Der Historiker Albert Jäger bittet Leo Thun, ihn wieder an die Universität Innsbruck zu versetzen. Jäger wurde im Jahr 1849 von seinem Abt an das ordenseigene Gymnasium in Meran gerufen, um dieses auf Grundlage der geänderten rechtlichen Bestimmung neu zu organisieren. Jäger sieht seine Aufgabe nun als abgeschlossen und möchte wieder wissenschaftlich arbeiten und seine historischen Studien fortsetzen. Er hat bereits viel Material für eine vaterländische Geschichte gesammelt. Jäger versichert, dass er als Professor und anerkannter Forscher mehr für Österreich leisten könne, als er dies als Direktor eines Gymnasiums tun könne. Jäger bittet Thun auch, dass sein Gehalt bei einer Rückkehr nach Innsbruck den gestiegenen Kosten und dem sozialen Rang eines Professors angepasst werde.
Meran den 26. Februar 1851
Euere Excellenz!
Hochgeborner Graf!
Vielfältige Beweise einer huldvollen Gewogenheit für meine unbedeutende Person
benehmen mir die Scheue, mich in einem Anliegen vertrauensvoll an Euere
Exzellenz selbst zu wenden. Ich wurde im Jahr 1849, plötzlich gegen alle
Erwartung, aus einem ebenso schönen als meinen Neigungen und erworbenen
Kenntnissen zusagenden Wirkungskreis an der Universität in Innsbruck abberufen,
und hierher an das Gymnasium versetzt.
Es war das größte Opfer, das in meinem Leben von mir gefordert wurde. Allein ich
musste dem Rufe meines Ordensvorgesetzten
gehorchen, und nur das Bewusstsein, meine fast verfallene Lehranstalt vor der
Auflösung zu retten, und sogar ihre Neugestaltung und Erweiterung zu einem
vollständigen Obergymnasium fördern zu helfen, konnte mich über den Verlust
meines Wirkungskreises an der Universität einigermaßen trösten. Durch die Gnade Eurer Excellenz
und Hochdero huldvoller Berücksichtigung meiner Bemühungen und Anträge ist das
vollständige Obergymnasium in Meran
nunmehr organisiert und in Gang gebracht. Nach meiner Ansicht bin ich zu
ferneren Leitung nicht mehr so nothwendig, und die Sehnsucht nach dem früheren
Wirkungskreis erwacht wieder in ihrer ganzen Stärke. Berichte meiner ehemaligen
Collegen aus Innsbruck, worin sie ihr Bedauern
ausdrücken, daß die Geschichtskanzel daselbst nicht besetzt sei, und vielleicht
auch nicht bald besetzt werden dürfte, und der von ihnen beigefügte für mich
ehrenvolle Wunsch nach meiner Rückkehr, steigern meine Sehnsucht noch mehr. Ich
wage dennoch die unterthänigste Bitte an Euere Exzellenz, mich wieder auf die
Geschichtskanzel an der Universität
Innsbruck zurückzuversetzen. Das Gymnasium in Meran leidet durch meinen Abgange keinen Nachtheil,
da die Verhältnisse mit dem Stadtmagistrat geordnet, die neue Organisierung in
Gang gebracht, die Lehrerstellen mit fähigen zum Theil schon geprüften Männern
besetzt sind, und schon für das künftige Jahr wieder ein tüchtiger Lehrer im
Stifte sich herangebildet hat. Zum Director erlaube ich mir Euer Excellenz den
Lehrer des Obergymnasiums P. Pius
Zingerle vorzuschlagen, einen Mann von den vielseitigsten
Kenntnissen, ausgezeichnet durch seine Schriftstellerischen Arbeiten, der
vollkommen geeignet ist, die geordnete Lehranstalt fortan zu
leiten.
Erlauben Euere Excellenz, daß ich auch noch andere Gründe erwähne,
die mich zu meiner Bitte auffordern. Ich habe mich seit Jahren, zumal in
Innsbruck, mit Forschungen
in der vaterländischen Geschichte abgegeben, und durch einige Arbeiten mir die
unverdiente Auszeichnung erworben, von der kais. Akademie der Wissenschaften in
Wien und der kön. baierischen Akademie in München zum Mitgliede ernannt zu
werden. Ich habe ferner in Innsbruck für ein größeres
Werk durch einige Jahre Materialien aufgezeichnet, in der Hoffnung, sie mit Muße
verarbeiten zu können, allein hier, fern von allen Quellen und Hilfsmitteln, und
in Anspruch genommen von den Directorats- und Lehrerpflichten, konnte ich seit 2
Jahren nicht nur nichts zu Tage fördern, sondern ich gehe auch für die Zukunft
in den tausend Kleinigkeiten meiner Geschäfte völlig unter. Wollen Euere
Excellenz auch aus diesen Gründe sich gnädigst bewogen finden, mich wieder der
Geschichtskanzel in Innsbruck
zurückzugeben!
Freilich muß ich zu dieser obigen Bitte noch eine hinzufügen;
Eure Excellenz erlauben, daß ich Sie ohne Rückhalt ausspreche, ich könnte ja nur
dann nach Innsbruck zurückkehren, wenn ich einen ordentlichen Gehalt von
wenigstens 1000 fl bekäme. Die Erfahrung hat mich gelehrt, daß ich mit den
bisherigen 600 fl kaum leben konnte, was jetzt um so weniger möglich seyn würde,
als der Preis der Lebensmittel enorm gestiegen und der Bedarf der Bücher durch
die Steigerung der Anforderungen an einen Universitätsprofessor ein ganz anderer
ist als früher. Ich habe die Überzeugung, daß es nicht von ferne in den Wünschen
Euerer Excellenz liege, einen Professor nothleiden zu lassen, was aber früher
nach meinem Austritte aus dem Hause des Grafen
Brandis, wo ich nur auf den Gehalt der 600 f angewiesen war,
beinahe der Fall war. In der zuversichtlichsten Erwartung, Euere Excellenz
werden meine Bitten gnädigst berücksichtigen, bitte ich die Versicherung meiner
redlichsten Absicht, dem Staate mehr zu
nützen als es hier an dieser kleinen
Lehranstalt möglich ist, genehmigen zu wollen, mit welcher ich
mich ehrfurchtsvoll unterzeichne.
Euer Excellenz
Unterthänigster Diener Albert Jäger
Provisorischer Direktor des Gymnasium in Meran
<Von Seiner Exzellenz beantwortet 29/3 1851>.1