Bernhard Jülg an Leo Thun
Krakau, 20. April 1855
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Regest

Der Philologe Bernhad Jülg nimmt zu den Anschuldigungen Thuns Stellung, er habe mehrfach und heimlich politische Artikel an die Allgemeine Zeitung in Augsburg gesandt. Jülg gesteht, dass er einige wenige Artikel und Notizen an die Zeitung eingesandt hat. Als Grund gibt er an, dass er damit seine offenen Bücherschulden bei Cotta begleichen konnte. Allerdings bestreitet Jülg, jemals politische Artikel verfasst zu haben, auch habe er seine Tätigkeit nie verheimlicht. Der Landespräsident von Krakau, Graf Mercandin, habe ihn vielmehr vielfach darin bestärkt, Korrespondenzen und Beiträge zu verfassen, ja er habe teilweise beinahe im Auftrag von Mercandin geschrieben. Er sagt, dass er jedoch auf Anraten eines Freundes bereits vor der Aufforderung von Thun mit dem Schreiben von Artikeln aufgehört hatte. Jülg hofft, damit alle falschen Anschuldigungen gegen ihn erklärt zu haben und versichert Thun, nie wieder ohne Erlaubnis für Zeitungen schreiben zu wollen. Außerdem versichert er Thun, dass sich an seiner Gesinnung und seiner Einstellung nichts geändert habe. Zuletzt äußert sich Jülg zuversichtlich, dass sich in seiner Heimat bestimmt einige Gymnasiallehrer für Österreich finden werden.

Anmerkungen zum Dokument

Schlagworte

Edierter Text

Hochgeborner Herr Graf!
Hochgebietender Herr Minister!

Durch das Schreiben Eurer Excellenz vom 17. dieses Monats1, welches Graf Mercandin mir sofort einhändigte, ist die tiefe Verehrung und Bewunderung, die ich aus innerstem Herzen stets für Hochdieselben gefühlt habe, wenn möglich noch gesteigert worden. Ich kann Nichts thun, als Eurer Excellenz für das darin so lebhaft ausgesprochene Wohlwollen meinen wahrhaftigsten und bleibenden Dank aussprechen.
Daß ich hier und da seit etwa einem Jahre, aber äußerst spärlich und selbst gegen mein Gefühl, einzelne Notizen an die Allgemeine Zeitung nach Augsburg gesandt habe, hat seine Richtigkeit. Nur nach wiederholter Bitte habe ich es jedoch gethan und zwar um eine Bücherschuld abzutragen für aus Deutschland direct nach Lemberg bezogene Bücher, die ich bei dem damaligen Stande der Buchhändlerverhältnisse in Lemberg weit wohlfeiler direct bezog. Um diese Schuld eher abtragen zu können, lud mich die Cotta’sche Buchhandlung ein, ihr einzelne Notizen und wissenschaftliche Besprechungen zuzusenden, wozu ich mich denn endlich entschloß, so sehr es, ich gestehe es unumwunden, meinem Gefühle widerstrebte. War die Schuld getilgt, so hörte die Sache von selbst auf. Von Politik und dergleichen Dingen, die mir gänzlich fremd sind, kam aber in meinen Correspondenzen nie eine Silbe vor, es waren meist culturhistorische und unverfängliche Tagesnotizen. Von einer Verheimlichung aber kann vollends keine Rede sein, da einmal meine Briefe direct an Dr. Kolb in Augsburg gingen, und dann es in Krakau vielen Personen bekannt war. Ich wurde namentlich von unserm Herrn Landespräsidenten, Grafen Mercandin, wiederholt darin bestärkt, einzelnen falschen hier herrschenden Ansichten entgegenzutreten und im Interesse der Regierung zur Aufklärung beizutragen, wobei er mich wiederholt versicherte, daß es der Regierung nur erwünscht sein könne so zu wirken. Einzelne Sachen sind geradezu in seinem Auftrage verfaßt, so ist z.B. der Artikel über die Trennung Ost- und Westgaliziens in der außerordentlichen Beilage zu Nr. 165 der Allgemeinen Zeitung vom 14. Juni 1854 nur nach reiflicher Besprechung mit Graf Mercandin und in seinem Einvernehmen und speciellen Auftrag geschrieben, und so Anderes nach seinen Ansichten. Und gerade dieser Umstand, nach den Wünschen des hier hochverehrten Landespräsidenten zur Aufklärung hierlands und in weitern Kreisen herrschender falscher Ansichten beizutragen, das Bewußtsein und im Sinne der Regierung zu schreiben, milderte etwas jenes widerstrebende Gefühl, das ich gegen Zeitungscorrespondenzen überhaupt hege. Doch muß ich nochmals sagen, daß die Correspondenz äußerst spärlich war. Wie aber unter den obwaltenden Umständen die Ansicht entstehen konnte, daß der Regierung Etwas verheimlicht würde oder daß ich meine Mittheilungen auf anderm als dem geraden Wege ins Ausland habe gelangen lassen, das ist mir räthselhaft. Ich habe nie Etwas geschrieben, das nicht Jedermann lesen könnte, noch wurden meine Schreiben anders als gewöhnlich expedirt. Ohne nähere Angabe bleibt es mir unmöglich dieses offenbare Mißverständnis aufzuklären. Es wäre mir ein wahrer Stein vom Herzen, wenn ich Euer Excellenz diesen Verdacht aufklären könnte; nicht den leisesten Schatten eines solchen möchte ich in Ihren Augen haben. Könnten Euer Excellenz mir hierüber Andeutungen geben, so würde ich sofort die tröstende Beruhigung haben, dies thun zu können.
Indeß wurde mir vor ungefähr 6–8 Wochen von befreundeter Seite mitgetheilt, daß man das Correspondiren überhaupt nicht gerne sehe, und auf der Stelle hörte ich auf; seit jener Zeit ist keine derartige Zeile mehr geschrieben worden und wird auch nie mehr eine von mir geschrieben werden. Auch ohne Eurer Excellenz hochverehrtes Schreiben war seither das ganze Verhältnis abgebrochen. Auch dem Grafen Mercandin theilte ich damals diesen Entschluß mit. Und so wiederhole ich heute auch vor Eurer Excellenz das feierlichste Versprechen, nie mehr eine Zeile in ein anderes als wissenschaftliches Blatt zu schreiben. Die Versicherung aber bitte ich Euer Excellenz huldvollst entgegen nehmen zu wollen, daß meine Gesinnungen und Überzeugungen stets dieselben gewesen sind und unwandelbar bleiben werden, wie Hochdieselben sie aus den Schilderungen meines greisen Freundes, des hochwürdigen Erzbischofs von Freiburg, kennen.
Das sind die Verhältnisse, die ich Eurer Excellenz mit aller Offenheit darlege, würdig des Vertrauens und Wohlwollens, das aus jedem Worte Hochderselben in Ihrem Schreiben spricht. Die Gefühle der Verehrung und des Dankes, die so lauter und innig von jeher für Euer Excellenz in meiner Brust schlugen, sind dadurch unbegränzt geworden.
Was die gesuchten Gymnasiallehrer betrifft, so bin ich überzeugt, daß außer den bereits Eurer Excellenz genannten sich nochmehr tüchtige Kräfte finden lassen, wenn es Hochdieselben nur wünschen.
Mit dem Ausdruck der tiefgefühltesten Verehrung verharre ich

Eurer Excellenz dankbarster
B. Jülg

Krakau 20. April 1855