Leo Thun an Joseph Alexander Helfert
o. O. [Slabce?], 7. Juli 1852
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Regest

Leo Thun teilt Joseph Alexander Helfert einige Gedanken zu Personalfragen des Unterrichtsministeriums mit. Thun ist mit den bisherigen Entscheidungen von Helfert einverstanden und stellt ihm weitere Maßnahmen frei. Thun empfiehlt – sollte die Notwendigkeit bestehen, weiteres Personal aufzunehmen – Antonio Pertile einzustellen. Allerdings sollte sich Helfert davor noch über dessen politische Gesinnung, besonders über Pertiles Stellung zum italienischen Nationalismus, informieren. Schließlich äußert sich Thun enttäuscht über die Entwicklung in der Angelegenheit von Francesco Ambrosoli. Er hofft, beim Kaiser persönlich noch etwas erreichen zu können. Erfreut zeigt sich Thun jedoch über den Bericht von Johann Kleemann. Die Angelegenheit der Pester Reformgemeinde will er demnächst im Ministerrat besprechen. Thun bittet Helfert auch Franz Exner zu grüßen. Abschließend berichtet er von seiner Reise nach Böhmen und äußert seinen Wunsch, bei seinem bevorstehenden Besuch in Prag den Kampf gegen religiösen und wissenschaftlichen Radikalismus zu propagieren.

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Edierter Text

den 7. Juli 1852

Lieber Helfert!

Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Mittheilung vom 1. d.
Carina ist, wenn ich mich nicht sehr irre bedeutend später Sekretär geworden als Heufler, und in so fern gegen seine Unterordnung unter ihn nichts einzuwenden. Seine geistige Trägheit macht ihn in meinen Augen unverläßlich; ich besorge von ihm nicht nur [?], sondern mehr noch Nachläßigkeiten in einzelnen Fällen, die Beachtung erfordern. In etwa 14 Tagen muß Tomaschek wieder eintreten, und damit behebt sich der Anstand ohnhin. Indessen, – wenn er inzwischen fleißig und sorgfältig war, und sich eine minder wesentliche Parthei ausscheiden läßt, so ermächtige ich Sie nach Ihrem Wunsche – gleichsam als Beweis des wiedererwachenden Vertrauens – vorzugehen. Drängt es so sehr mit Kega[?], der jedenfalls gefehlt hat, mich von seiner Bewerbung nicht in Kentniß zu setzen, so nehmen Sie den jungen Pertile auf, wenn Sie nur noch von einer anderen Seite, als aus Mozarts Quellen, i. e. mittelbar von Prof. Pertile über ihn, – namentlich auch über seine Verläßlichkeit in ital.-politischer Beziehung beruhigende Auskunft erhalten können, also entweder von den Landesbehörden, oder von Noy (Ministerium des Innern) vielleicht weiß auch Meschutar von ihm. Mozart ist manchmal voreilig in seinem Urtheil und im Vertrauen auf Professoren-Empfehlung. Das Schlimmste ist die ungünstige Äußerung Baumgartens1 in der Angelegenheit von Ambrosoli und ? – Ihre Gegenäußerung ist vortrefflich. Mir müssen sehen, was herauskommt, und ob ich noch persönlich bei dem Kaiser etwas durchsetzen kann; schon die Verzögerung ist aber sehr übel.
An Berzheu[?] bitte ich Sie doch praesidialiter die Auskunft des Kriegsministers mittheilen zu lassen.
Die Angelegenheit der Pesther Reformgemeinde muß nun von mir im Ministerrath ausgetragen werden.
Über die Nachrichten von Kleemann bin ich im ganzen genommen erfreut. Jedenfalls ist es sehr gut, daß er die Reise unternommen hat.
An Exner lassen Sie meinen Gruß gelangen. Ich bedaure doch sehr, daß er sich in Baden niedersetzt und nicht wenigsten nach Reichenau oder dgl. in die wirkliche Alpenluft geht. Er sollte das doch noch thun, da die Witterung wohl auch in Wien günstig ist.
Ich gehe heute weiter nach Tetschen, und werde den 17–19 in Prag zubringen, um mich dort über die wissenschaftlichen Zustände instruiern und ein Feldzug gegen den politischen und kirchlichen Radikalismus auf wissenschaftlich nazionalem Gebiethe einzuleiten suchen.
Der Urlaub hat mir jedenfalls sehr gut gethan, und mich für die Gegenwart wieder in guten Stand gesetzt: wenn es nur aushält.

Aufrichtig der Ihrige
Thun

Ich bitte lassen Sie von Schönbach für mich ein Exemplar von Schönhals Erinnerungen aus den italienischen Feldzügen2 kaufen, ehe die 2. Auflage vergriffen ist.