Der Jurist Philipp Anton Segesser bedankt sich für den Brief von Leo Thun und den angebotenen Ruf auf einen Lehrstuhl der Universität Graz. Segesser wird das Angebot jedoch nicht annehmen. Das Jahresgehalt, das ihm Thun angeboten hat, ist ihm zu niedrig. Segesser erklärt, dass er zwar nicht reich werden möchte, gleichzeitig will er aber nicht eigene Mittel aufwenden müssen, um mit seiner Familie in Graz standesgemäß leben zu können.
Eh. Konzept von Philipp Anton Segesser.
Abgedruckt in: Victor Conzemius, Briefwechsel Philipp Anton von Segesser (1817–1888). Bd. II. bearbeitet von Catherine Bosshart-Pfluger, Zürich 1986.
Euer Hochwohlgeboren sehr verehrte Zuschrift vom 27. vorigen Monats sezt mich in Kenntniß, daß die Lehrkanzel, welche
Seine Majestät mir zu übertragen
willens ist, (an der Universität
Graz), speciell für deutsche Reichs und Rechtsgeschichte und deutsches
Privatrecht bestimmt sei. Die damit verbundenen materiellen Vortheile bestünden
nach Euer Hochwohlgeboren gefälliger Mittheilung in einem fixen Gehalt von fl
1000 CM und dem Vorrükungsrecht in die höhere Gehaltsstufe von fl 12 und 1400
CM.
Unter der, wie mir scheint, stillschweigend genehm gehaltenen
Voraussetzung, daß der Antritt der mir angebotenen Lehrstelle erst auf das
nächste Sommersemester zu erfolgen hätte, glaube ich billigen Erwartungen für
diese beiden Fächer entsprechen zu können, so daß von daher kein Hinderniß einer
annehmenden Erklärung meinerseits in Wege stünde.
Etwas anders verhält es
sich mit Beziehung auf den mir in Aussicht gestellten Gehalt. Allerdings habe
ich zur Zeit zu dem genannten Herrn Ministerialrat von Kübeck mich dahin ausgesprochen, daß ich bei
einem Wirkungskreise in Oesterreich nicht
gerade materielle Vortheile im Auge hätte, indem meine Verhältniße mir
erlaubten, auch ohne Anstellung hier zu leben und keine Nöthigung für mich
vorhanden sei, auf eine besonders lucrative Stelle auswärts mein Augenmerk zu
richten. Dabei konnte ich jedoch unmöglich daran denken, aus meinem eigenen
Vermögen Opfer zu bringen um aus den wenig dankbaren Verhältnißen im Vaterland hinaus zu einer Stellung in den KK Staaten
zu kommen, welche zwar für mich außerordentlich ehrenvoll sein aber desto
weniger mir keinerlei weitere Aussichten eröffnen würde welche den anfänglichen
Einsatz eigenen Aufwandes rechtfertigen. Ich bezweifle keineswegs, daß bei der
notorisch kostbieligen [sic!] Lebensweise in den größern Städten des
Kaiserstaates die Differenz meiner Jahresauslagen in Verbindung mit den
nothwendigen Kosten, welche das Amt eines Universitätslehrers mit sich bringt,
den angebotenen Gehalt nicht nur absorbiren sondern selbst übersteigen
dürfte.
Sofern die betreffende Stelle sei es unter dem Titel eines fixen
Gehalts, sei es vermittelst anders benannter Accidenzen, wie
Wohnungsentschädigung, ohne Härte und persönliche Bemühung von wenigstens ff
5000 oder fl 2000 CM in sichere Aussicht stellte und für den Zeitpunkt der
Uebersiedlung mit meiner Familie ein angemeßener Beitrag an die daherigen Kosten
mir geleistet wird, hätte ich bezüglich der materiellen Seite der Sache keine
Einwendung zu machen, ohne daß übrigens auch in diesem Falle der Gehalt
denjenigen manches Departementssekretärs bei der Schweizer Bundesregierung
beträchtlich überstiege.
Bei der so sehr verbindlichen Weise in welcher Euer
Hochwohlgeboren das Anerbieten dieser Lehrstelle einzuleiten die Güte hatten,
kann ich nur lebhaft bedauern, daß die Rücksicht für den materiellen
Gesichtspunkt in dem angedeuteten Umfang für mich entscheidend sein muß und daß,
wenn in denselben nicht eingegangen werden kann, mir nichts anderes übrig bleibt
als die Bitte, bei Besezung der fraglichen Lehrstelle von meiner Person
abstrahiren.
Erlauben Euer Hochwohlgeboren dieser Erklärung den Ausdruck
tiefgefühlten Dankes beizufügen etc. etc.