Die Staatsanwaltschaft von Kaschau beantragt beim zuständigen
                        Landesgericht, gegen die Beschuldigten Eduard Zsedényi, Karl Máday und
                        Anton Pálkövy wegen des Verbrechens der Störung der öffentlichen Ruhe
                        Anklage zu erheben. Daraufhin werden von der Staatsanwaltschaft die
                        Gründe für ihren Antrag dargelegt. Eduard Zsedényi hat am Käsmarker
                        Konvent Anträge gegen das Protestantenpatent gestellt, die zu
                        Beschlüssen des Konventes erhoben wurden. Karl Máday hat das Protokoll
                        des Konventes verfasst, dort die Beschlüsse aufgenommen und dieses zur
                        Drucklegung zur Verfügung gestellt. Anton Pálkövy hat die Besorgung des
                        Druckes und die Versendung der Exemplare übernommen. Besonders Zsedényi
                        kann aufgrund von Briefen nachgewiesen werden, dass er gegen die
                        ausdrückliche Bestimmung des Patentes vom 1. September 1859 die
                        evangelischen Gemeinden aufforderte, an der alten Kirchenverfassung
                        festzuhalten und dem Patent nicht Folge zu leisten.
Beilage: Die
                        drei Angeklagten werden wegen des Verbrechens der Störung der
                        öffentlichen Ruhe vom Landesgericht in Kaschau zu Gefängnisstrafen
                        verurteilt: Eduard von Zsedényi und Anton Pálkövy zu jeweils vier
                        Monaten und Karl Máday zu zwei Monaten. Auf die Bekanntmachung des
                        Urteils erfolgt die Begründung des Urteils gegen die Angeklagten.
Beilage: Urteil des k.k. Landesgerichts von Kaschau gegen die drei Angeklagten. Kaschau, 31. Dezember 1859
Ämtliche Abschrift
An das löbliche k.k. Landesgericht zu Kaschau
Die wider Eduard von Zsedényi, Karl Maday und Anton Palkövy wegen Verbrechens der Störung der öffentlichen Ruhe abgeschlossenen Specialuntersuchung produzirt die k.k. Staatsanwaltschaft mit folgenden Anträgen:
1. auf Abtrennung des Verfahrens gegen die drei Genannten von jenem gegen die
                           übrigen Beschuldigten im Sinne des § 11 der k. Verordnung vom 3. Mai 1858 Nr. 68
                           RGBl.
2. auf Versetzung des Eduard von
                                 Zsedényi, Karl Maday und
                           Anton Palkövy in den Anklagestand
                           wegen Verbrechens der Störung der öffentlichen Ruhe, begangen und strafbar nach
                           § 65 lit. Bürgerliches Strafgesetz
3. auf Belassung sämmtlicher Angeklagten
                           auf freien Fuße bis zum Endurtheile.
Gründe
Die am 27. bis 29. September letzten Jahres zu Käsmark [Kežmarok] abgehaltene evangelische
                           Distriktualversammlung Augsburgischer Confession aus der ehemaligen Theißer
                           Superintendenz hat – zeuge des bezüglichen Originalsitzungsprotokolles und nach
                           dem Zugeständnisse aller bisher einvernommenen Conventsmitglieder – den Beschluß
                           gefaßt, Seine k.k. Apostolische Majestät
                           allerunterthänigst zu bitten, den Vollzug des Allerhöchsten Patentes vom 1.
                           Sept. 1859 Z. 160 RGBl und der hohen Ministerialverordnung vom 2. desselben
                           Monats Nr. 161 RGBl zu suspendiren, die zu diesem Zwecke verfaßte Adresse der
                           übrigen 7 Superintendenzen ohne Verzug mitzutheilen, selbe im ungarischen
                           Original, dann in deutscher und slavischer Übersetzung drucken zu lassen und an
                           die Seniorate und Kirchengemeinden mit der Anempfehlung ([ajanltatvan]) zur
                           Wissenschaft zu vertheilen, daß sie zur Vermeidung neuer und größerer
                           Verwicklungen bis auf weitere Weisung (tovabbi utasitásig) bei der alten
                           Verfassung bleiben sollen und daß die in dieser Angelegenheit herablangenden
                           weiteren Regierungsverordnungen den geistlichen und weltlichen Vorstehern der
                           Seniorate ausschließlich (kirekesztoleg) zur Kenntnisnahme mitzutheilen seien.
                           
Einem weiteren Beschluße zu Folge sollte das Conventsprotokoll in 1000
                           Exemplare zum Zwecke größerer Verbreitung in Druck gelegt werden.
Diese
                           Drucklegung ward, und zwar mit 1500 Exemplaren, in der Buchdruckerei des S[áros]
                           Pátaker [Sárospatak] reformirten Collegiums affektuirt,
                           von wo aus die größere Anzahl dem Superintendenzadministrator zu
                           Leutschau [Levoča], 100 Stück dem Distriktsnotär
                           Karl Maday und 100 Exemplare dem
                           Hegyallyaer
                           [Hegyalja] Seniorate, d. i. eben demjenigen
                           zugesendet wurde, welches nach § XXVI des kaiserlichen Patents vom 1. September
                           letzten Jahres aus dem Verbande der bisherigen Theißer Superintendenz
                           auszuscheiden und einen Bestandtheil der Szarvaser Superintendenz zu bilden hat.
Insoferne nun durch
                           das eben bezogene Allerhöchste Patent und durch die gemäß besonderer
                           Allerhöchster Ermächtigung (§ LV) somit ebenfalls mit Gesetzeskraft erlassene
                           hohe Ministerialverordnung vom 2. September letzten Jahres einer Abänderung der
                           bis dahin faktisch bestandenen Verfassung der Evangelischen in
                           Ungarn getroffen und auch eine andere Eintheilung der
                           Superintendentialdistrikte verfügt wird, enthält die von der Käsmarker Versammlung beschlossene Empfehlung an
                           die unterstehenden kirchlichen Gemeinden, "bei der alten Verfassung zu bleiben",
                           die Aufforderung, den neuen Gesetzen keinen Gehorsam zu leisten und da die
                           Mittheilung von dieser Aufforderung zum Ungehorsam auch wirklich dem größten
                           Theile derjenigen zukam, an welche sie gerichtet war, nachdem auf obigem
                           Distriktualconvente sämmtliche Seniorate vertreten waren und die Druckexemplare
                           des Sitzungsprotokolles vielfach verbreitet wurden, so liegen in dem erwähnten
                           Beschluße alle Merkmale des laut § 65 lit. Bürgerliches Strafgesetz verpönten
                           Verbrechens der Störung der öffentlichen Ruhe.
                           Eduard von Zsedényi, welcher nach Inhalt
                           des Protokolles des vom Seniorate der sechs k. Freistädte am 26. September 1859
                           zu Leutschau abgehaltenen Conventes für die dortige
                           evangelische Gemeinde als Deputirter zum Distriktualconvente bestimmt wurde,
                           gesteht, daß nachdem er auf Letzterem gegen das Allerhöchste Patent gesprochen
                           und die Adresse an Seine k.k. Apostolische
                                 Majestät beantragt hatte, auch die Zusatzbeschlüsse mit seiner
                           stillschweigenden Beistimmung zu Stande gekommen sind, obwohl von Deputirten
                           desselben Convents sogar behauptet wird die das weitere Benehmen betreffenden
                           Beschlüsse seien ebenfalls über Zsedényis Antrag erfolgt, wie denn auch aus den gepflogenen
                           Erhebungen deutlich sich ergibt, daß er in besonders hervorragender Weise zur
                           Fassung aller auf das mehrbesagte Allerhöchste Patent bezüglichen Beschlüsse
                           mitgewirkt hat.
Ebenso gesteht Karl
                                 Maday, Pfarrer in Bela, daß er der
                           Käsmarker Versammlung als Vertreter
                           des Seniorats der 13 Zipser Städte und zugleich in der Eigenschaft eines
                           Distriktsnotärs beiwohnte, daß er jenen für die Seniorate und Pfarrgemeinden
                           bestimmten Weisungen seine Zustimmung gegeben – ob ausdrücklich oder
                           stillschweigend ist ihm nicht mehr erinnerlich – daß er diese Beschlüsse in das
                           von ihm redigirte Conventsprotokoll aufnahm, selbes behufs der Drucklegung nach
                           S[áros] Patak [Sárospatak] übersendet und 45 Exemplare
                           davon vertheilt hat.
Auch Anton
                                 Palkövy, Professor des reformirten Collegiums zu S[áros] Patak
                           [Sárospatak], welcher durch den am 21. und 22.
                           September letzten Jahres zu Miskolcz
                           abgehaltenen Convent des Hegyallyaer
                           Seniorats zur Distriktualversammlung nach Käsmark abgeordnet wurde, betheiligte sich laut seines
                           Geständnisses an den in Rede stehenden Beschlüssen durch seine Zustimmung, erbot
                           sich noch im Convente die Drucklegung des Sitzungsprotokolles zu besorgen,
                           brachte eigenmächtig mehr Exemplare in Druck als der Convent festgesetzt hatte
                           und versendete sie auf die Eingangs erwähnte Weise.
Es will zwar keiner der
                           drei Genannten bei seiner Mitwirkung an den beanständeten Beschlüssen eine
                           Widersetzlichkeit bezweckt haben, indem das Verbleiben bei der alten Verfassung
                           bloß eine Consequenz der an Seine k.k. Apostolische
                                 Majestät gestellten Bitte gewesen sei.
Nachdem aber
                           Petitionen gegen erlassene Gesetze die Wirksamkeit derselben nie und nimmer
                           suspendiren können, so liegt schon in der bezeichneten Handlung selbst die zum
                           Verbrechen der Störung der öffentlichen Ruhe erforderliche böse Absicht, ganz
                           abgesehen davon, daß der Käsmarker Convent
                           laut XXX. Absatzes seines Sitzungsprotokolles die Kirchenvisitation im
                           Hegyallyaer Seniorate angeordnet hat,
                           eine Verfügung, welche, da sie über den Zeitpunkt der Erledigung der Adresse
                           hinausreicht, unzweifelhaft das absichtliche Ignoriren der Allerhöchsten
                           Bestimmungen beweist.
Übrigens hat Eduard
                                 von Zsedényi die Ideen, welche sich in den Conventsbeschlüssen
                           klar abspiegeln, bereits lange vorher vertreten; in seinem an Ernst Hauser unterm 16. September 1859
                           gerichteten Schreiben macht er die Bemerkung, daß das Allerhöchste Patent
                           einstimmig zurückgewiesen werden wird und daß die Protestanten ihre Kirchen und
                           Schulangelegenheiten nicht durch Patente regieren lassen können; als er in
                           seinem Schreiben vom 27. Sept. über die am selben Tage gefaßten Beschlüsse
                           referirt, fügt er die Worte bei: "der Administrator sowie die Senioral– und
                           Lokalkonvente werden angewiesen, zur Ausführung des Patents und Provisoriums
                           keine hilfreiche Hand zu leisten"; sein Brief vom 16. Oktober spricht es
                           deutlich aus, daß man passiven Widerstand, und zwar im vollen Sinne des Wortes,
                           leisten müsse; überhaupt enthalten seine vorliegenden Briefe fortgesetzte
                           Angriffe gegen die neuen Gesetze und gegen das hohe
                                 Cultusministerium, Belehrungen und Aufforderungen zur
                           Nichtbeachtung dieser Vorschriften, ja selbst Androhungen von Mißtrauensvoten
                           gegen Personen, welche zu ihrem Vollzuge mitwirken sollten. Ist dies alles
                           kennzeichnend für die Tendenzen Zsedenyis, so wirft es zugleich das wahre Licht auf die Absicht
                           derjenigen, welche nächst ihm an den Beschlüssen des Käsmarker Convents und an deren Effektuirung sich besonders
                           betheiligten, das sind Karl Maday und
                           Anton Palkövy.
Die große Eile,
                           mit welcher sie die Drucklegung des Protokolles betrieben, die von Karl Maday in seinem Briefe dto. 24. Oktober
                           1859 ausgedrückte Besorgnis von Hindernissen und die Andeutung, daß man das
                           Protokoll bei ihm nicht finden werde, wenn man es auch suchen sollte, endlich
                           Palkövys Bemerkungen in dessen
                           Schreiben vom 24. Oktober letzten Jahres, wornach er den Preis von jedem
                           Druckexemplare zu 15 fr aufsetzen ließ, um den offiziellen Schein und Belang zu
                           erhöhen, dabei aber die unentgetliche Vertheilung der Exemplare dem Ermessen des
                           Administrators freistellt, sprechen zu deutlich, um eines weitern Commentars zu
                           bedürfen.
Demzufolge erscheinen Eduard von
                                 Zsedényi, Karl Maday und
                           Anton Palkövy gemäß § 140 ad 1 und
                           268 Strafprozeßordnung des im § 65 ad Bürgerliches Strafgesetz verpönten
                           Verbrechens der Störung der öffentlichen Ruhe rechtlich beschuldiget.
Ihre
                           Versetzung in den Anklagestand ist im § 200 Strafprozeßordnung und die Belassung
                           derselben auf freiem Fuße im Abgange der Bedingungen des § 156
                           Strafprozeßordnung begründet.
Diese Darstellung rechtfertiget unter einem
                           den ad 1 gestellten Antrag.
Kaschau, den 16. Dezember 1859
Frey mp.
Urtheil
Das k.k. Landesgericht zu Kaschau [Košice] hat kraft
                              der ihm von Seiner k.k. Apostolischen
                                    Majestät verliehenen Amtgewalt in öffentlicher Sitzung unter
                              dem Vorsitze des k.k. Landesgerichtspräsidenten Schweidler und in Gegenwart der k.k.
                              Landesgerichtsräthe Dr. Ellenberger
                              und Henzelmann als Richter sowie des
                              k.k. Gerichtsadjunkten Leopold Wein
                              als Protokollsführers, über Einschreiten der k.k. Staatsanwaltschaft als
                              öffentlichen Anklägers, gegen die auf freiem Fuße befindlichen Angeklagten:
                              den pensionirten k.k. Hofrath Eduard von
                                    Zsedényi, den evangelischen Pfarrer Karl Máday und den Lehrer Anton Pálkövy, in Folge des wider
                              dieselben von diesem k.k. Landesgerichte am 17. December 1859 Z. 7106 Stf.
                              wegen Verbrechens der Störung der öffentlichen Ruhe gefaßten
                              Anklagebeschlußes, über die am 28., 29. und 30. December 1859 gepflogene
                              mündliche Schlußverhandlung über die bei derselben von dem k.k.
                              Staatsanwalte Moriz Frey und den
                              Angeklagten selbst an denselben Tagen gestellten Anträge zu Recht erkannt:
                              
                              Eduard von Zsedényi, 54
                              Jahre alt, Evangelisch-Augsburger Confession, ledig, pensionirter k.k.
                              Hofrath, wohlverhalten, ist des Verbrechens der Störung der öffentlichen
                              Ruhe als unmittelbarer Thäter
                              Carl
                                    Máday, 38 Jahre alt, Evangelisch-Augsburger Pfarrer zu
                              Bela, verheirathet, Vater von vier unmündigen
                              Kindern, bisher unbescholten, ist der Mitschuld am Verbrechen der Störung
                              der öffentlichen Ruhe und
                              Anton
                                    Pálkövy, 43 Jahre alt, Evangelisch-Augsburger Confession,
                              verheirathet, Versorger von zwei minderjährigen Ziehtöchtern, Professor und
                              Katechet am Obergymnasium zu Sáros-Patak
                              [Sárospatak], wohlverhalten, ist des Verbrechens der
                              Störung der öffentlichen Ruhe als unmittelbarer Thäter schuldig und werden
                              gemäß § 65 Strafgesetz
                              Eduard von
                                    Zsedényi mit Anwendung des § 54 Strafgesetz zur Strafe des
                              Kerkers in der Dauer von vier Monaten
                              Carl
                                    Máday mit Anwendung der §§ 54 und 55 Strafgesetz zur Strafe
                              des mit einmaligem Fasten in jeder Woche ergänzten Kerkers in der Dauer von
                              zwei Monaten und
                              Anton Pálkövy
                              mit Anwendung der §§ 54 und 55 Strafgesetz zur Strafe des mit einmaligem
                              Fasten in jeder Woche ergänzten Kerkers in der Dauer von vier Monaten,
                              außerdem werden alle drei Angeklagten gemäß § 341 Strafprozeßordnung in
                              solidum zum Ersatze der Kosten des Strafverfahrens <und der Verpflegung
                              im Straforte>1verurtheilt.
Gründe
Bei dem am 27. bis 29. September 1859 zu Käsmark abgehaltenen Distriktualconvente der bestandenen
                              Theißer Superintendenz der Evangelisch-Augsburger Glaubensgenossen wurde
                              zeuge des in den Akten erliegenden Konventsprotokolls, nach den vorliegenden
                              Zeugenaussagen und dem ausdrücklichen Geständnisse aller Angeklagten
                              einhellig der Beschluß gefaßt, Seine k.k.
                                    Apostolische Majestät zu bitten, den Vollzug des in Kirchen-
                              und Schulangelegenheiten der Evangelischen Ungarns erlassenen allerhöchsten Patentes vom 1. September
                              1859 Nr. 160 RGBl und der hohen Ministerialverordnung vom 2. September 1859
                              Nr. 161 RGBl zu suspendiren, die zu diesem Zwecke verfaßte
                              allerunterthänigste Vorstellung zugleich den übrigen 7 Superintendenzen
                              mitzutheilen, dieselbe im ungarischen Originale, dann in deutscher und
                              slavischer Übersetzung drucken zu lassen und an alle Seniorate und
                              Kirchengemeinden zu vertheilen, ihnen anempfehlend (ajánltatván), "daß sie
                              zur Vermeidung neuer und größerer Verwicklungen bis auf weitere Weisung
                              (további utasitásig) bei der alten Verfassung bleiben sollen und daß die in
                              dieser Angelegenheit herablangenden weiteren hohen Regierungsverordnungen
                              den geistlichen und weltlichen Vorstehern der Seniorate ausschließlich
                              (kirekesztóleg) zur Kenntnisnahme mitzutheilen seien".
Zugleich wurde
                              beschloßen, das Conventsprotocoll, in welches diese Beschlüsse wörtlich
                              aufgenommen erscheinen, zum Zwecke größerer Verbreitung in 1000 Exemplaren
                              drucken zu lassen.
Diese Vervielfältigung des Conventsprotocolls wurde,
                              und zwar in 1500 Exemplaren, von dem Lehrer Anton Pálkövy in der Schnelldruckerei des Sáros-Pataker reformirten Collegiums
                              wirklich besorgt zu Stande gebracht und ehe noch die gesetzliche Frist
                              abgelaufen war, das Konventsprotokoll in 100 Exemplaren an Carl Máday, in 100 Exemplaren an das eben
                              nach Absatz XXVI des Allerhöchsten Patentes vom 1. Sept. 1859 aus dem
                              Verbande der bisherigen Theißer Superintendenz ausgeschiedene und der neuen
                              Szárvaser Superintendenz
                              zugewiesene Hegyallyaer Seniorat und
                              in mehreren anderen Exemplaren an Private versendet, in dem Hegyallyaer Seniorate sowie von Karl Máday verbreitet. Die übrigen
                              Druckexemplare sind von Anton
                                    Pálkövy an den Superintendenzadministrator Johann Ludwig Toperczer in
                              mehreren Abtheilungen geleitet worden, an welchen sie theilweise gelangten
                              und durch Letzteren in einzelnen Exemplaren auch weiter verbreitet wurden.
                              
Durch das allerhöchste Patent vom 1. September 1859 und durch die gemäß
                              besonderer allerhöchsten Ermächtigung (Absatz LV) sohin ebenfalls mit
                              Gesetzeskraft erlassene hohe Ministerialverordnung vom 2. September 1859
                              wurde aber eine Abänderung der bis dahin faktisch bestandenen Verfaßung der
                              Evangelischen in Ungarn und auch eine andere Eintheilung
                              der Superintendenzialdistrikte verfügt; der vom Käsmarker Convente gefaßte Beschluß, den Senioraten und
                              Kirchengemeinden die Beibehaltung der alten Verfaßung bis zur weiteren
                              Weisung anzuempfehlen, enthält somit implicite die Aufforderung, die
                              bezogenen neuen Gesetze nicht zu befolgen. Ein Gleiches
                              gilt von dem Beschluße, die in dieser Angelegenheit erscheinenden weiteren
                              hohen Regierungsverordnungen ausschließlich zur
                              Kenntnisnahme den Senioratsvorstehern mitzutheilen.
Zur Begründung des
                              Thatbestandes des im § 65 lit. Bürgerliches Strafgesetz normirten
                              Verbrechens der Störung der öffentlichen Ruhe genügt, wenn Jemand
                              öffentlich, vor mehreren Leuten, in Druckwerken verbreiteten Schriften oder
                              bildlichen Darstellungen zum Ungehorsam gegen Gesetze zu verleiten sucht; hiernach liegt der Thatbestand dieses Verbrechens
                              schon in dem bei dem Superintendenzialconvente gefaßten Beschluße, die
                              Gemeinden zur Beibehaltung der alten Verfassung und die Senioratsvorsteher
                              ausschließlich zur bloßen Kenntnisnahme der weiteren hohen
                              Regierungsverordnungen aufzufordern; nun ist aber die an die Seniorate und
                              Gemeinden gerichtete Aufforderung zum Ungehorsam denselben auch wirklich
                              zugekommen, nachdem in dem Käsmarker Convente sämmtliche Seniorate und viele
                              Gemeinden vertreten waren, dem Convente auch andere nicht deputirte
                              Glaubensgenossen beiwohnten und überdies noch das Käsmarker Konventsprotokoll in vielen Druckexemplaren
                              anderweitig verbreitet worden ist, es muß daher der objektive Thatbestand des
                              im § 65 ad b. Strafgesetz vorgesehenen Verbrechens der Störung der
                              öffentlichen Ruhe um so mehr als vorhanden eingenommen werden, als dieses
                              Gesetz zwischen einem aktiven und passiven Widerstande keinen Unterschied
                              macht und schon im Begriffe des Wortes "Ungehorsam" ein bloß passives
                              Verhalten verstanden wird.
Der gemäß des in dem Convente des 6.
                              königlichen Freistädte Seniorates geführten Sitzungsprotokolls vom 26.
                              September 1859 und laut eigener Angabe zum Deputirten dieses Seniorates bei
                              dem obbezeichneten Distriktualkonvente gewählte Eduard von Zsedényi sowie der laut
                              Protokolls des Hegyallyaer [Hegyalja]
                              Senioratskonventes vom 21. und 22. September 1859 und laut eigener Angabe
                              zum Deputirten dieses Seniorates erwählte Anton Pálkövy gestehen: als solche zu dem
                              vorerwähnten verbrecherischen Beschluße ihre Zustimmung gegeben, zur Fassung
                              desselben mitgewirkt zu haben; ebenso gesteht Karl Máday das Konventsprotokoll vom 27.–29. September 1859
                              redigirt, den erstbezeichneten Beschluß in dasselbe mit aufgenommen, die
                              Drucklegung des Protokolls veranlaßt und mehrere Exemplare des gedruckten
                              Konventsprotokolls vertheilt zu haben, endlich gesteht auch Anton Pálkövy, daß er die Drucklegung
                              des Konventsprotokolls, und zwar im größeren Umfange, als er hiezu nach dem
                              Konventsbeschluße ermächtiget war, besorgte, einzelne Druckexemplare
                              desselben an Private, eine größere Partie derselben (100 Stk.) an Karl Máday, dann 100 Stück an das
                              Hegyallyaer [Hegyalja] Seniorat, die übrigen endlich
                              an den Superintendentialadministrator J[ohann] L[udwig] Toperczer
                              versandte. Durch diese mit dem erhobenen Thatbestande vollkommen
                              übereinstimmenden Geständnisse erscheint gemäß der §§ 264 und 268
                              Strafprozeßordnung die Schuld in Rücksicht der Thäterschaft und
                              beziehungsweise der Mitschuld an dem Verbrechen der Störung der öffentlichen
                              Ruhe gegen die Angeklagten erwiesen; der von denselben jedoch in Abrede
                              gestellte böse Vorsatz wird durch Nachstehendes außer
                              Zweifel gesetzt. Die zum Verbrechen der Störung der öffentlichen Ruhe nach §
                              65 ad Bürgerliches Strafgesetz erforderliche böse Absicht liegt zwar schon
                              in der Handlung selbst, nämlich in der Anempfehlung, bei der alten
                              Verfassung zu bleiben und in dem Beschluße, die weiter herablangenden hohen
                              Regierungsverordnungen den Senioratsvorstehern ausschließlich zur
                              Kenntnisnahme – also nicht auch zur Befolgung und Kundmachung –
                              mitzutheilen, in dem mit Bewußtsein des mit einer solchen Anempfehlung einem
                              solchen Beschluße nothwendig verbundenen Übels stillschweigend oder durch
                              unterstützende Handlungen erklärten Einverständniße selbst, ohne daß es
                              dabei auf den etwa anderweitigen Endzweck, welcher den Angeklagten hiebei
                              angeblich vorgeschwebt haben mochte, ankömmt. Abgesehen weiters davon, daß
                              den Angeklagten schon aus den ihnen vorher in der am 26. September 1859
                              gehaltenen Vorberathung durch Toperczer mitgetheilten Erlässen der k.k.
                              Statthaltereiabtheilungen zu Kaschau und Großwardein klar geworden sein mußte, daß
                              der Vollzug der neuen Gesetze schon begonnen habe, daß sie unbedingt befolgt
                              werden müssen und daß die gesetzliche Wirksamkeit derselben durch die
                              beschloßene Petition nicht gehemmt werden könne, daß die Angeklagten daher
                              durch ihre gegentheiligen Beschlüsse nicht nur selbst ihren Ungehorsam gegen
                              die neuen Gesetze an den Tag legen, sondern durch die Drucklegung und
                              Verbreitung derselben, ja durch die Beschlußfaßung selbst, auch ihre
                              Glaubensgenossen zum Ungehorsam gegen diese Gesetze zu verleiten suchen, so
                              liegen außerdem gegen die einzelnen Angeklagten auch noch solche Umstände
                              erwiesen vor, welche die Annahme einer anderen als der bösen auf die
                              Erreichung des im § 65 lit. Bürgerlichen Strafgesetz verstandenen Übels
                              abzielenden Absicht gar nicht zulassen.
Diese Absicht ist insbesondere
                              in dem von Eduard von Zsedényi in
                              seinem an Ernst Hauser gerichteten
                              Briefe vom 16. September 1859 klar ausgesprochen, da er darin "die
                              einstimmige Zurückweisung des allerhöchsten Patentes vom 1. September 1859"
                              verheißt und erklärt, "daß die Protestanten ihre Kirchen- und
                              Schulangelegenheiten nicht durch Patente regieren lassen können"; dieselbe
                              Absicht ist aus seinem am 27. September 1859 an Ernst Hauser geschriebenen Briefe unverkennbar, worin
                              Zsedényi dem Letzteren am
                              Tage des zu Käsmark gefaßten
                              Beschlußes mittheilt, "daß die Senioral- und Lokalkonvente wie auch der
                              Administrator angewiesen werden, zur Ausführung des k. Patentes und
                              Provisoriums keine hilfreiche Hand zu leisten".
Selbst die übrigen nach
                              jenem Convente durch Eduard von
                                    Zsedényi geschriebenen, von ihm anerkannten Briefe vom 14.,
                              15. und 29. Oktober, dann 5. November 1859, in welchen er von der
                              Nothwendigkeit einer passiven Widerstandsleistung, und zwar im vollsten
                              Sinne des Wortes spricht, zur Nichtbeachtung der neuen Gesetze aneifert,
                              diese und das hohe
                                    Cultusministerium unausgesetzt angreift und diejenigen
                              Personen, welche zum Vollzuge der neuen Gesetze bereit wären, mit
                              Mißtrauensvoten bedroht, lassen auf seine Sinnabrichtung keinen anderen
                              Schluß zu, als jenen, daß er schon vor dem Käsmarker Konvente beabsichtiget habe, seine
                              Glaubensgenossen zum Ungehorsam gegen die neuen Gesetze anzueifern. Endlich
                              war nach dem eigenen Zugeständniße des Eduard von Zsedényi sein Bestreben dahin gerichtet, den
                              status quo ante bis zur allerhöchsten Entschließung über die Petition zu
                              erhalten, worin die Absicht, den neuen Gesetzen bis dahin Ungehorsam
                              entgegen zu stellen und seine Glaubensgenossen zu gleichem Ungehorsam zu
                              bewegen, offen bekannt erscheint.
Was den zweitangeklagten Karl Máday betrifft, so kann der von ihm
                              selbst angegebene Umstand, daß der vom Senior Stefan Pékar gestellte Antrag, die neuen Gesetze vorerst in
                              den Gemeinden und Senioraten besprechen zu lassen, von ihm mit Erfolg
                              bekämpft wurde, ferner jener Absatz des am 1. Oktober 1859 an Anton Pálkövy von ihm gerichteten
                              Briefes, worin er von "unvorhergesehenen Hindernissen" der schnellen
                              Drucklegung des Konventsprotokolls spricht, unter denen er nach dem
                              natürlichen Verstande des Briefes keine anderen Hindernisse meinen konnte,
                              als jene, welche der erwähnten Drucklegung behördlich entgegengestellt
                              werden sollten, ferner der zweite am 24. Oktober 1859 an Pálkövy gerichtete Brief, worin
                              Karl Máday es ein Glück nennt, daß
                              das Protokoll in Sáros Patak (und
                              nicht wie vordem in Leutschau, wo man es bereits
                              behördlich suchte) gedruckt wurde und beifügt, daß man es auch bei ihm nicht
                              finden würde; endlich die Eile, mit welcher Máday die Drucklegung und Versendung des Conventsprotocolls
                              betrieb und von den ihm zugekommenen Druckexemplaren sogleich 45 Stück
                              selbst vertheilte; keinen Zweifel darüber lassen, daß Carl Máday die schnellste Verbreitung und
                              Kundmachung des Conventsprotocolls und der darin enthaltenen Beschlüsse mit
                              allem Eifer anstrebte, die hiedurch abzielende Verleitung seiner
                              Glaubensgenossen zum Ungehorsam gegen die neuen Gesetze mit vollstem
                              Bedachte beabsichtigte.
Der Beweis der bösen Absicht des Lehrers
                              Anton Pálkövy liegt außer der
                              vorher im Allgemeinen deducirten in der Mitwirkung zur Faßung jenes
                              sträflichen Beschlußes selbst ausgesprochenen Sinnabrichtung auch noch in
                              dem Umstande, daß Palkövy die
                              Drucklegung des Conventsprotocolls mit größter Beschleunigung besorgte,
                              welches, wie er in dem an Johann
                                    Ludwig Toperczer gerichteten Briefe vom 24. October 1859
                              selbst schrieb, mit Hintansetzung aller anderen Arbeiten bei Tag und Nacht
                              gedruckt wurde; in dem Umstande, daß er die Versendung der gedruckten
                              Protokolle mit auffallender Eile selbst vor Ablauf der gesetzlich bestimmten
                              Frist mit Umgehung des Preßgesetzes veranlaßte und einige Druckexemplare,
                              ohne hiezu ermächtigt gewesen zu sein, selbst sogleich an Private versandte,
                              welche [?] nur in der Absicht ihre Erklärung finden, durch die möglichst
                              rasche Verbreitung des Conventsprotocolls und der darin enthaltenen
                              Beschlüsse dem behördlichen Einschreiten zuvorzukommen, den Eintritt der in
                              diesen Beschlüssen angestrebten üblen Folgen zu sichern und zu
                              beschleunigen.
Nach dem Vorangelassenen erscheint somit auch die böse
                              Absicht gegen alle Angeklagten in Gemäßheit des § 138 ad 2 und der §§ 260,
                              264, 268, 272 und 282 Strafprozeßordnung in Rücksicht ihrer respektiven
                              Betheiligung an dem Verbrechen der Störung der öffentlichen Ruhe erwiesen
                              und es wird auf die Widerlegung der von den Angeklagten in ihrer
                              Vertheidigung angeregten Einwendungen wie folgt übergangen.
Der von
                              allen Angeklagten hervorgehobene Umstand, daß Vertreter kirchlicher
                              Corporationen wegen in kirchlichen Versammlungen in Kirchenangelegenheiten
                              gefaßter Beschlüsse durch ein Strafgericht nicht zur Verantwortung gezogen
                              werden dürfen, übt auf die Anwendung des Strafgesetzes keinen Einfluß, indem
                              der im Käsmarker Konvente gefaßte
                              Beschluß, den evangelischen Gemeinden anzuempfehlen, sich nach den alten
                              Gesetzen zu benehmen, über das Ressort kirchlicher Angelegenheiten
                              hinausreicht, den Rath zur Nichtbefolgung der neuen durch die Staatsgewalt
                              diesfalls giltig erlassenen Gesetze involvirt und in Erwägung, daß dem
                              Strafgesetze alle Staatsbürger, in was immer für einer Eigenschaft, ohne
                              Unterschied des Standes, der Religion und der sonstigen Verhältnisse
                              unterworfen sind und daß der § 65 Strafgesetz nicht unterscheidet, von wem
                              und in welcher Versammlung, dann aus welcher Veranlaßung zum Ungehorsam
                              gegen Gesetze zu verleiten gesucht werden, gemäß Art. I. des
                              Kundmachungspatentes vom 27. Mai 1852 als Verbrechen angesehen und gemäß § 2
                              Strafprozeßordnung durch das Strafgericht von Amtswegen untersucht und
                              bestraft werden muß.
Ebensowenig können die Angeklagten in dem Umstande,
                              daß jener Beschluß in Gegenwart eines landesfürstlichen Commissairs gefaßt
                              und die Versammlung nicht aufgelöst worden sei, woraus sie den Schluß
                              ziehen, daß sie sich daher vom gesetzlichen Boden nicht entfernt haben,
                              einen gesetzlichen Entschuldigungsgrund finden, denn so wenig einerseits dem
                              k.k. Strafgerichte die Beurtheilung darüber, ob der beim Käsmarker Convente zugegen gewesene
                              landesfürstliche Commissair, den fraglichen Beschluß, welcher in einer ihm
                              unverständlichen Sprache gefaßt worden, in seiner ganzen Bedeutung erfahren,
                              ob und inwiefern er seiner Amtspflicht mit Rücksicht auf jenen Beschluß
                              nachgekommen sei, zusteht, eben so wenig erscheint die Auffaßung des
                              landesfürstlichen Commissairs in Betreff dieser Beschlüsse für das
                              Strafgericht maßgebend und fällt überdies der von den Angeklagten geltend
                              gemachte Umstand nicht unter jene im § 2 Strafgesetz taxativ aufgezählten
                              Momente, bei deren Eintritte allein die strafrechtliche Imputation
                              ausgeschloßen erscheint.
Wiewohl ferner die Wirksamkeit des
                              allerhöchsten Patentes vom 1. September 1859 und der hohen
                              Ministerialverordnung vom 2. September 1859 in Gemäßheit des Gesetzes vom
                              27. December 1852 erst 45 Tage nach jenem Tage, an welchem sie im
                              Reichsgesetzblatte erschienen sind, beginnen konnte, so kann der Berufung
                              der Angeklagten auf diesen Umstand, aus welchem sie die Straflosigkeit ihrer
                              gegentheiligen Bestrebungen folgern wollen, doch kein Gewicht beigelegt
                              werden, da die obbezeichneten Gesetze eine alle Staatsangehörigen bindende
                              Kraft gleich nach deren Kundmachung hatten, den Angeklagten aus den Erlässen
                              der k.k. Statthaltereiabtheilungen zu Kaschau und
                              Großwardein schon bekannt
                              geworden, daß der Vollzug dieser Gesetze bereits begonnen habe und da sich
                              die Wirkung ihrer den Widerstand gegen die obigen Gesetze abzielenden
                              Beschlüsse voraussichtlich und offenbar über jenen Zeitpunkt (25. Oktober
                              1859) hinaus, an welchem die bezeichneten Gesetze in Wirksamkeit treten
                              mußten, erstrecken sollte und sich jener Widerstand faktisch bis zum 10.
                              November 1859 erstreckt hat.
Die von den Angeklagten versuchte Deutung
                              des im Beschluße vorkommenden Ausdrucks: "továbbe utasitásig" (bis zur
                              weiteren Weisung), als wäre darunter das Herablangen der allerhöchsten
                              Entschließung über die beschloßene Petition des Conventes gemeint gewesen,
                              steht mit den Worten und dem Sinne dieses Beschlußes im Widerspruche, in
                              dessen weiterer Fassung von den hohen Regierungsverordnungen gesprochen wird
                              im Gegensatze zu der oberwähnten Weisung, welch letztere offenbar nur als
                              von denjenigen ausgehend verstanden werden kann, von welchen die erste
                              Anempfehlung ausging. Da übrigens den Senioraten zugleich empfohlen worden,
                              die weiteren hohen Regierungsverordnungen ausschließlich zur Kenntnis zu
                              nehmen, so kann der unmittelbar vorausgegangene Beschluß nicht den Sinn haben, daß die diesfällige weitere Weisung von der hohen
                              Regierung zu erwarten sei.
Noch weniger Beachtung verdient die Auslegung
                              des im 4. Punkte des Conventsprotocolls enthaltenen Satzes: "daß die
                              evangelischen Kirchengemeinden bis auf weitere Weisung bei der alten
                              Verfaßung bleiben sollen", welchen Eduard
                                    von Zsedényi dahin verstanden haben will, die evangelischen
                              Kirchengemeinden mögen sich nicht durch die sofortige Wahl ihrer Vorsteher
                              in den faktischen Besitz ihrer vor dem Jahre 1848
                              gehabten Verfaßung eigenmächtig setzen und hiedurch den neuen Gesetzen aktiv
                              entgegentreten. Diese Auslegung findet ihre Begründung weder in den Worten
                              noch in dem natürlichen Sinne derselben, noch in den bezüglichen Aussagen
                              der hierüber einvernommenen Conventsmitglieder, wurde von Eduard von Zsedényi auffallender Weise
                              erst bei der Schlußverhandlung zur Geltung gebracht und entbehrt aller
                              faktischen Begründung, da noch keine Gemeinde die Hinneigung zu einem
                              solchen faktischen Eingriffe an den Tag gelegt und nur Paul Szontagh den Vorschlag gemacht hat,
                              den Districtualinspector nach altem Herkommen zu wählen. Bei Annahme dieser
                              Auslegung wäre übrigens nicht abzusehen, warum es der Convent noch für
                              nöthig befunden hätte, den Seniorats- und Gemeindevorstehern ausdrücklich
                              anzuempfehlen, die weiteren hohen Regierungsverordnungen blos zur Kenntnis
                              zu nehmen. Es kann die obberührte Anempfehlung somit nur dahin verstanden
                              werden, die Kirchengemeinden mögen sich an die unmittelbar bis zum 1.
                              September 1859 gültig gewesene Verfassung halten, daher die dieselbe
                              abändernden neuen Gesetze nicht befolgen.
Wenn sich Eduard von Zsedényi zum Beweise dessen,
                              daß durch die Drucklegung und Verbreitung des Conventsprotocolls eine
                              Verleitung der evangelischen Glaubensgenossen zum Ungehorsam gegen die neuen
                              Gesetze nicht beabsichtiget war [sic!], auf den Umstand beruft, daß jenes
                              Protokoll eben nur in ungarischer Sprache gedruckt worden ist, welche kaum
                              mehr als 12 Gemeinden des Superintendentialdistriktes verstehen, so genügt
                              die Bemerkung dagegen, daß dieses Protokoll ja ohnedies nur für die
                              Vorsteher und gebildeteren Mitglieder dieser Gemeinden bestimmt sein konnte,
                              welche alle der ungarischen Sprache mächtig sind; daß die meisten
                              evangelischen Kirchengemeinden am Convente selbst vertreten, daher durch die
                              Faßung der sträflichen Beschlüsse schon in den Stand gesetzt waren, auf die
                              übrigen Glaubensgenossen nachtheilig einzuwirken und daß übrigens, wie es
                              aus den Erhebungen erwiesen vorliegt, die Drucklegung der Conventsprotocolle
                              in ungarischer Sprache herkömmlich war.
Der Einwurf Zsedényis endlich, daß seine im
                              vertraulichsten Verkehre an Ernst
                                    Hauser, den Sohn seines Religionslehrers, geschriebenen
                              Briefe, die als Ausdruck seiner geheimsten Empfindungen und heiligsten
                              Wünsche niemals bestimmt waren, einem Dritten zur Kenntnis zu kommen, bei
                              Gerichte um so weniger gegen ihn gebraucht werden dürfen, als im § 11
                              Strafgesetz selbst die Gedankenfreiheit geschützt wird, erscheint durch die
                              §§ 102, 108, 138 ad 2, 139 und 272 Strafprozeßordnung widerlegt und bildet,
                              in so fern darin das Geständnis der Wahrheit der in jenen Briefen
                              ausgedrückten Ansichten liegt, den kräftigsten Beweis für die böse Absicht
                              dieses Angeklagten.
Die Briefe, welche Eduard von Zsedényi an Ernst
                                    Hauser geschrieben, nachdem die sträflichen
                              Konventsbeschlüsse gefaßt waren, können um so weniger unberücksichtiget
                              bleiben, als sich in diesen derselbe Ideengang ausspricht, welcher in den
                              früheren Briefen Zsedényis seinen
                              Ausdruck gefunden hat, diese Briefe somit einen ganz richtigen Schluß auf
                              dessen Absichten, dem Vollzuge des k. Patentes vom 1. Sept. 1859 einen
                              beharrlichen Widerstand entgegen zu stellen, zulassen.
Nicht minder
                              erfolglos sucht der zweitangeklagte Karl
                                    Máday seinem am 24. Oktober 1859 an Anton Pálkövy gerichteten Schreiben das
                              Ansehen der Loyalität zu geben, indem er vorschützt, diesen Brief nur
                              geschrieben zu haben, um die Druckexemplare des Konventsprotokolls je eher
                              an den Administrator Toperczer in die behördlichen Hände gelangen zu machen. Bei
                              Annahme dieser Behauptung wäre nicht zu begreifen, wie Máday schon in seinem Briefe vom 11. Oktober
                              1859 unvorhergesehene Hindernisse besorgen konnte, warum er die Drucklegung
                              dieses Protokolls mit so großem Eifer betrieb, warum er die sogleiche
                              Versendung von 100 Druckexemplaren an das Hegyallyaer Seniorat, die Zusendung von eben soviel
                              Exemplaren an sich selbst dem Anton
                                    Pálkövy zur Pflicht machte; warum er in dem Briefe vom 24.
                              Oktober 1859 sein Vergnügen darüber aussprach, daß das Conventsprotocoll in
                              Sáros-Patak gedruckt werde (wo
                              man es nicht gleich suchte) und beifügte, daß man es auch bei ihm nicht
                              finden würde; es wäre endlich nicht abzusehen, warum Carl Máday 45 der ihm zugekommenen
                              Druckexemplarien sogleich in aller Eile selbst vertheilte, obwohl ihm damals
                              lange schon bekannt war, daß diese Protokolle behördlich abgefordert worden
                              sind. Gerade dieser Brief vom 24. Oktober 1859 wirft in Verbindung mit der
                              vorbeschriebenen Handlungsweise Madays
                              das klarste Licht auf dessen böse Absicht in der Mitwirkung zur Erreichung
                              des gemeinsam angestrebten Übels.
Was endlich die von Anton Pálkövy zu seiner Entschuldigung
                              vorgebrachten Umstände betrifft, daß er 1. die Drucklegung und Versendung
                              des Konventsprotokolls nur über Ersuchen des Konventes übernahm und daß 2.
                              die ihm diesfalls zur Last gelegte Eile durch den Umstand, daß die
                              gedruckten Protokolle zwei Tage lang unexpedirt bei dem k.k. Postamte zu
                              Sáros-Patak liegen geblieben
                              sind, widerlegt werde, so muß in Rücksicht des ersten Punktes erwähnt
                              werden, daß sich die Aufforderung des Konventes an ihn nicht zum
                              unwiderstehlichen Zwange steigerte (§ 2 Strafgesetz), ihn daher wegen dieser
                              Betheiligung nicht straflos mache, sondern blos den im § 46 ad c.
                              Strafgesetz bezeichneten Milderungsumstand bilde, während der
                              zweitangeführte Umstand ein außer dem Verdienste und außer der Berechnung
                              des Anton Pálkövy gelegener Zufall
                              ist, welcher um so weniger zu seiner Entlastung beitragen kann, als erwiesen
                              vorliegt, daß Pálkövy bei
                              Versendung jener Druckexemplarien nicht einmal den Ablauf der gesetzlichen
                              Frist abgewartet, ja einzelne Exemplare selbst ohne hiezu erhaltene
                              Ermächtigung eilends verschickt habe.
Nachdem aus der vorgeschehenen
                              aktengetreuen Auseinandersetzung die Schuldfrage bezüglich aller Angeklagten
                              außer Zweifel gestellt erscheint, wird das Strafausmaß mit Nachstehendem
                              begründet.
Der Strafe des Verbrechens der Störung der öffentlichen Ruhe
                              ist nach § 65 Strafgesetz schwerer Kerker von einem bis zu fünf Jahren und
                              nach § 48 Strafgesetz muß bei Ausmessung derselben auf die erhobenen
                              Erschwerungs- und Milderungsumstände und auf das Verhältnis beider zu
                              einander Bedacht genommen werden.
Bei allen drei Angeklagten tritt der
                              Erschwerungsumstand des § 43 Strafgesetz ein, daß die
                              mit dem begangenen Verbrechen verbundene Gefahr sehr groß war; denn der
                              Beschluß, den evangelischen Gemeinden anzuempfehlen, bis auf weitere Weisung
                              bei der alten Verfaßung zu bleiben und jener, die weiteren hohen
                              Regierungsverordnungen den Senioratsvorstehern ausschließlich zur
                              Kenntnisnahme mitzutheilen, war geeignet, die Gemüther von circa 160.000
                              Evangelischen dieses Superintendentialdistrictes zu beunruhigen, zum
                              Widerstande gegen die hohe Regierung aufzureizen und der Letzteren hiedurch
                              ernste Verlegenheiten zu bereiten, dies um so mehr, als dieser Beschluß in
                              einen Zeitpunkt fiel, wo gerade das k. Patent vom 1. Sept. 1859 und die hohe
                              Ministerialverordnung vom 2. Sept. 1859 den Zweck hatten, die
                              Zufriedenstellung dieser Glaubensgenossen herbeizuführen. Übrigens war dem
                              Eduard von Zsedényi aus dem
                              von Ernst Hauser an ihn gerichteten
                              Briefe vom 20. September 1859 wohlbekannt, daß die Beschlüsse des Käsmarker Konventes für die Protestanten in
                              Preßburg und deren Vorgehen in
                              Rücksicht dieser neuen Gesetze von maßgebendem Beispiele sein sollten.
                              
Außer diesem tritt bei Eduard von
                                    Zsedényi noch ein zweiter Erschwerungsumstand des § 43
                              Strafgesetz ein, nämlich der, daß Zsedényi durch die Betheiligung an jenem Beschluße zweifache
                              Pflichten, die des k.k. österreichischen Staatsbürgers überhaupt und
                              zugleich jene eines k.k. Beamten, verletzt habe; indem derselbe zufolge des
                              geleisteten Diensteides insbesondere zur Treue gegen die allerhöchste
                              Dynastie und zum Gehorsam gegen die hohe Regierung verbunden erscheint.
                              
Hiebei wird bemerkt, daß sich der in der Anklage angenommene Umstand,
                              als seien die erwähnten Konventsbeschlüsse auf Anregung des Eduard von Zsedényi gefaßt worden, nach
                              den Ergebnissen der mündlichen Schlußverhandlung nicht bestätiget hat, daß
                              somit der Erschwerungsumstand der Urheberschaft bei Eduard von Zsedényi wegfällt.
Als
                              mildernd muß bei allen drei Angeklagten deren bisher
                              untadelhafter Lebenswandel angenommen werden (§ 46 ad b. Strafgesetz); bei
                              Hofrath von Zsedényi ist weiter
                              zu beachten, daß er streng im evangelischen Glauben erzogen, seit seiner
                              frühesten Jugend den kirchlichen Angelegenheiten das wärmste Interesse
                              gewidmet, mit besonderer Pietät immer für dieselben gewirkt hat und daß er
                              sich daher in der Meinung, die Verfaßung der evangelischen Kirche in
                              Ungarn werde durch die neuen Gesetze gefährdet,
                              infolge seines religiösen Eifers zu einer in seiner Erziehung begründeten,
                              aus seinem Gefühle entstandenen heftigen Gemüthsbewegung hinreißen ließ, dem
                              verbrecherischen Conventsbeschluße seine Zustimmung zu geben (§ 46 ad d.
                              Strafgesetz) – auch hat Hofrath von
                                    Zsedényi den Milderungsumstand des § 46 ad g. Strafgesetzbuch
                              für sich, indem er vom Konvente zum Visitator des Hegyallyaer Seniorates gewählt, geflissentlich unterließ,
                              dieses ihm übertragene Amt zu besorgen, um den neuen Gesetzen keinen
                              faktischen Widerstand entgegen zu setzen, die damit verbundenen weiteren
                              üblen Folgen zu verhindern. Die Annahme dieses Milderungsumstandes wird auch
                              durch die Aussage des landesfürstlichen Commissars k.k. Komitatsvorstandes
                              Maximilian Ritter von
                                    Siemianowski und durch mehrfache andere Erhebungen motivirt,
                              aus denen übereinstimmend hervorgeht, daß Zsedényi bei allen Gelegenheiten, namentlich bei dem im
                              Jahre 1856 wegen Berathung über den bezüglichen hohen Ministerialentwurf zu
                              Igló abgehaltenen Convente bemüht war, die
                              extravaganten Anforderungen mancher seiner Glaubensgenossen zu
                              beschwichtigen und insbesondere bei Aufnahme der Käsmarker Konventsbeschlüsse eine mildere Faßung zu
                              erzielen.
Wird schließlich erwogen, daß Hofrath von Zsedényi seit dem Beginne seiner
                              öffentlichen Laufbahn immer für die Interessen der rechtmäßigen Regierung
                              einstand, daß er zur Zeit des Cholera-Aufstandes im Jahre 1831 mit Gefahr
                              seines Lebens alles anwandte, um den Regierungsmaßregeln in seiner Sphäre
                              Achtung und Befolgung zu verschaffen und in den Revolutionsjahren 1848–1849
                              seine Anhänglichkeit an die allerhöchste Dynastie glänzend bethätigte, so
                              erscheint bei Ausmessung der im vorliegenden Falle verwirkten Strafe bei so
                              überwiegenden Milderungsumständen, welche im Zusammenhalte mit dem
                              letzterwähnten ausgezeichneten Vorleben mit Grund die Besserung dieses
                              Angeklagten erwarten lassen, die Anwendung des § 54 Strafgesetz sowohl in
                              Betreff der Strafdauer als der Strafart gebothen und die gegen Eduard von Zsedényi verhängte Strafe
                              des einfachen Kerkers in der Dauer von 4 Monaten im Gesetze
                              gerechtfertiget.
Dem Zweitangeklagten Karl
                                    Máday kömmt außer dem Milderungsumstande des § 46 ad b.
                              Bürgerliches Strafgesetzbuch auch noch der Umstand zu Gute, daß er die
                              Redigirung des Conventsprotocolls, die Aufnahme der sträflichen
                              Konventsbeschlüsse in dasselbe und die Drucklegung des Conventsprotocolls
                              nur über Auftrag des Konventes, dessen Beamter er ist, veranlaßt hat (§ 46
                              ad c. Strafgesetz) und da somit auch bei ihm überwiegende und mehrere
                              Milderungsumstände eintreten, sein bisher untadelhafter Lebenswandel
                              übrigens die Besserung dieses Angeklagten hoffen läßt, erscheint auch hier
                              die Anwendung des § 54 Strafgesetz gegründet. Mit Rücksicht auf dessen
                              schuldlose Familie kömmt überdies die Vorschrift des § 55 Strafgesetz zur
                              Anwendung und die Verurtheilung des Carl
                                    Máday, welchem blos die Mitschuld am Verbrechen der Störung
                              der öffentlichen Ruhe zur Last fällt, zu einem mittelst einmaligem Fasten in
                              jeder Woche ergänzten Kerker in der Dauer von 2 Monaten erscheint sonach dem
                              Gesetze gemäß.
Hinsichtlich des Drittangeklagten Anton Pálkövy, welcher in doppelter
                              Beziehung vorerst dadurch, daß er zur Faßung der verbrecherischen Beschlüsse
                              durch seine als Deputirten erklärte Zustimmung mitwirkte und dann dadurch,
                              daß er zum Vollzuge dieser Konventsbeschlüsse, durch die Correctur,
                              Drucklegung und Versendung des Conventsprotocolls Hilfe geleistet hat,
                              straffällig erscheint, muß in Rücksicht dieser zweiten Betheiligung
                              gleichfalls der Milderungsumstand des § 46 ad c. Strafgesetz hervorgehoben
                              werden, indem es erwiesen vorliegt, daß sich Pálkövy zur Vollstreckung jener Konventsbeschlüsse nur über
                              das ausdrückliche Andringen des Conventes selbst herbeigelassen hat. Die
                              Erwägung der bei Anton Pálkövy
                              eintretenden mehreren Milderungsumstände läßt auch bei ihm eine Besserung
                              erwarten; es wird hiedurch die Anwendung des § 54 Strafgesetz und bei dem
                              Umstande, als diesem Angeklagten die Obsorge für seine Gattin und zwei
                              minderjährige Ziehtöchter zur Last fällt, auch die Anwendung des § 55
                              Strafgesetz gerechtfertiget. In Anbetracht dessen einerseits und mit
                              Rücksicht auf die doppelte Betheiligung des Anton Pálkövy am Verbrechen anderseits, erscheint daher
                              dessen Verurtheilung zu dem mit einmaligem Fasten in jeder Woche ergänzten
                              Kerker in der Dauer von 4 Monaten dem Gesetze entsprechend.
Die
                              Verurtheilung aller für schuldig erkannten Angeklagten zum solidarischen
                              Ersatze der Kosten des Strafverfahrens ist im § 341 Strafprozeßordnung
                              <und der Strafersetzungskosten in der k. Verordnung vom 2. Juni 1859 Nr.
                              105 RGBl begründet.>2
                              
Kaschau, am 31. December 1859
Der k.k. Landesgerichtspräsident
W. Schweidler