Ignaz Beck an Leo Thun
Triest, 18. Mai 1853
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Regest

Der geistliche Unterrichtsreferent Ignaz Beck fürchtet um seine Stellung bei der Statthalterei in Triest und bittet daher Leo Thun um Auskunft, wie es um seinen Posten bzw. um die Zukunft der geistlichen Referenten bestellt sei. Beck beklagt die unsichere Lage der geistlichen Unterrichtsreferenten und betont, dass er diesen Posten nie angenommen hätte, hätte er um die Situation nach der Revolution von 1848 gewusst. Dann wäre er nämlich in seiner reich dotierten Pfarre in Mähren geblieben, zumal er auch noch für die Kinder seines verstorbenen Bruders und seiner Schwester sorgen müsse. Beck betont aber die Wichtigkeit der geistlichen Schulräte in der gegenwärtigen Situation: Die Geistlichen könnten nämlich Stabilität in die unruhige und angespannte Lage bringen. Beck legt außerdem einige Gedanken zum Verhältnis von Kirche und Staat dar. Er kritisiert schließlich, dass nach der Revolution andere Beamte befördert wurden und Auszeichnungen erhalten hatten, während die geistlichen Referenten trotz ihrer Treue zum Kaiser weitgehend leer ausgegangen seien.

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Edierter Text

Euer Excellenz,
hochverehrter Herr Graf und Minister!

Gewiß werden es mir Euer Excellenz nicht verargen, wenn ich es in tiefster Ergebenheit wage, mich in der verhängnisvollen Periode des Überganges aus der Revolutionszeit zur jener der Ordnung, respective der nächstbevorstehenden politischen Organisirung etc., in Hochdero gnädigstes Andenken zu bringen, mich ehrerbiethigst in Hochdero Huld und Gnade zu empfehlen! Es ist gewiß höchst betäubend, wenn ein beinahe sechzigjähriger Beamter des Staates und Diener des Reichs – der durch 35 [Jahre] dem Staate und dem Reiche mit Leib und Seele, mit felsenfester Treue und liebevollster Anhänglichkeit dem Kaiserhaus gedient – bei den gegenwärtigen Verhältnissen sozusagen um seine Existenz zittern und bei der unsicheren Zukunft um sein Stückchen Brot gewissermaßen betteln muß.
Millionen und Millionenmahl schon habe ich es bereut, meine wunderschöne und reiche Pfarre in Mähren aufgegeben zu haben und auf einen Posten gegangen zu seyn, den ich nicht gesucht habe. Drey Monathe überlegte ich, nachdem ich schon zum Gubernialrathe ernannt war, ob ich gehen oder nicht gehen soll! Die höchsten Würdenträger und die dem Throne zunächststehenden Personen redeten mir zu: „der Ernennung zu folgen; es werde nicht zu meinem Schaden seyn etc.“ Meine mit 600 h Ackerland, Wiesen und Weingärten, nebst einem bedeutenden Zehend dotirte Pfarre (Herr Minister Bach kennt sie, denn er war zweimahl, als er noch Advokateur, mit andern guten Freunden bei mir!) wäre mir, bei dem jetzigen Stand der Dinge lieber, selbst viel lieber als jedes noch so fette Bisthum. Ich dürste nicht nach Reichthümern und Würden und wäre meinestheils auch in einer Klosterzelle zufrieden, (wo ich ungetheilt Gott und den Wissenschaften dienen könnte), allein leider fallen mir und meinem Bruder Anton in Wien 8 unversorgte Waisen (Neffen und Nichten nach dem Tode Bruder Martin und der Schwester Mann), deren Obsorge wir übernahmen, zur Last!
Es würde wahrscheinlich „der Revoluzionszeit die Krone aufgesetzt“, wenn man nun die geistlichen und Studienreferenten zum Lohne für die tausendfältigen Qualen, Distel und Donner, die sie insbesondere seit dem Jahre 1848 bis nun zu erdulden hatten, wie ausgequetschte Limonen und tamquam peripsima & quisquilias – ungewissen Leuten zum schadenfrohen Hohngelächter – auf die Gasse hinauswürfe!
Ich sage dies deshalb, weil sich eine Stimme hören ließ: „Es sey noch ungewiß, ob bei der künftigen politischen Gestaltung geistliche und Unterrichtsreferenten bestehen werden; denn die Hierarchie wie eine gewisse Partei derselben, die man kennt und der die geistlichen und Studienreferenten ein Dorn im Auge sind, arbeite gewaltig auf ihre gänzliche Beseitigung."
Ich spreche Euer Excellenz nicht als Cicero pro domo mea, allein ich sage – und mit mir alle diejenigen, die es mit dem Staate und der Kirche (distinquendam von gewissen Hierarchien) wohlmeinen – cum juramento sacro coram Deo et conscientia: die geistlichen und Unterrichtswesenreferenten sind in staatlicher und (cultur)kirchlicher Beziehung eine absolute Nothwendigkeit, umso mehr jetzt bei den Übergriffen und Konflikten, die schon in publico ecclesiasticis stattfinden und die, si non principiis obstabitur, in Stürme und blutige Kämpfe zu übergehen drohen. Schon reden gewisse Hildebrandes von Excomunikationen und Interdicten gegen Souveraine, Minister und Reiche, selbst gänzliche Entfernung der Cultus- und Unterrichtsministerien und Übergabe derselben an einen Bischof! Die Kirche (Hierarchie) sey die Sonne, der Staat bloß der Mond – Sol supra Statum lunam. Von dem alten Grundsatz „daß Staat und Kirche wie die zwey Arme des Leibes einträchtig nach einem Ziele streben sollen“, von dem biblischen Spruche „mein Reich ist nicht von dieser Welt“ etc. wollen jene hohen Herren nichts hören! – Nicht wahres Christenthum und ungeschminkte Frömmigkeit ist (wie dies seyn sollte) ihr Zielpunkt, sed virga ferrea regiminis Gregoriani!! Ich hoffe der österreichische Staat und Monarch werde seine Kraft und Würde zu wahren wissen! Man schrie hierarchischer Seite fortwährend gegen Josephinismus. Warum mußte Kaiser Joseph gegen horrende königliche Mißbräuche josephinische Maßregeln ergreifen? Warum blieb der weise Kaiser Franz durch die 42 Jahre seiner Regierung dabei? Ich fürchte, daß man kaum nach 10 Jahren genöthiget seyn wird, schon von den dermahligen kirchlichen Conceßionen manches zurückzunehmen! Wann war denn das goldene Zeitalter der Kirche? Etwa vor Maria Theresia? Warum trat die fromme weise Regentin dagegen auf? Das meiste im Josephinismus ist ja Mariatheresianisch!! Das corpus juris canonici ist ein corpus controversiarum seit Jahrhunderten und wird es stets bleiben, in Oestreich war die Kirche nicht gedrückt, man sage was man wolle! Einige Reformen waren und sind ohne gänzliche Überstürzung möglich, aber so, wie die Dinge jetzt stehen, ist der subordinirte Clerus im höchsten Grade unzufrieden. Ich höre es hundertfältig von allen Seiten und halte es für meine heilige Pflicht, dies Euer Excellenz, falls es nicht ohnehin bekannt seyn sollte, offen und aufrichtig, wie dies mein Grundsatz ist, mitzutheilen: „Wir sind jetzt ex leges“, sagen sie, der Willkühr und Leidenschaftlichkeit des Diözesenchefs (der immer ein Mensch bleibt!) ausgesetzt, von Niemandem, weder vom Staate noch von einem kirchlichen Oberen geschützt, kein Metropolitan, kein Appellationssystem, keine Conferenzen, keine Synoden, kein Presbyterium; die Canonici, sonst Consiliarii nati, sind jetzt höchstens Consulenten, so war es einstens nicht! Deshalb auch mitunter keine Candidaten zum geistlichen Stande, wie man in allen Diözesen klagt! Ich hoffe mit Gottes Hilfe werden sich allmählich auch alle diese Angelegenheiten zum Bessern gestalten! Keinem vernünftigen und billig denkenden Bischof, der die Eintracht zwischen dem Staat und der Kirche liebt, werden die geistlichen und Studienreferenten der Statthaltereien und somit auch einer oder der andere beim hohen Ministerium Dorn im Auge seyn – höchstens den falschen Aquariam's und Torquemada's! Die armen besagten Referenten sind um ihre Posten wahrlich nicht zu beneiden, denn in der Regel haben sie das stärkste und diffizilste Departement, ich selbst kann mit Hinblick auf meine hiesige Position wahrlich ohne Ruhmredigkeit sagen, daß ich mir eine Leidenkrone verdient habe. Acht Jahre des Fegefeuers hätten unmöglich gründlicher seyn können, besonders die seit 1848–1853!
Alles – beinahe – hat durch die Revolution gewonnen; meine Praktikanten, Concepisten oder Secretaire sind Kreisräthe, Ministerialsecretäre (Klinkowström, Bosizio, Heufler), Delegaten (Jordis), ja sogar Statthalter (Toggenburg) geworden; eine Anzahl von hiesigen u. f. Bürgern, Beamten haben rühmliche Anerkennungen, Orden etc. erhalten (manche von ihnen sagten selbst, daß sie nicht wußten wofür!) und die einzigen unglücklichen geistlichen Referenten hatten niemanden, der sich um sie annahm, giengen überall ganz leer aus und mußten, als hätten sie etwas verbrochen, gewissermaßen froh seyn, daß man sie athmen ließ. Und doch spricht es sehr zu ihren Gunsten, daß keinem einzigen von ihnen eine Insult- und Katzenmusik usw. widerfuhr und sie alle treu bei Habsburg ausdauerten, und lechzen sie auch nicht nach Auszeichnungen und Orden und Würden, so kränkt es sie doch ganz und gar zurückgesetzt zu seyn.
Sonst würdigte man höchsten Orts die Anstrengungen, schwierigen Stellungen und Verdienste der erwähnten Referenten und sie waren der höchsten Beförderungen, die ihnen in der Regel zutheil wurden, wahrhaft würdig – noch jetzt sind die vorzüglichsten und ausgezeichnetsten Kirchenvorsteher (Lußin [Luschin], Wolf, [?], Godeassi, Haulik, Gruber, Zimmermann, Mayer, Buchmayer, Lindauer, Lidmanski, Hanl etc.) aus ihrer Zahl! Seit dem Jahr 1848 ist keiner etwas geworden, als läge der große Bann auf ihnen; aus großer Gnade ließ man sie angelehnt, in einer wahrhaft schmählichen Stellung, die sie gewiß nicht verdient haben! Auf solche Aussichten und Bedingungen ist gewiß keiner von ihnen in den Staatsdienst getreten. Das Wort des Kaisers war sonst ein heiliges und mir erscheint es bis nun als solches; ein kaiserliches Dekret, ein Patent etwas hochachtbares conf. RGBl. IV 53 10 Nr. § 36, 37, 40 und initio 4.
Es lebt noch der alte Gott und unser hochverehrter edler Minister wird sicherlich auch beim gütigen Kaiser für sein Personal mannhaft in die Schranken treten! Dies Vertrauen nähren wir alle! Hier und anderwärts, wo es ausführbar ist, hofft man, daß das Cultus- und Unterrichtswesen (mit dem nöthigen Hilfspersonal) in einem Departement der Statthalterei vereinigt seyn, die 2 Schulräthe in ambulante und visitirende Schulcomissäre (Inspectoren) (die ihre Berichte an die Statthalterei und respective hohe Ministerium erstatten) verwandelt werden, und so dürfte es auch am besten seyn, wenn sich der Staat nicht allzu viel Pensionirungen aufbürden will. Ich bin gegenwärtig hier der älteste Gubernialrath, meine beiden Vormänner Wander und Englert sind todt und fort. Ich schmeichle mir, daß mir meine Ancienität mit dem höhern Gehalt nicht verkümmert werden wird, schon das Quartiergeld (900 fl!!) nimmt den Drittel Theil des Gehalts in Anspruch, dazu die excessive hiesige Theuerung den reichen Kaufleuten, Juden [?] und so vielen Fremden gegenüber!
Ich bin manchmal hier so kleinmüthig und niedergedrückt, daß ich wahrhaftig sagen kann „taedet animam meam vitae meae“, dazu die Maße der Amtsgeschäfte – Herr Kuen auf 3 Monathe und noch länger in Italien, [?] am Land, Concipist Stockler auf Urlaub – ich also mit ein paar steinalten Invaliden allein zu der Menge von Amtsgeschäften; kein Wunder, wenn man sonach psychisch und physisch leidend wird. Deswegen geruhen Euer Excellenz auch gnädige Nachsicht zu haben, wenn aus einem verstimmten Instrument ein schriller Ton hie und da das Ohr verletzt. Als Fürsprecher möge meine Wohlmeinung und Aufrichtigkeit auftreten! Sumus in manu Dei! Eben als ich ganz trostlos dahin brüte, erfreut mich Gottes Güte durch einen Engel in Menschengestalt! Seine kaiserliche Hoheit, der Herr Erzherzog C[arl] Ferdinand, sendeten mir durch Ihren Secretair ein sehr kostbares Bild als höchst überraschendes Geschenk, wahrscheinlich als gute Gabe, weil ich ihn neulich komunizirte, und so glaube und vertraue ich auch hinfort auf Gottes gütige Fürsehung und auf Euer Excellenz als das göttliche Werkzeug in seiner Hand, unter dessen Schutz und Schirm wir stehen.
Genehmigen gütigst den Ausdruck der unbegränzten Hochachtung und Anhänglichkeit, mit der erstirbt

Euer Excellenz

unterthänig gehorsamer
Dr. Ign. Beck
Gubernial- und Schulrath

Triest, den 18. Mai 1853