Ladislaus Szögyény, Beamter der ungarischen Hofkanzlei, übersendet Leo
Thun einen Brief von Nikolaus Vay. Dieser aus dem Ungarischen übersetzte
Brief soll Thun über die Stimmungslage der Protestanten in Ungarn
aufklären. Er entschuldigt sich für die ungefragte Einmischung, hofft
dadurch aber zur Lösung des Konflikts beizutragen.
Beilage: Nikolaus
Vay berichtet in seinem Brief an Ladislaus Szögyény, dass die
ungarischen Protestanten ein Ende des Konflikts wünschen. Er betont
auch, dass sie die Hoffnung, ein solches zu erreichen nicht aufgegeben
hätten und von den guten Absichten des Kaisers überzeugt seien. Vay
erklärt allerdings auch, dass die Vertreter der protestantischen Kirchen
nichts unversucht lassen werden, um der Anspruch ihrer Kirchen auf
Selbstverwaltungsfreiheit zu erreichen. Vay schreibt außerdem, dass die
Maßnahmen des Kultusministeriums in Ungarn auf Unverständnis träfen. Auch
die Verhaftung von Eduard Zsedényi werde negativ aufgenommen.
Hochgeborner Graf!
In der Anlage habe ich die Ehre Ihnen die Übersetzung eines ungarischen
Schreibens, das ich soeben von Baron Vay
erhielt, zu übersenden. 1 Da es wichtige Umstände enthält, erachtete ich es zu
Ihrer Kenntnis bringen zu sollen. Die guten Leute überschätzen den Einfluß, den
ich auf die Sache in den vergangenen Tagen mit Ihrer Zustimmung genommen. Ich
mußte jedoch der wiederholten Unterredung erwähnen, welche ich mit Euer
Exzellenz zu pflegen die Ehre hatte, um sie von Ihren wohlwollenden Absichten zu
überzeugen zu trachten; und daher mag dieses Mißverständnis kommen. Jedenfalls
dürfte der Brief Vays Euerer Exzellenz
über die wahre Sachlage mehr Aufschluß geben als mancher behördliche Bericht.
Hiezu beizutragen hielt ich für meine Pflicht, und dies möge meine anscheinende
Zudringlichkeit und unberufene Einmengung entschuldigen. Den Originalbrief Vays, der nicht mehr und nicht weniger enthält
als die Übersetzung, bitte ich mir gütigst zurückzustellen.
Empfangen Euer
Exzellenz die Versicherung meiner aufrichtigsten Verehrung, mit der ich
verharre
Der
ergebenste Diener
Szögýeny
Golop 14. [24. ?] 4. [1860]
Es ist ein Glück lieber Freund, daß du in den letzten Tagen auf unsere Angelegenheiten Einfluß genommen hast. Wenn unsere Leute das in Debreczin von Lonyay nicht gehört hätten, würde das Ganze eine andere, gefährlichere Wendung genommen haben. So besteht aber das Resultat der Versammlung darin (wohin ich seit meiner Rückkunft von Wien trachtete und was ich selbst in einem Seniorenconsilio zu Mischkolz[?] veranlaßt habe): "daß wir – nach den Worten des gefaßten Beschlußes – die Hoffnung nicht ganz aufgeben, die bedrängte und gefährdete Lage unserer Kirche werde in Folge unserer eifrigen Gebete und unserer energischen Bestrebungen bald aufhören. Wir setzen diesfalls unser Vertrauen nach Gott vorzüglich in Seine Majestät, den Kaiser, den Beschützer und Überwacher unserer Kirche, indem wir von allerhöchsten dessen guten Absichten, die Er persönlich und als Herrscher hegt, überzeugt sind. Wir wollen nichts unterlassen, daß diese gute Absicht und mit ihr die gesetzlichen Ansprüche unserer Kirche je eher verwirklicht werden und dadurch unsere Selbstverwaltungsfreiheit und Ruhe uns rückgegeben werde. Es wird sonach eine Deputation erwählt, welche mit Deputationen der übrigen 9 Superintendenzen eine Generalconferenz abhalten soll, die ermächtigt wird, den Verhältnissen gemäß Alles anzuwenden, damit die gesetzliche Freiheit unserer Kirche ihr je eher rückgegeben werde." Nun müssen wir denselben Beschluß auf den übrigen 3 Superindentialconventen durchführen, was, wie ich hoffe, auch geschehen wird; obschon die Opposition, welche sich dagegen in Debreczin zeigte, ihr Haupt wahrscheinlich auch in anderen Orten erheben wird. Diese wollte nämlich unserer Sache eine ganz andere Wendung geben, wovon ich Dich ein andermal benachrichtigen werde. Daß dies pro [?] vereitelt wurde, war Folge dessen, was durch Dich zu unserer Kenntnis kam. Stoße Dich nicht daran, daß man in Debreczin nicht um Erlaubnis, den Konvent abzuhalten, ansuchte; es ist schwer Solches, gegenüber so vieler Tausenden aufgeregten Volkes, auch mit bestem Willen durchzuführen. Daß der kaiserliche Kommissär der Berathung[?] bis zu Ende beiwohnte, deutet das Publikum dahin, daß die Regierung die Versammlung nicht ganz als null und nichtig betrachte; [?] Verfahren seine Früchte tragen kann. Ich rühre mich schon seit mehreren Wochen nicht aus dem Hause und so werde ich Dich erst von Mischkolz[?] über den Hauptinhalt Deines Schreibens benachrichtigen, nachdem ich auch mit Anton gesprochen haben werde. Um die Lutheraner[?] kümmern wir uns wenig; aber das verstehe ich nicht, warum das Cultusministerium, wenn es eine Verständigung wünscht, die Debrecziner Autoritäten – eben jene, ohne welche wir uns nicht rühren können – beiläufig 33, darunter den Superintendenten Tisza, Degenfeld, die beiden Révész2 – neuestens durch den Staatsanwalt (?) vernehmen ließ. Auf einer Synode würde Zsedényi [?], ja am besten zu gebrauchen gewesen sein.3 In Kurzem ein Mehreres, bis dahin wird auch meine Gesundheit wiederkehren, die jetzt nichts taugt.