Gutachten über die Volksschulen von Anton Krombholz
o. O., 31. Mai 1850
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Regest

Der Priester und Sektionsrat im Unterrichtsministerium Anton Krombholz legt eine Übersicht über das bestehende System der Volksschulen vor. Bei den Volksschulen wird zwischen Trivial-, Haupt- und Berufsschulen unterschieden. Krombholz findet, dass diese Einteilung, wenngleich teilweise veraltet, dennoch zweckmäßig sei, weil sie auf die jeweiligen Bedürfnisse der Schüler eingehe. Es wurde seiner Ansicht nach jedoch verabsäumt, den Unterricht in den einzelnen Klassen zu erweitern und methodisch fruchtbarer zu gestalten. Besonders die Berufsschulen müssten noch ausgebaut werden. Seiner Meinung nach wäre die Errichtung von Gewerbe-, Ackerbau-, Forst- und Handelsschulen ein dringendes Bedürfnis. Diese Berufsschulen stünden nämlich in enger Verbindung mit der Lebenswelt der Schüler und könnten sie auf die späteren Berufe vorbereiten. Da sich die Ansicht, dass solche Schulen von großem Nutzen sind, immer mehr durchsetzt, würde damit auch die Zahl der Schüler angehoben und damit letztlich auch der Grad der allgemeinen Volksbildung gehoben.

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Volksschulen

Untere Volksschule oder Trivialschule mit 2 Klassen Höhere Volksschule oder Hauptschule von Berufsschulen
drei Klassen vier Klassen
Diese Volksschulen sind in 2 Unterrichtsklassen getheilt, in jene der kleineren und in jene der größeren Schulen, mit besonderen Lehrplänen.
Ihr Bestand ist in der Wirklichkeit nach den Lokalumständen und der Schülerzahl sowie nach der Art und Weise, wie der Unterricht ertheilt wird, sehr verschieden.
Es gibt Trivialschulen:
a. mit 1, 2, 3 und mehreren Schulklassen und mit 1, 2, 3 und mehreren Lehrzimmern und ebenso vielen Lehrindividuen;
b. mit halbtägigem und ganztägigem Unterrichte;
c. mit halbjährigem und ganzjährigem Schulbesuche;
d. Schulen, wo die Geschlechter gemeinschaftlich und abgesondert unterrichtet werden;gemeinschaftliche Schulen, Knaben- und Mädchenschulen
e. Sie werden eingetheilt in:
Pfarrschulen im Pfarrorte, Filial- und Mittelschulen in entfernteren eingepfarrten Ortschaften. Die eigentlichen Filialschulen haben gewöhnlich eigene stabile Lehrer, einzelne sind Gehilfenstationen mit exponirten und exkurrirenden Gehilfen
Die Hauptschule von drei Unterrichtsklassen hat a. für jede Klasse einen besonderen Lehrplan; sie muß b. 3 Schulklassen und 3 Lehrzimmer mit 3 Lehrern haben. Bei einer großen Schülerzahl wird gewöhnlich die 1. Klasse in die untere und obere Abtheilung getheilt.
c. Die 1. und 2. Klasse vertreten gewöhnlich die Trivialschule; in ihnen sind die Geschlechter gewöhnlich noch beisammen;
d. Die 3. Klasse hat in den allermeisten Fällen nur Knaben; sie bereitet zum Gymnasium und zur IV. Klasse vor.
e. Diese Schulen bestehen gewöhnlich in Städten, wo Gymnasien sind, sie wurden in neueren Zeiten sehr vermehrt.
f. Sie hatten das Recht, Schulpräparanden zu bilden und zu Schulgehilfen zu befähigen.
g. In der jüngsten Zeit wurden auch dritte Klassen für Mädchen errichtet und ihnen ein eigener von jenen der dritten Klasse für Knaben etwas veränderter Lehrplan gegeben.
Diese schließt sich an die dritte Klasse an und besteht bald aus 1, bald, und zwar bei den meisten Hauptschulen, aus 2 Jahrgängen mit besonderen Lehrplänen.
Sie war bestimmt, die Jugend für Künste und Handwerke und für den Handel geringerer Art zweckmäßig vorzubereiten, einzelne Jünglinge auch geschult zu machen, in die Real- und auch Gymnasialschulen überzutreten.
Wo keine besonderen Realschulen bestanden, traten die Schüler der 4. Klasse auch in die politechnischen Institute ein, was zum Theil noch jetzt geschieht.
Lehramtskandidaten für Hauptschulen wurden in der neuesten Zeit verpflichtet, die 2 Jahrgänge der 4. Klasse zu absolviren.
Die Berufsschulen sind noch nicht nach allen Richtungen organisirt. Sie wurden bisher gewöhnlich durch die IV. Klassen und die verschieden eingerichteten Realschulen ersetzt. Doch gibt es schon Forstschulen, Ackerbauschulen, nautische Schulen, zum Theil Privatunternehmungen. Es wären zu errichten oder besser einzurichten:
a. Gewerbsschulen,
b. Ackerbauschulen,
c. Forstschulen,
d. Handelsschulen,
e. nautische Schulen,
f. Lehrerbildungsanstalten,
g. Bauschulen.
Die beste Vorbereitung hiezu würde die IV. Klasse geben; diese also den Eintritt zu diesen Schulen eröffnen. Diese Berufsschulen würden eine sehr gemeinnützige Bildung unter zahlreiche und beachtungswerthe Volksklassen bringen.
Wie bei allen Volksschulen wäre auch hier auf das obwaltende Bedürfnis zu sehen.

Krombholz

a. Der gegenwärtig bestehende Organismus der Volksschulen, wie er in der beiliegenden Übersicht dargestellt wird, ist sehr zweckmäßig; denn er ist ganz naturgemäß und zugleich auf die obwaltenden Umstände und Bedürfnisse gegründet, ja er ging zum Theil aus denselben nothwendig hervor. Er ist nur
b. in einzelnen Theilen schon etwas veraltet, indem man nicht immer zur rechten Zeit die nothwendigen Verbesserungen vornahm; besonders versäumte man, den Unterricht in den einzelnen Klassen zweckmäßig zu erweitern und einzurichten; die Anwendung guter Methoden theils zu erleichtern, theils fruchtreicher zu machen usw.
c. Sehr zweckmäßig werden die Volksschulen in untere, mittlere und höhere eingetheilt – das ist:
1. in Volksschulen von 2 Klassen für die einfachsten Landgemeinden, besonders in jenen Gegenden, wo der Schulbesuch durch örtliche Hindernisse sehr erschwert, daher oft unterbrochen ist;
2. in Volksschulen von 3 Klassen (Hauptschulen von 3 Klassen) für Städte und größere Landgemeinden, wo ein ununterbrochener Schulbesuch hergestellt werden kann, und in Volksschulen von 4 Klassen (mit der Unterrealschule) für größere Städte und Gewerbsorte.
d. Das schulpflichtige Alter vom 6. bis zum 12. Jahre incl., das in Städten und einzelnen größeren Ortschaften bis zum vollendeten 13. und 14. ausgedehnt werden könnte, ist wenigstens bei dem größten Theile der Jugend zureichend, um die bezeichneten Volksschulen zu vollenden.
Mit den zweckmäßigen hergestellten und eingerichteten Schullokalitäten, mit einem vermehrten und besser gebildeten Lehrpersonale und mit der Verbreitung guter Lehrmethoden rückt der Unterricht schnell vor und der fähige Schüler kann bei einem fleißigen Schulbesuche jedes Jahr eine Unterrichtsklasse zurücklegen, so daß er mit dem 12. Jahre die 4. Klasse und die Unterrealschule absolvirt:
vom 6. bis 7. Jahre Eintrittsklasse
7. bis 8 Jahre 1. Klasse
8. bis 9. Jahre 2. Klasse
9. bis 10. Jahre 3. Klasse
10. bis 11. Jahre 4. erster Jahrgang
11. bis 12. Jahre 4. zweiter Jahrgang
Vor 50 Jahren erreichten nur wenige Knaben die dritte Klasse; jetzt verlassen in Städten, wo Hauptschulen bestehen, schon wenig Knaben die Schule, ohne die dritte Klasse absolvirt zu haben. Der Besuch der 4. Klasse und Unterrealschule wird immer allgemeiner und dürfte nach einigen Jahren schon soweit vorgeschritten seyn, daß der größere Theil der männlichen Jugend, welcher der Industrie, dem Handel und den Gewerben sich zuwendet, ohne die 4. Klasse gehört zu haben, die Schule nicht verläßt.
e. Zu den Volksschulen zähle ich alle jene Schulen, mit welchen die größte Masse des Volkes seine Schulbildung abschließt und nach richtiger Erwägung aller Lebensverhältnisse abschließen soll. Die 4. Klasse und Unterrealschule gehört daher zur Volksschule, was auch ihre Entstehung und Benützung deutlich anzeigt.
f. In den besser eingerichteten Volksschulen, nämlich in der 3. Klasse, kann schon etwas mehr auf die nächsten Lebensverhältnisse der Kinder hingewirkt werden; hier ist es an der Zeit, die Geschlechter in eigene Schulklassen abzusondern. Die Knaben können in der dritten Klasse nach Verschiedenheit der örtlichen Verhältnisse bald etwas aus der Landwirthschaft, bald aus der Gewerbskunde erfahren; die Mädchen, nebst der Anweisung zu einigen weiblichen Arbeiten, etwas von dem <erlernen>1, was sie in der Haus- und Feldwirthschaft usw. zu beobachten haben.
g. Eine sehr nützliche Vorbereitung für die Landwirthschaft, für Industrie, Gewerbe und Handel gewährt dem Knaben der Besuch der 4. Klasse und der Unterrealschule, indem er durch die Gegenstände, welche in den zwei Jahrgängen behandelt werden, für die bezeichneten Geschäftszweige nicht nur in seinen Kräften mehr befähigt, sondern auch mit manchen dahin einschlagenden Kenntnissen und Fertigkeiten bereichert wird. Darum bewarben sich auch alle größeren Gewerbs- und Handelsorte um die Errichtung der 4. Klasse.
h. Zur nöthigen Ausbildung mehrerer sehr wichtiger Volksklassen und zur Vorbereitung gemeinnütziger Kenntnisse würde die Errichtung von Gewerbs-, Handels- und Ackerbauschulen, auch von Bau- und Forstschulen sowie von nautischen Schulen sehr viel beitragen; einige derselben sind ein dringendes Bedürfnis. Die eigenen Verhältnisse und Beschäftigungen einer Stadt und deren Umgebung oder auch eines Landes zeigen an, welche aus den genannten Schulen und wo sie zu errichten sei. Diese Schulen können mit Recht Berufsschulen genannt werden, denn sie stehen mit dem Lebensberufe der Schüler in unmittelbarer Verbindung und führen sie wohlvorbereitet in denselben ein. Sie sind keine Zwischenschulen zwischen der Unter- und Oberrealschule, sondern zwischen der Unterrealschule und den betrefflichen Berufsarten; die Unterrealschule würde nämlich für sie die beste Vorbereitung gewähren. Die Zahl dieser Berufsschulen sowie der einzuführenden Jahrgänge könnte erst durch das mit der Zeit sich offenbarende Bedürfnis bestimmt werden. Mit der fortschreitenden Schulbildung und mit der sich verbreitenden Anerkennung der Nützlichkeit solcher Berufsschulen wird die Zahl der Schüler immer größer werden und es wird bald das Bedürfnis der Errichtung neuer, bald jenes der Erweiterung der bestehenden Berufsschulen eintreten. Ebenso wird sich der Lehrplan erweitern lassen. Diese Berufsschulen würden umso nützlicher sich beweisen, je mehr die Zöglinge zum Anschauen und Üben dessen, was der Betrieb ihres künftigen Berufes erfordern wird, Gelegenheit fänden. So müßten bei den Gewerbsschulen allerlei gewerbliche Gegenstände als Werkzeuge und Modelle, Zeichnungen usw. vorhanden seyn, es müßten einzelne Versuche im Kleinen gemacht werden können; es müßten den Zöglingen einzelne musterhafte Werkstätten zu bestimmten Stunden offen stehen usw. Bei Ackerbauschulen müßte entweder eine eigene kleine Musterwirthschaft sich befinden oder es müßte eine Musterwirthschaft in der Nähe seyn, wo die Zöglinge bei den ökonomischen Bestellungen und Arbeiten erscheinen und nach Zulaß der Umstände sich selbst an ihnen betheiligen könnten.
Diese Schulen sollen nicht aus dem Kreise des Volkes, folglich nicht aus dem Gebiete der Volksschulen herausgehoben werden. Es thut nicht gut, den Knaben zu hoch zu heben; er mag sonst nicht mehr herabsteigen und wird für gewisse Lebensverhältnisse weniger tauglich. Die Berufsschulen müssen beim Volke bleiben, daß es an ihnen Freude finde und sich gern an ihnen betheilige.
31. Mai 1850
Krombholz