Das Lehrerkollegium des Gymnasiums in Görz an Leo Thun
Görz, 5. November 1860
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Regest

Das Lehrerkollegium des Gymnasiums in Görz bedauert Leo Thuns Rücktritt und dankt Thun für seine Arbeit als Unterrichtsminister. Das Kollegium äußert sich jedoch zuversichtlich, dass das von Thun geschaffene Werk Bestand haben werde. Es ist überzeugt davon, dass mit den Reformen die Qualität der Gymnasien der Monarchie deutlich angehoben wurde. Besonders lobend heben sie hervor, dass sich durch die Reform der Kontakt zu Deutschland und damit auch der Austausch von pädagogischem Wissen und wissenschaftlichen Erkenntnissen stark verbessert habe.

Anmerkungen zum Dokument

Das Schreiben befindet sich im Nachlass gemeinsam mit 39 weiteren Dankadressen unter der Signatur A3 XXI D623a.

http://hdl.handle.net/21.11115/0000-000B-DB59-B

Schlagworte

Edierter Text

Euer Excellenz!

Die gedrückte Stimmung, unter welcher der Lehrkörper des Görzer Obergymnasiums zum Beginne seiner diesjährigen Tätigkeit zusammentritt, ist die Wirkung tiefen Bedauerns und der von jedem bedeutenden Wechsel wachgerufenen ahnungsvollen Fragen.
Gewöhnt, das gegenwärtige Studiensystem und seine reichen Segnungen mit dem erlauchten Namen Euer Excellenz zu identifiziren, sieht sich das Gymnasium, das sich mit Liebe in dasselbe eingelebt und es mit Bewußtsein in kleinem Kreise durchzuführen bemüht war, durch den Rücktritt Euer Excellenz von Ihrem hohen Posten plötzlich in einen Zustand der Verlassenheit versetzt, der es beim ersten Anblick neuen Bewegungen preiszugeben scheint.
Wir vertrauen auf den innern Werth des Werkes, das Euer Excellenz schufen. Das junge frische Leben ächter Wissenschaftlichkeit, das in diesem Jahrzehend allüberall in unserm großen Vaterlande erblühte, es wird Euer Excellenz liebender Pflege entwunden, in sich selber Kräfte finden, die seine Erstarkung, seinen Bestand verbürgen.
Wir vertrauen dem guten Genius Österreichs. Er wird nicht zugeben, daß der Kampf, den Euer Excellenz rastlos gekämpft hie mit banaler Bequemlichkeit und Mittelmäßigkeit, dort mit der Verschiedenheit provinzieller Sprach- und Kulturzustände, allerorts mit der mannigfachen Ungunst äußerer und innerer Verhältnisse, werthvoller und bleibender Eroberung verlustig gehe.
Doch was auch kommen mag, der Ruhm Euer Excellenz ist geborgen: geht es zum Lichte hinan, so war es Euer Excellenz, der den Born erschloß; führt der Weg ins Dunkel, so leuchten Thun’s Sterne um so heller.
Euer Excellenz haben die Gymnasien aus lateinischen Hochschulen zu Bildungsstätten erhoben, in denen ein vielseitiges wissenschaftliches Interesse in der alle einzelnen Richtungen durchdringenden erziehenden Idee seine Bindung und seinen Werth für die Entwicklung des Charakters findet; diese Bildungsanstalten erfreuen sich einer ehrenhaften Stellung unter bewährten, aus ihrem eigenen Mittel hervorgehenden Schulmännern; sie stehen nicht mehr isolirt, sondern sowohl mit dem Inland als mit den vorgeschrittenen Anstalten Deutschlands in einem regen Wechselverkehre, der den Austausch ihrer pädagogischen Erfahrungen und wissenschaftlichen Erstrebnisse vermittelt; die hohen Behörden, von der humanen Gesinnung Euer Excellenz beseelt, greifen nicht mehr mit Machtgeboten, sondern mit dem Übergewichte taktvoller Ein- und Umsicht in den geregelten Gang der Schule ein und indem sich überall das Streben beurkundet, das Verdienst an seinen Platz zu stellen, arbeitet Meister und Geselle freudig stolz an seiner Aufgabe, seiner Werthschätzung gewiß.
Genehmigen Euer Excellenz für diese bewunderungswürdige Hebung und Entwicklung des Gymnasiallebens den schwachen Ausdruck unsers innigsten Dankgefühls, die aufrichtige Huldigung unserer Herzen. Der Himmel segne das Werk, das Euer Excellenz in begeisterter Brust getragen und lasse Sie die reifen Früchte desselben in freudiger Bewunderung schauen!

C. Holzinger Director
Ferd. Gatti
Hubert Leitgeb
L. Preiß
J. Steiner
Thom. Hohenwarter
J. Sólar
A. Marusić
Pertout
Franz Schaffenhauer
Filip Pauschitz
Johann Trojanschek
Josef Indrak
Anton Diak

Görz, den 5. November 1860