Der Jurist Ernst Moy de Sons bittet Leo Thun um Unterstützung in verschiedenen Angelegenheiten. Zunächst macht Moy den Minister auf einen jungen Juristen aus Vorarlberg aufmerksam, der um ein Reisestipendium angesucht hat. Moy bittet, das Stipendium für diesen, trotz des Sparzwanges, zu bewilligen. Dann empfiehlt er zwei junge Juristen für Lehrkanzeln in Österreich. Anschließend wendet sich Moy erneut der Frage der Überwachung und Leitung des Lehrkörpers zu: Moy wiederholt dabei, dass er die Wiedereinführung von Studiendirektoren ablehne. Stattdessen sollten die Kompetenzen bestehender Leitungsorgane ausgebaut werden. Dem Wunsche Kardinal Rauschers, das Kanzleramt wieder einzurichten, steht Moy hingegen offen gegenüber und betont, dass ein solches Amt – anders als das der Studiendirektoren – in Innsbruck ohne Widerstand eingeführt werden könnte.
Euer Exzellenz
dürften sich billig wundern, daß ich mit schreiben so zudringlich bin, trotz dem,
daß ich nicht weiß, ob ich damit Euer Exzellenz nicht recht unangenehm werde.
Allein ich glaube eben eine Pflicht zu erfüllen, indem ich importune et
opportune für das einstehe, was ich für wahr und gut halte.
Ganz nutzlos ist
mein Streben für das Beste der hiesigen
Universität doch nicht gewesen und Euer Exzellenz werden es nicht
bereuen, die Männer, die ich empfohlen, angestellt zu haben. So wie
Hochdieselben sich nachgerade überzeugt haben dürften, daß manches, wogegen ich
Einwendungen erhoben, nicht die besten Früchte getragen hat.
Da ich nun die
Nachbildung eines tüchtigen Lehrerstandes für eine der wichtigsten
Angelegenheiten nicht nur unserer
Universität, sondern der ganzen Monarchie halte, so glaube ich
Euer Exzellenz besonders aufmerksam machen zu sollen auf den jungen Juristen
Fetz aus
Vorarlberg, der um ein Reisestipendium eingekommen. Er ist
einer der begabtesten jungen Männer, die mir je vorgekommen, und ich halte ihn
in hohem Grade der Gnade würdig, um die er gebeten. Freilich steht jetzt die
gebotene Sparsamkeit seinem Gesuche entgegen, allein solche Menschen stehen
einem nicht alle Tage zu Gebot und wie man im Frieden auf den Krieg, so muß man
auch im Kriege auf den Frieden bedacht seyn. Wäre also auch oder käme gewiß
Krieg, so dürfte man doch die Gelegenheit einer solchen Aquisition um einer an
sich so unbedeutenden Ersparnis willen nicht unbenützt lassen.
Bei diesem
Anlaß erlaube ich mir im Vorbeigehen zu bemerken, daß Dr. Tewes aus Göttingen, der hier als Privatdocent
aufzutreten wünscht, mir ein in jeder Hinsicht achtungs- und empfehlungswürdiger
Mensch scheint. Auch kann ich nicht umhin den Dr. Roßbach in Würzburg nochmals zu erwähnen, der so gerne in
Oesterreich eine Lehrkanzel erhalten möchte, nachdem
Lasaulx’s Bemühungen, ihm in
München eine zu verschaffen,
gescheitert.
Eine andere Angelegenheit, die mir nicht minder wichtig als die
Heranziehung tüchtiger Lehrer scheint, ist die noch in der Schwebe befindliche
Frage einer zweckmäßigen Überwachung und Leitung der Lehrkörper.
Euer
Exzellenz haben mir selbst Ihre Abneigung gegen das Institut der
Studiendirectoren ausgesprochen. Ich gestehe, daß es mir wie ein innerer
Widerspruch vorkommt, die Anstalten, die wesentlich die Förderung der
Wissenschaft zum Zwecke haben, unter die Direction von praktischen Beamten zu
stellen, die in der Regel in ihrer gelehrten Bildung mindestens stehen bleiben,
wenn sie nicht vollends rückwärts gehen. Es liegt darin eine Geringschätzung des
wissenschaftlichen Fortschrittes, die auf Lehrer und Studirende die
nachtheiligsten Folgen äußert. Thatsächlich werden dadurch die Universitäten als
bloße Abrichtungsanstalten für den praktischen Staatsdienst erklärt und nichts
könnte dem Aufschwung des wissenschaftlichen Geistes mehr entgegen seyn. Aber
ich weiß, daß man eine unmittelbare Überwachung der Lehrkörper für unerläßlich
hält, weil den aus deren Mitte durch Wahl hervorgehenden Vorstehern theils nicht
der Willen, theils nicht die Kraft und das Ansehen zugetraut wird, die Studien
und die Disciplin in gehöriger Weise zu überwachen und zu leiten.
Ich möchte
über diesen Punkt nicht rechten, obwohl ich glaube, daß sich Abhilfe treffen
ließe und daß diese gerade darin läge, daß man die Universitätsämter höher
stellte und ihnen mit angemessener Verantwortlichkeit mehr Gewalt und Ansehen
gäbe, anstatt sie immer mehr herabzudrücken. Aber mich dünkt durch die
Wiederherstellung des Canzleramtes in seiner früheren Bedeutung und so, wie es
durch das Schreiben Seiner Eminenz des Cardinals Rauscher vom 18. August 1855 in Aussicht gestellt ist, ließe
sich eben so wohl den Wünschen des einen Theiles genügen, wie den Besorgnissen
der anderen begegnen.
Die theologische Wissenschaft erscheint heut zu Tage
so sehr wieder als die Centralwissenschaft, daß der Bischof, als ihr von Gott
gesetzter Vertreter und Wächter, wohl überall als der Würdigste sich darstellt,
dem man die Überwachung und Leitung der zur Pflege der Gesammtwissenschaft
bestehenden Anstalten anvertrauen könne und sein mehr auf geistige als
materielle Gewalt gegründetes Ansehen setzt ihn in den Stand, dieses Amt mit
allem Nachdruck zu handhaben, ohne der zum wissenschaftlichen Aufschwung
unerläßlichen Freiheit zu nahe zu treten.
Soll überhaupt jene Verheißung des
Cardinal Rauscher in Erfüllung gehen,
so ist gewiß die hiesige
Universität diejenige, wo es am leichtesten geschehen kann und wo
die Sache sogar von den entgegengesetztesten Standpunkten aus Billigung finden
würde. Unter den Canzler wird sich hier die Mehrzahl zwar fügen, unter einen
Studiendirector keiner, am wenigsten ich, das gesteh' ich.
Entschuldigen
Euer Exzellenz meinen Freimuth und genehmigen Hochdieselben den Ausdruck der
tiefen Verehrung, womit ich verharre
Euer Exzellenz
unterthäniger Diener
Frhr. v. Moy
Innsbruck, den 13. Februar 1859