Friedrich Schwarzenberg an Leo Thun
Prag, 30. August 1854
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Regest

Kardinal Friedrich Schwarzenberg berichtet, dass der Bischof von Budweis, Jan Valerián Jirsík, in den letzten Monaten sämtliche Ordensschulen der Piaristen als Ko-Visitator besucht habe. Dabei konnte sich der Bischof davon überzeugen, dass die Reformen der Gymnasien gut angenommen und umgesetzt worden seien. Schwarzenberg hofft daher, dass die Piaristen und ihre Schulen wieder ihren guten Ruf zurückgewinnen können. Allerdings erscheint es Schwarzenberg als notwendig, dass die Schulen finanziell gefördert werden. Schwarzenberg verweist deshalb noch einmal auf seinen dahinlautenden Antrag. Er wiederholt außerdem die Bitte des Bischofs von Budweis, das Stadtkonvikt der Piaristen in Wien wiederherzustellen.

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Edierter Text

Hochgeborner Graf!

Der hochwürdigste Herr Bischof von Budweis hat als Convisitator des Ordens der frommen Schulen im Laufe der ersten Hälfte dieses Sommers sämmtliche Kollegien der österreichischen Ordensprovinz der kanonischen Visitation unterzogen und, wie ich aus seinem Berichte entnehme, ziemlich befriedigende Resultate gefunden; namentlich hat sich ihm die beruhigende Überzeugung begründet, daß die bisher getroffenen Maßregeln der Reform willig aufgenommen und größtentheils in Übung gesetzt seien, sodaß auch in Rücksicht des noch nicht zur Gänze Durchgeführten die beste Hoffnung gegeben werde. Es ist mir sehr angenehm, diesen theilweisen Erfolg der apostolischen Visitation in Bezug auf einen Orden, dessen Gedeihen die Interessen des Unterrichtes so nahe berührt, Euerer Excellenz, mittheilen zu können und ich gebe mich der Hoffnung hin, es werde bei fortgesetzter Wegräumung aller Hindernisse der Orden der Piaristen zu seiner früheren Blüthe zurück geführt werden.
Unter diesen Hindernissen hat sich bei der Visitation abermals als eines der hauptsächlichsten heraus gestellt, daß dem einzelnen Ordensgliede selten die vollständige ausreichende Versorgung von Seiten des Kollegiums verbürgt werden konnte, ohne welche Bürgschaft eine volle Regelung des Gelübdes der Armuth, eine Hintanhaltung mancher Mißbräuche in der täglichen Hausordnung und dergleichen schwer und fast unmöglich wurde. Da eine Aufbesserung der Dotation, welche unter andern besonders zu Krems, dann an dem Josefstädter Collegium geboten erscheint, dermalen nur durch die öffentlichen Fonde statt finden kann, muß ich dringend wünschen, daß das hohe k.k. Ministerium auf meine dießfällige Eingabe vom 27. Jänner dieses Jahres Nr. 401 eine günstige Entschließung zu fassen geruhen wolle, welche umso heilsamer wirken dürfte, je früher die Glieder des Piaristenordens aus einer peinlichen Ungewißheit und theilweise kummervollen Lage befreit werden.
Eine fernere große Unzukömmlichkeit, welche sich bei den hohen Preisen der Lokale und Victualien in Wien ohne Dazwischenkunft der k.k. Behörden auf anderem Wege nicht beheben läßt, betrifft das getrennte Einzelleben jener Piaristen, welche an dem akademischen Gymnasium daselbst angestellt sind. Ich erlaube mir an Euere Excellenz gemäß dem Vorschlage des hochwürdigsten Herrn Bischofes von Budweis die angelegentliche Bitte zu richten, daß diesen Priestern das statutengemäße Zusammenleben ermöglicht werde, indem entweder das k.k. Stadtconvict wieder hergestellt und der Leitung der Piaristen übergeben oder wenigstens den akademischen Lehrern des Piaristenordens die von ihnen früher innegehabten Wohnungen, die sie erst vor kurzer Zeit verlassen mußten, zurück gestellt werden.
Ich habe die Ehre, mit vorzüglicher Hochachtung zu verharren
Euerer Excellenz gehorsamster Diener

Friedrich mp
Kardinal und Erzbischof

Prag, den 30. August 1854