Andreas Macher an Leo Thun
Krakau, 22. September 1860
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Regest

Schulrat Andreas Macher sendet Leo Thun einen Bericht über die Aufgaben und die finanzielle Lage der Dydynskischen Stiftung. Die Darstellung wurde durch eine Interpellation des Reichsrates Stanislaus Starowiejski-Biberstein in Auftrag gegeben. Der Schulrat entschuldigt die verspätete Abgabe des Berichts mit Schwierigkeiten bei der Beschaffung von notwendigen Informationen.
In der Beilage stellt Andreas Macher die Situation der Dydynskischen Stiftung dar. Dabei kommt er zum Schluss, dass die Behauptungen des Reichsrates Starowiejski, die Stiftung wäre entgegen dem Willen des Stifters nicht eingerichtet worden, nicht der Wahrheit entsprechen. Macher räumt allerdings ein, dass sich die Einrichtung der Stiftung tatsächtlich lange Zeit verzögert hatte. Diese Verzögerung hatte ihre Ursache allerdings in den Bedingungen des Stiftungsbriefes. Letzten Endes konnte die Stiftung jedoch nur durch das beherzte Eingreifen der Regierung überhaupt gerettet werden, weil die Finanzsituation der Stiftung durch die schlechte Verwaltung des Gutes in Gefahr geraten war.

Anmerkungen zum Dokument

Schlagworte

Edierter Text

Euer Excellenz!

Die Interpellation des Herrn Reichsraths Starowiejski von Biberstein in Betreff der Dydynskischen Stiftungsangelegenheit hat mich veranlaßt, eine gedrängte, Akten getreue Darstellung dieser Angelegenheit zu entwerfen, welche ich Euer Excellenz zur hochgeneigten Einsichtname und allfälliger Benützung ehrfurchtsvoll zu unterlegen mir erlaube.
Ich war vom Jahr 1855 bis zur Aufhebung der k.k. Landesregierung in Krakau mit der Erledigung der diese Angelegenheit betreffenden Geschäftsstücke betraut, und besichtigte den Stiftungsfond Godowa im Jahre 1856, daher mir der ganze Sachverhalt sehr genau bekannt ist. Der Umstand, daß die betreffende Verhandlungs-Akten bereits nach Lemberg abgeschickt wurden und ich mir einige Daten erst auf anderem Wege verschaffen mußte, ist Ursache, daß diese Darstellung Euer Excellenz so spät zukommt!

Krakau, am 22. September 1860.

Krakau, den 17. September 1860

Der Herr Reichsrat Starowiejski von Biberstein hat in der Sitzung vom 11. September 1860 zu dem Budget für das Ministerium des Cultus und Unterrichtes die Bemerkung gemacht, daß seines Wissens Privatstiftungen, welche zur Ausbildung der Jugend gewidmet sind, dieser Bestimmung nicht immer zugeführt würden, wodurch der Wille des Stifters vereitelt werde. Er müsse zur Unterstützung dieser Behauptung auf eine Stiftung in Galizien hinweisen, welche im Jahre 1808 von einem gewissen Dydynski errichtet und zur Erhaltung von 4 Jünglingen aus adeligen Geschlechtern bestimmt wurde. Diese sei im Jahre 1860 noch nicht ins Leben getreten. Im Stiftbriefe heiße es, daß die Stiftung durch einen Curator verwaltet werden und unter Aufsicht der Behörden stehen solle. Gegenwärtig beträgt dieselbe 100.000 fl wovon 50.000 fl in Barem und 50.000 fl in unbeweglichen Gütern bestehen. Sie steht unter der Verwaltung des Ministeriums für Cultus und Unterricht und die endliche Regelung dieser Angelegenheit nach dem Willen des Stifters sei trotz vielfältiger Verhandlungen noch immer nicht herbeigeführt. Darin liege einerseits eine Rechtswidrigkeit, weil dem Willen des Stifters Eintrag geschehe, und dann scheine ein solcher Vorgang auch unzweckmäßig, weil in ihm eine Art Abschreckungsmittel vor Errichtung solcher Stiftungen liege.
Reichsrat von Starowiejski erklärte, auf die Finalisierung dieser Angelegenheit ein um so größeres Gewicht legen zu müssen, als die Besetzung der Stiftungsplätze nach dem Stiftbriefe dem Curator zustehe, gleichwol aber die Regierung mit der Besetzung dieser Plätze vorzugehen die Absicht habe, ein Beginnen, welches unzweifelhaft einen Eingriff in ein Privatrecht bilden würde.
Ich war in der angenehmen Lage, diese Stiftungsangelegenheit in ihren kleinsten Details kennen zu lernen, und muß darum tief bedauern, daß dem genannten Herrn Reichsrate hierüber größtentheils unrichtige Daten mitgetheilt wurden, die einen ganz ungegründeten Vorwurf gegen die Regierungs-Behörden involvieren und durch die Tagespresse leider schon der Öffentlichkeit übergeben wurden.
Es hat seine Richtigkeit, daß diese Stiftung im Jahre 1808 von Anton Dydynski gegründet wurde und bis nun noch nicht ins Leben trat. Doch würde man sehr irren, wollte man die Ursache dieser auffallenden Verzögerung in einer etwa ordnungswidrigen Behandlung dieser Stiftungsangelegenheit seitens der Regierungsbehörden suchen. Der eigentliche Grund liegt in ganz andern Umständen, wie dies aus nachfolgender Darstellung zu entnehmen ist.
Anton von Dydynski hat mittelst der in lateinischer Sprache verfaßten Urkunde vom 2. Februar 1808, das ihm gehörige Gut Godowa (Jasloer Kreis) zur Gründung einer Familienstiftung gewidmet und in den Punkten I. II. und IV. bestimmt, daß 4 Jünglinge und zwar Namensverwandte des Stifters (de nomine meo) und in Ermangelung derselben Namensverwandte der Gattin des Stifters (Rosnowska) und beim Mangel auch dieser Verwandten 4 andere adelige und eheliche Jünglinge aus den Einkünften des Gutes Godowa so lange erhalten werden sollen, bis sie einen sichern Lebensunterhalt oder ein öffentliches Amt erlangt haben werden. Der Administrator dieses Institutes hat mittelst des in den Zeitungsblättern einzuschaltenden Edicts den Concurs zur Besetzung der vier Stiftungsplätze auszuschreiben und die sich meldenden Jünglinge vom 7. bis 11. Lebensjahr aufzunehmen. Das Gut Godowa soll nie veräußert, sondern stets administriert werden.
Zum ersten Administrator ernannte der Stifter seinen Freund, den gewesenen Grenzkämmerer Rafael von Niedzwiecki. In Hinkunft soll der Administrator vom betreffenden Landrechte bestättigt werden und bei diesem den Eid der Treue leisten. Im Punkte X. der Stiftungsurkunde wurde festgesetzt, daß der erste Administrator Niedzwiecki von jeder Rechnungslage befreit werde; dagegen solle jeder nachfolgende Administrator dem betreffenden Landrechte alljährlich Rechnung legen, und zugleich über Moralität und Fortgang der Stiftlinge Bericht erstatten.
Im Punkte XI. wurde ferner bestimmt, daß dieses Institut nicht eher eröffnet werde, als bis der zwischen dem Stifter und dem Rafael von Niedzwiecki abgeschlossenen Vertrag aufgehört und Letzterer den Zeitpunkt zur Eröffnung dieses Institutes bestimmt haben wird.
In dem zwischen Anton von Dydynski und Rafael von Niedzwiecki abgeschlossenen Vertrage vom 4. Februar 1808, wovon mir eine beglaubigte Abschrift vorliegt, wurde (Punkt 10) bestimmt, daß erst dann, wenn die auf dem Gute Godowa intabulierte Forderung des Stanislaus von Dydynski pro[?] 34.000 fl [?] und die Forderung des Ignaz von Dydynski pro 100.000 fl in Banknoten bezahlt, ferner die im Punkte 5 und 6 angeführten Gebäude (Bräuhaus, Speicher und Kapelle des St. Michael auf dem Friedhofe in Strzyzów) hergestellt sein werden, der Administrator Niedzwiecki diese Stiftung zu eröffnen haben wird.
Durch diese Stipulation hat schon der Stifter selbst den Zeitpunkt zur Aktivierung der Stiftung in eine sehr weite Ferne hinausgeschoben. Niedzwiecki administrierte Godowa bis zum Jahre 1822. Kurz vor seinem Tode überließ er das Stiftungsgut dem Josef Romer auf 6 Jahre in Pacht. Bis zum Jahre 1828 – also durch 20 Jahre wurden keine der obigen Bedingungen von denen das Inslebentreten der Stiftung abhängig gemacht wurde, erfüllt. Der Zustand der Stiftungsgebäude war ein erbärmlicher. Im Jahre 1828 wurde die Administration des Stiftungsgutes Godowa dem Anton von Dydynski einem Verwandten des Stifters übertragen. Gleich nach Übername der Administration wurde wegen der Forderung pro 34.000 fl das Executionsverfahren auf Godowa eingeleitet und bis zur gerichtlichen Abschätzung fortgeführt. Dem Administrator Anton Dydynski gelang es jedoch, dieses Kapital theils aus den Stiftungsrenten theils aus Eigenem aufzutreiben und diese Forderung zu befriedigen. Er wollte dem Willen des Stifters wenigstens theilweise entsprechen und verabreichte durch 8 Jahre aus den Stiftungsrenten Handstipendien a 100 fl Cmze an 6 adelige Jünglinge und zwar Ludwig, Marcell, Leopold, Zygmunt, Leo und Nicodem Dydynski – letzterer ist der gegenwärtige Stiftungsadministrator. Die Fondsmittel waren jedoch durch die dringend gewesenen Bauten derart in Anspruch genommen, daß Anton Dydynski mit der weiteren Verleihung dieser Handstipendien aufhören musste.
Im Jahre 1845 war das bestandene Lemberger Landesgubernium nahe daran, diese Stiftung, welcher damals jede Lebensfähigkeit zu fehlen schien, ihrem Schicksale zu überlassen. Doch hat die kk. Studienhof-Commission diese Angelegenheit einer sorgfältigen Prüfung unterzogen und dem Landesgubernium die Richtung vorgezeichnet, in welcher dieselbe mit Aussicht auf ein erfreuliches Resultat weiter zu behandeln wäre. Zur Erzielung derselben fand man es für nothwendig die Administration des Anton von Dydynski aufzuheben, was im Jahre 1850 stattfand. Wie traurig es bis zu diesem Jahre um die Dydynskische Familienstiftung stand, möge aus dem Umstand entnommen werden, daß bis dahin sämmtliche Stiftungsrenten durch die Bauten erschöpft wurden, und der Administrator Anton von Dydynski, welcher dabei auch sein eigenes Gut Sieklówka einbüßte, eine Forderung von ungefährt 20.000 fl Cmz gegenüber dem Stiftungsfond liquidierte. Hierüber wurde der Rechnungsprozess anhängig gemacht, welcher schon aus dem Grund verzögert werden mußte, weil die vom Administrator bis zum Jahre 1848 gelegten und der Staatsbuchhaltung übergebenen Rechnungen bei Gelegenheit des Bombardement von Lemberg ein Raub der Flammen wurden und auf langem Wege durch Dupplicate ergänzt werden mußten.
Im Jahre 1850 übernahm die Regierung resp. das Jasloer kk. Kreisamt die Verwaltung des Stiftungsgutes Godowa, welches in 2 Sectionen verpachtet wurde und erst mit diesem Zeitpunkte begann die Stiftung ein reines Einkommen abzuwerfen und allmählich lebensfähig zu werden. Leider mußte inzwischen in der Person des Pächters wegen Kontraktbrüchigkeit schon ein dreimaliger Wechsel eintreten. Statt des früheren Pachtschillings für die 1. Section pro 2024 f. CM wurde bei der auf Kosten und Gefahr des früheren Pächters vorgenommenen Licitation nur ein Pachtschilling von 1250 fl CM erzielt.
Bemüht, die Stiftung ganz im Sinne des Stifters sobald als möglich zu eröffnen, hat das hohe kk. Unterrichts-Ministerium im November 1857 einen Stiftungs-Administrator in der Person des Nicodem Ritter von Dydynski provisorisch bestellt, welcher sein neues wichtiges Amt am 1. Jänner 1858 übernam. Bei den redlichsten Bestrebungen der Regierungsbehörden und den eifrigsten Bemühungen des genannten Administrators war es bis nun durchaus unthunlich diese Stiftung ihrem ganzen Umfange schon zu aktivieren. Die oben erwähnten zwei Forderungen pro 34.000 fl und 100.000 fl in Banknoten sind zwar bereits getilgt, doch sind auch beide Sekzionen des Stiftungsgutes Godowa sehr viele kostspielige Bauten, dringend nothwendig, ferner ist die Kapelle des h. Michael noch immer nicht hergestellt, der Rechnungsprozess des gewesenen Administrators Anton Dydynski noch lange nicht beendet, endlich daß für aufgehobene Urbarialleistungen dem Stiftungsfonde gebührende Entschädigungcapital pro 35.000 fl CM ungeachtet wiederholter Betreibungen dem Fonde gerichtlich noch nicht zugewiesen. Bei so bewandten Umständen ist man heute noch nicht in der Lage zu beurtheilen, wie hoch sich die Renten der Stiftung belaufen und ob dieselbe zur Eröffnung der Stiftung auslangen dürften. Nach einer bei der hiesigen kk. Landeshauptkasse bei mir eingeholten Auskunft beträgt der Kassarest im Dydynskischen Stiftungsfond bis 20. September 1860 in Barem 104 fl 17 kr. und in Obligationen 20.270 fl.
Die bestandene Krakauer kk. Landes-Regierung beabsichtigte schon jetzt ein Lebenszeichen dieser Stiftung zu geben und stellte in den letzten Tagen August laufenden Jahres ans Hohe Unterrichtsministerium den Antrag, daß vorläufig 2 Handstipendien à 300 fl Ö.W. aus den Stiftungsrenten provisorisch errichtet und nur auf so lange verliehen werden, bis die Eröffnung der Stiftung ganz im Geiste des Stifters mit Rücksichtname auf die vorhandenen Fondsmittel möglich sein wird. Die Regierungsbehörden haben nie beabsichtigt dieser Stiftung eine dem Willen des Stifters zuwiderlaufende Richtung zu geben und absehend von diesem Willen mit der Besetzung der Stiftungsplätze ganz eigenmächtig vorzugehen, wie dies der Regierung zum Vorwurfe gemacht wird.
Jeder Unbefangene muß in gerechter Würdigung aller dieser der Wahrheit getreu geschilderten Umstände gestehen, daß die Regierungsbehörden nicht nur keinen Vorwurf wegen allfälliger ordnungswidriger Behandlung dieser Stiftungsangelegenheit verdienen, sondern denselben vielmehr das große Verdienst gebührt, diese dem Untergange schon so nahe gewesene Stiftung gerettet und auf einen nicht unerfreulichen Stand empor gehoben zu haben.