Der griechisch-orthodoxe Bischof Andreas Schaguna äußert seine Enttäuschung über die bereits dritte Verschiebung der geplanten Versammlung der griechisch-orthodoxen Bischöfe Österreichs. Seiner Meinung nach hätte Patriarch Joseph Rajačić bereits 1849, als er zu Beratungen über die griechisch-orthodoxe Kirchenfrage nach Wien beordert worden war, eine Versammlung mit den Bischöfen abhalten sollen. Er glaubt, dass durch das fortwährende Aufschieben der Synode die griechisch-orthodoxe Kirche an Ansehen bei der österreichischen Regierung verliere. Schaguna drängt daher darauf, dass die orthodoxe Kirche, ähnlich wie andere Konfessionen auf eine neue Regelung hinsichtlich ihres Verhältnisses zum Staat hinarbeiten solle. Abschließend betont Schaguna, dass es um die orthodoxe Kirche in Siebenbürgen sehr gut bestellt sei, vielmehr müsse man Sorge tragen, dass die Situation der gesamten orthodoxen Kirche in Österreich verbessert werde.
Euere Beatitudo!
Dreimalige Zuschriften Euerer Beatitudo erhielt ich über die abzuhaltende Synode;
jede derselben, aufrichtig sei es gesagt, erfüllte mich mit Verwunderung und
Schmerz. Mit Verwunderung, sage ich, indem die Ursache, aus welcher die Synode
schon dreimal verschoben wurde, mir nicht genügen kann; mit Schmerz, weil ich
dabei den größten Nachtheil voraussehe, der unserer soviel versuchungsweise
heimgesuchten Kirche durch diesen Aufschub der Synode bevorsteht. Ich zweifle
nicht, daß Euere Beatitudo als der erste Steuermann unseres kirchlichen Schiffes
in Österreich die Stürme kennen, in welchen
sich das Schiff befindet.
Dieser Umstand nöthigt mich, als einen treuen
Sohn, Diener und Wächter unserer Orthodoxie, alle Geheimnisse meines Herzens und
meiner Seele vor der gesammten Kirche jetzt – jetzt, da es nämlich noch nicht
spät ist zu offenbaren und dadurch mich unverantwortlich zu machen vor dem
Richterstuhle der Kirche. Dennoch enthalte ich mich nicht bestimmt zu sagen, daß
die Kirche gegenwärtig um Vieles besser und tröstlicher bestehen könnte, wenn
jener dreimaliger Aufschub der Synode nicht vorgekommen wäre und wenn bei dem
zweiten Termine der Synode wir festgehalten hätten. Um aber meine frühere
Meinung zu sagen, ich hätte gewunschen und nach den Satzungen unserer Kirche
erwartet, daß Euere Beatitudo noch im vorigen Jahre, als Sie mittelst
Allerhöchsten Decrets nach Wien der Berathung wegen in
kirchlichen Angelegenheiten berufen worden waren, zugleich und unverzüglich
dahin gewirkt hätten, daß auch andere Bischöfe zu demselben Zwecke dahin berufen
werden. Da aber dies nicht geschah, so wurde der Grund zu dem unbeschreiblichen,
zugleich aber auch nicht mehr zu verbessernden Übel gelegt!
Es schmerzt mich
im Herzen und Seele, wenn ich auf den Unterschied denke zwischen der Lage der
Kirche, in welche dieselbe durch das Aufschieben der Synode und durch das
Nichtberufen aller Bischöfe noch im verflossenen Frühjahre verfallen ist und
zwischen jener Lage, welcher sie sich jetzt erfreuen könnte, falls die Synode
zur gehörigen Zeit abgehalten worden wäre!
Es beliebe Ihnen mir zu glauben,
daß diese Verfahrungsweise unsere Achtung bei der Regierung vermindere und daß
die Kirche, unsere heiligste Mutter, dabei leide durch die Schuld eigener Söhne.
Oder leidet sie nicht, indem sie keinen Trost findet? Wissen müssen wir, daß der
Fluch dieser heiligen Mutter und noch dazu der Fluch ihrer vielen, ja vielen
treuen Söhne unser Andenken verfolgen wird nicht nur diesseits, sondern auch
jenseits unsern finstern Grabes, wenn wir das Geringste vernachlässigen, das ihr
nützen könnte. Und was soll ich von der Geschichte sagen, welche ohnehin viel
über uns zu reden und zu schreiben wird haben?
Andere Kirchen in österreichischen Staaten können uns Beispiel
geben; diese wirken und bewerkstelligen Vieles, formen sich zu eigenem Gedeihen
im Geiste der vom Allergnädigsten
Monarchen verliehenen Constitution. Was können wir von unserer
Kirche erwarten, wenn wir entweder nichts oder unvollkommen wirken? Es ist
möglich, daß man auch bei uns wirkt und es für rathsam findet, es mir, als einem
schwachen Gefäße, nicht mitzutheilen; ich würde mich auch dabei zufrieden
stellen, wiewohl es nicht genügt, daß, nach den Worten des Bischofdichters, der
Armeecommandant die Gefahr oder den Sieg der Schlacht allein wisse und das Heer
nicht; ebenso im nationalen Leben ist es nothwendig, daß der Sionswächter seinen
Mitwächtern seine Bedürfnisse zeitlich kundgebe.
Ich bitte, den Inhalt
gegenwärtigen Schreibens nicht so zu deuten, als befände sich etwa die
Orthodoxie in meiner Diöcese in Gefahr und
ich deshalb der Hilfe bedürfte; nein, meine
Eparchie, Gott sei Dank, ist außer aller Gefahr, vielmehr sie
erbeutet ihre unter 300jähriger Verfolgung ihr abgekürzten Rechte wieder und
steht da als jeder und feste Burg ohne Furcht vor Feinden. Nicht also Hilfe
suche ich für die mir anvertraute Eparchie,
sondern ich richte meine Stimme dahin, daß in der Einrichtung unserer gesammten
Kirche in Österreich ohne allen Verzug
alles geordnet werde, was ihr Heiligthum und gefahrlose Zukunft von uns
verlangt. Über diese dringende Noth sind vermutlich bis jetzt auch von andern
Brüdern Bischöfen Vorstellungen zu Euerer Beatitudo angelangt.
Was den
Gesundheitszustand Euerer Beatitudo anbelangt, leid thut es mir, daß derselbe
oft durch Krankheit beunruhigt wird, bin aber doch dabei frei in dieser
Beziehung aufrichtig meinen Wunsch und meine Bitte zu äußern, daß Sie Ihre
Hoffnung auf Gott legen und alle baldigst und zwar unausbleiblich für den Monat
August nach Wien wegen kirchlichen Angelegenheiten zu
berufen belieben.
Hermannstadt, 27. Juli [1]850
Andreas Schaguna m.p.
gr. n. u. Bischof in Siebenbürgen