Gregor Zeithammer, Gymnasialinspektor für Böhmen, übermittelt seine Vorschläge in der Diskussion um die Änderung des Gymnasiallehrplans. Sein Vorschlag weicht von seiner letztjährigen Ansicht, als er sich dem Gutachten Franz Effenbergers angeschlossen hatte, etwas ab. Grundsätzlich schlägt er eine Vermehrung der Lateinstunden im Untergymnasium auf Kosten des Unterrichts in den Landessprachen, der Mathematik und der Naturgeschichte vor. Für Naturgeschichte und Physik schlägt er eine alternative Verteilung vor. Griechisch soll im bisherigen Ausmaß unterrichtet, Mittelhochdeutsch fortan bloß an den Universitäten gelehrt werden.
Euere Excellenz!
Obwohl ich meiner Pensionirung entgegensehe und fortwährend kränkle, so
interessirt mich doch sehr die Debatte über den Lehrplansabänderungsentwurf, und
es drängt mich in Beiliegendem auch meine Stimme darüber abzugeben.
Sie ist
etwas abweichend von dem Gutachten Effenberger’s, dem ich mich vom Urlaub im vorigen Juli
zurückkehrend einfach anschloß, obgleich ich den Entfall des geometrischen
Anschauungsunterrichts und der Naturwissenschaften im Untergymnasium bedauerte.
Mich beruhigte, daß principiell am gegenwärtigen Plane festgehalten wurde, wenn
man gleich die Übelstände der Ausführung anerkannte.
Nach meinem Vorschlag
gewinnt das Latein in jeder Classe 1 Stunde, in der 4. wegen der wichtigen und
schwierigen Tempus- und Moduslehre 2 Stunden, zusammen 9 Stunden. Dagegen
verlieren aus den dort angegebenen Gründen die Landessprachen 1 Stunde, die
Mathematik 1 Stunde und die Naturgeschichte 1 Stunde – geometrische
Anschauungslehre und Naturwissenschaften im Untergymnasium bleiben, letztere in
etwas veränderter Anordnung, wodurch zugleich der Wechsel der Lehrer in der 3.
Classe entfällt, da jetzt nach dem I. Semester der Naturhistoriker 2 Stunden
weniger und der Physiker mehr hat – ein Übelstand bei der Vertheilung. Die zwei
mathematisch-naturwissenschaftlichen Lehrer haben dann genau 40 Stunden, in die
sie sich gut theilen können, anstatt, daß sie nach dem Entwurf auch noch andere
Fächer übernehmen müßten. Das Griechische bleibt unberührt, was sehr zu wünschen
ist. Das Mittelhochdeutsche mag namentlich in Ländern mit gemischter Sprache
ganz entfallen; es gehört eigentlich auf die Universität für Candidaten der
deutschen Sprachwissenschaft.
Das sind Ansichten, mit denen ich mich schon
lange herumtrage und die ich hie und da in den Äußerungen wiederfinde;
vielleicht daß Euere Excellenz etwas darin einer Beachtung werth finden.
Genehmigen den Ausdruck unbegrenzter Dankbarkeit und Verehrung, womit ich
die Ehre habe zu geharren.
Euer Excellenz
unterthänigster
Gregor Zeithammer
Prag, am 5. April 1858