Samuel Tomášek an Karl Kuzmány
Chyžno, 20. Juni 1860
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Regest

Der Senior des Gömörer Seniorats, Samuel Tomášek, teilt Karl Kuzmány mit, dass er bei dem Konvent zu Rosenau seines Amtes enthoben worden sei. Die Begründung der Delegierten lautete, er habe jene Gemeinden unterstützt, die das Patent vom 1. September 1859 anerkannt hatten. Außerdem berichtet er von Gewaltakten, die an Mitgliedern solcher Gemeinden verübt worden seien. Als eine wesentliche Ursache für die gewaltbereite und aufgeheizte Stimmung innerhalb der Gegner der Patents sieht er die Propaganda des magyarischen Adels, der das Volk für seine Zwecke instrumentalisiere. Er nennt auch das Beispiel einiger Geistlicher und beschreibt deren schlechtes Verhalten. Abschließend empfiehlt er den Professor Samuel Ormis, der früher in Rožnava gewirkt hat, für eine Lehrerstelle in Leutschau.

Anmerkungen zum Dokument

Abschrift und Übersetzung. Das tschechische Original ist im Nachlass Thuns unter der Signatur A3 XXI D592 abgelegt.

http://hdl.handle.net/21.11115/0000-000B-D9D6-F

Schlagworte

Edierter Text

Übersetzung eines Briefes des Herrn Sam[uel] Tomášek, Gömörer evangelisch A.B. Seniors, Chyžno, am 20. Juni 1860

Euer Wohlgeboren. Vor allem theile ich Ihnen mit, daß ich nicht mehr Senior bin; am 8. Mai auf dem zu Rosenau [Rožňava] abgehaltenen Convente der Autonomisten bin ich meines Amtes entsetzt worden aus der Ursache: „weil er sich auf die Spitze der patentfreundlichen Gemeinden gestellt habe“. Mit mir zugleich wurden ihrer Ämter entsetzt: der Consenior Bradofka und die (Schul-) Decane Csipkay, Homola, Chotráš, Ormisz; alle patentfreundliche und der Regierung ergebene Männer. Auf dem am 12. Mai zu Eltsch (Jolsva) abgehaltenen Convente (auf welchem ich allerdings nicht zugegen war) ist zum Senior gewählt worden Johann Bartolomeides, Csesneker Pfarrer und zu Consenioren Czékus und Schulek, alle drei fanatische Oppositionalisten; eben so sind neue (Schul-) Decane bestellt worden. Alle diese Veränderungen würden wir noch als das geringste Übel ansehen; aber daß der (Comitats-) Adel unsere Gemeinden durch die fortwährenden, wahrhaft satanischen Agitationen demoralisirt und fanatisirt hat, das ist sehr traurig, und es ist mir leid unserer evangelischen Kirche, so oft ich daran denke! Gleich nach dem Erscheinen des kaiserlichen Handbillets stürzten sich die Adeligen wie Wüthende über unsere organisirten Gemeinden und brachten es zu Wege, unser Volk so aufzureizen und zu erbosen, daß wir die wildesten Ausbrüche des Fanatismus erlebten. So z. B. umstellten in Bradno, in Derencsény 1 mit Äxten bewaffnete Leute die Pfarrgebäude und haben mit Drohungen die Pfarrer genöthigt das Patent für ungiltig zu erklären; ebenso zu Hrussó und Budiksalva 2 und anderwärts; zu Ujvásár (Ribnik) [Rybnik] rottete sich am 2. Pfingstfeiertag das Volk zusammen und wollte das Pfarrhaus stürmen und die Thüren einbrechen, weil sich der Pfarrer darin eingeschlossen, bis es ihm gelungen, in den nahegelegenen Wald zu entfliehen, wohin man ihn ebenfalls verfolgte. In Vizes-Rét (Mokrá Luka) rotteten sich Männer, Weiber und Kinder durch den Inspector aufgereizt in der Kirche, stürzten über den Pfarrer und drohten ihm sein geistliches Kleid auf zu zerreißen unter vielen Rohheiten, zündeten ihn auch sogleich unter, so daß ihm der Stall, der Heuschupfen und 3 Wagen Grummet verbrannten. Das war wie ein Krieg gegen die Pfarrer und unsere Pfarrkinder wurden zu Vandalen und Cannibalen; denn man hat ihnen fest in die Köpfe gesetzt, daß wir unsere Kirchengemeinden verkauft (verrathen) haben, und daß ein jeder von uns einen Geldlohn zu 4.000, zu 6.000, zu 8.000 fl erhalten habe dafür, daß er seine Gemeinde für katholisch unterschrieben habe. Die Bauern der organisirten Kirchengemeinden werden von Bürgern und vorzüglich von den Adeligen nicht anders gegrüßt als: „Gegrüßt sei Jesus Christus“, sie versichernd, daß sie nun selbst so grüßen müssen, weil sie schon katholisch seien, daher auch nur: Gegrüßet seiest du Maria usw. beten. Jeder Kirchengemeinde wurde sogleich ein Inspector aufgedrungen; jeder wurde ein Zettel zugestellt, auf welchem die Namen derer standen, die man zum Senior, Consenior, Superintendent und Districtualinspector zu wählen habe. Czibur, der Inspector zu Vizes-Rét, ließ zuvor 15 Halbe Slivovitz die Pfarrkinder austrinken, wobei er sie aufs Höchste gegen den Pfarrer aufgereizt hat und so in den Convent zusammenberief; und so ist kein Wunder, daß sie ihn fürchterlich grob behandelten und ihn unterzunden [sic!] haben, ja es ist noch ein Wunder, daß sie ihn nicht getödtet haben.
Unter diesen Umständen sind mir alle Convente zum Eckel geworden, und ich will nun in ruhiger Häuslichkeit Frieden suchen. Die Autonomie bedeutet jetzt so viel als Opposition gegen die Regierung, und schon bildet sich der Adel ein, daß Garibaldi heute, morgen, da ist. Soviel ist gewiß, daß der magyaronische Fanatismus durch Güte nicht beschwichtigt wird, sondern noch wilder zunimmt.
So eben schreibt mir der Sároser Senior Balint, daß der dortige Senioratinspector Bánó den 12. Juni in Eperies [Prešov] einen Convent hielt, auf welchem der Senior Balint abgesetzt und zu ihm sogleich eine Deputation entsendet wurde, welche ihm Siegel und Archiv abnehmen soll. Balint hat nichts herausgeben wollen, erklärte den Convent für ungesetzlich und incompetent, zugleich aber, daß er sein Amt nur vor einem gesetzlichen und competenten Convent niederlegen werde (denn das Amt will er und wird er nicht ferner führen). Der Inspector Bánó beschuldigt den Senior und klagt ihn an, daß er seine Circularschreiben ohne Bestättigung und Unterschrift des Inspectors herumsende, daß er bei Geistlichen und Kirchengemeinden agitire und so habe er (der Inspector) den Convent zusammenberufen, den Senior abgesetzt und die Deputation zu ihm entsendet, welche ihm Siegel und Archiv abnehmen soll.
Diese Inspectoren verlangen jetzt von uns, welche wir unsere Gemeinden organisirt haben, daß wir bekennen sollen, wir hätten unsere Gemeinden verführt und betrogen, daß wir das Patent öffentlich verdammen sollen, für ungitlig erklären, die Kirche und die Inspectoren abbitten für den Scandal, den wir gegeben haben. Nie war die Geistlichkeit und die Kirche so erniedrigt, so dem Hohn preisgegeben, der Gnade und der Ungnade der Saducäer und Schriftgelehrten – wie jetzt. Gott wolle das zum Besseren wenden. Aber welcher Vater von den Pfarrern sollte jetzt wollen seine Söhne unter diesen Umständen dem theologischen Stande widmen? Wem von uns sollte dieser Stand nicht zum Eckel werden?! Doch genug des Lamentós – leben Sie wohl.

zu Chyžno, 20. Juni 1860

Ihr aufrichtiger Freund und Verehrer
Samuel Tomášek

P.S. Pekar (Senior in Kis-Honth) und Loysch klagen ebenso. Sam[uel] Ormisz, Pfarrer in Also-Sajó, gewesener Professor der Mathematik und Physik in Rosenau [Rožňava] erfährt auch überaus viele Widerwärtigkeiten und Verfolgungen als ein Schwarzgelb und Patentist. Das wäre ein tüchtiger Professor nach Leutschau [Levoča], er ist auch ein tüchtiger Linguist, in der slavischen Literatur wohl bewandert, ein glücklicher und geliebter Lehrer. Haben Sie die Güte ihn zu empfehlen; auch an meinen Bruder nach Kaschau [Kosiče] habe ich wegen seiner geschrieben.