Alexander Hübner, österreichischer Gesandter in Paris, gratuliert Thun zum Abschluss des Konkordats und zu den Reformen im Bildungswesen. Aus seiner Sicht sind dies die beiden größten Erfolge dieser Regierung. Hübner glaubt auch, dass damit die Zeit politischen Argwohns und polizeilicher Überwachung beendet sei, die bisher die freie Entfaltung der geistigen Kräfte Österreichs verhindert hatten. Der verstorbene Karl Ernst von Jarcke hätte diese Entwicklung sehr begrüßt. Hübner versichert Thun dann, Eduard van der Nüll unterstützen zu wollen, allerdings müsse bedacht werden, dass Österreichs Kunst in Frankreich weniger angesehen sei als dessen Industrie. Zuletzt spricht Hübner seine Hoffnung aus, dass Thuns Bruder Friedrich bei seiner neuen Aufgabe in der Lombardei Erfolg haben wird.
Geehrtester Herr Minister,
Erlauben Euer Excellenz einem Laien Ihnen zu dem großen Umschwunge, der unter
Seiner Majestät Ägide und unter Ihrem unmittelbaren Einflusse heute auf dem
Gebiete der kirchlichen Verhältnisse Österreichs und auf dem des wissenschaftlichen Unterrichts
vorgeht, seinen wärmsten Glückwunsch darzubringen. Eigentlich gelten diese
Wünsche – die aufgehört haben fromme zu sein – dem großen Vaterland, welches
nunmehr von den Banden befreit wird, mit welchen es politischer Unverstand,
ängstlicher Argwohn nach allen Seiten hin, und die Meinung, mit der Polizei
allein müsse regiert werden, durch beinahe zwei Menschenalter hindurch umfangen
hielten. Von allen großen Dingen, welche unter unseres aller gnädigsten Herrn
Regierung bisher geschehen sind, halte ich die Abschließung des Konkordats und
die Reform unseres Studienwesens in Ihrem Sinne für die wichtigsten und
weittragendsten Maßregeln. Der Staat, der bisher im Zwiespalte mit dem Gewissen
und im Kampf mit den lebendigen Kräften des Geistes gelebt hatte, schließt mit
beiden Frieden, beruhigt jene und gewinnt diese für sich.
Wie würde sich der
arme Jarcke freuen, könnte er die
erläuternden Artikel der Wiener Zeitung lesen. Ihm hatte der Weg, den wir vor
1848 gingen, das Herz gebrochen. Als die Wiedergeburt Österreichs begann, siechte er bereits dem Grabe entgegen.
Herr van der Nüll
unterbricht mich hier, und durch ihn erhielt ich die geehrten Zeilen vom 10.
dieses Monats. Euer Excellenz wollen überzeugt sein, daß ich ihn nach Kräften
unterstützen werde. Ich fürchte aber, daß unseren Kunstleistungen, hier minder
unvortheilig beurtheilt als unsere Industrie, ihr Recht nicht widerfahren wird,
wenigstens nicht in vollem Maße. Ich habe hierüber an Graf Morny geschrieben, und werde auch Graf
Nuiverkerke günstig
zu stimmen suchen.
Von Ihrem Herrn
Bruder habe ich einen langen und in heiterster Stimmung
geschriebenen Brief aus Verona vor wenigen Tagen
erhalten.
Meine besten Wünsche begleiten ihn auf seinem Wege. Er ist gewiß
der richtige. Ich fürchte aber, wenn er nicht außerordentlich kräftig
unterstützt wird, daß er ihn schwieriger steiniger und beschwerlicher finden
wird, als er zu glauben scheint. Aber die großen Dinge werden nur im Schweiße
unseres Angesichts erreicht. Per aspera ad astra.
Verzeihen Sie,
verehrtester Graf, diese Herzensergießung und empfangen Sie die Versicherung der
ausgezeichneten Hochachtung und Verehrung, womit ich verharre
Euer Excellenz gehorsamer Diener
Hübner