Johann Friedrich Schulte an Leo Thun
Prag, 22. Dezember 1859
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Regest

Der Jurist Johann Friedrich Schulte informiert Leo Thun, dass er die Akten bezüglich der Reorganisierung des Domkapitels Altbunzlau direkt an das Ministerium gesendet hat. Er bedankt sich bei Thun für das in ihn gesetzte Vertrauen und betont, dass er Thuns Aufträgen immer die höchste Priorität gab und sie über seine sonstigen Amtspflichten stellte. Schließlich empfiehlt Schulte zwei seiner ehemaligen Schüler und bittet diese zu unterstützen. Für Karl Czyhlarz bittet er um eine außerordentliche Professur für Römisches Recht in Graz oder – falls dies nicht möglich sei – um eine Förderung bis zum Erhalt einer anderen Stelle. Für Antonin Randa erbittet Schulte ein Stipendium.

Anmerkungen zum Dokument

Schlagworte

Edierter Text

Hochgeborner, Hochzuverehrender Herr Minister!
Euere Excellenz!

Gleichzeitig mit diesem Briefe sende ich an ein hohes k.k. Ministerium direct 1. den Bericht nebst Endanträgen der Commission zur Reorganisirung des Altbunzlauer Kapitels in einer Originalausfertigung, 2. die Zuschrift des Hochgeehrten Cardinals an mich und Abschrift des Berichts der Commission an Seine Eminenz, 3. meinen Bericht an das hohe Ministerium. Ich sende diese Stücke direct, weil ich es im Interesse der Sache finde, damit die Absendung der Anträge Seiner Eminenz nicht zu lange auf sich warten lasse und damit, wenn die Sachen vorher durch die Statthalterei gehen, da es bekanntlich vorkommt, daß solche Dinge zur Kenntnis Unberufener kommen, nicht auf Verschleppung und dgl. intriguirt werden könne. Euerer Excellenz kann ich die offene und wahrhaftige Versicherung geben, daß ich nicht geglaubt habe, daß jemals eine solche Willkürwirthschaft auf kirchlichem Gebiete in den letzten Jahrhunderten stattgefunden als in dieser Sache, was freilich nur durch die Nachlässigkeit der weltlichen Behörden möglich wurde. Man ist mit der Probstei schauerlich zu Werke gegangen. Was die Commission gefordert, davon bitte ich Euere Excellenz herzlich und demüthig, auch nicht um ein Haarbreit abzugehen; denn das kommt ihr unbedingt zu. Ich habe, das kann ich offen sagen, mich dieser Sache mit ganzer Seele hingegeben, alle Zeit darauf verwendet, so daß ich von der Erlaubnis, die Bibliothek in Wien zu benutzen, fast keinen, von der die hiesigen Manuskripte im Hause zu benutzen, noch gar keinen Gebrauch gemacht habe. Ich werde glücklich sein, wenn Euere Excellenz die Ansicht gewinnen, daß ich meine Aufgabe gewissenhaft und vollständig gelöst habe. Daß ich die Leitung nicht ostensibel, sondern nur faktisch in meine Hand genommen, mußte ich thun, wenn anders die Sache nicht vielleicht zwei bis drei Jahre dauern sollte. Es bleibt mir zum Schlusse nur die angenehme Pflicht, Euerer Excellenz auch privatim nochmals meinen wärmsten und innigsten Dank für das in mich gesetzte Vertrauen um so lieber darzubringen, als ich dadurch nicht nur in einer Zeit, wo in der That Alles darauf ankommt, daß die Beamten unter der unseeligen modernen Staatstheorie vor allem sich bewußt werden, daß die Gewalt von Gottes Gnaden dem Monarchen zu eignem Rechte zusteht und an Ihm hängen, Gelegenheit fand, indirect Seiner k.k. Apostolischen Majestät unmittelbar zu dienen, sondern auch Euerer Excellenz meine stets gleiche persönliche Liebe und Anhänglichkeit dadurch am Besten zu beweisen, daß ich Hochderen Aufträgen nachzukommen über jede andre Leistung setzte, welche ich neben meinen directen Amtspflichten hervorzubringen vermag.
Gestatten mir Euere Excellenz gnädig, bei dieser Gelegenheit auf meinen Brief vom August l. Jahres zurückzukommen und für Dr. Czyhlař und Dr. Randa eine herzliche Bitte anzubringen. Ersterer dozirt jetzt im 4. Semester mit dem besten Erfolg. Es ist bei unsern Verhältnissen unmöglich, daß ein Privatdozent ein Obligatcolleg neben einem Fachprofessor zu Stande bringe; in einem andern Semester hört es Niemand, Spezialcollegien nur sehr Wenige. So muß ein solcher rein aus Eignem leben. Das stößt zurück und wird uns die Leute entziehen. Auch Dr. C[zyhlař] arbeitet auf meinen eignen Rath nebenbei seit Herbst als Praktikant beim Bezirksgerichte, was ihm gewiß sehr gut ist, aber auf die Dauer die nöthige Muße raubt. Wäre es denn nicht möglich, ihm in Gratz [Graz] eine außerordentliche Professur für römisches Recht zu geben? Oder, falls das noch nicht geht, ihm z. B. 300 fl Gratifikation zu geben, solange bis er eine erhält? Das kommt in Preußen oft vor und war ja auch schon zu Prag der Fall. Ihn zum Examinator zu machen – für welchen Fall er sicher Obligatcollegien zu Stande brächte – kann ich nach meinen früher ausgesprochenen Grundsätzen nicht rathen, obwohl ich deren Unrichtigkeit aus dem Grunde selbst bekenne, daß bei uns Advokaten fungiren, die auch kein Staatsamt haben.
Was Dr. Randa betrifft, so wiederhole ich nochmals die Bitte um Verleihung des Stipendiums. Es wäre schade, eine solche Kraft der Universität entgehen zu lassen. Ein Jahr Muße – er ist Actuar – wird seine Bildung nach der Natur der Sache unendlich fördern. Mit Rücksicht auf unsere Geldverhältnisse möchte ich aber bitten, ihm mindestens 600 fl ÖW anzuweisen und zwar auf einmal, damit er den günstigsten Moment zum Einwechseln benützen könne.
Entschuldigen Euere Excellenz gnädigst meine Freiheit und geruhen entgegen zu nehmen die Versicherung unbegrenzter Hochachtung, Verehrung und Anhänglichkeit, womit zeichnet

Euerer Excellenz

gehorsamster Diener
Dr. J. F. Schulte

Prag, den 22. Dezember 1859