Gesprächsnotiz von Leo Thun
o. O., [1855]
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Regest

Notiz von Leo Thun über zwei Gespräche mit Außenminister Ferdinand Buol-Schauenstein und Professor Lorenz von Stein. Buol sprach sich dahingehend aus, in einem kommenden Krieg eine Allianz mit Frankreich gegen Preußen einzugehen. Ein Krieg mit Preußen gegen Russland käme Buol hingegen nicht sonderlich gelegen. In einem Krieg gegen Preußen könnte Österreich Schlesien erobern, Sachsen wiederherstellen und Deutschland so wieder befrieden. Frankreich könnte dann die Rheinlande besetzen.
Prof. Lorenz Stein erzählte von einem Besuch eines reichen, nicht näher genannten Mannes aus Paris, der dort mit viel Geld eine Zeitung gründen wolle, die sich für die Etablierung einer Allianz von Österreich und Frankreich einsetzen soll. Stein bot er hierfür den Posten eines Redakteurs an. Außerdem bat er Stein um Hilfe bei der Suche nach tüchtigen Mitarbeitern. Mit Hilfe der angestrebten Allianz zwischen Österreich und Frankreich könnte im Kriegsfall Frankreich die Rheinlande, Belgien und sogar Holland erobern. Österreich könne sich dann – so glaubt Stein – nehmen, was es wolle, allerdings sei der gesamte Norden Deutschlands unter französischem Einfluss.

Anmerkungen zum Dokument

Eigenhändige Notiz von Leo Thun.

http://hdl.handle.net/21.11115/0000-000B-DAFE-2

Schlagworte

Edierter Text

Anfangs 1855

1. Graf Buol hat gesprächsweise geäußert:
Kommt es zum Krieg so ist es mir viel lieber Preußen hält nicht mit uns.
Ein Krieg mit Preußen gegen Russland ist für uns eine große Verlegenheit. Hält hingegen Preußen mit Russland, so führen wir mit Frankreich Krieg gegen Preußen. Dann nehmen wir Schlesien, Sachsen wird wieder hergestellt, und wir haben einmal Ruhe in Deutschland, um den Preis mag immerhin Frankreich die Rheinlande nehmen. Was liegt uns daran ob sie deutsch oder französisch seien.

2. Es ist Jemand aus Paris zu Prof. Stein gekommen, um ihm mitzutheilen:
Er ist ein sehr reicher Mann in Paris, der 1/2 Million daran setzen will, um in Paris ein deutsches Organ zu schaffen, welches die enge Allianz Frankreichs mit Österreich vertreten soll. Dazu sollen die besten deutschen Federn gewonnen werden, um jeden Preis den sie haben wollen. Auf das Geld kommt es gar nicht an. Er both dem Prof. Stein die Stelle eines Redakteurs an, und fügte bei: Preußen benimmt sich so, daß Österreich alle Ursache hat mit ihm sehr unzufrieden zu sein. Der nächste Konflikt in Europa führt wahrscheinlich zu einem Kriege von Frankreich mit Österreich gegen Preußen. Dann mag Österreich seinen Theil nehmen, wir nehmen die Rheinprovinzen; ihnen muß Belgien folgen, und ebenso Holland.

Stein sagte mir dazu: und haben die Franzosen das erreicht, so werden sie zu Österreich sagen: jetzt hat unsere Allianz ein Ende, wir haben was wir brauchen, jetzt sieh du zu, und nimm dir was du willst; – der Norden von Deutschland ist dann aber unter französischem Einfluße.