Der Historiker Constantin Höfler berichtet Leo Thun über die guten Ergebnisse bei den historischen Lehramtsprüfungen und empfiehlt Thun gleichzeitig zwei Lehramtskandidaten. Höfler zeigt sich auch optimistisch, was die Entwicklung der jungen Historiker angeht: Diese beherrschen die neuesten Methoden und seien zu unabhängigen wissenschaftlichen Arbeiten und Urteilen fähig. Als das größte Hindernis für eine weitere gedeihliche Entwicklung bezeichnet Höfler allerdings, dass man die jungen Lehrer an den Gymnasien mit Arbeit überhäufe, sowie den Mangel an guten Bibliotheken. Schließlich informiert Höfler Thun über die Archivreise von Anton Gindely nach Brüssel.
Euer Excellenz!
Obwohl ich beinahe fürchten muß, Euer Excellenz mit meinem Schreiben beschwerlich
zu fallen, so glaubte ich doch mich des Umstandes, daß Herr Sigmund Liebhäuser[?]
von hier
nach Wien geht, sich um eine Supplentur in
Gratz [Graz] zu bewerben, bedienen zu dürfen, um Euer
Excellenz von dem günstigen Ausfalle unserer Sommerprüfung Nachricht zu geben.
Euer Excellenz wird der Candidat Tille,
dermalen Supplent in Königingrätz
[Königgrätz] merklich zu gnädigster Berücksichtigung, sowohl wegen seines
entschiedenen Talentes für historische Composition, als wegen gründlicher
Cenntnisse und einer ebenso großen Reife des Urtheiles als Besonnenheit und
Clarheit des Ausdruckes, empfohlen werden. Allmählich taucht in mir die Hoffnung
auf, daß unsere jungen Historiker sich von den Anschauungen des Auslandes und
den jetzt dominirenden Parteibestrebungen frei entwickeln werden, während sie
das Gute, welches ihnen Deutschland an Methode, Behandlung
des Stoffes, Kritik darbietet, gerne zu selbständiger Verarbeitung aufnehmen.
Meine einzige, wenn auch schwere Sorge, beruht darin, es möchten diese
strebsamen jungen Leute durch Überbürdung und unzweckmäßige Behandlung an den
Gymnasien, durch den drückenden Mangel von Bibliotheken und öffentlichen
unentbehrlichen Hilfsmitteln, statt in der Crisis ihres Lebens gefördert,
vielmehr geknickt werden!
Prof. Gindely ist in Brüssel
angekommen und arbeitet daselbst seit Anfang dieses Monates unter Herrn
Gachard in 2
Archiven.
Herr Liebhäuser[?] ist ein älterer Candidat, welcher vielen Fleiß anwandte,
die Lücken seiner früheren mangelhaften Bildung auszufüllen, ein religiöser
Mensch, der auch von Seiten seines Charakters Empfehlung verdient.
Indem ich
mich Euer Excellenz gehorsamst empfehle, habe ich die Ehre zu zeichnen in
tiefster Ehrerbietung
Euer Excellenz
gehorsamster Diener
C. Höfler
Prag, 17. Juli 1860