Der Beamte der Finanzverwaltung in Lemberg, Anton Treitler, legt einen Bericht zur Reform des geistlichen Stiftungswesens in Galizien vor. Er ergänzt damit einen Bericht, den er an den Finanzminister gesandt hatte. Zunächst hält er fest, dass im Stiftungswesen in Galizien wenig Ordnung herrsche und schriftliche Aufzeichnungen in vielen Fällen fehlten. Daher regt er an, zunächst die Situation genau zu erheben. Er nennt dabei einige Besonderheiten Galiziens. Anschließend geht Treitler auf die Situation bei der Besoldung der Pfarrer ein und spricht sich besonders für die Beibehaltung der Servitutsrechte aus. Er untermauert seine Ansicht mit der althergebrachten Praxis sowie mit Grundsätzen des österreichischen Rechts. Dann geht er auf die Situation des Grundbesitzes der Pfarren ein. Hier gäbe es vor allem das Problem, dass die Pfarrer meist keine genaue Übersicht über ihren Besitz hätten und auch in den Grundbüchern die Besitzverhältnisse vielfach nicht genau geklärt seien. Daher sei es für Pfarrer oft schwierig, den Anspruch auf verpachtete Grundstücke – da selten Pacht- oder Besitzverträge vorhanden seien – geltend zu machen. Treitler regt deswegen an, dass in diesem Bereich staatlicherseits eine Initiative zur Unterstützung der Pfarren unternommen werde.
Der Schreiber lässt bei seiner Schreibung konsequent das Dehnungs-h weg. Für die Transkription wurde diese Besonderheit stillschweigend korrigiert.
Lemberg, 16. März 1855
Euer Excellenz,
Hochgeborner Herr Graf!
Euer Excellenz haben meine dem Herrn Finanzminister ehrfurchtsvoll unterbreitete Darstellung des geistlichen Stiftungswesens in Galizien einer hohen Aufmerksamkeit huldreichst zu würdigen geruht, infolge dessen meine im Intresse des allerhöchsten Dienstes gestellten Anträge wegen Regulirung desselben einer reiflichen Begutachtung der hierländigen Behörden unterzogen werden. Da also nunmehr die Regulirung des geistlichen Stiftungswesens in Galizien in naher Aussicht steht, so glaube ich, Euer Excellenz zu diesem Zwecke noch Folgendes ehrfurchtsvollst unterbreiten zu dürfen, was ich dem Herrn Finanzminister bereits auch angezeigt habe.
I. Bei dem so kläglichen Bestande der geistlichen Stiftungen in Galizien, und weil dieses Stiftungswesen in früherer
Zeit noch kümmerlicher als gegenwärtig behandelt wurde, über manche geistliche
Stiftung gar kein Stiftbrief errichtet wurde, manche Stiftung noch gar nicht in
Erfüllung gekommen ist, dürfte auch eine Regulirung der bereits bestehenden
Stiftungen im angedeuteten Zwecke liegen, und sowohl im eigenen Intresse der
Stiftungen, als auch im Intresse der hohen Staatsverwaltung und vorzüglich des
Religionsfondes vorzunehmen seyn. Es wäre daher, wenigstens bei größeren Pfarr-
und Domkirchen eine Evidenzstellung der bei denselben bestehenden geistlichen
Stiftungen mit jährlichen Stiftungsverbindlichkeiten in der Art einzuleiten, daß
die Pfarrer dieselben in ein nach bestimmten Rubriken abzufassendes Verzeichnis
aufnähmen, welches zu enthalten hätte: den Namen der Stiftung oder des Stifters,
den Stiftungsfond oder das Stiftungskapital; zu wessen Gunsten dasselbe
verschrieben ist, ob nämlich zu Gunsten der Kirche, der Stiftung überhaupt oder
wie sonst; die Art der geschehenen fruchtbringenden Anlegung, ob nämlich im
öffentlichen Fonde, in welchem Falle die Obligazion ganz genau zu bezeichnen und
anzugeben ist, auf wen sie lautet, oder bei Privaten und diesfalls wo; welche
Personen, und in welchen Anteilen sie die entfallenden Intressen genießen;
welches die eigentliche und die etwa bereits reducirte Stiftungsverbindlichkeit
sey; ob dieselbe genau erfüllt werde oder warum nicht; endlich ob ein Stiftbrief
vorhanden sey. Die dergestalt verfassten Ausweise wären durch die Consistorien
vorzulegen.
Aus denselben würde die hohe Staatsverwaltung von dem
eigentlichen Bestande der geistlichen Stiftungen genaue Kenntnisnahme erlangen,
und wegen etwaiger Realisirung der Stiftung, wegen allfälliger Ausscheidung oder
Reintegrirung des besondern Stiftungskapitales oder Errichtung von Stiftbriefen
nach Umständen das Geeignete zu verfügen in der Lage seyn. Die solchergestalt in
Evidenz gebrachten Stiftungskapitale wären sodann in dem Kircheninventare in
einer besondern Rubrik aufzuführen. Daß eine solche Evidenzstellung der
geistlichen Stiftungen das Geschäft der Absonderung des Kirchen- und
Pfarrvermögens seinerzeit auch sehr fördern würde, unterliegt keinem Zweifel.
Von einem besondern Intresse für die hohe Staatsverwaltung und von Nutzen
würde aber die Evidenzstellung der bei der Lemberger griechisch katholischen
Stadtpfarr – sogenannten Stauropigiankirche seyn, weil hier bedeutende geistliche
Stiftungen bestehen, und Verhältnisse ganz eigentümlicher Art obwalten. Bei
dieser Kirche besteht nämlich ein Verein von Mitgliedern, welcher im Jahre 1830
einstweilen nur provisorisch organisirt, die ganze Dotazion der Kirche und des
Kirchenpersonales aus Eigenem bestreitet, das gesammte Vermögen ohne alle
Einflußnahme des Pfarrers unter seiner alleinigen Obsorge hat und verwaltet,
nebst verschiedenen andern Rechten die ganz selbstständige Gebarung des
Vermögens, die Verhandlung wegen Annahme geistlicher Stiftungen und Errichtung
von Stiftbriefen ohne Beiziehung des Pfarrers und den ganzen Genuß der
geistlichen Stiftungskapitale für sich beansprucht, und dem Pfarrer von den
Intressen derselben nur die stolamäßige Gebühr verabreichen will; daher auch die
geistlichen Stiftungskapitale mit dem andern Vermögen der Kirche und des
Instituts großenteils nicht nur vermengt, sondern auch manches geistliche
Stiftungskapital zu andern Zwecken des Instituts verwendet worden ist.
Wenn
gleich kaum zu zweifeln, daß bei der nun auch bald erfolgenden definitiven
Organisirung des Stauropigianinstitutes allerhöchsten Orts denselben die
selbstständige Gebarung des Vermögens zugestanden werden wird, so dürfte doch bei
dem Umstande, daß die hohe Staatsverwaltung fast allenthalben das geistliche
Stiftungswesen in seine Obsorge übernimmt, und die von dem genannten Institute
beanspruchte exceptionelle Stellung in geistlichen Stiftungssachen mit der Sache
und mit den Grundsätzen des kirchlichen und österreichischen Rechts füglich
nicht vereinbarlich ist, das hinsichtlich der geistlichen Stiftungen überhaupt
in Ausführung Kommende wahrscheinlich auch auf die geistlichen Stiftungen bei
der Stauropigiankirche in Anwendung gebracht werden; daher auch eine Absonderung
des geistlichen Stiftungsvermögens von dem anderweitigen Vermögen des Instituts
statt zu finden haben; jedenfalls aber wird der hohen Staatsverwaltung daran
gelegen seyn, selbst in dem Falle, als das Stauropigianische Institut auch das
geistliche Stiftungswesen gänzlich in seine Obsorge überkommen würde, eine
genaue Evidenz desselben zu erhalten und darin auch hiefür zu verbleiben.
Die in Stiftungssachen ergehenden hohen Verordnungen dürften auch auf die
bereits bestehenden geistlichen Stiftungen ihre Anwendung erleiden, insbesondere
wegen Errichtung von Stiftbriefen, falls solche noch nicht errichtet worden
wären, wegen Reduzierung der Stiftungsverbindlichkeiten nach dem angenommenen
Minimalbetrage und wegen Verteilung des Interessengenußes, wenn dieselbe nicht
bereits in dem vorhandenen Stiftbriefe ausgedrückt ist, weil diese Stiftungen
auf einem bloß faktischen Bestande beruhen, welchem keine gesetzliche Basis zu
Grunde liegt, sondern derselbe vielmehr vom wahren Begriffe der Sache, vom Werte
und Geiste der kirchlichen und österreichischen Vorschriften in geistlichen
Stiftungssaschen abweicht, und diese Verordnungen bei Ermanglung spezieller
Bestimmungen ohnehin schon in Anwendung hätten kommen sollen.
Daß übrigens
die ergehenden hohen Verordnungen, insofern sie über die Verteilung des
Stiftungsgenußes Bestimmungen enthalten werden, nur in dem Falle von Anwendung
seyn werden, wenn der Stifter nicht selbst diesfalls ausdrücklich verfügt hat,
braucht nicht bemerkt zu werden.
II. In weiterer Erörterung dessen, was ich in meinem dem Herrn Finanzminister unterbreiteten Schreiben
in Betreff der Dotazion der Pfarrer nur im allgemeinen erwähnt habe, erlaube ich
mir hier Folgendes näher anzuführen.
Die meisten Pfarrer in Galizien sind schon durch Dotazion oder auch auf
andere Art in den Besitz von Holz-, Weide- u. a. Servitutsrechten gelangt, welche
gewöhnlich auch in den Pfarrinventarien aufgenommen erscheinen, und deren
Reinertrag denselben auch in der Congrua eingerechnet wird. Sie sind für die
Pfarrer wegen ihres wirtschaftlichen Betriebes, indem sie diesfalls fast ganz
auf ihren Ort angewiesen sind, von besonderer Wichtigkeit; daher bei der
demnächst erfolgenden Ablösung oder Regulirung der Servituten im Intresse der
Pfarreien und des Religionsfondes auch dahin gewirkt werden wird, daß die
Pfarrer in dem Besitze dieser Servituten auch fernerhin erhalten werden.
Die
Verhältnisse der Neuzeit üben auf diesen pfarrlichen Gerechtsame einen äußerst
ungünstigen Einfluß. Das für Besitzstreitigkeiten ergangene Gesetz vom 27.
Oktober 1849 wird auch bei vorfallenden Störungen im Besitze der fraglichen
pfarrlichen Servituten mit einem für die Kirchen und bezüglich den Religionsfond
höchst ungünstigen Erfolge in Anwendung gebracht. Früher konnten diesfällige
Besitzstörungsbeschwerden zu Gunsten der Kirchen innerhalb 3 Jahren vom Tage der
vorgefallenen Störung beim Landrechte angebracht werden, gegenwärtig muß dieses
binnen 30 Tagen geschehen; früher fällte das k.k. Landrecht selbst die
Entscheidung, gegenwärtig der Gränzkämmerer, welcher bei der diesfälligen
Erhebung mit der Herrschaft auch noch in nähere Verhältnisse kommt, so daß man
schon in vorhinein sich einiger Besorgnis nicht erwehren kann. Es ist daher auch
erklärlich, daß auf diesem Wege ein für die Kirchen günstiges Resultat nicht
erzielt wird, und der Religionsfond auch nicht unbedeutende Kosten trägt. Es ist
aber mit Grund die Frage, ob denn die berufene allerhöchste Verordnung vom 27.
Oktober 1849 auch auf die fraglichen Servitutsrechte der Kirchen und Pfarren in
Anwendung kommen sollen, oder ob nicht etwa diese kirchlichen Gerechtsame gleich
andern derlei Gerechtsamen bei vorfallenden Verweigerungen oder
Beeinträchtigungen politischerseits nicht auch in Schutz genommen und die
Pfarrer von den Kreisbehörden im Besitze erhalten werden sollten? Es ist im
Systeme der österreichischen Gesetzgebung gegründet, und in vielen hohen und
höchsten Verordnungen der Vor- und Neuzeit der Grundsatz ausgesprochen, daß die
Pfarrer ihre diesfälligen Beschwerden bei den Kreisämtern anzubringen haben, die
Kreisämter die Pfarrer im Besitze ihrer Gerechtsame erhalten und aushaftende
Gebühren und Ausstände im politischen Wege eintreiben sollen.
Als
insbesondere in Galizien im Jahre 1794
diesfällige Anstände und Zweifel entstanden waren, und der von den
administrativen Behörden hierin zu nennende Vorgang allerhöchsten Orts in Frage
gebracht worden war, erfolgte mit hohem Hofkanzleidekrete vom 3. May 1794 Z. 584
die Entscheidung dahin und wurde als allgemeine Norm bestimmt, daß die Pfarrer
in allen ihren Zuflüssen und Eingängen, insoweit sie „nicht durch allgemeine
Anordnungen abgestellt sind, erhalten und in vorkommenden Fällen in possessorio
politischerseits geschützt werden sollen“. Die diese allerhöchste Verordnung
intimirende Verordnung des galizischen k.k. Landesguberniums vom 31. May 1794 Z.
13304 erteilte den Kreisämtern in Betreff der Holzungs-, Mal- und anderer
Servitutsrechte der Pfarren noch eine besondere Weisung und verordnete ihnen
„daß sie im Falle der Abtretung einer der Pfarre zuständigen Servitut den
Cessionarius eben so wie den Pfarrer selbst gegen eine herrschaftliche
Verweigerung der Servituten schützen sollen“, um Behufs der Dotazion dem
Religionsfonde das diesfällige Erträgnis zu sichern. Im Sinne dieser
allerhöchsten Verordnung ergingen auch in spätern Jahren, namentlich in den
Jahren 1796, 1799, 1801 und 1808 noch mehrere derlei Verordnungen in Galizien,
und es wurde der Grundsatz der diesfälligen Competenz der politischen Behörden
auch strenge befolgt.
Daß durch die Justizhofdekrete vom 3. März 1797, 8.
August 1808 und 5. Dezember 1812 bloß die Competenz der Kreisämter zu
Entscheidungen in rein civilrechtlichen Besitzstreitigkeiten, wozu sie früher
auch berufen waren, eingeschränkt oder aufgehoben; aber die lediglich die
Dotazionsgerechtsame der Geistlichkeit betreffenden allerhöchsten und hohen
politischen Gesetze und Verordnungen dabei gänzlich unberührt gelassen wurden,
ist nicht nur schon an und für sich, aus dem Wortlaute dieser Justizhofdekrete
und aus der Hermeneutik der Gesetze klar; sondern noch insbesondere aus dem
Kundmachungspatente zum allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, in dem daselbst
ausdrücklich erklärt wird, daß die die Privatrechte beschränkenden politischen
Verordnungen noch ferner in ihrer Kraft zu verbleiben haben, so wie auch durch
viele bis auf die neueste Zeit ergangenen allerhöchsten Entscheidungen und
Verordnungen, welche hinsichtlich der geistlichen Dotazionsgerechtsame
Bestimmungen enthalten, weil die österreichische Gesetzgebung diese Gerechtsame
als eine geistliche Dotazion allenthalben, zu jeder Zeit und auf gleiche Weise
in ihre Obsorge und in besondern Schutz genommen hat, und diese Rechte nicht
nach bloßen privatrechtlichen Gesetzen behandelt wissen will. Durch die
allgemeinen Provisorialgesetze über Besitzstreitigkeiten, namentlich vom 5.
Dezember 1812 und vom 27. Oktober 1849, welche rein privatrechtlicher Natur
sind, haben also die oberwähnten politischen Verordnungen ihre Wirksamkeit noch
keineswegs verloren, was, wenn dieser Fall eingetreten seyn sollte, schon nach
der Hermeneutik der Gesetze hätte ausdrücklich erklärt werden müssen.
Daß
die fraglichen pfarrlichen Gerechtsame bei vorfallenden Störungen, in bloßen
Provisorialfällen auch in das rein civilrechtliche Gebiet hinübergezogen wurden,
beruht lediglich auf einer auf gar kein ausdrückliches Gesetz sich stützenden
Praxis, ist eine Abweichung vom Systeme der österreichischen Gesetzgebung, ist
eine Inconsequenz in der Behandlungsweise der geistlichen Gerechtsame, in dem
andere derlei Gerechtsame, namentlich wegen Leistungen und Bezügen in Geld und
natura auch noch gegenwärtig der Behandlung der politischen Behörden unterzogen,
und Ausstände im politischen Wege eingetrieben werden. Selbst die Justizbehörden
teilen diese Ansicht. Als nämlich die Nusmicer Gemeinde ihrem Pfarrer die bisher
geleistete Abgabe in Korngarben verweigert hatte, und die galizische
Kammerprokuratur im gerichtlichen Wege mit einer Provisorialbeschwerde gegen die
Gemeinde aufgetreten war, erklärte sich das Gericht für incompetent, weil dieser
Gegenstand zur politischen Behörde gehöre, und es erfolgte eine gleichförmige
Entscheidung aller 3 Instanzen der Justiz. Und gerade die fraglichen
Servitutsgerechtsame der Pfarreien sollten als eigentliche geistliche
Dotazionsrechte besonders wegen ihrer Wichtigkeit, ja Unentbehrlichkeit für die
Pfarrer vor andern Gerechtsamen in den Schutz der politischen Behörden genommen
werden. So lange also nicht auch die andern pfarrlichen Gerechtsame nach den
bloßen Grundsätzen des Privatrechts behandelt werden, sollten consequent auch
die fraglichen Servitutsrechte der Kirchen und Pfarren nach politischen
Vorschriften behandelt werden.
Die praktische Anschauungsweise in dieser
Sache ist, so wie nicht dem Gesetze so auch sich selbst nicht treu geblieben,
sondern bald durch nachtheilige Erfolge belehrt, bald durch neuerliche
Verordnungen und Entscheidungen zurecht gewiesen einer veränderten Richtung
gefolgt, und hat sich bis zur Stunde noch auf keinen festen Boden fixirt. Wie
ich in meinem Schreiben an den Herrn Finanzminister dargetan, suchte man hieramts vom Jahre 1840
angefangen die geistliche Dotazionsgerechtsame, nämlich wegen Bezügen in Geld
und natura nach rein privatrechtlichen Grundsätzen zu behandeln, und die
Competenz der politischen Behörden fand man unzulässig. Diese Ansicht, wiewohl
gegen Wort und Geist der österreichischen Gesetzgebung war wenigstens
consequent; gegenwärtig, nachdem man diese Bahn zu verlassen gezwungen war,
nimmt man den Schutz der politischen Behörden großenteils wieder in Anspruch,
will aber den politischen Behörden überhaupt das Recht noch absprechen, die
Pfarrer im Besitze ihrer Bezüge provisorisch zu schützen, obschon man ihnen das
Recht zu exequiren zugesteht und die politische Execution auch verlangt, und
hinsichtlich der pfarrlichen Servitutsrechte bleibt man noch ganz auf dem rein
civilrechtlichen Boden stehen, verfährt also ohne alle Consequenz, besonders
wenn man erwägt, daß die politische Competenz zur Execution doch auch die
politische Competenz zur Entscheidung wegen provisorischer Erhaltung im Besitze
voraussetzt.
In genauer Erwägung alles dessen und bei dem Immitteliegen der
hohen Ministerialerlässe vom 2. Februar 1850 N. 42 und vom 28. Oktober 1851 Z.
573, womit die Competenz der politischen Behörden zur executiven Eintreibung
aushaftender Naturalgiebigkeiten für Kirchen und Pfarren ausgesprochen und im
Systeme liegend ausdrücklich erklärt wurde; nachdem ferner das galizische k.k.
Landesgubernium in seiner Intimation des letztern Erlasses Eines Hohen
Ministeriums untern 2. April 1851 Z. 13442 die Weisung erteilt hat: „Es müsse
sich an den Grundsatz gehalten werden, daß die politischen Behörden durch die
Eigenschaft des fraglichen Bezuges und dessen Nexus mit der Dotazion des
Pfarrers eben so berufen als verpflichtet sind, den faktischen Besitz zu erheben
und eventuell zu beschützen“; so kann nicht nur darüber füglich kein Zweifel
mehr obwalten, daß die politischen Behörden in Angelegenheiten, wo es sich um
die Dotazion des Pfarrers handelt, noch gegenwärtig nicht nur zur Execution,
sondern auch zur Erhebung des faktischen Besitzstandes und zur Entscheidung eben
so noch berufen sind, wie sie mit dem Hofkanzleidekrete vom 3. May 1794 berufen
waren; sondern es dürfte auch darüber wohl kein Zweifel mehr obwalten, daß auch
die Holzungs- und Weiderechte der Pfarrer nach demselben Grundsatze zu behandeln
sind, indem eine andere Behandlungsweise durch keinen haltbaren Grund zu
rechtfertigen ist, eine teilweise Außerkraftsetzung der politischen hohen
Verordnungen und namentlich des letztern hohen Hofkanzleidekretes hier um so
weniger erklärbar wäre, als die den politischen Gesetzgeber leitenden Motive,
nämlich den Pfarrern die Dotazion durch politischen Schutz zu sichern und den
Religionsfond vor Nachteilen zu bewahren, hinsichtlich der pfarrlichen Holzungs-
und Weiderechte noch weit stärker hervortreten als bei andern Naturalabgaben,
Holzbezug und Weide auch Naturalbezüge der Pfarrer sind, somit Wort und Geist
des Gesetzes gleich kräftig, ja noch kräftiger als bei andern Bezügen der
Pfarrer für den politischen provisorischen Schutz sprechen, zumal man
gegenwärtig noch weit mehr als früher diese pfarrlichen Gerechtsame zu
verkümmern sucht. Durch diesen politischen Schutz würden Kirche und
Religionsfond vor bedeutenden Nachteilen verwahrt, und eine einheitliche
Geschäftsbehandlung hinsichtlich der geistlichen Gerechtsame erzielt werden. Um
dieses zu erzielen, dürfte es notwendig seyn und auch genügen, auf die volle
Wirksamkeit des bezogenen und erörterten hohen Hofkanzleidekretes vom 3. May
1794 Z. 584 hinzuweisen.
III. In gleichem Zwecke glaube ich auch in Hinsicht des pfarrlichen
Grundbesitztums das Folgende in Erwägung und Erörterung bringen zu sollen. Die
zu einer Pfarre gehörigen Grundstücke befinden sich oftmals im Besitze dritter
Personen, denen sie, weil zerstreut, weit entlegen und aus andern Gründen gegen
Entrichtung von Grundzinsen und Arbeitsleistungen die Pfarrer schon vor 2, 3 und
mehreren Dezennien in Benützung überließen, oftmals auch schon
Familienansäßigkeiten geworden sind. Manche Pfarre hat 10 und auch mehrere
solche Grundstücke und Ansäßigkeiten.
Hinsichtlich derselben hat sich erst
in neuester Zeit für die Kirchen und bezüglich den Religionsfond eine Gefährde
deutlich herausgestellt. In Galizien bestehen
keine ordentlichen Grundbücher, die Kirchen sind daher weder im physischen noch
im tabularmäßigen Besitze solcher Kirchengründe. Der eigentliche Übelstand liegt
aber darin, daß solche schon vor Dezennien, ohne Wissen und Bewilligung der
hohen Behörden geschehenen Grundverlassungen größtenteils nur über ein bloß
mündliches Übereinkommen zwischen dem Pfarrer und dem Grundbesitzer geschehen,
für die Kirche beweiskräftige Urkunden über das kirchliche Grundbesitztum also
auch nicht vorhanden sind. Der so geartete kirchliche Grundbesitz ist daher
größtenteils nur noch von der Gewissenhaftigkeit der Grundbesitzer abhängig,
aber diese wird auch schon immer schwächer. Seit dem Jahre 1848 will man dem
Pfarrer die übernommenen Schuldigkeiten nicht mehr entrichten, aber auch den
Grund nicht zurückstellen, hie und da macht man auch Ansprüche auf den Grund
selbst. Es kommen daher zahlreiche Beschwerden der Pfarrer vor mit der Bitte um
Vindicirung der Gründe.
Man überlässt es dem Pfarrer selbst, derlei Besitzer
von Kirchengründen auf Zurückstellung der Gründe oder auf fernere Leistung der
Grundschuldigkeiten bei ihrem zuständigen Justizamte zu belangen, weil es sich
hier eigentlich nur um den Fruchtgenuß des Pfarrers handle.
Das Schwierige
und Bedenkliche bei dieser Sache ist aber nicht zu verkennen. Bei allen
gerichtlichen Grundvindicirungen müssen insbesondere die Gränzen des zu
vindicirenden Grundes auf das genaueste erwiesen werden, ohne welche schon
überhaupt ein günstiges Urteil nicht zu gewärtigen, eine executive Grundübergabe
aber geradezu unmöglich ist. Wegen dieser Schwierigkeit ist eine gerichtliche
Grundvindicirung in manchen Fällen schon in vorhinein untunlich; sie ist aber
bei den fraglichen Grundvindicirungen um so größer, als wie gesagt, das
Eigentumsrecht der Kirche erweisende Urkunden fast nirgends vorhanden sind, der
Zeugenbeweis hier, wo die Grundverleihung schon vor Dezennien stattfand, schon
an und für sich, und wenn im Verlaufe der Jahre auch Veränderungen in den
Gränzen vorgenommen wurden, fast ganz unmöglich ist. Da übrigens sich auch die
Pfarrer, und zwar nicht ohne Grund weigern, derlei Prozesse auf ihre Kosten zu
führen, und weil es sich hier wohl nicht bloß um ihren Fruchtgenuß allein,
sondern auch um das Eigentumsrecht der Kirche und bezüglich des Religionsfondes
handelt, weil ferner die Pfarrer hiebei mehr ihren eigenen Vorteil in Augen
haben, sich nur für ihre Person durchzuhelfen suchen werden, um den Prozeß
womöglich zu vermeiden; so wird auf dem eingeschlagenen Wege dem Übelstande der
Sache wohl kaum abgeholfen werden.
Zur Abwendung der diesfälligen Gefährde
für den Pfarrer und den Religionsfond dürfte das Möglichste wohl nur im
gütlichen und administrativen Wege getan werden. Da nämlich die fraglichen
Kirchengrundbesitzer das Übereinkommen mit dem Pfarrer und das der Kirche
zuständige Eigentumsrecht auf die Gründe, so wie ihre frühere diesfällige
Schuldigkeitsleistung an den Pfarrer großenteils noch nicht in Abrede stellen,
ihre Verweigerung der Schuldigkeitsleistung an den Pfarrer, so wie auch ihre
Ansprüche auf den Grund gewöhnlich nur auf einer Unkenntnis der wahren
Beschaffenheit der Sache, vorzüglich aber auf Mißverstand der neuern Gesetze
beruht; so ist wohl noch gegründete Hoffnung vorhanden, derlei Besitzer von
Kirchengründen zur Abschließung ordentlicher Pachtverträge noch im gütlichen
Wege zu vermögen. Dabei dürfte der bisherige faktische Besitzstand zur Grundlage
zu nehmen seyn, entweder in der Art, daß die bisherige Schuldigkeitsleistung,
oder statt der, wiewohl diesfalls nicht aufgehobenen Naturalarbeitsleistung eine
entsprechende höhere Geldleistung angenommen wurde. In diesen Pachtverträgen müßten
nebst der ausdrücklichen Anerkennung des der Kirche zustehenden Eigentumsrechtes
auf den Grund auch die genaueste Beschreibung des Grundes, nach Benennung,
Umfang besonders aber der Gränzen nach den vier Weltgegenden; ferner die
Verbindlichkeit, diese Gränzen ohne Zustimmung des Pfarrers unter sonstigen
sogleichen Pachtverluste und Außerbesitzsetzung durch den Pfarrer oder die
administrativen Behörden nicht zu verändern, so wie auch bei vorfallender
Veränderung in der Person des Pfarrers sich wegen Pachtbelassung binnen etwa
einem Monate beim neuen Pfarrer zu melden ausdrücklich aufgenommen und bedungen
werden, und die Pachtverträge mit den beweisfähigen Unterschriften den §§ 88b
des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches und 185 der Gesetzordnung gemäß
verstehen werden, nämlich mit der eigenhändigen Namensfertigung und Beiziehung
zweier des Schreibens kundiger Zeugen.
Bei der diesfälligen Verhandlung
hätten aber die Kreisbehörden um so mehr zu interveniren, als hinsichtlich der
in Frage stehenden Kirchengründe bei ihnen zum Teil schon Verhandlungen
gepflogen wurden, und sie auch am meisten geeignet und berufen sind, die
Anstände der Grundbesitzer zu beheben, und sie gehörig zu belehren, daß die
neueren Gesetze in Untertanssachen Kirchengrundbesitzer nicht berühren, und
diesfällige Leistungen an die Pfarrer nicht aufgehoben sind, wie die Gesetzte
sowohl, als auch die Grundentlastungscommission ausdrücklich erklärt haben.
Selbst in dem Falle, daß derlei Kirchengrundbesitzer sich zur Abschließung
förmlicher Pachtverträge nicht herbeilassen würden, sollte wenigstens die
genaueste Beschreibung des strittigen Kirchengrundes besonders hinsichtlich
seiner Gränzen, so wie der bisherige faktische Bestand, falls dies nicht bereits
geschehen wäre, durch die Kreisbehörden protokollarisch constatirt werden, indem
ein solcher Behelf in einem ordentlichen Prozesse von Nutzen seyn würde.
Da
die dargestellten Grundverhältnisse bei vielen Pfarren in Galizien obwalten,
ferner um dem Übelstande bei gerichtlichen Grundvindicirungen, so wie auch den
Beschwerden der Pfarrer möglichst zu begegnen, und weil ein Pachtvertrag unter
obigen Bedingungen eine bessere Bürgschaft für die Gerechtsame der Kirche als
selbst ein gerichtliches Urteil bieten dürfte; so dürften die Pfarrer durch die
Consistorien anzuweisen seyn, solche Pachtverträge mit ihren
Kirchengrundbesitzern abzuschließen, und hiebei die Hilfe der Kreisbehörden in
Anspruch zu nehmen; in Zukunft aber sich genau nach der allerhöchsten
Entschließung vom 6. int. mit Hofdekret 14. April 1821, dann nach Hofdekret vom
19. Jänner 1844 zu benennen.
Indem ich meine Darstellung und Erörterungen
über die geistlichen Dotazionsgerechtsame in ihren wichtigsten Beziehungen Einem
Hohen Ministerium ehrfurchtvollst unterbreitete, glaube ich nur meiner
instruktionsmäßigen Pflicht nachgekommen zu seyn.
Euer Excellenz
alleruntertänigster Diener
Dr. Ant. Treitler
k.k. Finanzpktursadjkt.
Lemberg den 16. März 1855