Der Bericht betont die allgemeine Oppositionshaltung der ungarischen Protestanten. Diese richtet sich nicht nur gegen jegliche Einmischung in Glaubensfragen, sondern allgemein gegen die Politik der Wiener Regierung. Derzeit streben die Protestanten eine allgemeine Synode an.
Der Bericht ist mit einem Begleitschreiben Erzherzog Albrechts übermittelt worden.
Ofen, am 31. Dezember 1856
Es ist Mir aus einer gut unterrichteten und verläßlichen Quelle eine vertrauliche Mittheilung über die Bestrebungen und Pläne der Protestanten in Ungarn zugekommen, deren Inhalt Mir so wichtig scheint, daß ich Mich veranlaßt finde, eine Abschrift derselben Euerer Excellenz in der Nebenlage, jedoch nur zur eigenen persönlichen Kenntnisnahme zu übersenden.
Albrecht
Abschrift
Die kirchliche Bewegung in den beiden protestantischen Confessionen läßt als
rothen Faden die eine gemeinschaftliche Absicht durchblicken: strenge
Verwahrung gegen Einflußnahme der Regierung in die Angelegenheiten ihrer
Verwaltung und ihres Schulwesens. Nach allen Stimmen, die ich bisher darüber
vernommen habe, und nach dem Urtheile der besten Köpfe ist selbst von sonst
loyal gesinnten Mitgliedern dieser Gemeinden an Nachgiebigkeit nicht zu
denken, und der ausgesprochene Wunsch einer großen Synode in Pesth zielt mehr
darauf hin, Zeit zu gewinnen, ihre Argumente zu kräftigen und solche in
Massen um so nachdrücklicher zu vertheidigen.
Die große Empfindlichkeit,
namentlich der Calviner in diesem Punkte, liegt schon in der den Ungarn angebornen
Leidenschaft der Selbstregierung, der sie wohl jedes Opfer zu bringen fähig
sind, welche zu opfern aber nur Gewalt sie zwingen kann.
Man ist um so
hartnäckiger in Behauptung altdocumentirter Rechte auf diesem Felde, als
hier gleichzeitig ein Weg angebahnt ist, verkappten regierungsfeindlichen
Gesinnungen anständig und ohne unmittelbar nachtheilige Folgen Luft zu
machen.
In letzterer Beziehung ist wohl zu berücksichtigen, daß die
eigentliche große Aristokratie (welche zumeist katholisch ist) hier außer
Betheiligung bleibt, und die wenigen Einfluß nehmenden höher stehenden
Familien, welche dem protestantischen Glauben angehören als: die Teleki’s,
ein Graf Řaday und andere, in ihren Tendenzen genügend bekannt sind. Man
erwähnt bei dieser Gelegenheit vielseitig der Zeit, wo unter Pius III. [sic!] ein Theil der
ungarischen Aristokratie, der früher gleichfalls dem Protestantismus
angehörte, wie ein Batthyányi
und selbst ein Eszterházy, zum katholischen Glauben überzutreten sich bestimmen
ließen.
Man ist der Ansicht, daß unter heutigen Verhältnissen Einflüsse
und Zwangsmaßnahmen der katholischen Kirche ganz gegentheilige Wirkungen
hervorrufen dürften, wie überhaupt die große Apathie, die unter Katholiken
in Folge des Konkordats zu Tage liegt, und die thatsächliche Lauheit in
Glaubensangelegenheiten, welche unsere katholische Bevölkerung
charakterisirt, die Protestanten in der Zuversicht bestärkt, ihrer
oppositionellen Stellung in den weitesten Kreisen Theilnahme und
Unterstützung zu gewinnen.
Pest, den 28. Dezember 1856