Gregor Zeithammer an Leo Thun
Prag, 8. Juli 1853
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Regest

Gregor Zeithammer, Gymnasialinspektor für Böhmen, nimmt zum Bericht von Johann Kleemann über die Situation am Altstädter Gymnasium in Prag Stellung und versucht einige Kritikpunkte zu erklären. Zunächst betont er, dass die von Kleemann kritisierten schlechten Leistungen der Schüler in der deutschen Sprache darauf zurückzuführen seien, dass Kleemann auch jene Fächer in Deutsch prüfte, die in Tschechisch gelehrt würden. Zeithammer weist auch die Anschuldigungen Kleemanns, einige Lehrer würden politisch bedenkliche Positionen vertreten, als unbewiesen zurück. Ebenso sei die Angabe falsch, dass die Erstklässler keiner Aufnahmeprüfung unterzogen würden. Zeithammer erklärt die hohe Zahl an Primanern in diesem Jahr als Folge eines Missverständnisses seitens des Direktors. Insgesamt zeigt sich Zeithammer jedoch sehr betroffen von den Vorwürfen Kleemanns und betont, sein Bestes für den Erfolg des Gymnasiums zu tun. Er will sein Amt jedoch zur Verfügung stellen, sollte er nicht mehr das Vertrauen des Ministers genießen. Daher möchte er mit Thun demnächst persönlich sprechen und bei dieser Gelegenheit den Minister auch über seine Ansichten zum Supplentenwesen und die definitive Reform der Gymnasien informieren. Grundsätzlich spricht er sich jedoch schon jetzt für den Lehrplan der Gymnasien aus.

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Edierter Text

Euere Excellenz!

Der hohe Erlaß vom 27. Juni letzten Jahres Z. 6086 lautet für das Altstädter Gymnasium ungünstiger, als ich es erwartete, umso ungünstiger, da die beiden andern Prager Gymnasien belobt werden, und doch hat das Altstädter ebenso tüchtige, wenn nicht tüchtigere Kräfte, die im Ganzen das Angemessene leisten. Daß die Leistungen der Schüler im Deutschen geringer waren, liegt mehr in dem dieser Lehranstalt gegebenen Plane, sie müßten auch in den andern Gegenständen hie und da, namentlich im Untergymnasium, geringer erscheinen, da der Herr Sectionsrath durchgehend deutsch prüfte, obwohl ich ihn ein- und das andermal erinnerte, daß der Gegenstand böhmisch vorgetragen wird. Manche Beschuldigungen, die den Lehrern gemacht werden, sind nicht erwiesen; dann hat der Herr Sectionsrath keinen vortragen, die wenigsten examiniren gehört, den Swoboda gar nicht und Frencls Vortrag ist eher zu lebhaft als matt und schläfrig. Gegen die Versetzung oder gar Entlassung der Lehrer ohne formulirte Anklage, ohne förmliche Untersuchung und Verurtheilung sträubt sich mein ganzes Gefühl. Klicpera ist wegen seiner fortdauernden Kränklichkeit reif zur Pensionirung, um die er aber vielleicht selbst anzusuchen hätte, damit sie nicht einer Absetzung gleichsähe. Was sich gegen Stulc in der Untersuchung wegen der Zeitschriften oder am Hradschin ergeben wird, weiß ich nicht, der Herr Statthalter und Klingler ist sehr gegen ihn. Die Anzeige wegen Pečirkas Erfahrung in einer Classe und der daraus erfolgten Ausweisung eines Schülers stellt er selbst in Abrede. Auch die Angabe ist falsch, daß mit den Primanern auf der Altstadt keine Aufnahmsprüfung vorgenommen worden; sie erhielten 3 deutsche Sätze zum Übersetzen ins Böhmische und 3 böhmische zum Übertragen ins Deutsche nebst einer Analyse. Den Aufnahmsbogen für die übrigen Classen, der hier beiliegt 1, ließ ich mir vorlegen und es waren in keiner über die hochartig gestattete Zahl von 60. Auch in die 1. waren nur 60 aufgenommen, nur wollte der Director die hinzugekommenen Repetenten dieser Classe nicht ausschließen, sodaß die Anzahl auf 70 stieg. Ich verwies ihm dies hinterher streng, da die Repetenten in die gesetzliche Zahl mit einzubeziehen wären, was er nicht gewußt zu haben vorgab; es werden aber von diesen kaum 60 in die 2. aufsteigen. Eine strenge Aufnahmsprüfung wurde wiederholt eingeschärft und die gehörige Controle [sic!] wird nicht ausbleiben. Ich überwache die Altstadt, so viel nur thunlich, bin ich hier, so besuche ich sie jede Woche, auch mehrmals. Alles aber kann ich nicht erfahren, wie selbst der Director und die Lehrer behaupten, daß sie manches nicht wußten. Wird mir aber keine Anzeige gemacht, so kann ich nicht untersuchen und nichts vorkehren. Daß die Nationalität sich dort geltender machte, das liegt großentheils in den Consequenzen des Planes; ich hemmte da, wo ich konnte, und glaube diesfalls keine Vorwürfe zu verdienen. Aber ich sinke wohl überhaupt in dem Vertrauen Eurer Excellenz immer tiefer, was mich unendlich schmerzt und zu der Bitte veranlaßt, mich anderweitig zu verwenden, wozu vielleicht meine Kräfte noch ausreichen. Daß ich diese redlich angestrengt, um meine Pflichten zu erfüllen, das Zeugnis kann ich mir vor Gott und meinem Gewissen geben. Sind sie aber für meine gegenwärtige Stellung, um die ich nicht angesucht, unzureichend, was nur meine Vorgesetzten bestimmen können, so ist es meine gemessene Pflicht, selbst um Zuweisung eines andern Amtes zu bitten. Nur ersuche ich ergebenst, darauf gnädig bedacht zu nehmen, daß ich mich vor einer längern und größern Anstrengung meiner Stimme noch immer hüten muß, also zum Vortrage nicht mehr tauge. Mit dem projectirten Lehrplane für die Altstadt bin ich ganz einverstanden und habe mein Gutachten auch in Bezug auf die noch übrigen Gymnasien bereits abgegeben, da ich am 10. schon zu den Maturitätsprüfungen abreise, welche bis zum letzten des Monats währen. Wie verlautet, kommen Eure Excellenz anfangs August nach Prag; eine Besprechung über manche wichtige Gegenstände wäre mir da sehr erwünscht, und jetzt schon mache ich aufmerksam auf die definitive Regelung der provisorischen Gymnasien, auf das Supplentenunwesen, auf die Maturitätsprüfungen nach dem 1. Semester, auf die Lehramtscandidatenprüfungen, auf die in Aussicht gestellten Versetzungen und Pensionirungen, bei welcher Gelegenheit ich hinweise auf den braven Padera in Königgrätz, welcher der rechte Mann wäre für den Altstädter Directorsposten. Bei dem letzten Examen waren wenige neue Lehramtscandidaten, für Böhmen nur 7, die meisten vervollständigten ihre Gegenstände fürs Obergymnasium, im Ganzen ging es besser als früher.
Indem ich mich mit meinen freimüthigen Äußerungen und mit meiner ergebensten Bitte an Eurer Excellenz Edelmuth wende, habe ich die Ehre, mit der größten Ehrerbietung und unwandelbarer Dankbarkeit zu verharren

Euerer Excellenz

unterhänigster
Gregor Zeithammer

Prag, am 8. Juli 1853

Vom k.k. Prager Altstädter akademischen Gymnasium N. 627

Namen der am k.k. Prager Altstädter Gymnasium für das Schuljahr 1852 neu aufgenommenen Schüler, sammt den Gründen der Aufnahme.

In der II. Klasse. Zahl der Öffentlichen 42
1. Boehm Josef
Ursache: Der Vater ist als Direktor der Sternwarte aus Inspruk nach Prag übersetzt worden.
2. Komers Karl, aus Mšeno
Ursache: Weil kein Gymnasium näher liegt und sein Onkel hier ihn unterstützt.
3. Parkos Anton, aus Kolodey, Sohn eines Schullehrers
Ursache: wird hier von Wohlthätern, besonders dem Herrschaftsbesitzer großentheils erhalten werden.
4. Walther Karl, aus Prag (Privatist von hier)
5. Welz Franz, aus Kuttenberg [Kutná Hora] (Privatist von hier)
Ursache: kein Gymnasium näher, der Aufseher Dr. Günther ein Anverwandter, bei dem er auch wohnt.
6. Witowsky Moriz (Privatschüler von hier), muß nach dem Gesetze in das öffentliche Studium übertreten.

In der III. Klasse. Zahl der Öffentlichen 54
1. Bareš Ladislaus, aus Chotĕboř (ein Waise)
Ursache: Die Mutter, Steuerinspektorswitwe, ist nach Prag übersiedelt.
2. Jedlicka Heinrich, aus Prag (Privatschüler von hier)
3. Neumann Josef, aus Kornhaus [Mšec] (Privatist von hier)
4. Richter Johann, aus Prag (Privatist von hier)
5. Sigmund Franz, aus Prag (Privatist von hier)
6. Wasek Anton, aus Podhořan
Ursache: Verwandte des Gymnasialdirektors, seiner Obhut übergeben.

In der IV. Klasse. Zahl 51
1. Dumont Johann, Rosochatec
Ursache: Der Vater erwartet die Übersetzung nach Prag, stündlich.
2. Jansky Josef, aus Čehani (Privatist von hier)
3. Klepac Vinzenz, aus Roth-Lhotta [Červená Lhota]
Ursache: im Seminär die Kost.
4. Stulik Josef, Prag
Ursache: wegen zu großer Entfernung, wohnt auf der Kleinseite.
5. Walther Ernst, aus Prag (Privatist von hier)

In der VI Klasse. Schülerzahl 53
1. Cyvin Anton, aus Kolin
Ursache: das nächste Gymnasium und wohnt bei Anverwandten unter besserer Aufsicht.
2. Deitler Emmanuel, aus Prag
Ursache: sein Vater von der Kleinseite auf die Altstadt übersiedelt.
3. Kalbac Wenzel, aus Třebochostic
Ursache: wohnt bei der Großmutter, von der er erhalten wird.
4. Pfeifer
Ursache: vom Gymnasialdirektor anempfohlen.
5. Schenk Karl, aus Senftenberg
Ursache: hat in Brün studirt, den Eltern daher zu entfernt, hier unter besserer Aufsicht
6. Spillar Anton, Prusin, Lehrersohn
Ursache: Kost im Seminarium

In der VII. Klasse. Schülerzahl 54
1. Katz Moriz, aus [Vrdy]y
Ursache: der Ort außer jeder Verbindung mit Gjcin, während der Vater fast jede Woche nach Prag kommt, daher die Unterhaltung leichter.
2. Pardubsky Anton, aus Chrast
Ursache: wird hier vom Onkel unterstützt.
3. Kostocil Johann, aus Raudnitz [Roudnice] (ein Waise)
Ursache: hat hier zwei Brüder, Auskultanten, die ihn erhalten.
4. Layer Johann, aus Stry in Galizien
Ursache: bei seiner Großmutter auf der Kleinseite, daher die Entfernung von der Neustadt bei seiner Brustschwäche nicht zuträglich.

In der VIII. Klasse. Schülerzahl 47
Kowarik Johann, Taus [Domažlice]
Ursache: weil er sich hier zu erhalten glaubt, da sein Vater, der um sein Habe gekommen ist, noch 7 Kinder zu ernähren hat, ihn nicht weiter unterstützen kann.
Tischler Peter, hat sich aber auszuweisen, wie er zwei Jahre zugebracht hat.
Ursache: hat in der Nähe von Prag einen Pfarrer zum Onkel, der ihn leichter hier erhalten kann.
Woctecka Emmanuel, aus Rokican
Ursache: weil er der böhmischen Sprache mächtiger ist, daher die Lehranstalt auf der Neustadt ihm den Rath ertheilte, das böhmische Gymnasium zu übertreten.

Prag, am 13. September 1852

In Vertretung des Direktors
Aloys Unschuldt, Senior

Die Aufnahmen der Schüler in die Prima besorgte der inzwischen von den Maturitätsprüfungen zurückgekehrte Director selbst.