Pavel Josef Šafařik an Leo Thun
Prag, 27. Februar 1853
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Regest

Der Direktor der Universitätsbibliothek in Prag, Pavel Josef Šafařik, informiert Leo Thun über die Pläne der Universität, die Amtswohnungen des Bibliothekars und des Kustos im Klementinum zu Hörsälen und Laboratorien umfunktionieren zu wollen. Šafařik berichtet, dass Vertreter der Universität zu diesem Zweck seine Amtswohnung schon besichtigt haben und ihm angeboten wurde, seine Wohnung mit jener des Direktors der Universitätssternwarte zu tauschen. Er möchte die Wohnung jedoch nicht aufgeben: Erstens stehe nämlich dem Direktor und dem Kustos die Wohnung rechtmäßig zu, und zweitens sei es notwendig und richtig, dass sich die Wohnung des Bibliothekars in unmittelbarer Nähe der Bibliothek befinde. Šafařik bittet Leo Thun daher, sich der Sache anzunehmen und sich dafür einzusetzen, dass – zum Wohle der Bibliothek – die Wohnung des Bibliothekars im Klementinum belassen werde. Als mögliche Lösung schlägt Šafařik vor, dass die Universität ungenutzte Räume im Klementinum ausbauen bzw. sie in der Stadt Lokale anmieten solle.
In den Beilagen findet sich eine Kopie eines Schreibens von Pavel Šafařik an die Leitung der Universität Prag, in dem Šafařik den Tausch seiner Wohnung ablehnt. Außerdem erläutert Šafařik in einem Promemoria die Gründe, warum es von großem Interesse für das Gedeihen der Bibliothek sei, dass sich die Wohnung in unmittelbarer Nähe zur Bibliothek befinde. Zudem legt er ein Schreiben mit Verordnungen bei, die sein Anrecht auf die Wohnung belegen sollen.

Anmerkungen zum Dokument

Schlagworte

Edierter Text

Euere Excellenz!

Die vielfältigen Beweise besonderer Gewogenheit und Güte, mit denen mich Euere Excellenz bis jetzt beglückten, ermuthigen mich, mich mit einer besondern Bitte vertrauensvoll an Euere Excellenz zu wenden.
Es ist Euerer Excellenz nicht unbekannt, daß sich die hiesige Universität bemüht, ihre Lehrlocalitäten zu erweitern und nun auch die Wohnungen der Bibliotheksbeamten in Anspruch nimmt. Früher waren es bloß die Wohnungen der Scriptoren, seit drei Jahren sind es nun auch die des Bibliothekars und Custos.
Ungeachtet Euere Excellenz die Güte hatten, mir vor zwei Jahren durch Herrn Jireček die bestimmte Versicherung zu ertheilen, daß ich in Betreff meiner Wohnung unbesorgt sein soll, so bin ich doch durch die neuesten Vorfälle etwas in Unruhe versetzt und fühle mich gedrungen, Euerer Ecellenz Schutz für die Bibliothek und ihre Beamten anzuflehen, wenn wider Erwarten die hieramts gepflogenen Verhandlungen eine für die Bibliothek ungünstige Wendung nehmen sollten.
Ich wage es, die auf diese Angelegenheit bezüglichen Papiere Euerer Ecellenz zu hochgefälliger Einsicht gehorsamst vorzulegen, nämlich meine schriftliche Äußerung auf den commissionellen Antrag vom 18. Februar letzten Jahres und ein ehrfurchtsvolles Promemoria über die ganze Frage.2
Nachdem nämlich bereits im November 1852 von Seiten der Universität durch den Herrn Decan Matzka die mündliche Anfrage bei mir wegen Abtretung meines Quartiers vorausgegangen war, die ich natürlich ablehnend beantworten mußte, erfolgte am 17. dieses Monats die hochortig angeordnete commissionelle Besichtigung meiner und des Herrn Custos Wohnung und dabei zugleich der bestimmte Antrag der Wohnung des Herrn Directors der Sternwarte zum Tausche, mit dem – mich allerdings etwas stutzig machenden – argumentum ad hominem: ich sollte ja auf diesen Vorschlag eingehen, da ich sonst in meiner jetzigen Wohnung keine Ruhe zu erwarten, sondern fortwährende Commissionen zu befahren habe.
Euer Excellenz können mir glauben, denn es ist die lautere Wahrheit, daß wenn ich bloß meinen persönlichen Wünschen folgen dürfte, ich gegen diesen oder einen andern Wohnungstausch nichts einwenden, ja eine Wohnung außerhalb des Clementinums allen andern vorziehen würde, denn die Luft im Clementinum ist meiner Gesundheit nicht zuträglich: aber es handelt sich hier um das Wohl der Bibliothek – und dies ist eine Gewissenssache. Die Position, welche die Wohnungen des Bibliothekars und Custos einnehmen, ist bezüglich der Bibliothek und des Dienstes eine so glückliche und heilsame, daß das Preisgeben derselben dem Verdrängen der Wächter von der Warte oder des Gärtners vom Garten gleichkäme und der Anstalt früher oder später nur Unheil bringen würde. Dies wäre für mich schmachvoll: und die Geschichte würde mich richten, wenn ich irgendein gesetzliches Mittel unversucht ließe solches Übel von der Bibliothek abzuwenden. Wie die Wohnung des Herrn Directors der Sternwarte so plötzlich disponibel geworden, ist mir zwar genau nicht bekannt, obgleich darüber Verschiedenes geflüstert wird. Wie aber die Universität dazu kommt, ihre Erweiterung und Erhebung durch die gleichzeitige Schmälerung, wo nicht Zerstückelung, von zwei verschwisterten und integrirenden Anstalten, der Sternwarte und der Bibliothek, realisieren zu wollen, das finde ich wahrhaft unbegreiflich.
Dass es dazu nicht kommen wird und nicht kommen kann, dafür ist die Weisheit und Gerechtigkeitsliebe der hohen Landesregierung und der hohen Ministerien jedem Unbefangenen und somit auch mir volle Bürgschaft. Ich will auch mit diesem vertrauensvollen Schreiben bei Euerer Excellenz keineswegs als Kläger gegen jemanden erscheinen, sondern Euerer Excellenz bloß die Einsicht in eine Sache, die mir wichtig scheint, erleichtern, um möglichen Mißverständnissen und Verwicklungen bei Zeiten zu begegnen. Ich bin nicht so blind und egoistisch, um nicht zu sehen, daß die Universität nothgedrungen und im Interesse der Wissenschaft handelt, wenn sie auf Erweiterung dringt: aber ich glaube, sie kann ihr Ziel erreichen, ohne andere verschwisterte Institute zu unterdrücken. Es gibt im Innern des Clementinums noch ursprünglich zum Bau bestimmte und bis jetzt unausgebaute Räume, und für das physikalische Institut oder Kabinet könnte einstweilen eine Localität in der Stadt, wie dies bei dem physiologischen Institut der Fall ist, leicht gemiethet werden.
Gewiss, der Weisheit und Gerechtigkeit Euerer Excellenz wird es gelingen, wenn die Angelegenheit zur Verhandlung nach Wien kommt, irgend einen Weg und ein Mittel zu finden, um die streitenden Interessen in der Weise auszugleichen, daß dem einen wohlgethan und dabei dem andern nicht wehe gethan wird.
Genehmigen Euer Excellenz die Gefühle der unwandelbaren tiefsten Hochachtung, mit denen ich verharre

Euerer Excellenz

ergebenst gehorsamster Diener
Paul Joseph Safarik
mp

Prag, 27. Februar 1853

Copie

Achtungsvoll Gefertigter säumt nicht in Beziehung auf die am 17. Februar 1853 nach vorgegangener kommissioneller Untersuchung seiner Naturalwohnung an ihn gerichtete Frage, ob er bereit sei diese seine Wohnung gegen ein Äquivalent im Klementino und namentlich gegen die jetzige Wohnung des Herrn Direktors der Sternwarte abzutreten? – nach reiflicher Überlegung seine Erklärung mit Nachstehendem abzugeben.
Da es bei dieser Frage nicht darauf ankommt, was den persönlichen Neigungen und Bedürfnissen des Gefertigten zusagt oder nicht zusagt, sondern was das Wohl der seiner Leitung anvertrauten Bibliothek erheischt; da die von ihm jetzt bewohnte Lokalität mit specieller Berücksichtigung der Erfordernisse einer geregelten und ersprießlichen Bibliothekverwaltung mit höchsten Hofdekrete vom 4. März 1791 dem Bibliothekar zur Wohnung angewiesen und seitdem zweiundsechzig Jahre lang ununterbrochen von den Bibliotheksvorständen bewohnt wurde; da dieselbe für ihre Bestimmung wie geschaffen ist und die Bewachung der Bücherschätze, die Obhut der Kasse, die Betheiligung an allen Arbeiten, das Sichhineinleben in die große Büchermasse dem verantwortlichen Vorstand in hohem Grade ermöglicht, indem sie mitten zwischen den beiden Haupteingängen in die Bibliothek, teilweise an die Bibliothek anstoßend und so liegt, daß man aus ihren Fenstern einen großen Theil der Bibliothek übersehen kann; da ein Preisgeben dieser höchst zweckmäßigen und durch nichts ersetzbaren Position früher oder später für die Administration und somit für die Prosperität der Bibliothek von nachtheiligem Einflusse sein würde; da es unbillig und für das Ganze kein Gewinn wäre, solches auch in den weisen Absichten der hohen Regierung nicht liegen kann, einen Wissenszweig oder ein Institut auf Kosten des andern zu heben; endlich, da zu einem solchen Äußersten keine zwingende Nothwendigkeit drängt, denn dem Mangel an Lehrlokalitäten kann leicht auf andere Weise abgeholfen werden, sei es durch Verwendung der zum Tausche angetragenen Wohnung des Herrn Direktors der Sternwarte oder durch einen Neubau innerhalb des Klementinums und einstweilige Miethe: so kann Gefertigter, ohne seiner Überzeugung untreu zu werden, auf den gemachten Vorschlag nicht eingehen, sondern muß denselben förmlich und entschieden ablehnen

Paul Joseph Safarik
Bibliothekar m.p.

Prag, den 18. Februar 1853

Euer Excellenz!

Nach Inhalt des höchsten Hofdekretes vom 15. Jänner 1781 und der hohen Gubernialverordnung vom 1. Februar 1781, des höchsten Hofdekretes vom 14. März 1791 und hohen Gubernialintimates vom 24. März 1791 Nr. 9042, des höchsten Hofdekretes vom 9. November 1807 Nr. 22748 und der hohen Gubernialverordnungen vom 26. November 1807 Nr. 40192 und vom 4. Hornung [Februar] 1808 Nr. 1694, ferner des höchsten Hofdekrets vom 1. Februar 1808 und hohen Gubernialintimates vom 25. Hornung 1808 Nr. 5974, wie auch der hohen Gubernialdekrete vom 9. Juli 1818 Z. 22439, dann vom 8. März 1845 Nr. 6462 und vom 27. November 1848 Nr. 47818 u. a. – ist den Bibliothekbeamten das Naturalquartier im Bibliothekgebäude zugewiesen und dessen eigene Bewohnung zur Pflicht gemacht.
Infolge dieser allerhöchsten und hohen Vorschriften sprachen denn auch die jeweiligen hohen Konkursedikte bei vorgefallenen Erledigungen sowohl, als die hohen Ortes deshalb an die Landesbaubehörde erlassenen Aufträge diesen Rechtstitel aus, und die gesammte Reihe der Staatshandbücher kann von der ununterbrochenen Ausübung desselben seit Bestand der k.k. Bibliothek Zeugnis ablegen.
Da die vollständige Aufführung jener höchsten und hohen Verordnungen jedoch den Umfang vorliegenden gehorsamsten Einschreitens übermäßig erweitern würde, erlaubt sich ergebenst Unterzeichneter in Nachstehendem blos den Bezug einiger von denselben eintreten zu lassen und die Anliegenheit der k.k. Bibliothek, welche durch öfteres Andringen des Lehrkörpers mittelst Überwachungen ihrer Beamten sowohl, als mittelst ämtlicher Kommissionen obigen Rechtstitel zum Gegenstand offener Anfechtung gemacht sieht, dem hohen Schutze aus folgenden Gründen inständig anzuempfehlen.
I.
Wenn Erweiterung und Bereicherung der übrigen wissenschaftlichen Anstalten für ein Annähern derselben zur Vollkommenheit gilt, kann nicht gleichzeitig die Schmälerung und Beeinträchtigung der Bibliothek für einen Fortschritt angesehen werden. Das Wohl der Wissenschaft hängt keineswegs von Arrondirung der Lehrlokalitäten ab, wie etwa jenes der anwachsenden und daher nahegelegener Lokale bedürftigen Bibliotheken von günstigen Raumverhältnissen.
Die gegenwärtigen Wohnungen des Bibliothekärs, des Kustos und des einen Skriptors liegen in so zweckmäßiger Nähe an den Eingängen zur k.k. Bibliothek, daß – nebst anderen später zu erwähnenden Vortheilen der Anstalt – durch ihren Verlust für die Zukunft auch alle Möglichkeit einer Bibliothekerweiterung verloren gingen, wie ein Blick auf den Grundriß A. zeigt.3 Besonders fällt in die Augen, daß schon in naher Zukunft die innerhalb der Bibliothekräume befindliche Wohnung des Skriptors Bezdeka dieser Erweiterung wird dienen und für Letzern eine andere Unterkunft wird ermittelt werden müssen.
Rathen doch selbst theoretische Werke, – unter ihnen z. B. Joh[ann] A[ugust] F[riedrich] Schmidts Handbuch der Bibliothekwissenschaft (Weimar 1840. 8. § 286)4 – „darauf zu sehen, daß das Lokal in der Folge, wenn die Bibliothek starken Zuwachs erfährt, leicht vergrößert werden kann.“
Auch das Beispiel der meisten öffentlichen Landesbibliotheken des Aus- und Inlandes, zumal solcher, in deren Bestandort es an zugänglichen Privatbibliotheken keinen Überfluß gibt und deren Frequenz über eine beschränkte Leserklasse hinausreicht, ja, auch das Beispiel des an zugänglichen Bücherschätzen reichen Wien, welches Bibliothekbeamte bei der Bibliothek beherbergt, scheint dem Vorwande: als läge die Arrondirung der Lehrlokalitäten auf Kosten der Bibliothek im Interesse der Wissenschaft, nicht sonderlich das Wort zu reden.
Am wenigsten aber würden diese geregelten Vorbilder ein schon von Anbeginn her gesetzlich bestehendes Verhältnis dieser Art ungeschützt lassen oder unwiederbringlich aufgeben. Denn, sollen die Bibliothekbeamten das Gebäude gänzlich räumen, so werden andere, welche verschiedene, dieser Anstalt fremde Zwecke verfolgen, die verlassenen Räume einnehmen; sollen aber im Gebäude blos andere Räume für die Beamten ermittelt werden, so scheint dies weder ein unkostspieliger, noch sehr nützlicher Tausch, indem die für dieselben zu ermittelnden Räume ebenso wohl der Wissenschaft als Lehrlokalität dienen könnten.
II.
Wie nachtheilig jedoch die Entfernung der Beamten von der Bibliothek – dieser mit so beträchtlichem Kostenaufwande, seit einer solchen Reihe von Jahren vermehrten und erhaltenen Sammlung theilweise unersetzlicher, durchgängig aber leicht zerstörbarer Bildungsbehelfe – ausfallen würde, stellt sich sofort bei Betrachtung des Umstandes heraus, daß durch diese Entfernung sowohl der augenblickliche Eintritt in die Bibliothek vereitelt, als auch die vorgeschriebene Aufsicht über das Bibliothekgebäude möglichst erschwert würde.
Das Bedürfnis die Bibliothek augenblicklich zu betreten erscheint aber:
a. Bei jeder Feuersgefahr, welche entweder innerhalb des Hauses ausbricht, wie im Jahre 1801, wo ein im obersten Stockwerk aus glimmender Steinkohlenasche entwickelter Brand in die Inkunabelabtheilung eingedrungen war, jedoch durch das herbeigeeilte Personal erstickt worden ist – oder bei einer Feuersbrunst, welche in der Umgebung des Bibliothekgebäudes vorfällt, wie am 15. Dezember 1843 beim Brande einer Tischlerei in der an die Nationalbibliothek und Inkunabelabtheilung gränzenden Plattnergasse, welcher Vorfall das Personal der Bibliothek vom Abende bis 2 ½ Uhr morgens theils mit Bücherwegräumen und Herbeischaffen von Löschgeräthen, theils mit Wachehalten beschäftigt hat.
Die Möglichkeit ähnlicher Gefährden hat bei dem Bedürfnis der Beheizungsvorräthe im Hause selbst wohl nicht abgenommen, seitdem das Bibliothekgebäude vom Erdgeschoße bis ins zweite Stockwerk von Gasbeleuchtungskanälen durchflochten ist.
Bei der großen Ausdehnung der k.k. Bibliothek ist nun anzunehmen, daß im Falle solcher Gefahren, wie im Falle eines Baues im Innern, einzelne zunächst gefährdete Büchermassen derselben übertragen werden müßten. Bei Verlust nahegelegener Naturalquartiere jedoch erübrigte keine Räumlichkeit mehr, wo die Bibliothek ihr Eigenthum mit Beruhigung unterbringen könnte, da nur der Bibliothekbeamte am Fortbestande der Bibliothek, als der Grundlage seiner Subsistenz, lebhaft genug betheiligt ist.
b. Bei Stürmen, Regengüssen und sonstigen Elementarzufällen ist die unverweilte Durchsicht der Bibliothek, die Wegräumung der dem Eindringen des Regenwassers etwa ausgesetzten Bücherreihen unterhalb der Fenster und die Verhütung und schleunige Beseitigung von Schäden an Fenstern und am Mauerwerk eine selbstverständliche Obliegenheit der Vorsteher und des Dienstpersonals. Daher ward mit hohem Gubernialdekrete vom 25. September 1817 Nr. 44552 verordnet, „daß bei Elementarzufällen nicht allein der Heizer, sondern auch wenigstens Einer der Bibliothekvorsteher zugleich vorhanden seyn muß, ohne erst denselben suchen zu sollen.“
Träfe überdies mit solchen Ereignissen auch ein höherer Wasserstand zusammen, welcher – wie die Erfahrung gelehrt hat – die Bibliothek durch Überschwemmung der Höfe unzugänglich macht, dann wäre der Aufsichtführende von der Anstalt sogar abgeschnitten.
c. Bei dem häufig in außerämtliche Stunden fallenden Besuche Reisender, welche die Bibliothek besichtigen wollen, sind es natürlich die nahegelegenen Wohnungen, worin die Bibliothekbeamten gesucht werden.
Nun liegen aber die Wohnung des Bibliothekars und des Kustos Dambeck sehr zweckmäßig gerade an den beiden Haupttreppen des Bibliothekgebäudes, ja, der eine, der Sicherheit wegen nach § 14 der Bibliothekeninstruktion gesperrte Eingang in die Bibliothek, befindet sich sogar unter dem Verschloß der bisherigen Bibliothekarswohnung, während der andere, gewöhnliche Zugang der gegenwärtigen Wohnung des Kustos gegenüber liegt.
Die durchgängige Abweisung solcher Besichtigungsgäste zu außerämtlicher Zeit hat jedoch das hohe Gubernialdekret vom 25. September 1817 Nr. 44552 aus dem Grunde nicht gestattet: „weil – wenn alle Fremdenbesuche blos zur Lesezeit geschähen – die Beamten zu sehr ihrer Beschäftigung im Lesesaale entzogen, bei dem Zuspruch angesehener Personen aber gleichwohl Ausnahmen von jener Zurückweisung gemacht werden müßten.“
d. Bei dringenden Arbeiten, welche – wie oft geschieht – durch den Leserzuspruch oder durch Begleitung Fremder unterbrochen und von den Beamten häuslich fortgesetzt werden, welche jedoch nicht selten die Einsicht der Akten, Kataloge oder selbst der Bücher voraussetzen, läßt sich wohl das Förderliche, das in der Nähe der erwähnten Naturalwohnungen liegt, gleichfalls nicht verkennen. Auch standen bisher die Beamtenwohnungen zu jeder Zeit den Zustellungen der k.k. Post, der Behörden, der Buchhändler etc. offen, wodurch die Anstalt zugleich der neuerlich durch die höchsten Ministerialerläße erweiterten Bibliothekenbenützung in vollerem Maße entsprechen dürfte.
III.
Wie nun die vorerwähnten Verrichtungen der Aufsichtführenden durch deren Entfernung von der Bibliothek größtentheils vereitelt würden, ebenso gienge dadurch auch die vorgeschriebene Obhut über das Bibliothekgebäude selbst verloren, um derentwillen doch selbst abhandelnde Schriften, wie z. B. die allverbreitete Encyklopädie von Ersch und Gruber im Artikel „Bibliothek“ (Seite 53 unten)5 anrathen, „daß die Wohnungen der Bibliothekäre den Bibliothekräumen angränzend oder doch wenigstens nicht ferne seien.“
„Um den öfteren, größtentheils aus vernachlässigter Aufsicht und verspäteter Anzeige bei dem Collegio Clementino sich ergebenden kostspieligen, den betreffenden Fonds äußerst nachtheiligen Dach- und anderen Reparaturen vorzubeugen, welche, wenn sie bei Zeiten zur Kenntnis der Landesstelle gelangen, mit einem mindern Aufwande bestritten werden können“, trug überdies die hohe Landesstelle mit Dekret vom 11. Juli 1811 Z. 25105 dem Bibliothekvorstande ausdrücklich auf über den Theil des Traktes von der mittlern Hauptstiege gegen den Marienplatz bis zum Ecke der Plattnergasse und über jenen oberhalb des Bibliotheksaales Aufsicht zu führen.
Ebenso wurde derselbe mit hochlandesstelligem Dekrete vom 8. April 1820 Z. 6172 beauftragt: „weder auf dem Dachboden über dem Bibliotheksaale, wozu der Schlüssel seiner Verwahrung übergeben ist, noch auch im Keller etwas vornehmen zu lassen, was dem Baustande des Bibliotheksaales auch nur in der entferntesten Beziehung nachtheilig werden könnte.“
Wie nun diesen hohen Verordnungen bei Entfernung der Bibliothekvorsteher aus der Bibliotheknähe zu entsprechen sei, läßt sich nicht leicht absehen; zumal als die schön in Fresko gemalte Wölbung des Hauptsaales nur durch besondere Vorsicht erhalten worden.
IV.
Weil sonach jeden Augenblick die Nothwendigkeit vorkommen kann die Bibliothekräume zu betreten, ergibt sich von selbst, daß – falls die Pfleger der Wissenschaft ihr Vorhaben, den Bibliothekar aus der zugewiesenen, der Bibliothek benachbarten Beobachtungswarte zu verdrängen, siegreich durchsetzten – wohl auch mit den Bibliothekschlüsseln die Verantwortlichkeit auf Subalterne übergehen müßte, welche etwa noch unsern der Bibliothek belassen worden wären, da im Drange der Nothwendigkeit die Nähe den Ausschlag gibt.
V.
Gehorsamst Gefertigter kann es nur dem hohen Ermessen anheimstellen, ob der Umstand, daß im Jahre 1807 von der Bibliothekarswohnung zwei der beträchtlichsten Räumlichkeiten, welche zur gewünschten Unterkunft auch des 3. Skriptors und noch eines Dienstindividuums hingereicht hätten, an den Lehrkörper der philosophischen Studien zu einem Sitzungs- und einem Hörsaale abgetreten worden sind – ob ferner der Umstand, daß – (um der frühern Räumung eines Bibliothekdienerquartiers zu einem akademischen Ruhezimmer (!) nicht zu gedenken) – der erste Skriptor gegen Bezug eines beengten Lokals im Nebengebäude sein Quartier dem neuen Lycealkabinet für Physik geräumt hat – endlich ob der Umstand, daß die k.k. Bibliothek bisher keine ähnliche, enorme Ansprüche an benachbarte Anstalten gemacht – von Seite des Lehrkörpers nicht auch einige humane Rücksicht dürfte verdient haben?

Paul Joseph Safarik
Bibliothekar

k.k. Bibliothek Prag, am 27. Februar 1853

Anhang einiger Verordnungen bezüglich des Naturalquartiers der Bibliothekbeamten

1. Wohnung des Biliothekärs.
Im hohen Gubernialintimat vom 24. März 1791 Nr. 9042 heißt es:
„Mittelst eines Hofdekrets vom 14. dieses Monats ist bewilligt worden, bei dem hiesigen Universitätsbibliothekgebäude nach den eingesandten Rissen und Überschlägen 1. die überhaupt nöthige an Kosten 8980 fr fordernde Ausbesserung vorzunehmen – 2. aber dem Saale anstatt des Ziegeldachs eine kupferne Decke mit einem Aufwande von 3000 fr zu errichten – 3. mit den auf 1574 fr 9 5/6 etc. berechneten Kosten zur Vergrößerung des Bücherbehältnisses die am den Bibliotheksaal stoßende Wohnung des Bibliothekärs zu benützen und für diesen das Museum des Generalseminariums, welches zwischen den beiden Lesezimmern der Bibliothek befindlich ist, zur Wohnung herzustellen.“
Das hohe Konkursedikt vom 27. Mai 1847 lautet:
„Durch das Ableben des Dr. Anton Spirk ist die mit einem jährlichen Gehalte von 1.200 fr CM und dem Genusse eines Naturalquartiers verbundene Stelle eines Bibliothekärs der Prager k.k. Universitätsbibliothek in Erledigung gelangt.“

2. Wohnung des Custos.
Mit höchstem Hofdekrete vom 9. November 1807 Nr. 22748 und hohem Gubernialintimat vom 26. November 1807 Z. 40192 ward dem ältesten der damals systemisirten 4 Bibliotheksskriptoren, Joseph Müller, welcher als erster Skriptor zufolge des höchsten Hofdekrets vom 15. Jänner 1781 bereits im Genusse der Naturalwohnung stand, der Charakter eines Bibliothekskustos verliehen und mit ihm – unter gleichzeitiger Aufhebung der vierten Skriptorsstelle – laut höchsten Hofkanzleidekretes vom 1. Februar 1808 H.Z. 1748 und hohen Gubernialintimates vom 25. Hornung 1808 Nr. 5974 der Kustosposten bei hiesiger Bibliothek bleibend festgesetzt.
Daher heißt es im hohen Gubernialdekrete vom 4. Hornung 1808 Nr. 1694: „Da mit höchstem Hofdekrete vom 9. November vorigen Jahres H.Z. 22748 dem k.k. Bibliothekskriptor nur der Charakter eines Kustos beigelegt und hiedurch in dem Personalstande der Bibliothek nichts geändert worden ist, zwischen dem Vorrang der dermaligen Skriptoren ihr Dienstalter in dieser Eigenschaft ohnehin entscheidet, – und endlich da durch den Charakter eines Kustos ihre Gehalte dieselben geblieben sind, so wird dem k.k. Herrn Bibliothekär in Erledigung des Berichtes vom 12. vorigen Monats bedeutet, daß der Fall eines Vorschlages zur Besetzung der ersten, zweiten und dritten Skriptorstelle nicht vorhanden sei, sohin auch die für den nach der vorgehenden Idee vermeinten nunmehrigen zweiten, eigentlich dritten, Skriptor in Antrag gebrachte freie Wohnung oder Quartiergeld von selbst entfalle, vielmehr über die Gehaltsvermehrung des Bibliothekpersonals die allerhöchste Entschließung mit Geduld abzuwarten sei.“
Endlich entschied das hohe Gubernialdekret vom 27. November 1848 Nr. 47818 aus nachgewiesenen Sanitätsrücksichten bezüglich der gegenwärtigen Wohnung des Kustos:
„Das Gubernium nimmt keinen Anstand dem Gesuche des k.k. Bibliothekskustos Friedrich Dambeck in seiner als 1. Skriptor genossenen Wohnung auch ferner verbleiben zu können, umso mehr Folge zu geben, als hiemit der auf diese Wohnung Anspruch habende erste Skriptor Rudolf Glaser laut der mit Bericht vom 5. September 1848 Z. 82 vorgelegten schriftlichen Erklärung vollkommen einverstanden ist.

3. Wohnungen der Scriptoren.
Mit höchstem Hofdekrete vom 15. Jänner 1781 und hoher Gubernialverordnung vom 1. Februar 1781 ward verfügt: „daß das Personale der Bibliothek aus den jüngsthin ernannten Bibliothekären mit denen für sie bereits ausgemessenen Besoldungen, dann aus zwei Skriptoren, deren jeder jährlich 300 fr nebst der Wohnung, und endlich aus zwei Bibliotheksdienern, wovon jeder 10 fr monatlich und gleichfalls freie Wohnung zu genießen hat, zu bestehen hat.“
Das höchste Hofdekret vom 1. Februar 1808 Nr. 1748 aber hat hierauf nicht nur die gegenwärtig bestehenden drei Skriptorstellen systemisirt, sondern auch laut hohen Gubernialdekrets vom 25. Februar 1808 Nr. 5974 „die zum Theil schon geschehenen Anweisungen der Wohnungen für die Subalternen in dem Bibliotheksgebäude sowohl, als auch den hochlandesstelligen Antrag, daß ihnen die durch den allenfalls sich ergebenden Austritt des Professors Lumbe frei werdende Wohnung eingeräumt werden dürfe, genehmigt.“
(Diese ehemalige Wohnung des Prof. Lumbe, welche letzthin der erste Skriptor Rudolf Glaser bewohnt hatte, ist nunmehr – nachdem diesem die Wohnung des verstorbenen Verwalters der Normalschulbuchhandlung zugewiesen worden – dem physikalischen Kabinete des Altstädter Lyceums zugefallen.)
4. Wohnungen der Bibliothekdiener.
Diese sind durch das nächstvorhergehende höchste Hofdekret vom 15. Jänner 1781 festgesetzt.

Paul Joseph Safarik
Bibliothekar