Regest

Leo Thun erklärt dem Historiker Václav Tomek, warum er nur die Professoren Johann Heinrich Löwe und Georg Bippart und nicht auch ihn befördert hat. Thun führt vor allem die finanzielle Lage der Monarchie als Grund an. Thun nennt gleichzeitig auch die Gründe, warum er Bippard und Löwe befördert hat. Bei beiden gab es triftige Gründe, die bei Tomek fehlen. Er bittet Tomek um Geduld und versichert ihm, dass er zum richtigen Zeitpunkt dessen Beförderung vorantreiben werde. Thun bedankt sich für Tomeks Aufrichtigkeit. Thun gesteht, dass er in seinem Ministerium nicht ohne Einschränkungen herrschen kann.

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Wien den 9. Mai 858

Werther Herr Professor!

Sie thun mir Unrecht, wenn Sie glauben, es liege ein Mangel an gutem Willen, und Anerkennung Ihrer Verdienste, oder wenigstens in einem Übersehen, daß zwei Ihrer Kollegen früher als Sie zu o. Prof. befördert wurden. Mit voller Wahrheit kann ich versichern, daß der Gedanke an Ihre Ansprüche mir unablaßig gegenwärtig und daß es mir ein wahres Anliegen ist, denselben gerecht zu werden. Was mir allein im Wege steht, habe ich Ihnen gesagt. Die finanzielle Frage wird leider immer noch nicht so behandelt, daß es sich nur einfach darum handelt, ob einige hundert Gulden mehr auf Besoldungen verwendet werden dürfen, sondern ich muß von Fall zu Fall Gründe geltend machen, aus welchen sich die Schlussfolgerung ziehen läßt, daß eben die bei S. Maj. zu beantragende Mehrauslage nicht länger verschoben werden könne und unzweifelhaft gerechtfertiget sei. Bei Prof. Löwe kommen mir allerhand äußere Umstände zu Hilfe um den Widerspruch des Finanzministers zu beseitigen, der dringende Wunsch des Cardinals eben ihn für Philosophie in Prag festzuhalten 1 etc.; bei Prof. Bippard konnte ich geldtend machen, daß die Stelle die er bekleidet, schon einmal einem anderen als ord. Professor mit höheren Bezügen mit a.h. Beschluss zugesprochen war, welcher aber dann zurücktrat, daß die Nothwendigkeit zweier ord. Professuren für klass. Philologie unbestreitbar ist, und bereits a.h. Ortes anerkannt war, daß ich also durch den Umstand B. dennoch nur als a.o. Prof. gewonnen zu haben, im Interesse des Staatsschatzes gehandelt habe, und die Zuerkennung des höheren Gehaltes nach mehrj. Dienstleistung also nicht von dem Standpunkte aus angefochten werden könne. Leider fehlt es mir zu Ihren Gunsten an solchen Argumenten, nachdem neben Ihnen 2 ord. Prof. der Geschichte stehen. Wenn ich Ihre persönlichen Verdienste geltend mache, so wird mir zuversichtlich eingewendet werden, ich solle Sie an eine Univ. versetzen, wo Mangel an Lehrkräften für Geschichte ist; und damit wäre weder Ihnen noch der Sache gedient. Ich sage das nicht um etwa daraus zu folgern, daß ich keine Hoffnung für Sie habe, ehe einer der ord. Prof. der Geschichte in Prag von seinem Posten abtritt, sondern nur um Ihnen erklärlich zu machen, welche Bedenken mir entgegenstehen, und um wo möglich zu bewirken, daß Sie wenigstens an der Aufrichtigkeit meiner Ihnen gegebenen Versicherung nicht zweifeln. Ich weiß sehr wohl, welche Gründe dafür sprechen, Sie zum ord. Prof. in Prag zu befördern, und diese Gründe liegen mir gar sehr am Herzen. Ich werde sie auch geltend machen; würde ihnen aber den schlechtesten Dienst erweisen, wenn ich es eher versuchte, als bis ich mit Zuversicht erwarten kann, es mit Erfolg thun zu können. Ihre öster. Geschichte wird mir hoffentlich dabei wesentliche Dienste leisten, allein ich muß noch einige andere Umstände wahrnehmen, ehe ich davon Gebrauch machen kann. So bitte ich Sie denn lieber Professor, verlieren Sie nicht den Muth. Wer sich einer schwierigen Aufgabe gewidmet hat und dabei weder rechts noch links schauend, nach eigener Überzeugung vorwärts geht, hat immer größere Schwierigkeiten zu überwinden, als wer sein Benehmen nach anderen Rücksichten einrichtet, aber es kann eben jede wahrhaft gute Sache nur durch große Selbstaufopferung gefördert werden. Manche wenn ich so zu Ihnen spräche, würden wohl sagen: das ist eine sonderbare Rede für den öster. Min. des Unt. einem Mann gegenüber, dessen Leistungen seinen Intenzionen in vollem Maaße entsprachen! Allein ich habe nicht die Prätension, Ihnen zu dessen Charakter und Diskrezion ich volles Vertrauen habe, zu verhehlen, was Ihnen ohnehin begreiflich sein muß, daß ich auch in meinem Dep. kein allmächtiger Minister bin. Auch ich rechne mich zu denen, die ohne rechts und links zu schauen, nach eigener Überzeugung vorwärts gehen und lasse mir die Folgen davon gefallen. Das ermächtiget mich, denjenigen, denen ich Vertrauen schenke, von Geduld und Ausdauer zu sprechen, und dadurch auch von Ihnen einen hohen Grad von Vertrauen in Anspruch zu nehmen.

Mit aufrichtigen Gefühlen

Thun