Karoline Langenau, Schwester des Diplomaten Ferdinand Langenau,
übersendet Caroline Thun ein Schreiben von Karl Ahn aus Mainz mit der
Bitte, dieses an ihren Mann Leo Thun weiterzuleiten. Ahn ist ein Protegé
ihres Schwagers Karl Mertens. Dieser bürgt sowohl für Ahns
wissenschaftliche Fähigkeiten als auch für dessen
Charakterfestigkeit.
Im beigelegten Schreiben bittet Karl Ahn Leo
Thun um eine Stelle als Gymnasiallehrer oder Bibliothekar in Österreich.
Das Schreiben beinhaltet auch den Lebenslauf von Ahn. Ahn hat Theologie
und klassische Philologie und Altertumskunde studiert und die
Lehramtsprüfung für das Gymnasium bereits absolviert. Derzeit ist er
Erzieher bei der Familie von Karl Mertens in Mainz.
Mit tausend Dank, liebe Gräfin, übersende ich hier das Buch und meine Schuld. Ich hätte es selbst gebracht, wollte Sie aber in den ersten Tagen des Hierseins Ihrer Frau Schwester1 nicht überfallen, und hatte so heftige Schmerzen, daß ich recht herunten war. Zugleich habe ich mir überlegt, daß es wohl besser, wenn ich, ehe ich Ihren Herrn Gemahl aufsuche, ihm beiliegendes Schreiben des Protigés meines Schwagers übergebe, damit er sieht, was er zu leisten fähig, und ob es wohl möglich ihn mit der Zeit in österreichische Dienste zu bringen, was sein sehnlichster Wunsch.2 Für seine guten Gesinnungen und Moralität bürgt mein Schwager, der sehr mit ihm und seinen Leistungen zufrieden. Vielleicht wäre es nicht so schwer, da es nicht gerade für den Augenblick, indem es sehr zu wünschen, daß er die Zeit, daß Mertens noch in Mainz bleibt – bis November 1854 – wenn[?] nicht unvorhergesehene Fälle eintreten, bei den Knaben bleiben könnte. Ich bitte sehr des zerknitterten Zustandes des Schreibens wegen um Verzeihung, dies ist meine Schuld. Ich komme dann selbst nachfragen, was wohl zu hoffen, und ob es Graf Thun möglich für den guten Herrn Ahn etwas zu thun. Auf baldiges Wiedersehen.
Ihre Caroline
Den versprochenen Abend an meinem einsamen Theetisch mit Zoe[?] schenke ich Ihnen aber nicht.
Curriculum vitae des Dr. philos. Karl Ahn aus Seligenstadt im Großherzogthum Hessen
Derselbe ist Sohn des zu Seligenstadt verstorbenen
Oberzolleinnehmers Friedrich Ahn
und dessen gleichfalls verstorbenen Ehefrau Elisabetha, geb. Kaiser, alt 26 Jahre und katholischer
Confession. Im Herbste 1845 absolvirte er, nachdem er während 5 Jahren die 6
Gymnasialklassen durchgemacht hatte, das Großherzogliche hessische Gymnasium
zu Mainz mit dem Maturitätszeugnisse Nr. II. („sehr
gut“), studirte hierauf während 3 Jahren an der Landesuniversität zu Giessen
katholische Theologie und wurde im Herbste 1848 nach abgelegter
Fakultätsprüfung, worin er sich das Prädikat „gut bis sehr gut“ erwarb, in
das bischöfliche Priesterseminarium zu Mainz
aufgenommen. Hier empfing er die minores und sollte im folgenden Jahre 1849,
nachdem er sich durch Prüfungen über die praktische Seelsorge und durch
Predigten als gereift erwiesen, die Priesterweihe nebst den beiden höheren
andern empfangen, als er freiwillig und mit anerkennenden Zeugnissen seiner
Fähigkeit und guten Aufführung das Seminarium verließ, weil er die Pflichten
des Priesterstandes nicht übernehmen zu können glaubte. Von nun an ergab er
sich auf der Universität
Gießen dem Studium der klassischen Alterthumskunde, wurde
ordentliches Mitglied des philologischen Seminariums für Forschungen auf dem
Gebiete der Alterthumskunde, worin er sich von der Großherzoglichen
hessischen Regierung die 3. Goldene Medaille erwarb, und legte nach
zweijährigem Studium im Herbste 1851 vor der Großherzoglichen hessischen
Prüfungskommission das Examen für das Amt der Gymnasiallehrer ab, nämlich in
der griechischen und römischen Alterthumskunde, Erklärung der klassischen
Schriften, alten und neueren Philosophie, Sanskrite Sprache, Mathematik,
Geographie und Geschichte, wobey er die philosophische Doktorwürde erlangte.
Infolgedessen wurde er von [der] Großherzoglichen hessischen Regierung unter
die Candidaten des Gymnasiallehreramts aufgenommen und zum Accesse an das
Gymnasium zu Mainz angewiesen. Zum Schlusse möchte er
noch bemerken, daß er außer den vorgeschriebenen Collegien noch solche über
englische Sprache und Litteratur hörte. Dermalen hat er die Ehre mit der
Erziehung des Sohnes Seiner Excellenz Freiherrn
von Mertens, k.k. österreichischer Feldmarschalllieutenants
und Vicegouverneur von Mainz betraut zu
seyn.
Unterzeichneter Candidat des Gymnasiallehramts und Doctor philos.
wünscht in den k.k. österreichischen Staaten einen seinen Kenntnissen und
Fähigkeiten entsprechende Verwendung zu finden, entweder als Gymnasiallehrer
in einer Universitätsstadt oder auch als Assistent oder Bibliothekar an
einer Bibliothek in einer solchen Stadt in der Absicht, um sich später für
einen akademischen Lehrstuhl der Alterthumskunde habilitiren zu
können.
Zu solchem Behufe erlaubt er sich nachfolgend seine gemachten
Studien in einem Curriculum vitae kurz zu erörtern mit dem Beyfügen, daß er
sich zu einer etwaigen Verwendung an einer Bibliothek durch eine zweyjährige
Bedienstung an der Universitätsbibliothek zu Gießen
als Sekretär die zureichende Qualification erworben zu haben glaubt.
C. Ahn Dr. philos.
Mainz, am 11. Febr. 1853