Constantin Höfler an Leo Thun
Prag, 17. Juli 1860
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Regest

Der Historiker Constantin Höfler berichtet Leo Thun über die guten Ergebnisse bei den historischen Lehramtsprüfungen und empfiehlt Thun gleichzeitig zwei Lehramtskandidaten. Höfler zeigt sich auch optimistisch, was die Entwicklung der jungen Historiker angeht: Diese beherrschen die neuesten Methoden und seien zu unabhängigen wissenschaftlichen Arbeiten und Urteilen fähig. Als das größte Hindernis für eine weitere gedeihliche Entwicklung bezeichnet Höfler allerdings, dass man die jungen Lehrer an den Gymnasien mit Arbeit überhäufe, sowie den Mangel an guten Bibliotheken. Schließlich informiert Höfler Thun über die Archivreise von Anton Gindely nach Brüssel.

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Edierter Text

Euer Excellenz!

Obwohl ich beinahe fürchten muß, Euer Excellenz mit meinem Schreiben beschwerlich zu fallen, so glaubte ich doch mich des Umstandes, daß Herr Sigmund Liebhäuser[?] von hier nach Wien geht, sich um eine Supplentur in Gratz [Graz] zu bewerben, bedienen zu dürfen, um Euer Excellenz von dem günstigen Ausfalle unserer Sommerprüfung Nachricht zu geben. Euer Excellenz wird der Candidat Tille, dermalen Supplent in Königingrätz [Königgrätz] merklich zu gnädigster Berücksichtigung, sowohl wegen seines entschiedenen Talentes für historische Composition, als wegen gründlicher Cenntnisse und einer ebenso großen Reife des Urtheiles als Besonnenheit und Clarheit des Ausdruckes, empfohlen werden. Allmählich taucht in mir die Hoffnung auf, daß unsere jungen Historiker sich von den Anschauungen des Auslandes und den jetzt dominirenden Parteibestrebungen frei entwickeln werden, während sie das Gute, welches ihnen Deutschland an Methode, Behandlung des Stoffes, Kritik darbietet, gerne zu selbständiger Verarbeitung aufnehmen. Meine einzige, wenn auch schwere Sorge, beruht darin, es möchten diese strebsamen jungen Leute durch Überbürdung und unzweckmäßige Behandlung an den Gymnasien, durch den drückenden Mangel von Bibliotheken und öffentlichen unentbehrlichen Hilfsmitteln, statt in der Crisis ihres Lebens gefördert, vielmehr geknickt werden!
Prof. Gindely ist in Brüssel angekommen und arbeitet daselbst seit Anfang dieses Monates unter Herrn Gachard in 2 Archiven.
Herr Liebhäuser[?] ist ein älterer Candidat, welcher vielen Fleiß anwandte, die Lücken seiner früheren mangelhaften Bildung auszufüllen, ein religiöser Mensch, der auch von Seiten seines Charakters Empfehlung verdient.
Indem ich mich Euer Excellenz gehorsamst empfehle, habe ich die Ehre zu zeichnen in tiefster Ehrerbietung

Euer Excellenz

gehorsamster Diener
C. Höfler

Prag, 17. Juli 1860