Der Bischof von Linz, Franz Joseph Rudigier, unterbreitet dem Kaiser ein
schriftliches Promemoria über das Gerücht, dass der Gustav-Adolf-Verein
den Ankauf des Stiftes Engelszell plane. Dem Gerücht zufolge plane der
Verein dort ein Seminar zur Ausbildung protestantischer Missionare zu
errichten. Der Bischof erörtert anschließend einige Gründe, die für den
Wahrheitsgehalt des Gerüchtes sprechen. Der kolportiere Plan ist aus der
Sicht des Bischofs außerdem ein weiteres Anzeichen dafür, dass der
Gustav-Adolf-Verein verstärkt von Bayern aus nach Österreich dränge.
Der Bischof betont dann, dass er und die Gemeinde Engelhartszell sich
über die Zusicherung des Kaisers, eine solche Gründung verhindern zu
wollen, sehr gefreut haben. Rudigier versichert dem Kaiser, dass er
alles tun werde, um die Gläubigen in seiner Diözese zu treuen Untertanen
zu erziehen.
Beigelegt ist ein Brief des Mandatars des Besitzers des
Stiftes an den Gärtner desselben. Der Gärtner wird darin aufgefordert
sich zu äußern, ob er – sollte der geplante Verkauf des Stiftes erfolgen
– im Dienste des Stiftes, und damit des Gustav-Adolf-Vereins, bleiben
oder nach Mondsee versetzt werden möchte.
Z. 110/Pr.
Eure Kaiserlich Königlich
Apostolische Majestät!
Allergnädigster Kaiser
und Herr!
Da Eure Majestät in der Audienz am 12. dieses Monates mir allergnädigst
erlaubten, über den Gegenstand, den ich Allerhöchstdenselben an jenem Tage
vortrug, Eurer Majestät ein Promemoria zu überreichen, so wage ich dieses in
tiefster Ehrfurcht in Folgendem zu thun.
Es liegen sehr beachtenswerthe,
beinahe unzweifelhafte Anzeigen vor, daß das ehemalige Cisterzienserstift Engelszell, am rechten
Ufer der Donau bei ihrem Eintritte in das österreichische Gebieth gelegen,
nunmehr eine Besitzung des baierischen Reichsrahtes Fürsten Wrede, an den Gustav-Adolph-Verein verkauft, und von
diesem alldort eine Pflanzschule für protestantische Missionäre angelegt werden
soll.
Meine allerunterthänigste und angelegenste Bitte ging nun dahin, Eure
Majestät wollen, wenn etwa der Ankauf dieser Besitzung durch den gedachten
Verein nicht verhindert werden
könne, wenigstens die Errichtung der Pflanzschule für protestantische Missionäre
alldort nicht bewilligen.
Eure Majestät geruthen in frommer und weiser
Würdigung der Nachtheile, welche eine solche Anstalt mitten in einem ganz
katholischen Landestheile der Kirche und dem Staate bringen würden, mich mit der
bestimmten Erklärung zu erfreuen, daß die Errichtung einer solchen Anstalt nie
bewilligt werden könne, und daß es vielleicht auch noch möglich sei, den
projektirten Ankauf selbst zu verhindern – eine Erklärung, die überall, wo ich
sie mittheilte, Freude erweckte, und namentlich in der Gemeinde
Engelszell, der ich sie sogleich nach meiner Ankunft
in Linz eröffnete, große Freude erweckt haben wird, nachdem dieselbe durch die
Kunde über das fragliche Projekt sehr konsternirt gewesen war.
Die Gründe
für das wirkliche Vorhandensein dieses – beim ersten Anblick unwahrscheinlichen
– Projektes sind:
1. das Schreiben des General-Mandatars des Fürsten Wrede, Dr. Eschborn, an den fürstlichen Hofgärtner Strobl in Engelszell 1, das mir bei Gelegenheit der kanonischen Visitation zu
Engelszell am 30. vorigen und 1. dieses Monates in
Originali gezeigt wurde, und auch in diesem Augenblicke in Originali vor mir
liegt.
Ich unterbreite gehorsamst davon eine Abschrift.
2. dem hiesigen
landschäftlichen Concipisten und Referenten bei der
Grundentlastungsfonds-Direktion, Joseph
Edelbacher, der von dem oberwähnten General-Mandatar zu Verhandlungen mit dem Stifte Schlägel wegen des Verkaufes der
Besitzung Engelszell aufgestellt worden war, ist, wie ich aus dem Munde seines
Bruders, des hiesigen Landesgerichtsrathes Edelbacher, weiß, von dem genannten Mandateur jüngst vor 2 bis 3
Wochen, aufgegeben worden, die Verhandlungen mit Schlägel abzubrechen, mit dem Beisatze, der Fürst wolle seine Besitzung an den
Gustav-Adolph-Verein
verkaufen.
3. Was dieses Projekt ferner wenigstens wahrscheinlich macht,
wenn auch nicht beweiset, ist der Umstand, daß der Gustav-Adolph-Verein sicherem Vernehmen
nach seit Jahren große Summen für protestantische Cultuszwecke in
Oberösterreich verwendet, und auf Erlangung eines
protestantischen Tempels in Passau auch aus der Ursache
ein sehr großes Gewicht legt, weil er von dort auf das nahe
Oberösterreich herüberzuwirken hofft. Der Bauplatz zum
Tempel in Passau ist bereits angekauft, und die
königliche Bewilligung zum Bau ertheilt. Die Nähe zwischen
Passau und Engelszell ist
unter diesen Umständen ein neuer Grund, das Projekt wahrscheinlich, aber auch
ein neuer Grund, es sehr gefährlich zu finden.
Ich setze nur noch bei, daß
dem Bezirksamte und dem Steueramte in Engelszell die
Wohnungsmiethe von dem Fürsten
bereits gekündet ist.
Nach allem dem ist kaum zu zweifeln, daß das fragliche
Projekt wirklich besteht, und daß es zudem bald ausgeführt werden sollte. Um so
größer und inniger ist mein Dank gegen Eure Majestät, den allergnädigsten
Schutzherren der Kirche, für das kaiserliche Wort, wonach die Errichtung eines
protestantischen Seminars in Engelszell nie bewilligt werden wird. Dieses hohe Wort ist mir
ein neuer Sporn, mein Amt treu und freudig zu verwalten, um der katholischen
Kirche in Oberösterreich treue Kinder und eben dadurch Eurer
Majestät treue, mit Gut und Blut ergebene Unterthanen zu erziehen.
Gott
erhalte und segne Eure Majestät!
Ich ersterbe in der allertiefsten
Ehrfurcht
Eurer Majestät
Treugehorsamster
Franz Joseph Rudigier,
Bischof
Linz den 18. Oktober 1854.
Ad N. 110 Pr.
Abschrift
Herrn Hofgärtner Strobl, Engelszell
Der Unterzeichnete als General-Mandatar
Seiner Durchlaucht des Herrn Reichsrathes Fürsten Wrede zu Ellingen soll Sie als fürstlichen Diener
von Nachfolgendem in Kenntnis setzen:
Nachdem die seither mit dem
Herrn Prälaten des Klosters
Schlägl geführten Verkaufsunterhandlungen über Engelszell zu keinem erheblichen
Resultate geführt haben, so soll nunmehr das vom protestantischen Gustav-Adolph-Verein gemachte
Anerbieten, Engelszell kaufen zu
wollen, und daselbst eine Pflanzschule für protestantische Missionäre, die
zugleich in Ökonomie und Bierbrauerei unterrichtet werden sollen, anzulegen.
Nachdem der Herr Direktor Prof.
Hillebrand zu Frankfurt der
diesseitigen Vorstellung ungeachtet, daß an der Gränze von Baiern in dieser österreichischen erzkatholischen
Region eine solche Anstalt leicht dem einen oder anderen Theile zum Ärgernis
werden könnte, darauf besteht, daß mit seinem Bevollmächtigten, der in
diesen Tagen eintreffen wird, der Kauf abgeschlossen werden soll, so gebe
ich Ihnen hievon Nachricht, um innerhalb drei Tagen von Ihnen die Erklärung
zu erhalten, ob Sie als Hofgärtner mit an diese Missionsgesellschaft übergeben, oder
im fürstlichen Dienste verbleiben und nach Mondsee
zur Gärtnerei versetzt werden wollen, versteht sich in gleicher Eigenschaft
und Besoldung. Mit freundlichem Gruß
Ihr ergebenster Diener
Ad. Eschborn m/p
Engelszell 29. September 1854