinsames Recht in Hülle und Fülle.
Durch den Reichsdeputationshauptschluß sowie durch den Rheinbund sind fernere Verhältnisse im Innern der einzelnen deutschen Staaten gegeben, Rechte festgestellt und garantirt worden, welche ihrem Ursprunge und Charakter nach von jedem, der sich mit dem deutschen Staatsrechte befassen will, richtig erkannt und gehörig gewürdigt werden müssen, soll er sich in seinen Argumentationen nicht zu Fehlschlüssen verleiten lassen. Die Bundesgesetzgebung endlich umfaßt nicht nur die Organisation des Bundes, stellt nicht nur die Beziehungen der Bundesglieder untereinander und zur Conföderation fest, sondern wirkt auch höchst eingreifend in das Innere der einzelnen deutschen Staaten. Die Artikel 11–19 der Bundesakte enthalten diesfällige Vorschriften, welche durch die Schlußakte und weitere Bundesbeschlüsse ihre Ausbildung gefunden haben und die in ihrer wissenschaftlichen Darstellung logisch richtig nicht sowohl in das eigentliche Bundesrecht als vielmehr in das gemeinsame Staatsrecht der Bundesstaaten gehören, in denen sie nach erlangter landesfürstlichen Promulgation einen integrirenden Bestandtheil des Verfassungsrechtes zu bilden bestimmt sind. Alles dieses aus den verschiedenen Zeitläuften vorhandene, noch jetzt seine Bedeutung behauptende gemeinschaftliche Recht an seinem Ausgangspunkte zu erfassen, die durch die allgewaltige Macht welthistorischer Begebenheiten zerstreuten Bruchstücke künstlich wieder zu einem Ganzen zu fügen und ein Bild dieses Letzteren in systematischer Bearbeitung aufzurollen, ist eine Aufgabe, deren Größe und Schwierigkeit auch dem Laien verständlich sein muß, vor deren Lösung aber die deutsche Wissenschaft in keiner Weise zurückschrecken darf. Dem deutschen Diplomaten, wie dem Publizisten im echten Sinne des Wortes, ja jedem Acolyten staatsrechtlicher Lehren überhaupt, sind diese freilich anfangs nicht dornenlosen Studien geradezu unentbehrlich, aber auch für den Juristen wie für den Verwaltungsmann im Allgemeinen, für jeden Gebildeten endlich, dem die Zustände des Vaterlandes am Herzen liegen, von dem mannigfachsten Interesse.
Zahlreich sind die Anstrengungen der Doctrin gewesen, ihrer eben bezeichneten Obliegenheit nachzukommen, die ausgezeichnetsten Geister haben ihre Kräfte an der Darstellung des gemeinsamen Staatsrechts der deutschen Bundesstaaten versucht, es fehlt nicht an werthvollen Handbüchern, noch weniger an ausgezeichneten Monographien. Wenn dessen ungeachtet die Erkenntnis von der Nothwendigkeit, auch dem Staatsrechte der deutschen Bundesstaaten, neben dem spezifischen Bundesrechte, und eben in Ergänzung dieses Letzteren zum deutschen Staatsrechte, gehörigen Raum zu gönnen, noch nicht überall zum Durchbruche gekommen ist, wenn sogar auf dem Boden der Wissenschaft eine verschiedene Auffassungsweise über die rechtliche Bedeutung des Gegenstandes und den Rahmen noch fortwährt, in welchem derselbe hineingefügt werden soll, wenn endlich die Regierungen selbst hie und da nicht ohne gerechtfertigtes Mißtrauen auf die erwähnten Bestrebungen blickten, so liegt der Grund von Allem dem zum Glücke nicht in der Wesenheit der Sache, sondern nur in dem Mißbrauche, welcher mit der stofflichen Anwendung getrieben worden ist. Wenn irgendwo, so ist gerade auf dem Gebiete des gemeinsamen deutschen Staatsrechts die strengste Prüfung, die sorgfältigste Auswahl, unerläßliches Erfordernis. Die Gerechtigkeit erfordert die unbedingte Anerkennung, daß gerade in diesen Rücksichten schwer und vielfach gesündigt worden ist.
Man hat zunächst dem philosophischen Staatsrechte entnommene Sätze als positives deutsches Recht in Cours bringen wollen. Man folgte hierin der in den letzten Tagen des Reichs durch Gönner ins Leben gerufenen Schule, welche alle durch Reichsgesetze und Gewohnheiten gelassenen Lücken lediglich mittelst des Naturrechts auszufüllen bestrebt war. Ja neuerer Zeit gehören Klüber und sein Anhang unbedingt dieser Richtung an.
Dieser letzteren ist es hauptsächlich zuzuschreiben, wenn Zwiespalt und Verwirrung selbst in den Reihen der Auserwählten eingerissen sind, wenn die Regierungen, ja wenn sich selbst die Bundesversammlung zur Abwehr gegen die hieraus drohenden Gefahren veranlaßt fanden. Der gegenwärtige, abgeklärte Standpunkt der Wissenschaft muß freilich derlei Vorsichtsmaßregeln für völlig überflüssig finden, erblickt er doch gerade in dem Umstande, daß zu einem unnatürlichen Hülfsmittel gegriffen werden muß, wie das gewaltsame Heranziehen rein phylosophischer Grundsätze im positiven Rechte, sich als ein solches darstellt, den besten Beweis, daß im speciellen Falle wenigstens ein gemeinsames deutsches Recht nicht bestehe.
Eine andere weit verbreitete Kategorie von Bearbeitern der deutschen Staatsrechtdoctrin ist dem Irrthume verfallen, Rechtsinstitute, nachweisbar einer auswärtigen z. B. der englischen oder französischen Gesetzgebung nachgebildet und von diesem fremden Boden auf den deutschen verpflanzt, ohne weiteres als ursprünglich deutsche zu behandeln und als etwas nothwendig Gemeinsames sämmtlichen Bundesstaaten aufzudringen.
Die Verfassungsfrage der einzelnen deutschen Staaten ist vielfach in diesem Sinne wissenschaftlich behandelt, heillose Wirrsal hervorgerufen, der moderne französische Constitutionalismus mit seinen äußersten Consequenzen als allein selig machendes Dogma, aber auch als deutsches Recht gepredigt worden. Hier ist die hauptsächlichste Klippe, vor der ich Sie bei der Benützung der weitaus meisten bisher vorhandenen Bearbeitungen unseres Gegenstandes warnen muß. Dieser Mißgriff ist innig verwebt mit einem dritten, dessen Anfänge übrigens auch bereits in die Zeiten des alten Reichs zurückgreifen und in der um die deutsche Wissenschaft sonst gewiß hochverdienten historisch dogmatischen Schule, welche in Joh[ann] Jac[ob] Moser und Stefan Putter [Pütter] ihre eminentesten Repräsentanten gefunden hat, bereits zur Erscheinung gekommen sind. Diese Richtung verfolgte das System neben den Reichsgesetzen oder Entscheidungen der Reichsbehörde eine möglichst große Anzahl von Thatsachen aus den einzelnen Reichslanden zu sammeln. In Ermanglung eines Reichsrechtes wurden nun die Bestimmungen dieser einzelnen Territorien als für sämmtliche maßgebend angenommen und alles, was in diesem willkührlich gewählten Modell nicht hineinpassen wollte, kurzweg als Ausnahme erklärt und ohne weiteres Bedenken beseitigt. Auf diese Art war es freilich nicht schwer, den Arbeiten den Charakter einer großen Vollständigkeit zu verleihen, daß aber [?] Wahrheit dabei schlecht wegkam, ist leicht zu begreifen. Dennoch sind auch in neuerer Zeit wieder Versuche gemacht worden, aus dem Vorhandensein gewisser Rechtssätze in einer größeren oder kleineren Anzahl von Staaten auf eine für alle gültige Vorschrift zu schließen. Zacharia's sonst in so vieler Beziehung treffliches Werk "deutsches Staats- und Bundesrecht"1, mehrfach eine bloß statistische und synchronistische Darstellung der einzelnen Gesetzgebungen bildend, scheint eben wieder in diesen alt gewohnten Fehler zu verfallen. Hier ist zwar „positives“, aber kein allgemeines deutsches Recht, eine von eisernem Fleiße Zeugnis gebende Sammlung von Rechten deutscher Staaten, aber unverbindlich, ohne alle rechtliche Consequenz für die außerhalb dieses Kreises befindlichen.
Allen diesen Ausschreitungen vom richtigen Wege stellen wir nunmehr den zuerst von Robert Mohl in seinem nicht genug zu schätzenden, auch von mir hier mehrfach benützten Werke „Geschichte und Literatur der Staatswissenschaften“2 aufgestellten Grundsatz gegenüber: daß nur diejenige Bestimmung zum gemeinsamen deutschen Staatsrechte gehört, nur dann ein Schluß auf ihre Gültigkeit auch in den sich nicht besonders weder für noch gegen aussprechenden Staaten zu ziehen ist, wenn deren gemeinschaftliche Wurzel in der besonderen rechtlichen Natur des deutschen Staats-Organismus nachgewiesen zu werden vermag.
Hiemit geben und begrenzen wir den Umfang des gemeinsamen deutschen Staatsrechtes, statuiren also zugleich eine Ausnahme für alle jene Staaten, welche über den fraglichen Punkt eine eigene Gesetzgebung besitzen, die unbedingt den Vorrang behauptet, so wie wir auch jetzt schon anerkennen, was wir später noch weitläufiger zu erörtern haben werden, nämlich, daß dieses noch vorhandene gemeinsame Recht praktische Geltung in den einzelnen Staaten, innere nur in Folge der ausdrücklichen oder stillschweigenden Zulassung von Seite der bestehenden souveränen Gewalt erlangen könne, daß es sich daher mit einem Worte nur um eine thatsächlich vorhandene, juridisch aber nicht nothwendige Übereinstimmung der Staatsrechte der einzelnen deutschen Staaten handle. Auch für die Anwendung der Bundesgesetze in den verschiedenen Territorien muß diese Norm gelten, indem die Ersteren in selber Weise nicht an und für sich, sondern erst durch ihre Publikation in den bezüglichen Staaten und daher gleichfalls nur als Bundesgesetze3 unmittelbare Geltung erlangen.
So und nicht anders wünsche ich den Gegenstand, welcher uns im Laufe dieses Winters zu beschäftigen haben wird, principiell von Ihnen aufgefaßt zu wissen. Es wird daher freilich Manches von dem ausfallen müssen, was Sie in den gebräuchlicheren Handbüchern über „deutsches Staatsrecht“ aufgeführt finden. Seit Klüber in die oben gerügten Mißstände verfallen ist, hat er eben bis auf die neueste Zeit herab seine Nachfolger mit sich gezogen. Bei einem solchen Vergleiche also muß schon diejenige Partie meiner Vorträge, welche sich auf das Verfassungsrecht der einzelnen Staaten bezieht, erhebliche Lücken zeigen.
Meinem Bestreben zufolge Ihnen nur die Wahrheit, aber diese ganz und ungeschminkt zu geben, muß ich auf manchen Erfolg verzichten, der bei ungebührlicher Verallgemeinerung partikularen Rechts, namentlich durch eine pikante Schilderung des modernen konstitutionellen Verfassungswesens, unschwer zu erreichen gewesen wäre. Und noch mehr treffen alle diese Bemerkungen bei dem sogenannten Verwaltungsrechte zu. Was dem gläubigen Publikum durch manchen sonst vielverdienten Gelehrten, ich will hier nur Maurenbrecher nennen, gerade in dieser Beziehung als gemeinsames Recht geboten worden ist, geht wirklich ins fabelhafte. Die Probe aber, daß dieses Urtheil nicht zu hart ist, mag jeder von Ihnen, meine verehrten Herren, leicht selbst machen. Er braucht nur in den nächsten besten Paragraf z. B. des Maurenbrecher'schen Systemes über das Verwaltungsrecht das als gemeines deutsches Recht angegebene mit der Gesetzgebung seines eigenen Vaterlandes und etwa noch, falls ihm solche genau bekannt sind, mit den Gesetzen einiger benachbarter Länder scharf zusammenzuhalten, um zu sehen, wie es sich mit diesem angeblich überall gültigem Rechte verhält. Er wird eben nur in ganz vereinzelten Punkten finden, daß Besseres und Anderes gegeben worden sei als ein Hinübergreifen mit partikulären Verfügungen, für positives Recht ausgegebene rechtsphylosofische Sätze oder völlig aus der Luft gegriffene Behauptungen. Das Richtige erscheint mir also hier, daß das sogenannte allgemeine Verwaltungsrecht nur in einem höchst beschränkten Umfange, nämlich der hierauf bezüglichen Bundessgesetzgebung anzuerkennen ist, sonst aber dasselbe in den Ausnahmen beinahe aufgeht. Berücksichtigt man die tiefen Umgestaltungen, welche in dem Administrationswesen der deutschen Staaten seit der Auflösung des Reichs vorgenommen worden sind, und zwar bald nach diesem bald nach jenem Grundgedanken, jetzt in Nachäffung auswärtiger positiver Einrichtungen, jetzt in Befolgung neu entstandener Ansichten und Folgerungen, immer aber nur im Hinblicke auf das Interesse des speciellen Staates und daher ohne jeden Einklang unter den verschiedenen Regierungen, so darf ein solches Resultat sicher nicht befremden. Es thut dasselbe aber auch dem Werthe unserer Wissenschaft keinen Eintrag, es erübriget derselben am inneren Gehalte und äußerem Umfange immer noch ein mehr als hinlängliches Maß, um ihre Stellung ehrenvoll zu behaupten.
Der neueren, ja neuesten Zeit blieb es vorbehalten, auch auf dem Gebiete unserer Doctrin den nothwendigen Läuterungsprozeß anzubahnen. Der Name R[obert] Mohls, dessen Ansichten Sie hier im Wesentlichen wiedergegeben finden, ist bereits genannt worden. Ihm gebührt unstreitig das hauptsächlichste Verdienst, die Schwächen der gegnerischen Anschauungsweise aufgedeckt, den Weg angedeutet zu haben, auf welchem der ersehnte Erfolg zu erreichen steht. Aber hiebei hat es für ihn auch sein Bewenden behalten. Zur Ausarbeitung eines Staatsrechts der Bundesstaaten auf den von ihm gegebenen Grundlagen ist der gefeierte Verfasser des württemberg’schen Territorialstaatsrechts und so mancher anderer ausgezeichneter Werke leider bisher nicht gekommen und schwerlich dürfte ihm seine so vielfach in Anspruch genommene Thätigkeit noch die nöthige Muße hiezu übrig lassen.
Der 1. Versuch nach dem neuen Systeme mit einer erschöpfenden Darstellung vor das gelehrte Publikum zu treten, ist von dem Professor in Würzburg Dr. Joseph Herd [sic! richtig Held] in seinem Buche „Verfassungsrecht der monarchischen Staaten Deutschlands mit besonderer Rücksicht auf den Constitutionalismus, Würzburg 1856“4 unternommen worden.
Wir begrüßen in dieser Leistung, sowohl was die systematische Anlage als die Wesenheit der Ausführung anbetrifft, mit Freuden einen unverkennbaren Fortschritt. Zum ersten Male zeigt sich der Gegenstand des ihm sonst vielfältig anklebenden fremden Stoffes entkleidet, man gelangt zur Übersicht nach Raum und Maß, erkennt bis in die Details die einzelnen Fragen, um deren Lösung es sich eben handelt. Dennoch ist die Lücke auch hierin nicht ausgefüllt, die Schwierigkeiten nicht behoben. Denn einmal ist auch Held vielfältig in eine exclusiv rechtsphilosophische Begründung seiner Thesen verfallen und gibt dieselbe noch dazu in weitschweifiger, weniger lesbarer Form, anderentheils aber hat er, wie schon der Titel seines Buches zeigt, das Hauptaugenmerk der constitutionellen Entwicklung Deutschlands zugewendet und läßt daher den Zuständen derjenigen deutschen Staaten, welche diese Bahn zu beschreiten Anstand genommen haben, die gebührende Berücksichtigung in keiner Weise widerfahren. Wir begegnen demnach auch dieses Mal nur einem Bruchstücke dort, wo das/die Bedürfnis/se des Lebens wie der Wissenschaft etwas Allumfassendes, in sich Abgeschlossenes gebieterisch erheischen.
Wenn unter den eben geschilderten Umständen ich es wage, mit einem diesfälligen Versuche hervorzutreten, so bitte ich Sie – meine verehrten Herren – vor allem dieses mein Beginnen nicht in dem Sinne aufzufassen, als hegte ich hiebei die leiseste Hoffnung, die noch ausstehende Palme zu gewinnen. Eine solche Anmaßung liegt im Gegentheile meinem Unternehmen vollkommen ferne. Fragen von so notorischer Bedeutung und Tragweite wie jene es sind, die bei unserem Gegenstande zur Entscheidung kommen, Controversen, welche die gelehrte Welt jahrelange in Bewegung halten, entziehen sich naturgemäß dem bestimmenden Einfluße eines Anfängers. Auch wäre eine unzersplitterte Thätigkeit hier vor allem das unerläßlichste Erfordernis. Mein Wirken hat sein Ziel erreicht, wenn es mir gelingt, zum Studium des deutschen Staatsrechtes in weiteren Kreisen angeregt, auf die unermeßlichen Schätze aufmerksam gemacht zu haben, welche sich bei einer Schärfung dieses Gebietes nach und nach erschließen. Hat das schwache Reis, welches ich hiemit zu pflanzen versuche, einmal Boden gefaßt, unterziehen sich gewiegtere Kräfte dem schönen Berufe, den auf uns Österreicher entfallenden Antheil deutscher Wissenschaft auch in der Lehre des deutschen Staatsrechtes den übrigen Stämmen unseres weiteren Vaterlandes gegenüber würdig zu vertreten, dann erscheint mein Vorhaben als vollständig erfüllt und ich werde mich gerne wieder in den Bereich meiner eigentlichen ämtlichen Thätigkeit mit dem beruhigenden Bewußtsein zurückziehen, etwas unserem Kaiserstaate Nützliches wenigstens redlich gewollt zu haben.
Es folgt schon aus dem ebenbezeichneten Standpunkte, daß ich heuer in den erheblichsten Dingen eigentlich nur als ein Eklektiker vor Ihnen erscheinen kann. In dieser Beziehung muß sich also das Interesse an meinen gegenwärtigen Vorträgen unter jenes vom vergangenen Jahre stellen. Während mir damals zahlreiche Gelegenheit geboten war, Ihnen hierin – natürlich begränzt durch die mir obliegenden Amtspflichten – manches wirkliche Neue, selbst in den Kreisen der Wissenschaft unbekannt Gebliebene, mittheilen zu können, manche irrige Ansicht aus authentischer Quelle zu berichtigen, der tendenziösen Auffassung die historische Wahrheit gegenüberzustellen, muß ich heuer diese Bevorzugung entbehren, schöpfe ich ausschließlich an freilich unversiegbarem Baren der Wissenschaft. Verantwortlich bin ich Ihnen also zunächst nur für die Auswahl und organische Verschmelzung. Was Sie in ersterer Hinsicht von einem Lehrer des Staatsrechts vor allem fordern dürfen, ist, daß er Sie über die Tendenz nicht im Unklaren lasse, welche seiner Gesammtdarstellung zur Basis dient. Hier ist also gleich anfangs ein ehrliches Geständnis unabweisliche Pflicht. Ich lege mein diesfälliges Glaubensbekenntnis ab mit folgenden Worten:
Der Grundsatz der Legitimität ist es, von welchem ich bei der Systematik des Rechtes der deutschen Bundesstaaten ausgehen und welchen ich suchen werde, selbst in den Einzelheiten meiner Vorlesungen festzuhalten. Ich glaube daher, daß die Monarchen von Gott ihren Beruf empfangen haben und ihre Gewalt ausüben kraft eigenen Rechtes, ungetheilt und nur gebunden an diejenigen Schranken, welche die bestehenden Bundesgesetze conformen Verfassungen ihnen auferlegen. So war meine Überzeugung, wie diejenigen, welche mich seit längeren Jahren kennen, gewiß bestätigen werden, vom Momente an, wo ich mich mit staatswissenschaftlichen Studien beschäftigte, es erscheint eine solche Auffassung aber auch als heilige Pflicht für jeden deutschen Staatsbürger, denn das monarchische Prinzip findet sich in den Grundsätzen unserer Conföderation hingestellt als das erste und unerläßlichste Erfordernis jeder Landesverfassung und der Bund ist gerade in dieser Beziehung mit weiter gehenden Befugnissen ausgerüstet, mit den erforderlichen Mitteln zur Abwehr versehen worden. Indem ich mich zu dieser rückhaltlosen Anerkennung bewogen finde, möge es mir jedoch zugleich gestattet sein, den Ausdruck meiner Hoffnung beizufügen, daß Sie hiedurch die Freimüthigkeit meiner Äußerungen in keiner Weise beeinträchtigt finden werden. Ich habe eine schmeichlerische und servile Gesinnung immer für den giftigsten Pilz am Organismus des Fürsten- wie des Freistandes gehalten und werde meine Hände sicher rein zu bewahren wissen von diesem zersetzenden Elemente.
In der successiven Abwickelung meines Gegenstandes werde ich mich soviel als möglich an das Held’sche Buch zu halten suchen, die Gliederung desselben scheint mir – wie bereits oben angedeutet – logisch richtig, der ganze Entwurf dem practischen Bedürfnisse am meisten entsprechend. Einen eigentlichen Leitfaden für meine Vorlesungen werden Sie freilich auch hiedurch nicht gewinnen. Der Mangel eines solchen ist gewiß ein Übelstand, den ich schmerzlicher als irgendjemand empfinde, dem ich aber für den Augenblick nicht zu steuern vermag.
Zum Behufe vergleichender Übersicht des vollständigen Inhalts der verschiedenen deutschen Verfassungsgesetze, ihrer Übereinstimmung oder Disparität habe ich den besten Aufschluß gefunden in Professors H[einrich] Zachariaes Buch: „Die deutschen Verfassungsgesetze der Gegenwart, einschließlich der Grundgesetze des deutschen Bundes und der das Verfassungsrecht der Einzelstaaten direct betreffenden Bundesbeschlüsse, Göttingen [1]855“.5Der gelehrte Verfasser hat sich durch diese von der unverdroßendsten Ausdauer, einem wahren Bienenfleiße Zeugnis gebenden Sammlung ein erhebliches Verdienst erworben und seinen Nachfolgern die Suche in der That sehr erleichtert. Im Übrigen benütze ich das in den verschiedenen Compendien aufgespeicherte Material, so wie mir dasselbe nach reiflicher Prüfung des vorliegenden Objectes der Wahrheit am meisten zu entsprechen scheint, werde jedoch die Quellen, welche mir dienten, bei jedem einzelnen Puncte gewissenhaft angeben.
Denjenigen Herren Zuhörern, welche meinen Vorlesungen im vergangenen Jahre nicht angewohnt haben und die sich auch aus dem ersten Theile des deutschen Staatsrechtes, insbesondere dem eigentlichen Bundesrechte, Kenntnisse erwerben wollen, stehe ich – soviel es mir meine Zeit nur immer gestattet – gerne zu Diensten. Die Mittheilung meines Manuscripts oder, wo dies nicht mehr möglich, eine kurze mündliche Ergänzung des gegebenen Stoffes werden genügen, um das nöthige Verständnis herbeizuführen. Ort und Zeit hiefür werden sich durch gegenseitige Verständigung leicht feststellen lassen.
Jener Theil meines Auditoriums aber, welcher meine Vorträge seit deren Beginn mit seiner Gegenwart beehrte, wird sich, was das zu behandelnde Material anbetrifft, in der zweiten Abtheilung unserer diesjährigen Exkursionen einige Wiederholungen gefallen lassen müssen. Der Grund hievon ist folgender. Über den Erfolg meines ersten Versuchs vollkommen im Unklaren und daher nicht wissend, ob eine Fortsetzung desselben sich als räthlich darstellen werde, mußte ich, als ich meine neue Laufbahn begann, vorzüglich dahin streben innerhalb des kurzen Zeitraumes eines Semesters wenigstens einen vollständigen Überblick von dem zu liefern, was unsere Verhältnisse auch jetzt noch in unmittelbarer Weise berührt, nämlich der Gesetzgebung des bestehenden Bundes. Ich zog also auch alle jene Bestimmungen dieser Letzteren in den Kreis meiner damaligen Thätigkeit, welche der rechtlichen Natur ihres Gegenstandes halber besser eigentlich erst heuer hätten behandelt werden sollen. Hieher gehören meine Abhandlungen über das Wesen der landständischen Verfassungen, über die Rechtszustände der Mediatisirten, die bundesgesetzlichen Vorschriften in Bezug auf die Justizverfassung, endlich jene Keime, welche zur Förderung eines allgemeinen deutschen Staatsbürgerthums in die Bundesacte gelegt worden sind oder wenigstens die Ausdehnung der Beziehungen des internationalen Privatrechts zwischen den deutschen Angehörigen betreffen. Will ich mich nicht dem Vorwurfe aussetzen, dieses Mal nur Bruchstücke zu liefern, die neuen Freunde wegen der alten zu vernachlässigen, so bleibt mir kein anderer Ausweg übrig, als auf alle diese Gegenstände gehörigen Orts wieder zurückzukommen. Ich tröste mich hiebei mit der Erwägung, daß gerade diese Partieen soviel inneres Interesse darbieten, um auch einer wiederholten Prüfung gewürdiget werden zu können, daß sie aber dieses Mal auch von einem tiefergehenden Standpuncte aufgefaßt werden müssen und daher in der practischen Anwendung die Gelegenheit zur Anbringung neuer, eine weitere Perspective umfassender Gesichtspuncte nicht ermangeln wird. Jedenfalls habe ich nicht verfehlen wollen, diese Bemerkung gleich hier fallen zu lassen, damit ich nicht dem Vorwurfe ausgesetzt bleibe, unter verschiedenen Benennungen wesentlich Gleichartiges gebracht zu haben.
Mein Verhältnis zu den Schülern im strengeren Sinne des Wortes habe ich bereits im vorigen Jahre dahin zu formuliren versucht, daß sie dasselbe im Wesentlichen als ein freundschaftliches auffassen möchten. Ich vermag heute nur das Nämliche zu wiederholen. Durch wechselseitiges Entgegenkommen, durch inniges Aneinanderschließen kann allein das erwünschte Resultat erreicht werden. Wir wollen uns um dasselbe gleichmäßig bemühen. Lassen Sie sich demnach durch kein übertriebenes Zartgefühl abhalten nachträgliche Aufklärung oder Erläuterung dort zu suchen, wo Ihnen in meinem Vortrag etwas dunkel geblieben sein sollte. Bedenken Sie im Gegentheile, daß mir an Ihrer Ausbildung soviel als Ihnen selbst gelegen sein muß, daß Sie gewißermaßen die Phalanx bilden, an welche sich meine Hoffnungen knüpfen. Mit Muth und etwas Beharrlichkeit wird der Erfolg sicher nicht auf sich warten lassen.
Was den juridischen Character unserer Wissenschaft, deren Quellen und Hülfsmitteln, dann der bezüglichen Literatur [betrifft] das nächste Mal.