Johann Bayer an einen Ministerialrat im Ministerium für Kultus und Unterricht
Hermannstadt, 28. März 1853
|

Regest

Der Jurist Johann Bayer beklagt sich bei einem nicht näher benannten Ministerialrat über den Versuch der Hermannstädter Stadtverwaltung, die Rechtsakademie gegen ihren Willen in das Militärspital zu verlegen. Bayer bittet den Ministerialrat daher, beim Minister in dieser Sache zu intervenieren bzw. dass der Minister nötigenfalls beim Gouverneur von Siebenbürgen, Karl Schwarzenberg, gegen diesen Plan protestiere. Bayer beschwert sich bitter über das Verhalten der Stadtverwaltung, die die Rechtsakademie bereits mehrfach verlegt und dabei vollkommen ungeeignete Räume zur Verfügung gestellt hatte. Um seine Bitte zu untermauern, betont Bayer den Erfolg der Akademie und den Fleiß der Studenten. Besonders hebt er dabei die romanischen Studenten hervor. Hinter den andauernden Umsiedlungen der Akademie sowie den zahlreichen Unannehmlichkeiten, die der Akademie bereitet werden, glaubt Bayer im Übrigen eine Intrige der Siebenbürger Sachsen erkennen zu können. Diese Bevölkerungsgruppe räche sich aus seiner Sicht nämlich dafür, dass zahlreiche katholische Professoren an die Akademie berufen worden sind und damit der vormals bestandene protestantische Charakter der Akademie verloren gegangen sei. Abschließend verweist Bayer auf den schlechten Zustand der Gymnasien in Siebenbürgen, wobei er insbesondere auf die evangelischen Gymnasien hinweist.

Anmerkungen zum Dokument

Schlagworte

Edierter Text

Hochverehrtester Herr Ministerialrath!

Ich muß leider wieder mit einer Klage kommen, aber ich weiß auch, welchen regen Antheil Euer Hochwohlgeboren an unserer Rechtsakademie nehmen, und deshalb kann ich nicht umhin, die ihr neuerlich drohende Gefahr zu schildern. Die Hermannstädter Communität befindet sich nämlich in Quartierverlegenheit und denkt wie immer, wenn sie in Quartiersnoth ist, an die Dislocirung der Rechtsakademie, obgleich diese Lehranstalt durch den Miethcontract gedeckt ist. Euer Hochwohlgeboren kennen die bedauernswerthen Vorgänge in dieser Beziehung, wir haben das jetzige zwar kleine, aber ganz dem Bedürfnisse der Akademie entsprechende Lokale dem energischen Wirken des Collegen Schmidt zu danken, der damals die Redaktion des Siebenbürger Boten führte und mit persönlicher Gefahr seiner Freiheit die gewaltigen Hindernisse besiegte. Kaum sind wir ein Jahr im ruhigen Besitze und wir sind wieder auf dem Punkte, vielleicht sogar mitten im Schuljahre zu wandern und die Vorlesungen zu unterbrechen, weil die hiesige Polizeidirektion, wie ich höre, die Lokalität beansprucht. In der letzten Woche der Fastenzeit erschien nämlich eine Commission, bestehend aus dem Polizeidirektor, dem Bürgermeisterstellvertreter und 10 andern Communitätsmitgliedern in den Räumen der Rechtsakademie, drang ohne Rücksicht auf die gerade vortragenden Professoren, wiewohl der Pedell ausdrücklich sie aufforderte zu warten, bis der Vortrag geschloßen sei, in die Hörsälle, unterbrach den Vortrag, ohne sich zu entschuldigen, und nahm die Beaugenscheinigung der Lokalität vor. Der Lehrkörper hat über dieses, jeder Bildung und der Ehre der Lehranstalt Hohn sprechende Benehmen der Commission eine Beschwerde an die Oberdirektion gerichtet. Nun entsteht die Frage, wohin wir wandern müssen? Wie ich vernehme, hat man die Absicht, einen Theil des Hauses am Hundsrücken, wo seit der Revolution, also durch 5 Jahre, ein Militärspital war, für uns zu adaptiren. Wir haben wohl diesfalls schon Großartiges erlebt, wir haben Vorträge in einem Zimmer gehalten, während der Thürstock und Fußboden dieses Zimmers ausgehoben wurde, wir haben in Zimmern vorgetragen, während der Mörtel vom Plafond fiel, bis die von uns angesuchte Baucommission den drohenden Einsturz des Hauses erkannte, wir haben in einem Quartiere vortragen müssen, dessen Zimmer so klein waren, daß ein Theil des Auditoriums im benachbarten Zimmerchen durch die Thüre den Vortag anhören mußte, aber die jetzt gemachte Zumuthung, in Räumen vorzutragen, in welchen seit einer Reihe von Jahren von typhösen Fiebern und venerischen Krankheiten behaftete Militärs lebten, wäre denn doch zu stark. Wie ich glaube, wäre dem drohenden Übel am besten zu begegnen, wenn Seine Excellenz, unser hochverehrter Herr Minister, bei einem etwaigen Zusammentreffen mit dem Gouverneur Fürsten Schwarzenberg, welcher sich gegenwärtig in Wien befindet, diesen Gegenstand zur Sprache bringen würde. Denn leider ist gerade nun der Fürst nicht anwesend und die Akademie daher ohne Schutz. Zwar soll der provisorische Generalprocurator von Siebenbürgen, Füger von Rechtborn, zum Curator derselben schon seit 3 Monaten ernannt sein und selbst das Dekret haben, aber (unglaublich, aber doch wahr) das Gouvernement publicirt die Ernennung nicht, weil es zur Expedition dieses Stückes noch eines Voraktes benöthigt und Hauptmann Kleinmayer, der Adjutant des Fürsten, angeblich alle Präsidialvorakten vor seiner Abreise mit dem Fürsten eingesperrt hat!!! Und so kann selbst Füger, welcher mit dem besten Willen auch die Macht vereinigen würde, uns leider nicht helfen. Es ist traurig, daß die Lehrer dieser Anstalt so oftmals ein förmliches Dementi der von ihnen vorgetragenen Rechtsgrundsätze erfahren müssen, weil, wenn ein Chef eines untergeordneten Amtes sein lüsternes Auge auf die Lokalität der Akademie geworfen hat, alle heiligen Grundsätze des Privatrechtes, die Contracte, das Eigenthumsrecht, diesen sogenannten politischen Rücksichten weichen müssen! Und gewiß, die Hermannstädter Rechtsakademie verdient keine solche Zurücksetzung und unwürdige Behandlung von Seite einzelner Beamten, indem dieselbe im beständigen Fortschritte sich befindet und vielleicht jetzt schon den ersten Rang bezüglich der Frequenz der Zuhörer unter den Rechtsakademien einnimmt. Als ich im Schuljahre 1851 hierher kam, studirten beiläufig 36, in diesem Semester 1853 sind 86 Zuhörer immatriculirt. Jedes unserer Collegien ist von 30 bis 40 Studenten und mehreren Beamten besucht, und es bedarf keiner Divinationsgabe, um vorauszusagen, daß sich die Anzahl der Zuhörer in 2 Jahren wieder verdoppelt. Was die Leistungen unserer Schüler betrifft, so findet man, wie überall, mehr und minder begabte, aber rühmen muß ich den guten Willen und den regen Eifer bei allen. Sie bilden keine Burschenschaften, besuchen keine Kaffeh- und Wirthshäuser, nie wurde gegen einen derselben in politischer oder polizeilicher Beziehung ein Anstand erhoben, sie sind zwar, wenn sie in die Akademie gelangen, mitunter sehr roh, wir Professoren müssen sie noch manche Regeln des Anstandes lehren, aber wir finden immer ein williges Gemüth und pünktlichen Gehorsam. Besonders eifrig sind die Romanen, sie legen, wenn sie auf die Rechtsschule kommen, ihre wallachische Kleidung ab, tragen den deutschen Rock und Hut und germanisiren sich vollständig. Viele derselben sind so arm, daß sie ihr Leben während der Studienzeit durch Stiefelputzen und andere knechtische Dienste bei Beamten fristen, die vom hohen Unterrichtsministerium diesfalls bewilligten Stipendien sind eine große Wohlthat und werden reiche Früchte tragen. Zum ferneren Gedeihen der Lehranstalt ist es wesentlich nöthig, daß das Ansehen derselben auch nach außen gewahrt werde. Die Anfeindung gegen dieses Institut geht nämlich von den hiesigen Sachsen aus, weil einerseits durch die Anstellung so vieler katholischer Professoren die Lehranstalt aufhört, protestantisch zu sein und weil dieselben gewohnt sind, in den Professoren ihre willfährigen Werkzeuge und Diener zu erkennen. Die hierarchische Stufenleiter bei den Evangelischen ist hier: Nach absolvirten Studien Professor am Gymnasium, dann Prediger, dann Pfarrer. Die letzteren Würden, mit denen reiche Pfründen verbunden sind, werden durch freie Wahl der Bürger besetzt, der absolvirte Theologe, welcher als Professor am Gymnasium kaum 200 fl jährlich hat, muß nach dem Beifall der Schüler und der Ältern [sic!] derselben ringen, um das Ziel seines Lebens, die Vocation zu einem Pfarramte, zu erreichen. Bei dieser Abhängigkeit von allen muß das Ansehen der Professoren leiden. Überhaupt sind hierzulande die Gymnasien auf einer sehr niedrigen Stufe. Euer Hochwohlgeboren wissen, daß ich bei meiner langjährigen Verwendung in denselben ein competentes Urtheil umso mehr fällen kann, als ich noch vor meiner Berufung hierher am Josephstädter Obergymnasium Vorträge hielt und mit der neuen Organisation vollkommen vertraut bin. Ich habe die viel gepriesenen evangelischen Gymnasien zu Kronstadt, Schäßburg, Mediasch und Hermannstadt kennengelernt, und zwar in loco, habe aber leider die Erfahrung gemacht, daß manche der wichtigsten Wissenschaften, z. B. Mathematik und Physik, sehr wenig betrieben werden, daß ferner die Consistorialprüfung, welche die Stelle der Maturitätsprüfung vertritt, bei weitem nicht den Umfang und die Wichtigkeit der letzteren hat. Das hiesige katholische Untergymnasium ist gut. Wenn mir die Zeit erübrigt, so werde ich in einem umfassenden Berichte die bei den hierländigen Gymnasien herrschenden Gebrechen zur Kenntnis des hohen Ministeriums bringen.
Mit tiefster Hochachtung

Euer Hochwohlgeboren

gehorsamster Diener
J. Bayer

Hermannstadt, am 28. März 1853