Ernst Moy de Sons an Leo Thun
Innsbruck, 13. Februar 1859
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Regest

Der Jurist Ernst Moy de Sons bittet Leo Thun um Unterstützung in verschiedenen Angelegenheiten. Zunächst macht Moy den Minister auf einen jungen Juristen aus Vorarlberg aufmerksam, der um ein Reisestipendium angesucht hat. Moy bittet, das Stipendium für diesen, trotz des Sparzwanges, zu bewilligen. Dann empfiehlt er zwei junge Juristen für Lehrkanzeln in Österreich. Anschließend wendet sich Moy erneut der Frage der Überwachung und Leitung des Lehrkörpers zu: Moy wiederholt dabei, dass er die Wiedereinführung von Studiendirektoren ablehne. Stattdessen sollten die Kompetenzen bestehender Leitungsorgane ausgebaut werden. Dem Wunsche Kardinal Rauschers, das Kanzleramt wieder einzurichten, steht Moy hingegen offen gegenüber und betont, dass ein solches Amt – anders als das der Studiendirektoren – in Innsbruck ohne Widerstand eingeführt werden könnte.

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Edierter Text

Euer Exzellenz

dürften sich billig wundern, daß ich mit schreiben so zudringlich bin, trotz dem, daß ich nicht weiß, ob ich damit Euer Exzellenz nicht recht unangenehm werde. Allein ich glaube eben eine Pflicht zu erfüllen, indem ich importune et opportune für das einstehe, was ich für wahr und gut halte.
Ganz nutzlos ist mein Streben für das Beste der hiesigen Universität doch nicht gewesen und Euer Exzellenz werden es nicht bereuen, die Männer, die ich empfohlen, angestellt zu haben. So wie Hochdieselben sich nachgerade überzeugt haben dürften, daß manches, wogegen ich Einwendungen erhoben, nicht die besten Früchte getragen hat.
Da ich nun die Nachbildung eines tüchtigen Lehrerstandes für eine der wichtigsten Angelegenheiten nicht nur unserer Universität, sondern der ganzen Monarchie halte, so glaube ich Euer Exzellenz besonders aufmerksam machen zu sollen auf den jungen Juristen Fetz aus Vorarlberg, der um ein Reisestipendium eingekommen. Er ist einer der begabtesten jungen Männer, die mir je vorgekommen, und ich halte ihn in hohem Grade der Gnade würdig, um die er gebeten. Freilich steht jetzt die gebotene Sparsamkeit seinem Gesuche entgegen, allein solche Menschen stehen einem nicht alle Tage zu Gebot und wie man im Frieden auf den Krieg, so muß man auch im Kriege auf den Frieden bedacht seyn. Wäre also auch oder käme gewiß Krieg, so dürfte man doch die Gelegenheit einer solchen Aquisition um einer an sich so unbedeutenden Ersparnis willen nicht unbenützt lassen.
Bei diesem Anlaß erlaube ich mir im Vorbeigehen zu bemerken, daß Dr. Tewes aus Göttingen, der hier als Privatdocent aufzutreten wünscht, mir ein in jeder Hinsicht achtungs- und empfehlungswürdiger Mensch scheint. Auch kann ich nicht umhin den Dr. Roßbach in Würzburg nochmals zu erwähnen, der so gerne in Oesterreich eine Lehrkanzel erhalten möchte, nachdem Lasaulx’s Bemühungen, ihm in München eine zu verschaffen, gescheitert.
Eine andere Angelegenheit, die mir nicht minder wichtig als die Heranziehung tüchtiger Lehrer scheint, ist die noch in der Schwebe befindliche Frage einer zweckmäßigen Überwachung und Leitung der Lehrkörper.
Euer Exzellenz haben mir selbst Ihre Abneigung gegen das Institut der Studiendirectoren ausgesprochen. Ich gestehe, daß es mir wie ein innerer Widerspruch vorkommt, die Anstalten, die wesentlich die Förderung der Wissenschaft zum Zwecke haben, unter die Direction von praktischen Beamten zu stellen, die in der Regel in ihrer gelehrten Bildung mindestens stehen bleiben, wenn sie nicht vollends rückwärts gehen. Es liegt darin eine Geringschätzung des wissenschaftlichen Fortschrittes, die auf Lehrer und Studirende die nachtheiligsten Folgen äußert. Thatsächlich werden dadurch die Universitäten als bloße Abrichtungsanstalten für den praktischen Staatsdienst erklärt und nichts könnte dem Aufschwung des wissenschaftlichen Geistes mehr entgegen seyn. Aber ich weiß, daß man eine unmittelbare Überwachung der Lehrkörper für unerläßlich hält, weil den aus deren Mitte durch Wahl hervorgehenden Vorstehern theils nicht der Willen, theils nicht die Kraft und das Ansehen zugetraut wird, die Studien und die Disciplin in gehöriger Weise zu überwachen und zu leiten.
Ich möchte über diesen Punkt nicht rechten, obwohl ich glaube, daß sich Abhilfe treffen ließe und daß diese gerade darin läge, daß man die Universitätsämter höher stellte und ihnen mit angemessener Verantwortlichkeit mehr Gewalt und Ansehen gäbe, anstatt sie immer mehr herabzudrücken. Aber mich dünkt durch die Wiederherstellung des Canzleramtes in seiner früheren Bedeutung und so, wie es durch das Schreiben Seiner Eminenz des Cardinals Rauscher vom 18. August 1855 in Aussicht gestellt ist, ließe sich eben so wohl den Wünschen des einen Theiles genügen, wie den Besorgnissen der anderen begegnen.
Die theologische Wissenschaft erscheint heut zu Tage so sehr wieder als die Centralwissenschaft, daß der Bischof, als ihr von Gott gesetzter Vertreter und Wächter, wohl überall als der Würdigste sich darstellt, dem man die Überwachung und Leitung der zur Pflege der Gesammtwissenschaft bestehenden Anstalten anvertrauen könne und sein mehr auf geistige als materielle Gewalt gegründetes Ansehen setzt ihn in den Stand, dieses Amt mit allem Nachdruck zu handhaben, ohne der zum wissenschaftlichen Aufschwung unerläßlichen Freiheit zu nahe zu treten.
Soll überhaupt jene Verheißung des Cardinal Rauscher in Erfüllung gehen, so ist gewiß die hiesige Universität diejenige, wo es am leichtesten geschehen kann und wo die Sache sogar von den entgegengesetztesten Standpunkten aus Billigung finden würde. Unter den Canzler wird sich hier die Mehrzahl zwar fügen, unter einen Studiendirector keiner, am wenigsten ich, das gesteh' ich.
Entschuldigen Euer Exzellenz meinen Freimuth und genehmigen Hochdieselben den Ausdruck der tiefen Verehrung, womit ich verharre

Euer Exzellenz

unterthäniger Diener
Frhr. v. Moy

Innsbruck, den 13. Februar 1859