Alber Jäger an Leo Thun
Wien, 6. Mai 1854
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Regest

Der Historiker Albert Jäger informiert Leo Thun über die politische Gesinnung von Karl Stumpf. Der Minister hatte Albert Jäger um einige Informationen dazu gebeten, denn offenbar hatte es Zweifel an dessen Loyalität gegeben. Jäger versucht diese Zweifel bestmöglich zu zerstreuen. Zunächst teilt er dem Minister zwar mit, dass Stumpf während des Revolution des Jahres 1848 – damals noch als Student – eine feurige Rede in Olmütz gehalten hatte, er beschwichtigt aber gleichzeitig und rechnet das dem jugendlichen Eifer Stumpfs und dem Überschwange der Zeit zu. Seither habe sich Stumpf aber gemäßigt und mehrfach seine loyale Haltung bewiesen. Dies wurde auch vom ehemaligen Kreispräsidenten Hermann Pokorny bezeugt. Während seiner nachfolgenden Anstellung an der Universität und am Gymnasium in Olmütz hat er sich außerdem stets als treuer Anhänger und Verteidiger der katholischen Kirche erwiesen. Jäger führt dies insbesondere auch auf seine Erziehung im Hause von Baron Lilien zurück. Albert Jäger bürgt persönlich für Stumpf.

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Edierter Text

Euer Excellenz!

Euer Excellenz haben mich mit dem Auftrage beehrt, über die in Zweifel gezogene politische und religiöse Gesinnung des Herrn Carl Stumpf Erhebungen zu pflegen, welche positive Beweise für die Zuverläßigkeit seiner Gesinnung liefern sollen. Ich freue mich in der angenehmen Lage zu sein, Euer Excellenz folgende Thatsachen referiren zu können.
Stumpf hat allerdings im Jahre 1848 bei Gelegenheit einer Fahnenübergabe in Olmütz eine Rede gehalten, die nicht ganz frei von der damaligen Schwärmerei für das Deutschthum war. Allein schon damals, ehe Euer Excellenz ihn als Supplenten in Olmütz verwendeten oder hierher nach Wien beriefen, sei die Sache von dem ehemaligen Kreispräsidenten Pocorny untersucht und als völlig unerheblich erklärt worden, was vermuthlich auch damals schon zur Kenntniß Euer Excellenz gelangte. Was aber jede Beschuldigung gegen Stumpf entkräftet, ist der Umstand, daß dieser junge Mann gerade dort, wo er diese Jugendlichkeit beging, also gerade in Olmütz, durch die Gnade Euer Excellenz zweimal Gelegenheit bekam, eine Wirksamkeit zu entwickeln, welche ihn nicht nur von jedem Verdachte reinigt, sondern ihm auch die Unterstützung und das Wohlwollen Euer Excellenz erwarb, das war seine Wirksamkeit als Supplent am Gymnasium und voriges Jahr als Supplent an der juridischen Facultät. In dem einen wie in dem andern Kreise wirkte Stumpf in einem solchen Geiste, der ihm die Achtung aller erwarb. Als Gymnasiallehrer hatte er wiederholt Gelegenheit, Zweifel oder Äußerungen der Schüler in Betreff biblischer oder kirchlicher Überlieferungen, in Betreff des Papstthumes etc. mit dem strengsten Ernste und in streng kirchlichem Sinne zu lösen oder zurückzuweisen. Als Supplent an der juridischen Facultät genoß er nicht nur die Achtung seiner Collegen, sondern insbesondere die Achtung der theologischen Professoren in hohem Grade, eben wegen seiner correcten Gesinnung. Er selbst ging am liebsten mit diesen letzteren um, ja soweit ging sein Ernst, daß er selbst Anfeindungen wegen des Ernstes seiner Gesinnung ausgesetzt war. Auch mit den politischen Beamten in Olmütz, besonders mit dem ehemaligen Kreispräsidenten Pocorny, stand Stumpf während seines vorjährigen Aufenthaltes daselbst im freundlichsten Verkehre. Hatte also Stumpf im Jahre 1848 in Olmütz eine Jugendlichkeit begangen – er war damals, was Euer Excellenz gnädigst berücksichtigen wollen, Student der Physik, jung, ein hervorragender Kopf, die ja alle damals Feuer fingen! – so hat er später auf demselben Schauplatze Beweise einer soliden, loyalen, ihm die allgemeine Achtung und vorzugsweise die Achtung derjenigen Männer erworben, in deren Augen nur eine correkte Gesinnung Werth hat. Überdies zeigt sich dieser in Olmütz bewiesene Rückschlag der Gesinnung in der ganzen Richtung der Studien, welche Stumpf betreibt, für ihn hat nur das Positive nicht das Negative ein Interesse: der Rückschlag muß durch den Gang seiner Studien nothwendig noch größer werden. Dazu kommt noch, daß Stumpf eine Erziehung erhalten, die durch und durch religiös und von der loyalsten Gesinnung geleitet war. Er ist der Pflegesohn des Baron Lilien, der Staatsrath bei Fürst Metternich war. Dieser übte den größten Einfluß auf seine erste Erziehung und Bildung, die nach seinen Anordnungen eingerichtet wurde. Die Witwe Baronin Lilien, eine strenge Katholikin, ehrt und liebt Stumpf wie ihren Sohn. Sie vergöttert ihn beinahe gerade wegen seines religiösen Gemüthes.
Endlich wenn Euer Excellenz auch mir erlauben ein Gewicht in die Schale zu legen, möchte ich die unbedingte Bürgschaft für Stumpf übernehmen. Ich beschäftige mich bald 30 Jahre mit Unterricht und Pädagogik; ich glaube mir einigen Takt im Fache der Erziehung vielleicht mehr als in dem der Didactik zutrauen zu dürfen, es müßten mich alle Erfahrungen und Beobachtungen täuschen, wenn ich mich an Stumpf irrte. Mir fällt ein, was Stolberg von Bucholtz sagte, als er gefragt wurde, ob man es wagen dürfe diesen auf die Universität Göttingen, wenn ich nicht irre, zu schicken: „Wenn Bucholtz nicht geschickt werden soll, wer soll dann hingehen?“ Nach der Überzeugung, welche ich aus dem zweijährigen Umgange mit Stumpf gewonnen habe, glaube ich die Versicherung abgeben zu können, daß Euer Excellenz die Sendung Stumpfs nach Berlin nie bereuen werden.
Indem ich bei dem Drange von Geschäften, welche Euer Excellenz so sehr in Anspruch nehmen, es indiscret fände durch mein persönliches Erscheinen Euer Excellenz zu behelligen, erlaube ich mir noch die ehrfurchtsvolle Bitte, den Ausdruck meines tiefgefühlten Dankes und meiner unbegränzten Verehrung genehmigen zu wollen, mit welchem ich verharre
Euerer Excellenz

unterhänigster Diener Albert Jäger

Wien, 6. Mai 1854