Philipp Anton Segesser an Leo Thun
o. O., o. D. [November 1856] 1
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Regest

Der Jurist Philipp Anton Segesser bedankt sich für den Brief von Leo Thun und den angebotenen Ruf auf einen Lehrstuhl der Universität Graz. Segesser wird das Angebot jedoch nicht annehmen. Das Jahresgehalt, das ihm Thun angeboten hat, ist ihm zu niedrig. Segesser erklärt, dass er zwar nicht reich werden möchte, gleichzeitig will er aber nicht eigene Mittel aufwenden müssen, um mit seiner Familie in Graz standesgemäß leben zu können.

Anmerkungen zum Dokument

Eh. Konzept von Philipp Anton Segesser.

Abgedruckt in: Victor Conzemius, Briefwechsel Philipp Anton von Segesser (1817–1888). Bd. II. bearbeitet von Catherine Bosshart-Pfluger, Zürich 1986.

http://hdl.handle.net/21.11115/0000-000B-DA82-C

Schlagworte

Edierter Text

Euer Hochwohlgeboren sehr verehrte Zuschrift vom 27. vorigen Monats sezt mich in Kenntniß, daß die Lehrkanzel, welche Seine Majestät mir zu übertragen willens ist, (an der Universität Graz), speciell für deutsche Reichs und Rechtsgeschichte und deutsches Privatrecht bestimmt sei. Die damit verbundenen materiellen Vortheile bestünden nach Euer Hochwohlgeboren gefälliger Mittheilung in einem fixen Gehalt von fl 1000 CM und dem Vorrükungsrecht in die höhere Gehaltsstufe von fl 12 und 1400 CM.
Unter der, wie mir scheint, stillschweigend genehm gehaltenen Voraussetzung, daß der Antritt der mir angebotenen Lehrstelle erst auf das nächste Sommersemester zu erfolgen hätte, glaube ich billigen Erwartungen für diese beiden Fächer entsprechen zu können, so daß von daher kein Hinderniß einer annehmenden Erklärung meinerseits in Wege stünde.
Etwas anders verhält es sich mit Beziehung auf den mir in Aussicht gestellten Gehalt. Allerdings habe ich zur Zeit zu dem genannten Herrn Ministerialrat von Kübeck mich dahin ausgesprochen, daß ich bei einem Wirkungskreise in Oesterreich nicht gerade materielle Vortheile im Auge hätte, indem meine Verhältniße mir erlaubten, auch ohne Anstellung hier zu leben und keine Nöthigung für mich vorhanden sei, auf eine besonders lucrative Stelle auswärts mein Augenmerk zu richten. Dabei konnte ich jedoch unmöglich daran denken, aus meinem eigenen Vermögen Opfer zu bringen um aus den wenig dankbaren Verhältnißen im Vaterland hinaus zu einer Stellung in den KK Staaten zu kommen, welche zwar für mich außerordentlich ehrenvoll sein aber desto weniger mir keinerlei weitere Aussichten eröffnen würde welche den anfänglichen Einsatz eigenen Aufwandes rechtfertigen. Ich bezweifle keineswegs, daß bei der notorisch kostbieligen [sic!] Lebensweise in den größern Städten des Kaiserstaates die Differenz meiner Jahresauslagen in Verbindung mit den nothwendigen Kosten, welche das Amt eines Universitätslehrers mit sich bringt, den angebotenen Gehalt nicht nur absorbiren sondern selbst übersteigen dürfte.
Sofern die betreffende Stelle sei es unter dem Titel eines fixen Gehalts, sei es vermittelst anders benannter Accidenzen, wie Wohnungsentschädigung, ohne Härte und persönliche Bemühung von wenigstens ff 5000 oder fl 2000 CM in sichere Aussicht stellte und für den Zeitpunkt der Uebersiedlung mit meiner Familie ein angemeßener Beitrag an die daherigen Kosten mir geleistet wird, hätte ich bezüglich der materiellen Seite der Sache keine Einwendung zu machen, ohne daß übrigens auch in diesem Falle der Gehalt denjenigen manches Departementssekretärs bei der Schweizer Bundesregierung beträchtlich überstiege.
Bei der so sehr verbindlichen Weise in welcher Euer Hochwohlgeboren das Anerbieten dieser Lehrstelle einzuleiten die Güte hatten, kann ich nur lebhaft bedauern, daß die Rücksicht für den materiellen Gesichtspunkt in dem angedeuteten Umfang für mich entscheidend sein muß und daß, wenn in denselben nicht eingegangen werden kann, mir nichts anderes übrig bleibt als die Bitte, bei Besezung der fraglichen Lehrstelle von meiner Person abstrahiren.
Erlauben Euer Hochwohlgeboren dieser Erklärung den Ausdruck tiefgefühlten Dankes beizufügen etc. etc.