Der Jurist Friedrich Maassen bittet den Minister um die Ernennung zum Mitglied der Prüfungskommission an der Universität Innsbruck. Maassen rechtfertigt die Bitte damit, dass er mit seinem derzeitigen Einkommen sich und seine Familie kaum ernähren könne und daher auf eine zusätzliche Einkommensquelle angewiesen sei. Als Ursachen für seine finanzielle Not führt er die Kosten seiner Übersiedlung nach Pest und von dort nach Innsbruck sowie die Teuerung in Tirol an. Maassen schlägt daher vor, dass er per Erlass außerordentlich zu den Rigorosen zugezogen werde. Schließlich geht Maassen darauf ein, warum er seit Beginn seiner Anstellung in Österreich noch kein Werk veröffentlich habe. Der Grund hierfür liege darin, dass er an einer umfangreichen Studie über die Wechselwirkungen des kanonischen mit dem bürgerlichen Recht in historischer Perspektive arbeite. Hierfür müsse er Unmengen an Material in verschiedenen Bibliotheken aufarbeiten, da in vielen Bereichen noch jegliche Vorarbeit fehle.
Eure Excellenz!
Der mit dem 15. kommenden Monats erfolgende Austritt des k.k. Raths Prockner aus dem hiesigen
juristischen Professorencollegium scheint mir ein geeigneter Zeitpunkt zu sein,
um an Eure Excellenz die ganz gehorsamste Bitte zu richten, gnädigst anordnen zu
wollen, daß ich zu einigen Rigorosen der hiesigen juristischen Facultät
zugezogen werde.
Wenn ich zu diesem Zwecke nicht den amtlichen Weg
beschreite, sondern es wage, mit meiner Bitte mich unmittelbar an die Person
Eurer Excellenz Selbst zu wenden, so dürfte dies in dem Umstande einige
Entschuldigung finden, daß ich für die Motivirung dieser Bitte zugleich meine
persönlichen Verhältnisse in einer Ausdehnung berühren muß, welche nur zu sehr
die huldvolle Nachsicht Eurer Excellenz erforderlich macht.
Zu dem Wunsche,
an einigen juristischen Rigorosen theilnehmen zu dürfen, bestimmen mich
vornämlich zwei Gründe.
Einmal meine Stellung als Professor. Wenn ich von
den juristischen Rigorosen noch ferner ausgeschlossen bliebe, ohne es doch durch
die Natur meines Faches zu sein, so würde die Gefahr für mich nahe liegen,
dasjenige Maaß des Vertrauens und des Ansehens, dessen ich mich zur Zeit
noch bei der studirenden Jugend erfreue, und ohne welches ich mir eine
fruchtbare Wirksamkeit nicht denken kann, zu verlieren.
Die zweite Rücksicht
ist die auf eine Vermehrung meiner Einnahme, eine Rücksicht, die in dem
gegenwärtigen Momente besonders dringend für mich ist.
Eure Excellenz, es
ist mir bei meiner gegenwärtigen Einnahme schlechthin unmöglich mit meiner
Familie zu existiren.
Ich habe im vorigen Jahre neben meinem festen Gehalt
von 900 fl CM als Collgienhonorar 600 fl CM eingenommen. Dieser für die Zahl der
hiesigen Studirenden große Betrag erklärt sich aber daraus, daß im vorigen
Schuljahre sehr viele nicht dem ersten Cursus angehörige Juristen in Folge der
neuen Studienordnung das römische Recht gehört haben. Ich hatte im ersten
Semester des vorigen Jahres 60 Hörer, während die Durchschnittszahl der Hörer
des ersten Cursus kaum 40 beträgt. Meine Einnahme aus dem Collegienhonorar
erfährt daher, statt zuzunehmen, eine beträchtliche Abnahme. Ich habe in diesem
Semester nur 34 Hörer, von denen nach Ausweis des von der Universitätskanzlei
ausgefertigten Katalogs 6 ganz und 10 halb von den Collegiengeldern befreit
sind. Da ich achtstündig lese, so wird das Collegienhonorar dieses Semesters
daher ohne Abzug der Gebühren für mich nur 184 fl CM betragen. Bei dieser
Einnahme kann ich die nothwendigen Ausgaben nicht bestreiten. Meine Ehe ist
bereits mit Kindern gesegnet worden, im vorigen Monat ist mir der zweite Knabe
geboren. Die mit einem so erfreulichen Ereignis verknüpfte Erweiterung des
Hausstandes, die Unkosten, welche die Übersiedlung nach Pesth und von Pesth mit sich
gebracht hat, ein längerer Aufenthalt in München zur
Benutzung der dortigen Bibliothek, die bei der Anwesenheit Seiner Königlichen
Hoheit des Erzherzogs Karl
Ludwig unvermeidliche Anschaffung einer Dienstuniform und
dergleichen mehr, in Verbindung mit dem theuren Leben am hiesigen Ort haben mein
kleines mütterliches Erbtheil bereits so angestrengt, daß ich auch mit diesem in
kurzer Zeit nicht mehr aushelfen kann; ich habe es seit meiner Verehelichung
bereits über die Hälfte consumirt.
Da meine
Frau kein Vermögen besitzt, so bleibt mir bei dem gegenwärtigen
Stande meiner Einnahme mithin nur die Alternative, entweder mich so
einzuschränken, daß ich meine Lebensweise unter das Niveau reducire, welches das
sociale Herkommen für einen homo literatus festgestellt hat, oder mich in
Schulden zu stürzen. Das erstere fällt, namentlich an einem kleinen Orte, sehr
schwer; das zweite ist, abgesehen davon, daß es unerlaubt ist, jedenfalls ein
großes Übel.
Werden Eure Excellenz es unbescheiden finden, wenn ich unter
diesen Umständen eine Vermehrung meiner Einnahme als ein für mich höchst
wünschenswerthes Ereignis betrachte?
Eine solche Vermehrung meiner Einnahme
würde aber bewirkt werden, wenn ich an den juristischen Rigorosen theilnehmen
dürfte.
Für die Eröffnung dieser Participation giebt es einen doppelten
Weg.
Erstens meine Ernennung zum Ordinarius. Es kann mir nicht entfernt in
den Sinn kommen, auf diese meine Bitte zu richten. Es steht am allerwenigsten
mir zu, ein Urtheil darüber zu haben, ob und wann Eure Excellenz es für
angemessen halten werden, bei Seiner Majestät meine Ernennung zum ordentlichen
Professor zu beantragen. Ich wüßte auch gar nicht, auf welche Verdienste ich
mich berufen sollte, um eine solche Bitte zu motiviren.
Um was ich Eure
Excellenz bitten möchte, ist nur dies: Wenn ich seit der Zeit meiner Anstellung
bis heute kein literarisches Lebenszeichen von mir gegeben habe, so mögen
Hochdieselben trotzdem überzeugt sein, daß ich meine Zeit nicht in Unthätigkeit
zugebracht habe. Aber es giebt Bücher, die schneller, es giebt solche, die
langsamer beendigt werden. Auch das vorzüglichste Lehrbuch oder Handbuch kann in
verhältnismäßig viel kürzerer Zeit zu Stande gebracht werden, als eine Arbeit,
deren Aufgabe weniger ist, bereits gewonnene Resultate zu combiniren und zu
verarbeiten, als neue zu gewinnen. Gestatten Eure Excellenz mir, kurz das Thema
zu bezeichnen, mit dessen Bearbeitung ich mich beschäftige. Ich habe mir die
Aufgabe gestellt, die wechselseitigen Beziehungen des jus civile und jus
canonicum einerseits historisch zu verfolgen, andrerseits beide Rechtsgebiete in
ihrer heutigen Verbindung darzustellen, das canonische Recht, insofern es noch
heute einen Bestandtheil des sogenannten gemeinen Civilrechts bildet, das
Civilrecht in denjenigen Theilen, in denen es durch das canonische Recht mehr
oder weniger influenzirt ist. Der erste Theil der Aufgabe erfordert vor allen
Dingen ein gründliches Eingehen auf die Glossatorenzeit. Und gerade hier ist
unendlich wenig vorgearbeitet. Für das römische Recht kommt doch das in
kritischer sowohl als jeder andern Beziehung so meisterhafte Werk Savignys zu statten. Es ist hier für
die Dogmengeschichte bereits der Weg geebnet, das Material bezeichnet. Anders
für das canonische Recht. Hier gilt es sich das Gebiet erst literarhistorisch
erobern, feststellen, auf welche Schriftsteller es ankommt, in welchem
chronologischen Verhältnis sie stehen, was sie geschrieben haben, wo ihre
Schriften zu suchen sind. Von den Schriften, welche zu diesem Theil meiner
Arbeit in Beziehung stehen, existiren 19 nur handschriftlich auf den
verschiedensten Bibliotheken, von einigen ist es mir noch nicht gelungen den Ort
ihrer Aufbewahrung festzustellen. Diese Arbeit ist daher nicht schnell zu
beendigen. Das schließt allerdings nicht aus, daß ich die Erörterung einzelner
Fragen, deren Natur eine abgesonderte Behandlung gestattet, schon früher dem
Druck übergebe. Die nächste Veranlassung dazu wird mir die Auffindung einer
interessanten Handschrift der hiesigen Bibliothek bieten, deren kritische
Erörterung ich in Kürze veröffentlichen werde.
Halten Eure Excellenz zu
Gnaden, daß ich Hochdenselben, statt von Resultaten, von Projecten rede. Worauf
es mir ankam, war nur, Eurer Excellenz die Überzeugung zu gewähren, daß ich die
jedem Professor obliegende Verpflichtung, an der Förderung der Wissenschaft nach
Kräften mitzuwirken, auch meinerseits nicht außer Augen gesetzt habe.
Das
zweite Mittel, meine Theilnahme an den juristischen Rigorosen zu bewirken, wäre,
daß Eure Excellenz die Gnade hätten, unmittelbar meine Zuziehung zu verfügen.
Allerdings bildet es die Regel, daß außerordentliche Professoren nicht an den
Rigorosen participiren. Aber von dieser Regel sind, wie ich mit Bestimmtheit
weiß, bereits Ausnahmen gemacht. Ob nun die von mir angeführten Gründe von der
Art sind, um eine Ausnahme für mich zu motiviren, darf ich dem gnädigsten
Ermessen Eurer Excellenz anheimgeben.
Ich richte meine Bitte zunächst nur
auf die Berechtigung zur Theilnahme an zwei Rigorosen, dem
zweiten, in dem das römische und dem dritten, in dem das österreichische
Bürgerliche Recht einen Prüfungsgegenstand bildet. Das letztere liegt mir wegen
seiner nahen Verwandtschaft mit dem römischen am nächsten. Auf diese Weise würde
noch immer der Unterschied zwischen den Ordinarien und mir gewahrt bleiben; von
jenen participiren einige an sämmtlichen, andere an drei, keiner aber nur an
zwei Rigorosen.
Durch die Gewährung dieser meiner ehrerbietigsten Bitte
würde weder dem k.k. Aerar noch irgend einem Dritten eine Last auferlegt werden.
Durch den Austritt des k.k. Raths
Prockner werden vier Antheile vacant. Wenn über diese nicht
anderweitig verfügt wird, so fallen sie dem sogenannten Kanzleifonds zu, einer
erst seit kurzem geschaffenen Casse, auf der gar keine bestimmte Verpflichtung
ruht, und die bis dahin lediglich zur außerordentlichen Anschaffung von Büchern
gedient hat. Ich bitte nicht um sämmtliche vier Antheile, sondern nur um zwei.
Mit Ausführung der die Rigorosen betreffenden hohen Ministerialbestimmungen
vom 2. October 1855 wird freilich die gegenwärtige Rigorosenordnung eine
Änderung erleiden. Da dieser Zeitpunkt aber erst nach anderthalb Jahren
eintritt, so dürfte darin kein Hindernis für die Gewährung meiner ebenso
angelegentlichen als ehrerbietigsten Bitte liegen:
Eure Excellenz wollen gnädigst verfügen, daß ich mit dem Beginn des nächsten Semesters zu dem zweiten und dritten Rigorosum der hiesigen juristischen Facultät zugezogen werde.
Nur zu lange habe ich die huldvolle Nachsicht Eurer Excellenz durch Erörterung meiner Angelegenheiten auf die Probe gestellt. Ich bitte um Verzeihung, wenn ich dabei irgend etwas versehen haben sollte. Zugleich aber bitte ich den Ausdruck tiefsten Respectes zu genehmigen, mit dem ich verharre
Eurer Excellenz ganz gehorsamster Diener
Dr. Maassen
Innsbruck, den 12. Januar 1857