Ministerialkonzipist Rudolf Kink berichtet Thun über die Arbeit an seiner Geschichte der Universität Wien. Zunächst betont er, dass er sich über das Lob des Ministers sehr gefreut habe. Dann äußert er sich zur Gestaltung des letzten Kapitels: Dieses habe er mit großer Überwindung verfasst, weil es aus seiner Sicht besser gewesen wäre, die Darstellung mit dem Jahr 1790 zu beenden. Er möchte daher, dass dieser letzte Teil lediglich als Anhang gedruckt werde. Kink berichtet außerdem, die Änderungswünsche Thuns eingearbeitet zu haben, und hofft, dass dem Abschluss des Werks nun nichts mehr im Wege stehe. Kink versichert Thun schließlich, dass durch die Überarbeitung nun keine Überschneidung mit dem Werk Flirs zu befürchten sei und dass er sich mit allzu scharfen Urteilen über die Reformen der Theresianischen Ära zurückgehalten habe.
Unter dieser Signatur befinden sich weitere vier Briefe Kinks, die
dieselbe Angelegenheit betreffen:
Rudolf Kink an Leo Thun. Wien, 23. August 1853.
Rudolf Kink an Leo Thun. Wien, 20. September 1853.
Rudolf Kink an Leo Thun. Wien, 27. September 1853.
Rudolf Kink an Leo Thun. Wien, 6. Oktober 1853.
Euer Excellenz!
Hochgeborner Herr Graf!
Auf das gütige Schreiben Eurer Excellenz, welches ich gestern erhielt, muß ich
vor allem anführen, daß die Zufriedenheit, welche Euer Excellenz über meine
Arbeit aussprachen, mir überaus werth, ja der größte Lohn ist, den ich mir dafür
erwarten könnte. Denn es kam mir vor, daß ich nun auf die zwei Jahre meines
Wirkens für diese Aufgabe mit der Befriedigung zurückblicken könne, ein gutes Werk damit gethan zu haben. Ob es, wenn es nun in die
Welt tritt, mehr oder weniger Beifall finden und so manche Mängel, die an ihm
haften, auch nicht verhehlen wird können, das alles kann dem frohen Bewußtsein,
das Rechte gewollt und nach Kräften geleistet zu haben, nichts mehr
anhaben.
Mit den Bemerkungen, welche Euer Excellenz namentlich über die
Fassungsweise der letzten Abtheilung beifügten, haben Euer Excellenz ein Thema
berührt, dessen wunden Fleck ich selbst schon seit längerer Zeit, wenngleich von
einer anderen Seite aus, erkannte, und ich erlaube mir, mich darüber ganz offen
auszusprechen.
Jede geschichtliche Arbeit von Werth hat, wie jedes
Kunstwerk, ihre Gesetze, welche deren Organismus und Gestalt mit solcher
Nothwendigkeit bedingen, daß man sich nicht dagegen vergehen kann, ohne ihren
künstlerischen Werth zu verringern oder zu zerstören. Wo aber letzterer fehlt,
da fehlt auch jede Weihe, und man hätte besser gethan, lieber ganz davon zu
lassen. Je mehr ich nun in meiner Arbeit dem Ende zuschritt, umso näher stellte
sich mir die Mahnung, daß ich mit dem Jahre 1790 ganz abschließen und nicht
weiter vorwärts gehen solle, und zwar nicht bloß aus dem Grunde, weil überhaupt
die Geschichte in die Neuzeit herein sich nicht wagen soll, sondern aus tiefern,
im innern Bestehen des Werkes selbst gelegenen Motiven. Man mag die Sache drehen
wie man will, man wird nach 1790 nicht mehr wohl einen
richtigen Abschluß, einen andern, der bloß willkührlich wäre, finden können. Ich
kann Euer Excellenz versichern, daß es mir in der Seele weh gethan hat, aus
bloßen praktischen Gründen diese Mahnung überhören und über 1790 hinaus gehen zu
müssen; ich schrieb die letzte Abtheilung mit einer wahren Überwindung. Es ist
schwer, dies umständlicher in Worte zu fassen, Euer Excellenz wissen das selbst
recht gut, und einem andern, dem künstlerisches Auge und Maß abgeht, es erklären
zu wollen, wäre vergebliche Mühe. Demnach läßt es sich nun nicht mehr ändern,
denn es kommen in den bereits fertig gedruckten Theilen Bezugnahmen vor, die
völlig widersinnig oder unverständlich wären, wenn die Darstellung auf
irgendeine Weise sich nicht auch ins 19. Jahrhundert erstreckte. Wäre dies
nicht, so würde ich nichts Eiligeres vorzuschlagen haben, als daß man die letzte
Abtheilung ganz cassiren sollte. Wohl aber sehe ich gerade in den von Euer
Excellenz ausgesprochenen Wünschen einer Abänderung den besten Ausweg aus dieser
Sache.
Die letzte Abtheilung wäre so zu fassen, daß sie nicht bloß dem
Titel, sondern auch ihrem ganzen Wesen nach sich als einen bloßen „Anhang“
kennzeichnet, dem man es ansieht, daß er, künstlerisch gesprochen, zu dem Ganzen
des Werkes gar nicht mehr gehören, sondern nur zum Zwecke des Nachschlagens usf.
ein, vielleicht nicht unwillkommenes Materiale bieten will. Sie hätte daher rein
nur einen referirenden Auszug zu bringen, in Betreff dessen es umso besser ist,
je mehr er gegen die frühere pragmatische Behandlungsweise absticht. Damit wäre
zugleich auch gerade das erreicht, was Euer Exzellenz wünschen. Es hätte daher
nur der Martinische Studienplan und die nachfolgenden Änderungen bis 1824 zu
folgen und zwar ohne subjective Beimischungen; daran hätte sich dann ein Auszug
der Reformvorschläge vor 1848 zu reihen, welcher jedoch mit Petiteslettern zu
setzen wäre, um anzuzeigen, daß er wirklich nur ein „Nachhang“ sein will. Eine
unliebsame Correlation mit dem amtlichen Reformelaborate kann sich schon deshalb
nicht ergeben, weil ich, wie Euer Excellenz schon bemerkt haben werden, die mir
aufgetragene Kürzung der Flir'schen
Ausarbeitung absichtlich in einer Weise vollzog, daß sie mit meiner Darstellung
keine äußere Ähnlichkeit mehr hat und daher die Insinuation einer gemeinsamen
Feder für beide beseitigt. Darnach brauchte es, strenge genommen, gar keinen
weitern Schluß mehr; wollen aber Euer Exzellenz dennoch, daß ein solcher
beigefügt werde, so werde ich ihn nach den mir gegebenen Andeutungen
ausarbeiten. Der eigentliche Schluß liegt in den letzten Worten der I.
Abtheilung des IV. Buches.
In diesem Sinne hoffe ich, in kürzester Frist die
umgeänderte Arbeit übersenden zu können.
Beiliegend folgt die Darstellung
der Josefinischen Periode wieder mit.1 Ich habe auf den durch Einbug bezeichneten
Blättern bereits die nöthigen Änderungen vorgenommen. Die Stelle, die ich bei
Bogen 69 nur andeutete, kann wegbleiben, wenn es gewünscht
wird. Alles Übrige scheint mir unbedenklich, weil es sich von allen gesuchten
Analogien mit der Gegenwart ganz ferne hält. Auch füge ich die Versicherung bei,
daß ich auch in Betreff der Theresianischen Zeit alle überflüssigen Schärfen
oder etwa eingeschlichenen Correlationen bei der Correctur sorgfältig entfernen
werde.
Dadurch hoffe ich wird sich die Sache ganz gut, vielleicht auch ohne
Unterbrechung für Gerold,
redressiren lassen.
Unter Versicherung meiner tiefen Ehrfurcht
Eurer Exzellenz
gehorsamster Diener
Rudolf Kink
Wien, am 26. September 1853